Ordentlich essen …
Vergangene Woche war „Das Perfekte Dinner” für mich zu gucken Pflichtprogramm, weil eine – mir bekannte – Berliner Bloggerin die Runde bekochte. Frau Bunt kocht sortierte sich fachmännisch in eines der SpinOffs dieses Formates – hier: „Wer ist der Profi?” – ein und sorgte hier und dort für etwas Stimmung in einer ansonsten eher unterkühlten, fast langweiligen Runde.
Frau Bunt kocht hatte ein interessantes Menü gewählt, was insofern sehr mutig war, weil im Grunde von Anfang an sicher war, dass man damit nicht gewinnen kann. Denn sie servierte eine Roulade vom Havelländer Apfelschwein. Und diese bestand vorrangig aus dem Kopf eines Schweins.
Na, da war was los!
Schon hatten wir wieder die typische allerfeinste Bigotterie der deutschen Ernährungskultur vor einer Kameralinse versammelt. Gestandenen Männern rutschte das Herz in die Hose, die teilnehmende ansonsten vegan lebende Teilnehmerin (die fairerweise für diese Runde „ja” zum Fleischgenuss sagte), schob erstmals ihre Schwangerschaftsübelkeit als Argumentationshilfe über den Tisch (konnte sonst interessanterweise an dem Abend alles andere essen) und die Kommentare im Internet, die ich ganz gerne parallel zur Ausstrahlung mitlese, echauffierten sich auch nicht unerheblich.
Schweinekopf.
Kopf vom Schwein! Was für eine Zumutung! Aber um beim schönen Wort des Angriffes zu bleiben: tatsächlich wurde niemandem zugemutet, überhaupt einen ganzen Schweinekopf zu sehen. Frau Bunt kocht hatte ihn bereits ausgelöst und zerteilt vom Metzger erworben, es lagen nur sein Fleisch, Haut und Fett auf dem Küchenbrett. Die beim befreundeten türkischen Supermarkt in der Fleischauslage zu sehenden abgezogenen Lamm-Köpfe haben da deutlich größeres Realitätspotential. Alle Zutaten wurden von der Köchin als Rolle geformt gekocht, später paniert und gebacken als eine Rouladenscheibe serviert. Im Grunde eine Art Pfälzer Saumagen – nur ohne Hülle aus Magen. Wer Sülze isst, hat schon visuell Unappetitlicheres auf dem Teller gehabt.
Man konnte oder wollte die Vorspeise geschmacklich nicht so recht goutieren. Dem einen Gast – später als tatsächlicher Profi enttarnt – war die Vorspeise nicht lange genug gekocht. Allerdings hatte die Köchin auch deutlich weniger Zeit für die Zubereitung ihres Menüs (drei Stunden) als uns das Format (einen Tag lang) gerne glauben machen möchte. Die anderen waren immer noch so schockiert über die Zumutung, Fleisch vom Schwein serviert bekommen zu haben und haben sich schon vorher so in Abneigung gesabbelt, dass das Urteil über diesen Gang im Grunde vorher schon feststand.
Natürlich ist in einem solchen TV-Format das, was der Zuschauer sieht in einem großen Maß vom Schnitt abhängig. Aber den kann man natürlich auch nur dann übertrieben offerieren, wenn vorher überzogene Inhalte zur weiteren Verwendung gedreht werden konnten. Und in diesem Zusammenhang waren sich die Gäste nicht zu fein, am Schweinekopf angemessen vor der Kamera zu eskalieren. Diese überzogene Affektiertheit und Aufregung rund um die Tatsache, dass man einen Schweinekopf essen solle; eine Zutat, die einem in jeder fein passierten Wurst schon längst auf die Stulle gelegt wurde? Boah, jeht mir wech damit!
Mich nervt, wie wir hierzulande einen ganz großen Anteil von einem Tier, was wir alleine für unsere Leibeslust schlachten, nicht auch ganz verwerten. Wirklich. Einmal im Jahr liegen hier bei meinem Supermarkt um die Ecke tatsächlich Schweineschwanz, Schweineohr oder nur Schweineschwarte in der Auslage. Und die könnten dort vergammeln. Es wird einem quasi hinterher geworfen. Selbst Leber, ob man die nun essen mag oder nicht, ein früher in Berlin absolut gängiges Tagesgericht, muss man mittlerweile extra vorbestellen. Vermutlich wissen Kinder heute gar nicht mehr, dass Tiere auch Nieren besitzen. Das ist doch nur noch lächerlich!
Man muss Schweinekopf nicht selbst zubereiten oder lieben. Aber wie man sich vorher schon – vor dem eigentlichen Versuch – dagegen aussprechen kann, dass man von dem gleichen Tier, dessen Filet man liebt, den Kopf als eklig ablehnt? Ohne überhaupt schon die Art der Zubereitung zu kennen? Da muss es einem wirklich über alle Maße viel zu gut gehen.
Um dann übrigens, und ich behaupte, dass ist die eigentliche Krönung der übersatten Dekadenz, im nächsten Gang die Schweinsbacke wieder total lecker zu finden! Denn es gab „Sous Vide Wammerl – geschmorte Backe – Rotkohl” als Hauptgericht. Und nun überlegen wir alle mal, wo bei einem Schwein die Backe sitzt?
Schweinsbacke – aus dem Schweinskopf entnommen – war völlig okay. Der Schweinskopf den Gästen als Schweineroulade serviert ohne vorherige verbale Kopfandeutung wäre vermutlich auch sehr okay gewesen, hätte vielleicht sogar (bei ausreichender Zubereitungsdauer) Begeisterungsstürme ausgelöst. Fleischpampe kann man dem Deutschen immer gerne servieren, solange er nicht weiß, was da drinnen ist, nicht wahr?
Das ist doch verlogen. Und doof!
Ansonsten gab es in dieser Woche bei den tollen Köchen mit den (höchstwahrscheinlich) auf Raten gekauften Pathologie-Style-Küchen an Nespresso-Deko (darüber komme ich erst einmal nicht weg) viel Schäumchen. Schäumchen hier und Schäumchen da. Die hehre Kunst des deutschen Hobbykoches verdeutlicht sich vor allem in dieser neuen Zeit nicht an der Wertschätzung des von ihm verwendeten Fleisch im Ganzen des – für die TV-taugliche Präsentation der kostbaren Messersammlung – gestorbenen Tieres, sondern offensichtlich an des Koches seines Lecithin-Vorrats und blasierten Umgang damit. (Dieser Satz ist weniger wirr als er beim ersten Lesen scheint und ich bin ein bisschen stolz auf ihn).
Ich mag Schäumchen nicht mehr. Visuell war Schäumchen für mich eh immer nur der Spülrückstand auf einen schlecht gespülten Teller mit meist nur zu vermutendem Geschmack und somit nur halb attraktiv. Aber diese aktuelle Fluktuation von Schäumchen ist mir nun wirklich zu viel. Da habe ich lieber ein ordentlich konzentriertes Petersilienöl auf dem Teller als schmeckendes Schmuckstück.
Darf ich einen kleinen Hinweis geben? „Schäumchen” ist mittlerweile das, was als Balsamico-Reduktion als Teller-Gemälde schon vor zehn Jahren out war. Somit: für mehr Eisbein, Schweinekopf und echten Espresso aus der Carmencita.
Und hört verdammt noch mal auf, Euch vor Schweinsmägen zu gruseln: das Tier ist für Euch gestorben! Und zwar im Ganzen, nicht nur in von Euch geliebten Einzelteilen!