2015-09-29

Berlinmarathon 2015 – Streckenposten

Mein drittes Jahr hier in der Wohnung, die direkt an der Marathonstrecke liegt. So stand ich Sonntag etwas früher auf, sorgte für Kaffee (für mich und Nachbarn), Cola und Bananen (Marathonläufer) und stellte mich mit einem Stuhl an die Strecke – natürlich nicht ohne meine „Wir-sind-Weltmeister-Fanmeilen”-Handklatsche und der Klatsche, die die Nachbarin und ich neulich auf dem Flohmarkt an den Prinzessinnengärten aus einer „zu verschenken”-Kiste abgriffen für genau solche Marathon-Zwecke.

Ich traf auf zwei meiner Nachbarn, die in der Nebenstraße wohnen und im Laufe der Zeit sammelten sich die üblichen nachbarschaftlichen Verdächtigen um uns herum. Wir jubelten, riefen vereinzelte Namen oder ganze Ländernamen, wenn erkennbar und pushten die Leute mit „Ihr seid die Besten”, „Ist nicht mehr lange …” (bei Kilometer 14) oder „Ihr schafft das!” Erstaunlich viele Läufer hatten eben bei Kilometer 14 noch genügend Energien, um zurück zu winken, zu rufen, zu klatschen. Isch könnt' dat ja nisch'! Ein Läufer telefoniert per Freisprecheinrichtung. Kurz: wir hatten unseren Spaß! Und ich kann Euch nicht oft genug sagen, wie sehr ich mich darüber freue, dass die nachbarschaftlichen Verhältnisse hier so schöne sind!

Ich hatte mit einem mitlaufenden Blogger verabredet Bananen und Cola für ihn bereit zu stellen, die Übergabe hat auch prima geklappt. Und da ich natürlich nicht nur eine Banane bzw. einen Becher Cola hatte, konnten wir die Sachen noch mit mehreren Läufern teilen. Das war schön, die Leute aktiv – neben den Zurufen – zu unterstützen in ihrem Lauf. Und einige schienen wirklich froh darüber zu sein.

Das Wetter war wieder einmal toll, für die Läufer kühl. Für uns Beistehende vielleicht zwei Grad zu kühl. Dafür schien die Sonne und wir hüpften an unserem Standort immer zwischen Sonnen- und Schattenpunkten hin- und her.

Sehr beeindruckend ist immer die Spitze der Läufer. Kaum sind sie um 9:00 Uhr gestartet, sind sie schon auf unserer Höhe. Anders besonders, oft ein Stück weit mehr sogar, aber beeindrucken mich andere Teilnehmer. Wenn man Menschen mitlaufen/-fahren sieht, die ihre Rollstühle mit einem Arm nur bedienen können, weil es ihr einziges funktionierendes Gliedmaß ist, das erdet ungemein. Das Paar, das gemeinsam läuft. Er im Rollstuhl, so behindert, dass er wirklich nicht aktiv teilnehmen könnte, sein Partner, der ihn im Laufen schiebt und hinten auf seinem Shirt lapidar zu stehen hat: „He ain't heavy.” (Doch ja, da „hachzt” es in einem janz schön dolle!”

Wie neulich schon beschrieben, bleibe ich sehr gerne und aus Gründen dort bis zum Ende stehen. Also bis die Busse den letzten vereinzelten Läufern folgen. Denen jubeln nur wenige Menschen zu – obwohl sie es genauso verdienen, vielleicht sogar noch mehr; denn ihnen sieht man den Kampf besonders deutlich an.

In der Schlusstruppe dieses Mal ein Mann, ein alter Mann, ein sehr alter Mann. In der Literatur umschreibt man solche Männer üblicherweise als Greise. Vor ihm sind schon einige Menschen im Mittelfeld an uns vorbei gelaufen, die ganz deutlich bereits mehr als sechs Jahrzehnte gelebt haben. Aber dieser Mann war sehr besonders, er war sichtbar sehr von Arthritis geplagt. Das sah man an seinen Händen, an der Haltung seines rechten Armes, die ganze Art wie er lief. Es fiel ihm sichtlich schwer – aber er lief.

Da denkt man als bequemer Couch-Potatoe, die ich ausdrücklich auch bin, natürlich, warum tut er sich das überhaupt an? Und man denkt sorgenvoll, was, wenn er nun der Strecke bleibt? Kollabiert? Exitus? Haben wir bei diesem Event alles schon gehabt. Ich weiß noch, wie vor einigen Jahren ein wirklich alter Teilnehmer auf der Strecke verstarb. Damals dachte ich, „was für ein Wahnsinniger!”. Und irgendwas mit, ist selbst schuld, das hat er jetzt davon. Hätte doch noch so ein schönes Leben haben können.

Ich habe es aber dieses Mal angesichts diese Läufers endlich verstanden, denn im Grunde machte dieser Mann dort alles richtig. Er hat sich ein Ziel geschaffen, was, in einem so hohen Alter vermutlich nicht die verkehrteste Lebensweise ist: sich noch Ziele für sich setzen und dafür bzw. daraufhin zu arbeiten. Das ist gut und genau richtig so. Der Mann schafft sich so einen Alltag, trotz seiner gesundheitlichen Behinderung, der ihn davon abhält eben auf einem Sofa oder in einem Pflegeheim auf sein Ende zu warten. Und: er treibt Sport. Weiß jedes Kind, wer lange „jung” und halbwegs fit bleiben möchte, sollte das irgendwie tun. Geht er mit so einer radikalen Sportart womöglich einem früheren Ende entgegen? Vielleicht. Wer weiß das schon. Und selbst wenn? Wenn ich mit 80 die Chance habe in einem Pflegeheim nach jahrelangem Siechtum endlich zu gehen oder in Berlin gefühlt zu früh auf der Marathonstrecke? Welche Variante würde ich wohl für mein Leben wählen wollen?

Welche würdet Ihr wählen?

2015-09-28

Was mein Copy-Shop mit der Vorratsdatenspeicherung zu tun hat

Mein bevorzugter Copy-Shop ist der in der Dresdener Straße nahe am Kotti. Das ist übrigens auch der Lieblings-Copy-Shop von vielen anderen meiner Mitmenschen, weswegen er sehr oft sehr unangemessen voll ist. Aber dort kann sich nun wirklich keiner über Rentner beklagen, die erst um siebzehn Uhr oder früher oder später zum Copy-Shop gehen, das verbietet der ewig junge Altersdurchschnitt (selbst wenn ich die heiligen Halle betrete) und deshalb halten alle die Klappe, stellen sich an und warten brav.

Die Mitarbeiter in dem Copy-Shop haben grundsätzlich die Ruhe weg und für ein sehr illustres analoges Unterhaltungsprogramm sorgen allerlei illustrierte oder verbale Verhaltenshinweise an den damit komplett zugeklebten Wänden im oberen und natürlich auch unteren Humorniveau, die inhaltlich prima untermalen, dass das sich Beschweren in diesen heiligen Hallen verhältnismäßig ungern gesehen und daher eh strengstens ignoriert wird. Tatsächlich muss ich aber sagen, ist dort die Trefferquote im Humoristischen selbst für mich erstaunlich hoch. Es ist viel typischer Berliner Humor dabei. Ausgeschrieben.

Für den Laden sprechen somit letztendlich nicht nur die angenehm günstigen Preise, sondern seine Berliner Schnauze.

Neulich war ich dort wieder einmal vor Ort und orderte drei Farbdrucke. Ich war früh am Tag dort, es war erschreckend leer, was mich fast ein bisschen aus meiner Umlaufbahn warf. Da trat ein junger Mann in den Laden und erklärte dem Mitarbeiter am Tresen, er habe neulich beim Kopieren vor Ort seinen USB-Stick vergessen. Der Mitarbeiter nickte mächtig unbeeindruckt, ging in den hinteren Ladenbereich, kehre mit einer Kartonhälfte in DinA3-Größe zurück (diese Art Deckel, wie sie von den Umverpackungen von Kopierpapier abzuheben sind), der über und übervoll mit USB-Sticks und Speicherkarten jeder Farbe, Hersteller, Couleur und vermutlich auch Speicherkapazitäten war. Der Mitarbeiter sprach ganz gelassen: „Wenn Du ihn da wieder findest, kannste ihn mitnehmen.”

Der junge Mann wühlte und suchte und meinte dann verdrießlich „Nee, is‘ wohl nich.” Und ging. Während ich zurück blieb und noch leicht fassungslos auf diese Kiste starte und kapiert habe, warum den meisten Menschen in Deutschland ihre persönlichen Daten, und was die Regierung mit ihnen anstellt, völlig egal ist.

Es ist ihnen einfach völlig egal!

2015-09-26

Berlinmarathon

Zwei Dinge haben mich im letzten Jahr beim Berliner Marathon ganz besonders berührt:

Die Menschen, die die Strecke in Rollstühlen bzw. Handbikes bestreiten. Die starten bereits um 8.35 Uhr und leider stehen dann doch viel zu wenige Menschen schon an der Strecke, um sie anzufeuern.

Die Menschen, die Kilometer 15 (wo ich meist stehe, kurz vorm Moritzplatz) erst zum frühen Nachmittag sich errennen. Quasi die letzten Läufer vor den Müllautos sind, weil nach ihnen die Strecke bereits wieder freigegeben wird. Das sind die echten Kämpfer! Auch denen rufen leider nur noch sehr wenige Zaungäste zu und supporten sie.

Also … kommt früher, geht später! Das Wetter wird morgen übrigens gut, etwas frisch aber den ganzen Tag über soll die Sonne scheinen. Das ruft wieder nach Weltrekorden.

Aber die echten Rekorde laufen die, die ihre Schilder hochhalten mit Messages wie „XYZ Jahre Krebsfrei.”

2015-09-25

Mein Style

Im Kinderkanal gibt es einen „The Great British Sewing Bee”-Ableger für Kinder. Heißt dort „Mein Style” – und jedes Mal, wenn ich bei dem Format versehentlich rein zappe, bleibe ich dort hängen. Da sind – adrette bis fürchterlich hübsch telegene – Kids zwischen 10-16 Jahren, die in einer Woche täglich Näh- und Stylingaufgaben bewältigen müssen. Und das dann tun. Und wie sie das tun! Bewertet wird von einer dreiköpfigen Jury, deren Kommentare dem Niveau der Leistungen dieser jungen echten Nähtalente inhaltlich nicht annähernd gerecht werden. Dafür sind sie jung, wenn auch deutlich älter als die Kandidaten und sie tragen stylische Sachen (Mädels) oder wirken leicht hipstermäßig ungepflegt (Junge).

Natürlich ist dem Format das übliche „Pimp My Social Skills”-Bildungsprogramm beigefügt. Die Kids haben sich untereinander total lieb, helfen sich immer begeistert gegenseitig, und finden sich und die Arbeit der anderen ganz toll und keiner will gewinnen, weil eigentlich doch alle gewinnen müssen. Typische US-TV-Konzept-Scheiße. My As!

Das Mädchen, das für alle Kandidaten einen „Soll-Glück-bringen-Hipster-Schnauzer” genäht hat, macht dann natürlich auch das Rennen. (Das „natürlich” in diesem Satz ist zu 90 Prozent verdammt unfair, denn dieses Mädel kann einfach fantastisch nähen und kreieren.)

Wenn die Kids gestylt und genäht und somit ihre Tagesaufgabe erfüllt haben – und das tun sie alle mit einer Kompetenz, hinter der ich mich locker verstecken und mich sehr klein machen muss – dann führen junge Modelle deren Mode auf dem Laufsteg vor und tun dabei so, wie sie glauben, als Modell auf dem Laufsteg tun zu müssen. Das ist einerseits herzallerliebst anzusehen, weil sie dann doch stellenweise sehr unbedarft bis ungelenk rüberkommen, andererseits lässt es einen fast weinen, denn die Modells, vor allem die weiblichen, sind so dünn. Also: soooo dünn. Einerseits ist das verständlich, denn Mädchen vor der Pubertät sind nun mal kurvenlos. Aber es gibt auch Mädchen vor der Pubertät, die andere Lebensziele haben als mit Size-Zero durch's Leben zu gehen. Die auch das Recht haben, stylish benäht zu werden und diese Mode dann im Fernsehen vorführen zu dürfen.

Die Gewinnerin darf sich über 500,— Euro freuen und auf einen Besuch bei der Berliner Fashion Week. Als Hauptgewinn aber gilt, dass sie nun künftig die erste KiKA LIVE-Fashion-Bloggerin sein darf.

Deutsche TV-Sender loben also als Hauptpreis aus, dass Kinder in ihrem Namen bloggen dürfen. Ich überlege seit gestern nun, ist das jetzt besonders schlau oder besonders doof oder besonders asozial oder nur ganz besonders von gestern?

Hier kann man sich das gestrige Finale mit drittklassiger „Live-Performance” einer der Jurorinnen ansehen. Die teilnehmenden Kandidatinnen und Kandidaten können wirklich etwas. Der Rest? Ich habe da meine Zweifel.

2015-09-24

Obst in Essig

Dieses Jahr habe ich erstmals Obstessige selbst angesetzt. Stachelbeere. Blaubeere. Sauerkirsche und Erdbeere. Die nächsten Tag wird noch mal eine Runde Pflaumenessig initiiert. Teilweise mit Vanille, teilweise mit etwas Honig bzw. Puderzucker. Angesetzt mit weißem Balsamico. Und das alles Anfang August.

Die Stachelbeeren samt Essig habe ich nun heute mit der Flotten Lotte püriert. Danach fiel mir (auch schon) ein, dass ich ja 'nen Vitamix habe, der das mit viel weniger Abfall deutlich feiner pürieren kann. So habe ich den Blautbeeressig also mit dem Alleshäcksler komplett püriert. Konsistenz: sämig wie Balsamessig – nur ohne ihn eingekocht zu haben. Sehr sehr schön. Ich bin begeistert! Nun habe ich noch ein bisschen Puderzucker dran gegeben, um den Geschmack etwas runder zu machen. Fast so fein wie von meinem Lieblings-Essig-Dealer!

Gerade gemixt: die Sauerkirsche. Da ist dann im Vitamix doch sehr lustig, dass am Anfang der eine oder zweite Kern noch im Geäuse ihre Existenz kundtun. Was sich nach 30 Sekunden auf Stufe 10 aber auch erledigt hat. Keine Ahnung, was so ein bisschen zermahlener Kern in einem Essig anrichtet. Vermutlich ist's der besondere geschmackliche Kick. Sauerkirsche darf sich jetzt setzen, dann mixe ich noch mal auf!

Spannende Sache … auf in die herbstliche Salatsaison!

Kleine Dankbarkeiten

Diese Woche beim perfekten Dinner, Menschen aus Deutschland, die nach Mallorca ausgewandert sind und nun dort kochen. Eine angenehme Truppe, Menschen, die zu den normalen bodenständigen Aussteigern zählen. Ich erinnere da eine andere Formation im gleichen Format als Mallorca schon einmal Thema war vor einigen Jahren.

Dann sieht man natürlich Aufnahmen vom Land, dem Meer, der Natur, Sonnenuntergänge. Alles, was diese Insel so besonders macht, was genau gar nichts mit diesem Ballermann-Klischée zu tun hat. Und ich denke natürlich, die haben es gut, obwohl ich genau weiß, wie wahnsinnig schwer die es teilweise dort haben werden. Denn ich weiß, wie hart der Kampf ist – wenn Du dort nicht mit einem riesigen Polster finanzieller Absicherung im Hintergrund dort Dein Glück suchen kannst. Aber die äußeren Umstände und das berühmte „Tranquillo”, machen Vieles wett.

Und dann bin ich beim Zugucken einfach dankbar, dass sich meine Mutter damals ihren Traum erfüllt hatte und diesen Weg – für einige Jahre – auf die Insel gegangen ist und dort eine glückliche Zeit lebte, von der sie noch bis an ihr Lebensende zehren konnte. Und dass sie nun dort ist.

Alles gut!

2015-09-22

Jungfernfahrt

Hier seht Ihr „Die Theo Lingen” im Sommer nach ihrer Jungfernfahrt am Ufer der Badewiese als sie noch gar nicht „Die Theo Lingen” hieß. Im Hintergrund das Geplätscher der Havel.



Vor dem Boot steht ein sehr geschaffter, müder, aufgeregter, glücklicher Mensch, der mit einer ollen Handy-Kamera dieses Foto schießt. Den seht Ihr nicht.