2022-12-21

Ich bin sauer!

Ich bin letzte Woche für ein Nachbarschaftsprojekt in finanzielle Vorleistung gegangen. Der verantwortliche Mitarbeiter hatte mich gefragt und gebeten, ob ich einen Einkauf noch in diesem Jahr hinbekomme, wegen der Jahresabschlüsse. Habe ich verstanden, habe zugesagt, obwohl ich wusste, es wird solange die ausgelegte Summe nicht an mich zurückfließt, schwer werden für mich.

Geld auslegen berührt in meiner Lebenslage meinen Alltag immer. Und eher nicht angenehm. Und mit einem letzen harten Monat in dem Shiina sehr krank war, alleine wahnsinnig viel Geld in Futter geflossen ist, bis sie wieder etwas fressen wollte und vertragen hatte, berührt es noch einmal sehr. Und in einem Monat Dezember in dem man irgendwie seinen Lieben auch ein schönes Fest gestalten möchte, auch ich, berührt es dringlich sehr.

Aber ich habe zu der Zusage gestanden, habe das Geld vorausgelegt – habe dabei in der Sache dem Nachbarschaftsfonds sogar 30,— Euro eingespart, die nun in andere Projekte fließen können.

Mit dem Einreichen der Rechnung und Unterlagen habe ich mich vor dem zuständigen Mitarbeiter ein Stück weit nackig gemacht und musste darauf hinweisen, wie wichtig mir eine Überweisug noch vor Weihnachten ist. Ja, das hat mir total viel Spaß gemacht. Nichts mache ich lieber! /*ironietag_off

Nein, es geht nicht wirklich um eine hohe Summe – aber unter dem Strich heißt es für mich, dass mir von dem Anteil im Satz bereit gestellten Anteil für Nahrung und Getränke nur noch € 115,82 blieben in dem einen Monat. Bei 20 % Inflationsrate bei Lebensmitteln derzeit. Kann man so oder so funky finden.

Dämlich für mich, dass ich es trotzdem getan habe aber ich tue es, für die Sache. Für die Nachbarn im Ehrenamt. Mache ich gerne. Sitze jetzt aber leider hier und ärgere mich seit gestern Abend.

Auf mein mich-nackig-machen am Donnerstag letzter Woche folgte keine Reaktion. Kein simples „Geht klar, Frau XYZ, haben Sie vor Weihnachten.” Nun kann absolut passieren, dass einem das durchgeht. Für mich aber bedeutet es dennoch aber, ich hänge seit letzten Donnerstag in der Luft, weiß nicht ob ich diese sicher für viele Menschen geringe Summe vor Weihnachten noch im Einsatz haben werde oder nicht. Unsicherheit ist kein sehr schönes Gefühl. Selbstverständlich ließe sich das kompensieren in dem ich keine Lebensmittel vor Weihnachten einkaufe oder Freunde frage, ob sie mir aushelfen könnten. Es ist schlussendlich mein Risiko, das ich eingegangen bin, geschenkt.

Aber ich würde wenigstens Bescheid wissen dürfen!

So fragte ich gestern kurz per Mail nach. Also kurz, wie man es in E-Mails tut auf Mails auf die keine Reaktion erfolgt ist. Mit dem Hinweis, dass ich bis dato kein Geld erhalten hätte und wenigstens eine Rückmeldung schön fände.

Auf diese E-Mail erhalte ich gestern Abend eine Antwort der Vorstandssekretärin, die den betreffenden Mitarbeiter in dessen Urlaub gerade vertritt. Sie teilt mir mit, er hätte die Rechnung umgehend weitergegeben, die Anweisung würde diese (!) Woche umgesetzt. Und das Ganze wäre ja nun innerhalb von fünf Werktagen passiert oder O-Ton: „Heute ist Dienstag, das sind bisher fünf Werktage und ich denke, dass die Bearbeitungszeit vollkommen angemessen ist, auch unter dem Aspekt, dass die B. solche schönen Projekte fördert.”

Sagen wir es so, mein Gefühl, dass sie mein Anliegen als Peanuts betrachtet und sie sicherlich genervt war, sich darum überhaupt kümmern zu müssen, ziehe ich sicherlich nicht aus der Atmosphäre, sondern aus dem Lesen ihres Einzeilers. Ich kann so eine Überheblichkeit nicht ab. Davon abgesehen, dass ich immer noch nicht weiß, ob ich über die ausgelegte Summe vor Weihnachten verfügen kann, kann „… wird diese Woche umgesetzt …” auch erst Freitag heißen. Weiß ich es?

Und Angemessenheit finde ich, wenn jemand seine Situation offen darlegt und gar keine Reaktion darauf erhält, schlicht nicht gegeben. Es ist nicht angemessen, nicht zu kommunizieren. Punkt. Was nicht heißt, dass ich kein Verständnis dafür habe, dass das jemandem vor seinem Urlaub hinten runter rutscht. Passiert. Und trotzdem steht auf der anderen Seite immer noch die eine Person, die nicht informiert wird. Und vielleicht, nur vielleicht aber wäre ein stellvertrendes kurzes „Sorry!” angemessen?

Gar nicht angemessen ist, wenn jemand nochmals nachfragen muss, dass mit solcher Überheblichkeit geantwortet wird. Ob fünf Tage Bearbeitungszeit angemessen sind noch vor Anweisung, kann man dahin gestellt sein lassen. Je nach Position auf der man steht, hätte ich es auch als angemessen finden können, wäre das Geld schon vergangenen Freitag angewiesen worden. Darüber will ich mich gar nicht erst streiten. Mir geht es alleine um das Feedback. Das zuerst nicht erfolgt ist, dann von der Vertretung sehr von oben herab.

Und ich finde auch „… dass die B. solche schönen Projekte fördert.” frech. Offensichtlich hält mich diese Mitarbeiterin für zu blöd als dass ich nicht wüsste, wer die „schönen Projekte” defacto finanziert. Es sind dann doch die Anteilseigener dieser Genossenschaft , die auch auch mit der Zahlung der Mietzinse immerhin im Jahr hier und da kleine Überschüsse produzieren, die nicht in die Dividendenausschüttungen sondern lt. Satzung auch in solche Projekte fließen sollen. Womöglich zahlen die gleichen Leute unter dem Strich sogar das Gehalt dieser Mitarbeiterin. Könnte das sein?

Davon abgesehen, dass mich und alle anderen aktiven Nachbarn natürlich sehr gefreut hat, dass dieses Projekt auf unseren Wunsch hin überhaupt umgesetzt wurde und sogar viel früher als angedacht. Das ist unbenommen, wurde von mir auch an die involvierten Mitarbeiter mehrfach kommuniziert. Uns ist klar, da ist Geld geflossen, Manpower. Aber unterm Strich sind wir Anwohner, die auch solche Projekte finanzieren.

Gerade den Leuten, die sich so engagieren am Ende des Jahres noch einen Tritt in den Allerwertesten zu geben, das kann man machen. Es ist okay. Es mein persönliches Boule-Spiel mit dem bisher in dem einen Projekt gespielt wurde und das Kinder-Boulespiel, das allen zur Verfügung steht, habe auch ich von meinem Geld gekauft und für die Sache spendiert. Aber offensichtlich fehlt in dem Unternehmen – zumindest einigen Mitarbeitern – an dieser einen Stelle die Sensibilität für das das, was manche Anwohner hier leisten für die gemeinsame Sache. Deren Engagement, man hat es in diesem Jahr gemerkt, nachvollziehbar so immer weniger wird.

Nicht zu kommunizieren ist übrigens die Kernkompetenz dieses Unternehmens. Ich habe mich in diesem Jahr bereit erklärt als Schnittstelle zwischen zwei Mieterprojekten und dem Unternehmen zu fungieren – ehrenamtlich – und kann daher ein Lied singen, wie oft Informationen gar nicht, trotz Nachfrage nicht und nach nochmaliger Nachfrage erst fließen. Es übrigens auch keine Reaktionen auf Vorschläge gibt, wie man die Kommunikation vereinfachen/verbessern könnte. Dass mich dieses Ehrenamt zwei Freundschaften in der Nachbarschaft gekostet hat, weil ich nun ein Sprachrohr bin und einige Menschen das offensichtlich nicht getrennt bekommen von meiner persönlichen Person: geschenkt. Aber ja, es bestätigt sich, was immer gilt: Ehrenamt heißt Opfer bringen.

Ja. Es war für uns alle ein schlimmes, ein hartes Jahr. Nach den anderen harten Jahren. Wir haben alle Nerven gelassen. Und ich will dieser einen Mitarbeiterin das auch zugestehen. Aber ich weigere mich, mich mies behandeln zu lassen und mich für meinen Einsatz noch blöd anmailen zu lassen. Der Sack ist zu. Es ist so typisch, dass die Menschen, die sich einbringen (und dafür ja nicht einmal ein Dankeschön erwarten) schlussendlich noch blöd gekommen wird.

Für mich ist's geklärt. Ich bringe keine Opfer mehr. Meine übernommenen ehrenamtlichen Angebote ziehe ich zurück. Ich habe es gerne gemacht – aber nicht so. Auch die Vorgartenpflege hat sich für mich erledigt. Den unnötigen Ärger tue ich mir nicht mehr an.

2022-12-15

Wie stirbt man in Zeiten eines Pflegenotstands?

Ich habe gestern mit der Freundin telefoniert. In dem Hospitz in dem sie arbeitet ist zur Zeit nur 50 % Belegung (ist nicht so als hätten die nicht auch bei 100 % Einsatzmöglichkeit enorm lange Wartelisten) der sonstigen Belegung möglich.

50 % deshalb, weil ein großer Teil des Personals krank ist. Das hat mich gestern dann doch schockiert. Denkt darüber nach, was das für die Paliativpatienten heißt, die dann halt jetzt in die endliche Phase ihres Lebens treten.

Wo werden sie sterben? Wie werden sie sterben?

Sterben ist zeitlich selten verhandelbar. Es ist nicht so als würden die Krankenhäuser derzeit auch alle Betten bedienen können, die sie vorrätig halten. Ist Pflegepersonal nicht ausreichend verfügbar, stirbt man auch u. U. im Krankenhaus schlecht versorgt. Und verfügbares Pflegepersonal wird derzeit an die Pädiatrie weiter gereicht, wenn nur möglich. Und die Situation in der häuslichen Palliativpflege ist kein bisschen besser. Leider. Sie war auch immer schon hart am Limit – als meine Freundin S. vor Jahren zu Hause sterben wollte (und konnte) hatte schon die Pflege Dienst bei ihr in der Freizeit erwiesen.

Lasst euch bitte wenigstens gegen Grippe impfen, auch die Kinder – und auch wenn ihr nicht zur ausgewiesenen Risikogruppe gehört. Schützt die Pflege durch Minimierung von Erkrankung, wo es nur geht. Meine Hausärztin sprach gestern von Infektionszahlen, die das harte Grippejahr 2017/18 noch übertreffen könnten.

Es ist jetzt vielleicht auch nicht die Zeit sich auf Weihnachtsfeiern, in Clubs oder auch so nur zum Spaß mit Alkohol, Drogen so abzuschießen, dass der Notarzt kommen muss. Vermeidet Erkrankungen, wenn ihr es könnt. Vielleicht weniger Verkehrsregeln missachten. Begreifen, dass man auf dem Fahrrad doch sterblich ist. Solche Dinge. Wir können in der jetzigen Zeit das System durchaus entlasten.

2022-12-12

Bargeld abschaffen?

Wird derzeit viel diskutiert. Jüngere Generationen, die auch gar keine Probleme offensichtlich mehr haben mit allen Alltagsaktionen getrackt zu werden, finden das total cool. Ältere Generationen, die vielleicht oldscool am physischen Geld hängen, sehen das etwas kritischer. Richtig alte Generationen wissen wie wichtig in harten Zeiten, also Kriegszeiten, ein funktionierender Schwarzmarkt sein kann.

Der dahinter liegende politische Wille ist natürlich so klar wie eindeutig: Man möchte das Schwarzmarktgeschehen eindämmen. Klar, kann man so den Bauarbeiter günstiger im Bau beschäftigen an der Steuer vorbei. Ob sich das für den Mann lohnt sozialversicherungstechnisch, wage ich zu bezweifeln. Ich habe aber das dumme Gefühl, dass Steuereinnahmen in ganz anderer Höhe sehr legal nicht erhoben werden – von z. B. immer noch Amazon, Apple, Wisht & Co.

Und wenn ich mir zur Zeit die weltpolitische Gesamtsituation so ansehe, ich weiß nicht ob die Abschaffung von Geld eine so clevere Idee wirklich ist. Wir haben derzeit eine energetische Krise. Wir haben knapp 1.300 Kilometer von Deutschland entfernt ein Land, dem gerade die gesamte elektrische Infrastruktur zusammen geschossen wird und somit nicht nur der physische sondern auch virtuelle Blackout droht bzw. in einigen Regionen bereits gelebter Alltag ist.

Angriffe auf die virtuelle Infrastrukturen z. B. von Krankenhäusern, die kennen wir längst. In Berlin hatte erst neulich ein Teilbereich der Stadt wieder einen kompletten Stromausfall – da geht dann gar nichts mehr. Betrifft das eine größere Region komplett, haben wir ein Problem: Es kann nicht mehr eingekauft werden. Ich habe schon erlebt, dass ich aus dem Supermarkt wieder gehen musste, weil dort die elektronischen Kassen nicht mehr funktionierten. Ja, die werden in oben beschriebenen Situationen auch nicht funktionieren.

Ich kann in einem solchen Fall am nächsten Tag aufmachen und per Hand abrechnen, Waren kann man sehr schnell analog auspreisen zur Not und mit Bargeld kann auch dann, wie früher bei Tante Emma im Laden, bezahlt werden. Ich kann das nicht, wenn die Menschen kein Bargeld mehr haben. Weitflächige Blackouts kann ich mit Bargeld wenigstens für ein paar Tage abfedern. Mit Geldkarten und Google-/Apple Pay wohl nicht.

Und wenn wir etwas gelernt haben in diesem Jahr ist wohl leider, dass vermeintlich Unmögliches nicht so sehr unmöglich ist. Übrigens wird so ein Angreiferland wie Russland immer Geld haben, egal wie Sanktionen wirken und Krieg Geld kostet: Vorsorge. Weil Russland sich schon seit Jahren in einem solchen Punkt viel breiter aufgestellt hat als unser Land und sich in fremde (digitale) Infrastrukturen lässig einmischen kann. Ob Deutschland die digitale Kompetenz hat, gleiches in Russland zu bewerkstelligen, das wage ich sehr zu bezweifeln. Wie der Minister für Verkehr und Digitales gestern treffend feststellt, liegt Deutschland in dem Bereich locker zehn Jahre zurück. Russland hat seit Jahren mit Vorsatz an der heutigen Situation gearbeitet. Deutschland war in allen Bereich nur naiv und ist CDU-naturgegeben erschreckend rückständig auf so sehr vielen Ebenen.

Bei allem Verständnis für lässige Zahlcoolness. Ich bin da erst einmal noch für Bargeld. Ich mag es hier und da Menschen etwas kleines Geld abgeben zu können. Und ich liebe es alle paar Tage mein Portemonnaie aufzuräumen, die Centstücke auszusortieren, kurz vor einer Reise zur Bundesbank zu bringen und das Geld einzuwechseln – um im Urlaub mir davon ein schönes Essen zu gönnen. Bargeld kann nämlich Spaß machen – und Freude. Niemand kann wissen, ob er nicht irgendwann einmal darauf angewiesen ist, etwas Geld unter der Hand einnehmen zu können.

Denn: Wir wissen wirklich nicht, was die Zukunft bringt. (Das Ganze ist jetzt natürlich ohne die Hintergründe einer richtig harten Rezension beurteilt, die ist noch einmal ein ganz anderes Thema.)

2022-12-09

Zweiter Tag …

… nach der bundesweiten Razzia gegen Reichsbürger, die immerhin einen Putschversuch (so muss man es wohl nennen) geplant hatten. Also unsere Demokratie maximal schädigen wollten.
Der zweite Tag und Marcus Söder (CSU) als auch Friedrich Merz (CDU), die sofort auf dem Plan stehen, sobald Menschen für politische Maßnahmen zum Schutz unseren Klimas auf unterschiedliche Weisen demonstrieren, und härteste Strafen fordern bzw. Söder in seinem Bundesland auch durchsetzt – also die Rechtsstaatlichkeit der Bundesrepbulik Deutschland auf zweifelhafte Weise aussetzt – noch nichts zu diesem unfassbaren Vorgang gesagt oder „gemeint” haben.

Lasst uns bitte so klug sein in Zukunft und nie wieder Vertreter von CDU und CSU auf den Posten des/der Bundesinnenminister*in wählen! Und auch nicht ins Bundesjustizministerium. Ach ja: Von Marco Buschmann, FDP, kam auch noch nichts.

2022-12-08

Gerne gelesen: nothing fancy von Alison Roman

Mein persönliches Lieblingskochbuch im Jahr 2022? Das ist definitiv „nothing fancy” von Alison Roman. Das Buch ist ganz klar gesetzt bei mir, das gebe ich nicht mehr her! Selten habe ich aus einem Kochbuch so viel nachgekocht.

Alison Roman, gebürtige Amerikanerin, lebt in Brooklyn und ist Food-Influencerin bei YouTube und Instagram. Sie schreibt mittlerweile in ihren Kolumnen für die New York Times Cooking und für Bon Appétit, ist in den USA eine Institution – die sich angenehm unprätentiös gibt und so auch kocht. Dementsprechend erlebe ich ihr neues zweites Kochbuch nach „Dining in”, das hierzulande bei Dorling und Kindersley (DK) erschienen ist.

„Entspannt kochen für Freunde” ist der Untertitel des Buches und das trifft es sehr gut. Konzeptionell geht es darum, liebe Freunde zu bewirten – das zieht sich von Einkauftipps bis hin zum Abwasch. So ist es keine so große Überraschung, dass sich die Gerichte gut vorbereiten lassen und ein großer Teil von ihnen im Ofen sich selbstgenügend ihren finalen Touch erhalten – oder bereits zwei Tage früher zubereitet werden können.

Sie serviert ihre Rezepte nicht abgehoben schickimicki ausdekoriert an Stoffservietten (nichts gegen Stoffservietten) am edlen Silber, sondern „as it is”: Sehr bunt, auf zusammen gewürfeltem Geschirr mit Leichtigkeit und einfacher Raffinesse. Alison bietet hierzu kurzweilige Histörchen, erzählt relativ (zu) häufig, dass sie dies oder jenes Produkt an sich nie mochte, nimmt aber damit den Lesern Argumente bei eigener Ablehnung und vor allem – das ist wohl das Wichtigste – auch Kochbeginner sehr charmant mit und serviert gute Problemlösungen.
Ihre Tipps am Anfang „Sich helfen lassen” sind so simpel wie logisch, um sich selbst den Stress als Gastgeber*in zu nehmen, denn die Party beginnt in der Küche – warum sollen Gäste nicht beim Salat zupfen helfen? In „Prioritäten setzen” räumt sie klar ein, dass es in einer Nicht-Profiküche (von der Ausstattung geredet) einfach verdammt schwer bis unmöglich ist alle Zutaten gleichzeitig perfekt und heiß auf den Tisch zu bringen.

Und „Nie um Verzeihung bitten” trifft genau im Kern, war vor allem hiesige Köchinnen (!) besonders gerne machen: Die eigene Leistung verbal selbst zu degradieren. Alisons simple Anweisung: „Es ist kein Restaurant – macht euch nicht den Druck, so zu tun, als wäre es eines.” Das ist so klug wie hilfreich und alleine dafür kann man Alison Roman verehren, sie hat mich so oft so smart aus meiner lähmenden Perfektion geholt. Das Buch ist wie ein liebevolles Coaching!


„Ein schönes Huhn zu braten, ist eine wunderbare Art, «Ich liebe euch», zu sagen.”

„nothing fancy” enthält viele Fisch- und Fleischrezepte: „Ein ganzer Fisch – Yes, you can!”, zu denen bin ich kaum schon vorgedrungen, weil ich immer noch im gemüselastigen Teil des Buches stecken geblieben. Die fantatstisch klingenden Hähnchen-Rezepte brennen mir unter dem Messer! Dennoch würde ich dieses Buch jederzeit auch Vegetarier*innen schenken. Es sind so viele fantastische fleischlose Rezepte darin, die neu sind, unvergleichlich lecker – und schlussendlich lassen sich Fleischanteile ersetzen oder subtrahieren. Sie hat mich auf jeden Fall mehr bekommen mit ihren grünen Rezepten, Salaten mit Crunch oder den Dips.

Alison Roman arbeitet sehr gewürzlastig auf internationaler Ebene, bedient sich hier an der orientalischen, dort an der asiatischen Küche. Man sollte sich gut eindecken mit Fleur di Sel, Chili, Kurkuma, Kreuzkümmel, Harissa, Hefeflocken, Soja Soße, Pul Biber etc. Eingelegte Sardellen im Glas werden als Würze gerne verwendet (sie gibt zu von Sardellen besessen zu sein.) Viele frische Kräuter sind ein Muss! Ein gutes Olivenöl ist auch wichtig in ihrer Küche – und auf jeden Fall: Zitronen. Zitronen setzt Alison oft und gerne ein als Geschmacksheber oder -veränderer. Was ich auch sehr gerne tue. Ich schwöre auf Zitronenspritzer! Unami ohne Zitrone gibt es nicht, möchte ich behaupten.

Was ich persönlich sehr schätze an Alison Romans Buch: Sie nervt mich nicht allzu viel mit Bio-Gedöns, wie es so viele deutschsprachige Kochbuchautor*innen immer noch auf oft übergriffige Weise tun. Alison tut’s lediglich bei Zitrusfrüchten, deren Schale verwendet wird im Gericht. Ansonsten glaubt sie offensichtlich, wir haben mittlerweile – in den letzten 20 Jahren – alle kapiert, dass es sinnvoll ist, dass wir Produkte möglichst regional und mit sehr guter Qualität einkaufen. So muss, wer sich nicht ständig Bio-Qualität leisten kann, kein schlechtes Gewissen haben. Lasst uns doch einfach froh sein, dass die Menschen selber kochen und nicht „Essen to go”-Verpackungsmüll produzieren.

Es kommt viel frisches Gemüse auf den Tisch. Auch Getreide. Fisch kommt schon mal aus der Dose. Aber sie hat ein riesengroßes Talent übliche Zutaten neu zu präsentieren und hat mich mittlerweile schon so oft aus meiner Kochroutine geholt und mir gezeigt, wie ich die ewig gleichen Zutaten anders zubereite, auf ein neues Level bringe. Ein Beispiel:. „Geröstete Radieschen mit Green-Goddess-Butter” hier wandern die Radieschen und junge Rüben einfach in den Ofen und werden auf einer fantastischen Kräuterbutter serviert, die unter den heißen Radiesern schmilzt. Oder gegrillte Garnelen, die mit kalten mit den Händen zerdrückten Tomaten und deren Saft (mit Olivenöl) serviert werden.
Dann werden Pistazienkerne in Butter mit vielen Gewürzen angesetzt und über im Ofen gebackene Kürbisspalten (oder welches Lieblingsgemüse – z. B. Kichererbsen, Beeten – auch immer) gegossen. Halloumi wird in der Pfanne gebraten und mit Honig beträufelt und mit gerösteten gehackten Pistazienkernen bestreut. Zerdrückte Erbsen mit Burrata und schwarzen Oliven (mit frischer Minze, Petersilie und Ruccola). Versteht ihr, was ich meine? Man kennt alle Zutaten und hier kommen sie neu, fantastisch gut! Und immer einfach auf den Teller gebracht.

Auch der Lachs, der langsam im Ofen gegart auf und mit in der Pfanne gebratenen und auch rohen Frühlingszwiebeln in einer Vinaigrette aus Sojasauce und viel Zitrusfruchtsäften serviert wird. Die Rezepte sind alle keine Hexerei. Tatsächlich sind sie meist erstaunlich einfach – schließlich gilt es sich vor allem mit den Gästen zu beschäftigen! Oft sind die Gerichte recht spicy – werden dann mit Milchprodukten abgemildert. Und es schmeckt alles so gut!

Meine Lieblinge bisher (beim zweiten Mal habe ich sie zusammen in den Ofen geschoben):


Klebrig geröstete Karotten mit Zitrus und Tahin
Die rote Zwiebel wird in Zitronensaft mit Salz und Pfeffer ca. 8 Minuten eingelegt. 500 Gramm kleinere Möhren werden mit dünnen Scheiben einer Blutorange und der abgegossenen Zwiebel auf ein Blech gelegt und mit einem Sud aus 1/2 TL Chiliflocken (oder 3-4 frische Chilischoten), 2 EL Ahorsirup (alternativ Honig), 4 EL Olivenöl begossen und bei 220 Grad Celsius ca. 25-30 Minuten karamellisiert.

4 EL Tahin werden mit 3  EL Wasser, Salz und Pfeffer verrührt und ein Teil davon auf eine Servierplatte angerichtet, darauf die fertigen Karotten und Orangenscheiben gelegt. Das restliche Tahin kann dazu gereicht werden (und ja, davon gleich mehr machen).

Alison würde die karamellisierten Möhren zu den geschmorten Short Ribs mit cremigen Kartoffeln aus ihrem Buch empfehlen. Short Ribs als Schmorgericht werden mein nächstes „nothing fancy”-Projekt. Hier wird die Querrippe vom Rind geschmort, wie spannend ist das? Bei uns landet die allermeist als Suppenfleisch in der Brühe! Die Kartoffeln werden mit der Schale übrigens direkt mit dem Fleisch geschmort – Alisons Küche ist halt wirklich einfach.

Auch verdammt gut:


Scharfer, karamellisierter Lauch mit frischer Zitrone
Dieses (von mir sehr geliebte) aber auch sehr diskutierte Gemüse wird so anders, einfach, dafür spannend zubereitet – und ist eine fantastische Beilage. Wer danach immer noch Probleme mit Lauch hat, tut mir leid. Ich liebe es! Die Lauchstangen halbieren und gut in Wasser abspülen – ihr wisst schon, Sandeinlage und so. Die sehr dunkelgrünen Anteile abschneiden (ab in eine Suppe damit) – aber bitte unbedingt die Wurzeln dran lassen! Nun längs in Streifen schneiden, ihr habt nun Lauch-Palmwedel. Die Wurzel hält sie zusammen.
Den Ofen auf 230 Grad Celsius vorheizen. 80 ml Olivenöl, 2 EL Harissa vermengen und schön mit den Händen in die Lauchstangen massieren, die in einer Auflaufform liegen. Mit wenig Salz und frisch gemahlenem Pfeffer würzen. Ab in den Ofen für 20-25 Minuten. Er darf etwas knusprig werden und an den oberen Enden gut bräunen. In der Zwischenzeit eine halbe Zitrone sehr fein hacken.

Den Lauch auf den Teller legen, die Sauce aus der Form darüber geben, wie auch die kleinen Zitronenwürfel darüber streuen und mit etwas Salzflocken garnieren.

Als ich den Lauch das erste Mal zubereitet hatte, hatte ich weniger Lauch als im Originalrezept genommen – aber die gleiche Menge Harissa. Kann man machen, sehr gut sogar – man sollte nur wirklich gar keine Probleme mit Schärfe haben.

Die Desserts im Buch überzeugen (mich) nicht sehr, es passiert nicht viel Neues mit den alten Dingen. Schokoladencookies bleiben Schokoladenkekse. Warum Schichtkuchen mit Löffelbiskuit, Mascarpone und Kaffee nicht direkt Tiramisu genannt wird, verstehe wer will. Auch die Fotos allesamt im Wolfgang Tillmanns-Style extrem hart ausgeleuchtet, strengen (mich) persönlich irgendwann an. Aber sonst …

… habe ich mich selten so glücklich und begeistert durch ein Buch gekocht. 150 Rezepte. Ich will sie wirklich alle, alle, alle machen!

„nothing fancy”
Autorin: Alison Roman
Verlag: Dorling Kindersley Verlag (DK)
ISBN: 978-3-8310-4240-1

2022-11-30

Mamusia von Olia Hercules

Die Einflüsse über die Jahrtausende auf die ukrainische Küche sind vielfältig. Dass sie einher geht mit den typischen russischen Gerichten wie Borschtsch, Soljanka, Wariniki (Vareniki) ist logisch.

Ha! Stimmt gar nicht! Mit dieser allgegenwärtigen Annahme zum Borschtsch sollte ich gleich aufräumen: Dieser Eintopf ist nämlich ursprünglich ein ukrainisches Rezept, dass von den anderen europäischen Ländern übernommen wurde. Urheberrecht wem Urheberrecht gebührt!

Dennoch findet man in der ukrainischen Küche viele europäische Einflüsse aus ganz Osteuropa, z. B. der Türkei, Polen oder Ungarn. Kohl, Rote Beete, Fleisch, viele Kräuter – frischer Dill hat hier einen ganz besonderen Stellenwert – und deftige Teigwaren, die ukrainische Küche macht satt, stärkt für die extrem kalten langen Winter und verwöhnt mit Süßspeisen aus dem guten reichhaltigen Quark oder Teiglingen, die nicht selten zuvor ein Fettbad genießen durften, bevor sie die Gäste glücklich machen.
In ihrem Kochbuch „Mamusia” lockt Olia Hercules in die Küche und serviert 100 originale Gerichte aber auch solche, die dieser Küche die modernen Einflüsse sich hat entwickeln lassen zu der, die sie heute ist. So findet man hier durchaus georgische Gerichte, Köstlichkeiten aus Aserbaidschan oder Moldawien. Mit Olia reist man durch die Küche Osteuropas und lernt dabei auf den Fotos ihre Familie kennen und erfährt deren Geschichte in den Texten. Sehr überzeugend finde ich (der Homepage des Verlages entnommen) das Rezept für das Backhähnchen mit Backpflaumen und Walnüssen, ein Rezept aus Aserbaidschan.

Zu Beginn des Angriffskrieges hat Olia Hercules, die heute als Köchin und Kochbuchautorin arbeitet und in London lebt, mit mehreren Unterstützern die Charity-Aktion #CookForUkraine ins Leben gerufen, der sich seit der Gründung Menschen unterschiedlicher Herkunft und Nationalität angeschlossen haben - darunter Spitzenköche, preisgekrönte Kochbuchautoren und Restaurantbesitzer.

Sie alle kochen in ihren Restaurants ukrainische und osteuropäisch inspirierte Gerichte, backen mit ihren Gästen, zu Hause mit ihren Freunden und teilen ihre Ergebnisse in den sozialen Medien mit den Followern. Über 1 Million Pfund sind dadurch bereits für Unicef gesammelt worden. Für ihr Engagement wurde Olia Hercules von der britischen VOGUE im August als eine der 25 einflussreichsten Frauen ausgezeichnet.
"Das hat meinen Glauben an die Menschheit gestärkt", sagt Olia Hercules über diese überwältigende Resonanz. "Auch wenn die Ukraine frei ist, werde ich meinen Aktivismus nicht aufgeben. Ich bin ein anderer Mensch geworden."

Dieses Buch hieß in seiner Erstauflage Mamuschka und wurde von dem Verlag DK (Dorling Kindersley) anlässlich der weltpolitischen Ereignisse im Sommer neu aufgelegt mit dem neuen Titel Mamusia. Von seinem Erlös gehen nun 4 Euro an ein ukrainisches Hilfeprojekt von der Autorin ausgewählt, in Deutschland an die Ukraine-Hilfe Berlin e. V. – an die man natürlich auch ohne Buchkauf gerne spenden darf.

„Mamusia”
Autorin: Olia Hercules
Verlag: Dorling Kindersley Verlag (DK)
ISBN: 978-3-8310-4612-6

2022-11-29

Spielköpfe – gendergerecht spielen

Letzten Sonntag waren Frau @maske_katja und ich in Berlins Mitte unterwegs Weihnachtsmarkthopping betreiben. Sie hatte mich dabei – und ich war da tatsächlich das erste Mal – auf den Weihnachtsmarkt in die Alte Münze geschleppt, wo Special Interests bedingt vor allem queerbetonte Produkte verkauft wurden, es aber eine fantastische Indoor-Curlingbahn auf Plastikbahnen gibt. Live-Musik u. v. m., wobei wir dort sehr früh waren und es zum Abend hin bestimmt geselliger werden dürfte. War anders, lustig bis fröhlich, relativ wenig weihnachtlich.
Ich wiederum schleppte sie auf den Weihnachtsmarkt im Innenhof des St. Hedwig Krankenhauses, der an diesem einen Adventssonntag stattfinden sollte, wie ich einen Tag zuvor dank meines kleinen Erste-Hilfe-Ausfluges zur Kenntnis nehmen durfte. er war auch sehr charmant, nämlich mit Feuerkorb, vielen Ständen mit selbst gedengelten Kleinigkeiten, die von den jeweiligen sozialen Einrichtungen angeboten wurden. Einer dreiköpfigen Band, die mit Drumkit, Bass und E-Gitarre Weihnachtslieder (und andere Songs natürlich) richtig cool darboten. Außerdem gab es Erbsensuppe und Grünkohl mit Wurscht zu wirklich moderaten Preisen. Der Markt war sehr schön, klein aber so wie Weihnachtsmärkte sein sollten: friedlich.
Danach ging es um die Ecke auf den Wochenendweihnachtsmarkt in die Sophienstraße. Da trifft man die üblichen alten Bekannten, aber diesen Markt mag ich auch immer wieder sehr mit seiner Stimmung. Irgendwann überholten uns sogar Engel auf Stelzen und die Bäckerei Sofi hatte nach Ladenschluss noch ein paar (dunklere) Restbrote zur freien Mitnahme hingestellt, was mich irgendwie richtig freute. So ein knuspriges Baguette auf die Hand für lau. Die kleinen Dinge sind's doch manchmal. Ansonsten hatten wir leckeren Glühwein und Frau @maske_katja hat etwas gekauft, obwohl sie nichts braucht und nichts kaufen wollte. Ich auch.

Lange Rede, was ich aber eigentlich erzählen wolle: In der Alten Münze sind wir an einem Stand (gegenüber der Curling-Bahn) auf die Kartenspiele von Spielköpfe gestoßen. Die sind nämlich gendergerecht und wollen generell blöde Vorurteile abschaffen.
Also trägt die Dame schon auch mal orientalische Kleidung, ist der König eine Königin, wie diese auch ein König sein kann und sie alle auch People of Color sind. Im Kinderspiel trägt die Dame genauso Hose und kurze Haare wie Rock, der Bube hat den dunklen Hautton und rollstuhlfahrende Könige spielen auch mit. Ein sehr schönes gesellschaftliches Miteinander hat man da auf der Hand. Gerade die Kids lernen so spielerisch Gleichberechtigung.
Die Kartenspiele gibt es je nach Spielvariante und (ökologisch einwandfreie) Qualität (Papier oder Plastik) abgepackt ab 10 Euro nächsten Sonntag wieder in der Alten Münze oder direkt hier bei Spielköpfe. Wir fanden es gut und haben ein bisschen eingekauft.

Spielkoepfe haben übrigens auch einen gendergerechten Tischkicker bzw. Figuren dafür im Programm. Smarte Produkte, finde ich. möchte ich sehr für Weihnachten und auch sonst empfehlen!