2015-09-06

Wilde Tinte

Seit ungefähr zwei Jahren erklärt mir der hiesige Laserwriter sein Toner wäre alle. Seit ungefähr zwei Jahren ignoriere ich diese Meldung geflissentlich. Seit ungefähr zwei Jahren entnehme ich die Toner-Cartridge dem Drucker, will er partiell partout keine Tinte mehr aufbringen, schüttele diese und setze sie wieder ein und drucke erneut. Das lief so prima in den letzten zwei Jahren, dass ich im Grunde davon überzeugt war, ich könnte das Spiel noch endlos so weiter spielen. Also wenigstens weitere zwei Jahre.

Jetzt habe ich mir wildes Ding allerdings doch neuen Toner gegönnt. An der Stelle finde ich immer sehr schön, dass Menschen auf Amazon ihre persönlichen Lebenserfahrungen mit Tonern in ihren Rezensionen mit uns teilen.

Nunmehr kommen meine Briefe also wieder in schwarz und nicht mehr in RAL 1745.

2015-09-05

Ein wahr gewordener Traum

Es gibt ein Foto von meinem Vater mit meinem Bruder am See in einem kleinen Holzboot. Mich gab es damals auch schon aber ich war noch zu klein zum Boot fahren. Meine Eltern hatten zu dieser eine Gartenparzelle in Kladow. Langer Holzbau mit kleinen Unterteilungen, wo man sich gerade mal bei Regen drinnen aufhalten wollte. Schlafen konnte man dort, wenn auch ungerne. Es war die Zeit in dem sich mir als sehr kleines Kind erstmals kleine Bruchstücke im Gehirn fest setzten. Dunkles Grundstück, viel Insekten. Als viel lieber gewonnene Alternative in meinem kleinen Kinderherzen dazu der Garten meiner Großeltern, der immer in der prallen Sonne lag und mir somit schon als kleinem Lebewesen mehr ins Gemüt passte.

Irgendwann erhielten meine Eltern die Kündigung, angeblich sollten die Parzellen abgerissen werden und einem neuen Bau weichen. Ich meine, diese Holzbauten heute noch in Kladow stehen zu sehen. Vermutlich konnte meine Mutter einfach die Pacht nicht mehr zahlen, es war die Zeit in der mein Vater schon viel zu viel trank und regelmäßig seine Jobs verlor.

Ungefähr als ich acht Jahre alt war, ich besuchte die dritte Klasse, flatterte uns ein Wertheim-Prospekt ins Haus in dem ein orange farbiges Kajak abgebildet war, in das ich mich sofort verliebte. Ich schlich bei Wertheim bzw. Hertie in den damals noch deutlich umfangreicher ausgebauten Sportabteilungen rum und himmelte diess Boot auch in der Realität an. Der Deal mit meiner Mutter war dann, dass ich es bekommen sollte, würde ich in die vierte Klasse nur mit Einsen und Zweien auf dem Zeugnis kommen.

Und dann besaß ich ein Kajak!

Wenn ich heute überlege, was so ein Boot damals schon wog und ich es trotzdem mit großer Begeisterung nach der Schule von zu Hause zum Bus mit häufigem Umsteigen bis zum Wasser schleppte und abends nach Hause, es muss wirklich die ganz ganz große Liebe gewesen sein. Im Schnitt fängt so ein Boot bei 10 Kilo Eigengewicht an – ohne Blasebalg und Paddel.

Meine Mutter schleppte mich dann über eine Bekannte von einem Bekannen einmal am Wannsee in einen Kajak-Verein. Ich sollte mir angucken, ob mir der Sport so Spaß machen würde. Ich setzte mich in ein Kajak, von der Stabilität her eine ganz andere Herausforderung als mein gemütliches PVC-Kajak und paddelte mutig in dem kleinen abgegrenzten Bereich am Verein auf dem „großen Wasser”, bis die anwesenden Herren auf die Idee kamen meinen Wildwassertauglichkeit zu testen und schmissen an einem Boot den Motor an und drehten diesen Hoch, ich sollte im Strudel der Schiffsschraube paddeln. Ich hatte Angst, dann Panik, ich weinte, ging an Land und wollte nie wieder diesen Verein von innen sehen.

Ich erinnere aber großartige Sommer mit meinem eigenen Boot. Ich war ein sehr glückliches Kind in diesem Boot auf dem Wasser. Dieses glückliches Kind verlieh das Boot einmal an meinen Bruder und ich sah das Kajak nie mehr wieder. Über ein Jahrzehnt später – mein Bruder war damals schon auf seinem Wunsch hin aus unserem Leben verschwunden – riefen mich völlig fremde Menschen an, um mir zu sagen, sie hätten mein Boot im Keller aber es sei kaputt.

Der Schmerz saß lange.

Ich habe eine große Liebe zum Wasser. An und auf dem Wasser geht es mir gut, ich fühle mich dort sicher und frei. Da war immer der Traum vom Bootsschein. Segeln ist nicht so so sehr mein Ding, Speedboote sind‘s auch nicht. Gemütlich schippern, da fühle ich mich wohl bei. Paddeln finde ich großartig, weil noch etwas Sport dabei ist und man aufgrund der Bauweise der Boote fast ein bisschen im Wasser sitzt und man so eine Einheit bildet. Dieser Geruch, das Gluckern … ich liebe das sehr.

Einer der schönsten mich tragenden Tage im vergangenen Jahr war ein Tag im ausgeliehenen Kajak auf dem Müggelsee. Wenngleich diese Kajaks vom Handling her eine Strafe waren, es war ein Tag voller Frieden, Glück und ich konnte lange von diesem einen Tag zehren. Und da war der Wunsch nach einem eigenen Boot war wieder ganz nah.

Als es mir vor einigen Wochen krankheitsbedingt ziemlich mies ging, hat mir ein sehr sehr lieber Mensch einen, diesen Herzenswunsch erfüllt. Gestatten, dass ich vorstelle:
„»Die« Theo Lingen”:



Das Besondere an der „Theo Lingen” ist, sie ist mein! Sie fährt mit mir mit den öffentlichen Verkehrsmitteln auf einem Trolley mit Pumpe und Paddel (bzw. neu im Rucksack). Sie ist sehr schnell aufgepumpt und seetüchtig und paddelt gemeinsam mit mir seit einigen Wochen über die Berliner Gewässer. Wir üben noch ein bisschen den Abbau aber auf dem Wasser sind wir mittlerweile ein gutes Team. Ich fühle mich sicher und langweile mich fast schon auf allzu stillen Seen. Ich muss noch lernen richtig zu entspannen, neue Touren bringen natürlich auch immer etwas Aufregung mit sich, der Unkenntnis der Strecke geschuldet.

Als wir das erste Mal auf dem Wasser waren, an der Havel, ging es mir hinterher richtig schlecht. Ich war zu angespannt, zu aufgeregt und obwohl ich schon vorsichtig war mit der ersten Strecke und mich vermeintlich nicht überanstrengen sollte/wollte, war ich am Ende richtig fertig. Zudem war der Tag zu heiß. Mir tat die ganze Nacht der Arm weh, als wollte er sich direkt in eine Sehnenscheideentzündung begeben; der Rücken schmerzte. Sport ist Mord. Kurz: ich war fürchterlich verunsichert, ob meines Wunsches und seiner Erfüllung.

So bin ich die nächsten sehr heißen Tage lieber mit Rad erst Strecken abgefahren, um zu gucken, wo ich an für mich neuen Wassergebieten gut mit den Öffentlichen ran komme. Denn das frühere übersichtliche Angebot an befahrbaren Strecken ist seit meiner Kindheit im Westen durch die „hinzugekommenen” Gewässer im Osten riesengroß geworden. Berlin ist eine wundervolle Stadt für den Wassersport. Wenn ich mir ansehe, wo ich überall im ehemaligen Ostteil der Stadt und ihrer Umgebung noch wundervolle Touren fahren kann, wird mir ganz schwindlig vor Überschwang!

Mittlerweile sind wir gemeinsam schon einige schöne Touren gefahren und wachsen immer mehr zusammen. Ich finde das Boot wunderschön, qualitativ ist es sehr gut und ich bin froh, meine Entscheidung zugunsten genau dieses Bootes getroffen zu haben. Langsam wachsen auch die Paddel prima in die Hände (man benutzt ja Muskeln beim Paddeln, die man auch schon länger nicht mehr gespürt hatte) und unsere Touren werden immer länger. Und ich dabei immer glücklicher. Und entspannter.



Wir treffen unterwegs nette Menschen und haben interessante Gespräche. Ich sehe Berlin von der anderen Seite als von der bekannten Straßenseite und die Stadt und ihre Umgebung wird dabei jedes Mal ein Stück entzückender. Die Sonne motiviert, die Natur verschönt uns den Tag und dieses Boot macht mein Leben gerade ganz reich und ein großes Stück leichter und mein Gemüt luftiger als es noch vor einigen Wochen war.

Ich bin so froh!

Dankeschön für dieses wertvolle Geschenk!

2015-08-30

Wirtschaftsflüchtlinge, und so.

Frau kelef hat da einen mehr als wundervollen und gerechten Text über „Wirtschaftsflüchtlinge” geschrieben.

2015-08-27

Frau Nessy schreibt wieder über Yoga …

Das ist so ein Grundgefühl beim Yoga: In die andere Richtung würd’s mehr Sinn machen.

2015-08-26

Maaagiiiiiic!

Der neue Kratzbaum im Flur macht, dass sich jetzt eine Nishia (vor der Drahttür an und auf dem Kratzbaum, wahlweise morgens auf meinem Rücken) und eine Shiina (hinter der Drahttür) mit dem spannenderen Spielzeug treffen können und zunehmend entspannter still Zwiesprache halten, derweil ich das Frühstück bereite. Nishia kann dabei, wenn ich beide Katzen unterhalte und streichle, sogar schnurren. Sie geht mittlerweile sogar soweit, dass sie Shiina, wenn sie sie hinter der Drahttür sieht, freundlich anbrrrt. (In der Fachsprache nennt man anbrrrren wohl angurren, was ich bei Katzen immer merkwürdig schräg in der Anwendung empfinde.) Freundlich anbrrrren ist unter Katzen so etwas wie ein HighFive. Das ist zwischen den beiden Dickschädeln mehr als ich in letzter Zeit noch zu träumen wagte.

Das Shiinchen wiederum eskaliert hinter der Drahttür immer weniger, soll heißen, sie hängt jetzt nur noch einskommafünf Mal in der Drahttür und macht auf kleinen gremmligen Aggressor. Wenn sie auf die Tür und die dahinter sitzende Katze zuläuft, nimmt das auch schon mal spielerische Züge an, so mit Schwänzchen hoch und freundlichem Blick. Ihre anfängliche Eskalation hinter der Tür beim Anblick einer Katze führt sie nur noch auf ca. 40 % durch. Sie kann ihre Pupillen nach einer Weile sogar schon von ganz groß tiefschwarz auf normal stellen und mit dem Köpfchen den Draht beschmusen.

Sie kann gelegentlich von der Tür weggehen, eine Runde im Zimmer drehen und entspannt wieder an die Tür kommen. Nishi als auch Shiinchen können die zuckenden Schwanzspitzen ab und an bereits auf „Stillstand” stellen, während sie sich so gegenüber sitzen. Man sitzt jetzt also gemeinschaftlich an einer Drahtür „am Baum” und redet über das Wetter. (Oder miese Futterlieferungen.)

Es ist ein enormer Fortschritt. Der klitzekleine Fehler (aber den möchte ich wirklich nicht groß ins Gewicht fallen lassen): ich hatte diesen Fortschritt schon für 2013 eingeplant.

2015-08-25

Blogger für Flüchtlinge III – Gäste aus Syrien

Vor vierzehn Tagen wurde hier in der Stadt Berlin fast allen Bewohnern erstmals der Begriff „LaGeSo” (Landesamt für Gesundheit und Soziales) bekannt. Dort standen an einem der heißesten Tage im Jahr die Menschen nach ihrer Flucht zu Hunderten in der prallen Sonne und wurden seitens des Senates nicht einmal mit dem Nötigsten, nämlich Wasser, versorgt. Die Zustände dort vor Ort machten in den Sozialen Medien, später auch in den journalistischen Medien, die Runde und es waren Bürger und Hilfsorganisationen, die sich sofort sehr engagiert um diese Menschen kümmerten.

Freunde von mir haben in diesem Zusammenhang über das Wochenende drei Menschen aus Syrien aufgenommen und die nächsten Tage begleitet. Ich bat sie im Rahmen unserer Aktion „Blogger für Flüchtlinge) (#bloggerfuerfluechtlinge) diese Geschichte aufzuschreiben. Hier nun der erste Teil von Ann Effes.

Eigentlich nur zufällig vor zwei Wochen die Situation vor dem LaGeSo (Landesamt für Gesundheit und Soziales in Berlin. Dort müssen sich neu in der Stadt angekommene Flüchtligne registieren, um dann in einem der Auffanglager Unterbringung zu finden.) mitbekommen, weil ein Kollege (der auf Facebook aktiv ist) mich drauf aufmerksam machte.
Partner erzählt, grosse Augen.

Da haben wir uns dann zwei Tage mit rumgequält und irgendwann haben wir gesagt: „Wir fahren jetzt da hin.” Das war am Freitag vor zwei Wochen um 22:30 Uhr. Die Idee war, irgendeine Familie mit kleinen Kindern aufzusammeln, damit die nicht in einem Park bis Montag übernachten müssen.

Als wir ankamen war der Park aber geräumt und ein THW-Helfer, der da noch rumstand, sagte uns, die Flüchtling seien alle in die Kruppstrasse gebracht worden.

„Okay”, haben wir gedacht, „dann fahren wir jetzt ‘ne Pizza essen und wieder nach Hause.”

„Höchstens”, sagt der THW-Mann, „könnten Sie die da noch in die Kruppstraße bringen.”

„Die da” war eine Frau und zwei kleine Kinder. Offenbar mit dem letzten Zug aus München in Berlin eingetroffen und von einem Taxifahrer umsonst zum LaGeSo gefahren.
Gut, machen wir natürlich.

Kruppstraße – nur zehn Minuten Fahrzeit entfernt – stellt sich dann aber als hohffnungslos überbelegt raus, das ist nämlich nur so eine Aufblashalle, und schon proppenvoll. Ganze fünf freiwillge Helfer versuchten den Laden zu schmeißen und sagen uns unverblümt: „Wir haben nichts mehr, die muss hier draußen auf dem Platz schlafen. Da halten sich sowieso schon dutzende Leute auf.”

Also kurz überlegt: Wir nehmen die drei mit, und fahren sie Montag wieder zum LaGeSo, wo sie sich registrieren lassen müssen. Das ihr mit einem Dolmetscher vor Ort klar gemacht, denn die Frau kann nur Arabisch.

Auf der Fahrt per Telefon nach Leuten im Bekanntenkreis gesucht, die arabisch können (da war es schon nach 23:30 Uhr), schließlich jemanden gefunden und der erklärt ihr, was der weitere Plan ist und fragt sie, ob sie etwas braucht.

Eigentlich sind mir da nur zwei Dinge hängen geblieben: Wie peinlich ihr es sei, uns zu belasten und dass sie Kleidung für die Kinder brauche.

Alles, was die drei mit hatten, passte in eine kleine Reisetasche.

Mit dem Wort für „Kleidung” gibt es erstmal Probleme, denn unser Telefondolmetscher ist Palestinenser und sie kommt aus Syrien und die Dialekte sind wohl doch sehr unterschiedlich. Ich wundere mich eigentlich nur kurz und überlege mir: Wenn es umgekehrt wäre, ich wäre auf der Flucht und ein Araber würde mir als Dolmetscher einen Bayern oder Schweizer finden können, könnte es auch Probleme geben.

Zu Hause angekommen wird erstmal etwas gemacht, womit ich nicht so gerechnet habe. Mittels Gesten: Wie ist das WLAN-Passwort? Das wird in ein arg ramponiertes Lumina gehackt und dann per WhatsUp irgendwelchen Familienangehörigen oder Freunden mitgeteilt, dass man noch lebt und alles gut ist. Wie sich später herausstellt, waren die Drei buchstäblich Monate unterwegs und sind unter anderem 14 Tage zu Fuss gelaufen. Anfänglich waren noch die Brüder der Frau dabei, die die Kindern getragen haben, sie wurden aber getrennt (unter Umständen, die wir nie ganz klären konnten) und sind - wie wir zwei Tage später ermitteln konnten - in Schweinfurt gelandet.

Weil wir alle Kleidung waschen wollen, geben wir ihr Sachen von uns, die grob passen könnten. Sie scheint froh, dass wir auch an ein Tuch denken. Streng gläubig ist sie erkennbar nicht, ohne Kopftuch zeigen, möchte sie sich aber trotzdem nicht.

Dann duschen. 40 Minuten. Dann ins Bett – bis am nächsten Tag um 12:00 Uhr.

Ich bin dann mehr oder weniger die ganze Nacht damit befasst die Kleidung zu waschen. Die Sachen sind natürlich … sehr dreckig.

Die Sachen in der Tasche sind total durchnässt - offenbar schon länger, denn zum Teil hat sich Schimmel gebildet. Lässt mich vermuten, dass auch sie mit den Kinder auf einem Boot im Mittelmehr unterwegs war, die genaue Route bekommen wir aber nicht raus – auch, weil wir nicht wirklich nachfragen.

Ich muss also alles im Grunde zwei Mal waschen und benutze auch so Kram wie OXIclean und reichlich Waschmittel. Dabei finde ich auch Ablehnungs-Papiere aus Ungarn („Abgelehnt, reisen Sie weiter nach Deutschland!”), und einen syrischen Ausweis. Unterlagen aus denen hervorgeht, dass sie angeblich 26 sei und die Kinder 4 und 6 Jahre alt sind.

Das mit den Kindern kommt hin; bei ihr habe ich Zweifel, ich glaube inzwischen eher, dass sie um die 18-20 war und die Kinder nicht ihre.

Ist mir egal. Sie hat die Reise nicht aus Spaß gemacht.

Und ja, sie hat sogar zwei Smartphones dabei! Das wird ja gerne als Beweis genommen, dass es den Flüchtlingen doch (zu) gut gehe und sie nur aus wirtschaftlichen Gründen hier seien. Ich sehe es so: Gerade wenn es denen in Syrien so gut gegangen ist, dass sie sich zwei Smartphones leisten konnte, dann kommt sie ja wohl genau NICHT wegen wirtschaftlicher Gründe hierher!

So oder so: Wenn ich morgen flüchten müsste, was würde ICH mitnehmen? Meine Papiere und Ausweise, etwas zum anziehen, alles Geld, das ich habe und mein iPhone. Oder?

Eben. Das würde doch jeder machen! Das iPhone sind alle Bilder die ich mitnehmen kann, alle Kontakte, alle Telefonnummern und eventuell der einzige Weg, mit anderen aus meiner Familie noch Kontakt aufzunehmen. Und genau so hat sie es auch gemacht.

Und ich kann sagen: Der Zustand der Telefone erzählt auch eine Geschichte. Ich habe eines noch persönlich repariert, weil da nämlich die Gehäuseteile schon abfielen.

Später hat sie dann noch eine App auf eines der Telefone geladen, die gesprochene deutsche Sätze in Arabisch übersetze und umgekehrt. Ich war schwer beeindruckt, auch wenn die Übersetzungen machmal wie maschinellen Übersetzungen typisch daneben lagen. Uns hat's sehr geholfen.

Am nächsten Tag dann rüber zu unseren Nachbarn. Die haben wegen ihrer Enkel Kinderklamotten und wir haben auch passende Sachen gefunden. Und zwei Rucksäcke als Ersatz für die angeschimmelte und durchnässte Tasche, die schon in Auflösung begriffen war.

Die Kinder spielen im Garten. Wir haben auch noch etwas Spiel- und Malzeug. Unsere Nachbarn haben noch so eine Plastikrutsche wegen der Enkel aufgebaut, die wird ausgiebig genutzt, ebenso das Kinderhaus.

Der 4-jährige Junge ist zunächst ein echter Rabauke, null Aufmerksamkeitsspanne und agressiv. Am Sonntag beruhigt er sich langsam spürbar. Das Mädchen ist sechs Jahre alt und schlau. Sie lernt mehr deutsche Wörter über das Wochenende als ich arabische (ich kann jetzt drei).

Ihrer Mutter (oder Schwester) ist das Ganze peinlich. Sie traut sich kaum zu sagen (also zu zeigen) was sie essen will. Wir wollen ihr eigentlich etwas zubereiten, was sie kennt (kein Schwein und so, ist klar), schließlich kommen wie immer dank Internetsuche weiter. Sie hilft uns, wo sie kann, räumt alles ab und in die Spülmaschine, manchmal wird's mir peinlich, weil sie am Ende des Essens immer sofort aufspringt und alles wegräumen will.

Am Sonntag (am Nachmittags ist Waffelessen bei den Nachbarn, die sie zunächst für unsere Eltern hält – wegen des Altersunterschiedes) zeigt sie uns schliesslich ein IS-Propagandavideo. Unter anderem genau die Videos, die ich nicht sehen wollte: Wie in Deutschland grossgeworden Idioten mit eine AK-47 in der Hand erklären, kämpfen für den IS wäre wie URLAUB für sie - und am Ende jemand in den Kopf schiessen.

Ich wollte das nicht sehen.
Aber es ist genau so.
Augen zu machen, hilft nur bedingt.

Ist mir dabei auch in den Sinn gekommen, dass sie uns das gezeigt hat, um Mitleid zu erregen? Ja, das gebe ich zu. Aber: dass sie aus Syrien kommt, daran gibt es insgesamt keinen Zweifel. Ob sie vor dem IS oder dem Bürgerkrieg geflohen ist, ist mir schlussendlich dabei egal.

Keiner, der noch die Wahl hat, macht sich mit zwei Kindern auf diesen Weg und lässt alles zurück.


Ich hoffe, Ann kommt die nächste Zeit dazu, noch die Fortsetzung zu schreiben.

Es werden weiterhin im Rahmen der Aktion „Blogger für Flüchtlinge” Spenden gesammelt, die an freiwillige Organisationen, die deutschlandweit aktiv die Menschen hier vor Ort unterstützen, verteilt werden. Bitte helft, wer kann mit einer Spende, wer nicht kann mit dem Teilen des Links!

2015-08-24

Der Langenscheidt Verlag …

… hat sehr sozial das Online-Wörterbuch Arabisch-Deutsch für die kostenlose Nutzung freigegeben, was in der Kommunikation mit den Flüchtlingen eine riesige Hilfe ist, denn sie sprechen teilweise halt kein Englisch oder Deutsch. Also merkt Euch das bzw. teilt diese Infos!

Und: Danke an Langenscheidt!



Anmerkung vom Verlag heute auf Facebook, weil es offensichtlich Probleme mit dem LogIn gab:

Liebe Helferinnen und Helfer, die sich für Flüchtlinge engagieren:
Vielen von Euch ist bestimmt schon der Post aufgefallen, der sich seit gestern im Netz verbreitet - es ist KEIN FAKE!

Wir stellen tatsächlich einen kostenlosen Zugang zu unserem Online-Wörterbuch Arabisch zur Verfügung, um Euch und Euren Schützlingen die ersten Schritte in Deutschland zu erleichtern. Und wir sind begeistert, dass das Angebot so zahlreich genutzt wird.

Wir haben nur eine Bitte: Erklärt noch einmal allen Usern, dass die (unechte!) E-MAILADRESSE UND DAS PASSWORT UNVERÄNDERT BLEIBEN MÜSSEN, damit der Zugang für alle funktioniert. Das ist der Grund, warum der Zugang in der letzten Nach nicht möglich war. Wir suchen derzeit nach einer Lösung, wie wir das verhindern können. Bis dahin bleibt uns nur, den Zugang regelmäßig zurückzusetzen.

Wir danken auf jeden Fall allen für ihr Engagement!!!
👏👏👏 👍👍👍"