Hm, nee Kinder so funktioniert das nicht. In vielen Zeitungsartikeln und Blogeinträgen lese ich die Berichterstattungen zum Wetterverhalten am letzten Donnerstag und unterschwellig strömt in den Aussagen fast so etwas wie Enttäuschung mit, dass trotz der Katastrophenwarnung so wenig passiert ist, man an bestimmten Orten von dem Sturm ja fast gar nichts mitbekommen hatte. Vor allem einige Journalisten lassen in ihren „was sollte die Panikmache überhaupt?"-Artikeln ein grundlegendes Einlesen in die Fachtermina Orkan oder Wetterverhalten und somit ihre Verantwortung dem Leser gegenüber missen.
Stürme und Orkane funktionieren ganz oft nicht wie vorher gesehen, (das kann man allgemein zum Wetterverhalten sagen) insofern ist es immer klüger, wenn man einen schlimmen Orkan vorher sieht, ausgiebig vorher zu warnen, um den möglichen Schaden im Ansatz zu minimieren. Die Meteorologen haben hier einen ausgezeichneten Job gemacht.
Es wird immer passieren, dass ein Orkan beidreht und woanders den Schaden verursacht oder auch aufgrund einer minimalen klimatischen Änderung einfach an Kraft verliert. Deswegen hätte er aber trotzdem im anderen Fall bei Nichtvorhersagen grauenvollen Schaden anrichten können. Was also ist besser? Die Warnung und ein relativ glimpflicher Verlauf? Oder kaum Warnung und die echte Katastrophe? Denn genauso können sich leider auch stärkere Winde plötzlich unvorhergesehen zu Katastrophenstürme entwickeln. Wetter ist nicht planbar und nur über einen kurzen Zeitraum hinweg vorhersehbar.
Vergessen werden darf auch nicht, man kann sich problemlos im Kern eines Orkans mit ihm durch ein ganzes Land bewegen und muss dabei überhaupt nichts von dem Tod und der Zerstörung mitbekommen, die seine Ausläufer an anderen Orten anrichten. Ein Orkan richtet nicht an allen Orten gleich viel Schaden an, wird an manchen Stellen wirklich nur als laues Lüftchen empfunden – während er nur 3 km weiter zwei Bäume in die Ausflugsgruppe vom Kindergarten wirft.
Wer also dieses Mal kaum etwas mitbekommen hatte von Kyrill, war vielleicht nur mitten im Kern des Sturmes und hatte daher Glück. Es ist aber nie vorhersehbar, wo sich dieser Kern über ein Land hinweg bewegen wird.
Bei Stürmen gibt es eine einfache Regel: je weniger Mensch draußen, um so weniger kann Mensch draußen verletzt werden. Es ist ganz klar: kippen auf einer Straße 10 Bäume um, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass niemand verletzt wird wenn die Straße in dem Zeitraum nicht passiert wird und andersrum wird sehr wahrscheinlich eher ein Mensch von ihnen dabei verletzt, je mehr Autos in der Zeit diese Straße passieren. Und deswegen sind Warnungen und die Bitten, „bleibt bitte zu Hause“ das beste Mittel bei einem herannahenden Sturm den menschlichen Schaden möglichst gering zu halten. Passiert dann zum Glück wenig, heißt es noch lange nicht, der Sturm war gar nicht so schlimm wie angekündigt. Dieser Glaube scheint sich aber gerade bei einigen Leuten festzusetzen – und das ist fatal. Das sollte man sich nicht antun.
Dieses Mal ist nur deswegen so wenig passiert, weil wir eben fast alle zu Hause geblieben sind. Deswegen war aber Kyrill nicht weniger grausam als er uns angekündigt wurde. Es ist doch ganz einfach: über einen umgestürzten Baum wird nicht berichtet, er wird erst dann zu einem wichtigen Faktum in der Berichterstattung, wenn er dabei einen Mensch zerstört. Auch herabfallende Dachziegel sind dann erst ein Bericht wert, wenn sie dabei Schädel spalten. Erscheint uns Kyrill also in der Berichterstattung als gar nicht so katastrophal, dann deswegen, weil wir zu Hause geblieben sind und so kaum verletzt werden konnten. Es war der Hang der Meteorologen uns die Wahrheit zu sagen und unsere Cleverness darauf zu reagieren, die uns vor schlimmeren Schäden bewahrt haben.
Nun vielleicht zu denken, da war doch gar nichts – nur weil am eigenen Ort nichts passiert ist –und beim nächsten Mal leichtsinnig zu werden, das wäre äußerst fatal.
Im übrigen ist auch in Deutschland dieses Mal weniger passiert, weil nach den letzten Stürmen verstärkt der „öffentliche“ Baumbestand beachtet wurde und dieser rigoroser beschnitten bzw. gefällt wurde, wenn er als nicht gesund erschien. Auch die Dächer sind nach den Erfahrungen der letzten Stürme viel kritischer beäugt worden hinsichtlich ihres Zustandes. Ich denke, wir in Deutschland haben aus den letzten starken Stürmen auch etwas gelernt und das kam uns dieses Mal zugute.
Dass Kyrill mehr materiellen Schaden verursacht hatte als persönlichen (mir persönlich reichen die zu Schaden gekommenen Menschen vollkommen, europaweit über 40 Tote zu beklagen, das sind nicht zu wenig), lag nicht daran, dass er gar nicht „so sehr“ katastrophal war sondern daran, dass wir mit mehr Verantwortungsbewusstsein und Rücksicht an ihn heran gegangen sind und die allermeisten von uns auf die Warnungen angemessen reagiert haben.
Wer zu Hause geblieben ist, war deswegen nicht feige – auch wenn manch einer eine kurzfristige abendliche Absage am letzten Donnerstag als Feigheit werten mag. Wer nun meint, das war alles lächerliche Panikmache, der sollte überlegen, wann er einen Sturm persönlich als schrecklich genug empfindet: Dann erst, wenn der eigene Wohnraum elementaren Schaden genommen hat? Die Tochter unter dem Baum begraben wurde? Man zusehen musste wie der Nachbar in die Scheibe gedrückt wurde und vor den eigenen Augen verblutet ist?
Ich weiß nicht …