
Der Rotkohl. Ich gehöre zu der „der gehört vorher noch einmal eingefroren“-Fraktion. Keine Ahnung, warum. Ich weiß nicht, ob er deswegen besser oder schlechter schmeckt. Aber er gehört eingefroren. Früher, zu Zeiten als ich mich noch an das Kochen herantastete und mit dem Geflügel und den Klößen genug am Hut hatte für's Erste, kamen Rotkohl und Grünkohl vorgekocht in den Topf und wurden nur noch verfeinert. Das war ok. Dann erwies sich zwei Jahre hintereinander der Rotkohl aus dem Glas als matschige Pampe. Da habe ich rot gesehen und von Stund an den roten Kohl selber zubereitet. Am Anfang erzählte ich noch, das sei ganz einfach. Zumal wenn man eine Küchenmaschine hat, die diesen in feine Streifen raspelt. Fast von selbst.
Mittlerweile schneide ich ihn auch lieber selber. Das ist kein Akt. Aber Poesie. Es hat etwas Meditatives an sich. Und ich bekomme so schöne rote Finger, die ich hinterher ganz lange mit gut duftender Gewürzseife behandeln darf, was für mich immer eine Belohnung ist und keine Waschung. Außerdem kann ich ihn dann nicht allzu fein schneiden, Küchenmaschinen-Schnipsel sind doch sehr genormt. Ich aber mag ihn lieber gröber – bis maximal 1 cm Breite, dann hat er auch nicht später dieses unsägliche Pampenproblem. Er muss noch Biss haben, in der Größe und in der Konsistenz. Das ist wichtig. Mir. Dem Kohl wohl nicht.
Und ja, ich tue Rosinen bzw. Sultaninen ran, unter anderem. Am liebsten kaufe ich die großen schwarzen Rosinen beim beim befreundeten türkischen Supermarkt, die dann wieder zur richtigen Trauben aufgehen (und witzigerweise von niemanden, der Rosinen hasst als Rosinen erkannt werden.) Und wenn es sie gibt, dann nehme ich auch getrocknete Sauerkirschen, diese gebe ich beim letzten Aufkochen hinzu (die aus dem Glas verkochen oft.) Ich glaube, Rotkohl kochen bringt mich mehr in weihnachtliche Stimmung als Plätzchen backen. Heute war es soweit, viel später als sonst üblich, aber es ist ja kein normales Jahr. Die vorweihnachtlichen Entenessen mit der Mama fallen erstmals aus. Vermisst. Sehr. Aber ausgefallen, es wäre nicht das Gleiche.
Zutaten
ca. 1,5 - 2 kg Rotkohl
4 mittelgroße Zwiebeln
1 Glas Sauerkirschen (alernativ tiefgekühlte Sauerkirschen)
2 mittelgroße Boskop
100 g Sultaninen (gerne mittlerweile ersetzt/ergänzt mit getrockneten Sauerkirschen/Cranberries)
2 El Gänsegriebenschmalz (easy ersetzbar durch veganes Fett)
3 EL Vanillezucker
ca. 7-10 Nelken
ca. 3 Lorbeerblätter
1 Teelöffel Zimt
Salz + Pfefffer
150 ml Balsamicoessig rot
250 ml Rotwein
Für mehr Fruchtaroma zwei, drei Schalenstreifen einer unbehandelten Orange die erste Stunde mitkochen lassen (nicht länger, sonst wird der Orangengeschmack zu intensiv.
Zubereitung
Den Rotkohl schneide ich in nicht zu feine Streifen. Und nasche währenddessen ständig davon. Die Zwiebeln werden gewürfelt und im Gänsegriebenschmalz angeschwitzt und mit dem Vanillezucker karamelisiert, denn nur so glänzt der Rotkohl so edel wie Juwelen auf dem Teller. Tatsächlich mahle ich mittlerweile den Vanillezucker mit allen Gewürzen in der Kaffeemühle und schmecke den Kohl damit ab. Dann kommen die Rotkohlstreifen hinzu und alles wird angedünstet und mit dem Balsamicoessig abgelöscht und ist dieser reduziert wenig später wird der Rotwein angegossen. Dann kommen das Glas Sauerkirschen mit dem Saft sowie alle Gewürze hinzu (ganz im Teebeutel, wenn man sie nicht mahlen mag). Zum Schluß die Äpfel (mit Schale) und alles darf dann seine Zeit köcheln, jedenfalls solange bis ein Großteil der Flüssigkeit reduziert ist. Später wird noch einmal abgeschmeckt, vor allem mit Zucker – und dann eingefroren oder wie Marmelade im sehr sauber heiß usgespülten Kirschglas eingemacht (heiß einfüllen auf den Kopf stellen, hält ewig). Bis Heiligabend. Oder früher. Selten später.
Gestern habe ich ihn gemacht. Es war schön, ein bisschen therapeutisch. Zwischendurch habe ich sie, meine Mum, auch am Herd stehen sehen, sie hat immer versucht die Hitze wegzupusten beim Umrühren. Wie immer, wenn ihr selber heiß war am Herd in den letzten Jahren. Dann war sie also doch da …