2012-10-12

Von Ikea lernen und was Horst Buchholz mit Turbo-Töpfen gemein hat …

Ich. Wieder einmal im schwedischen Albtraumkaufhaus. Thema: Wäscheständer. Ergebnis: ausgesuchtes Modell nicht verfügbar.

Aber das wollte ich gar nicht erzählen. Ich bin da also hin. An einem Sonntag. Ich kann mich nicht erinnern, jemals an einem Sonntag bei Ikea gewesen zu sein. Ich glaube, ich war nur einmal auf dem Parkplatz vor Ikea als Sonntagsverkauf stattfand und habe alle für verrückt erklärt, die sich das antaten. Mittlerweile bin auch ich älter und weiser und kann mir daher etwas Verrücktheit gut leisten.

Ich war übrigens nicht alleine dort. Jeder gepflegte Ikea-Besuch beginnt mit einem Gang in das Restaurant und ich organisierte eine Portion schwedischer Hackfleischbällchen an Knödel. Zum Frühstück. Ich mag Knödel. Natürlich sind Ikea-Knödel das Schlusslicht in der Reihe most leckere Knödel ever. Aber das sind dort Kartoffelpüree und die Pommes Frites auch, insofern fällt die Entscheidung immer auf Knödel. sofern verfügbar. Da ich, wie schon festgestellt, nicht alleine dort vor Ort war und mit mir sehr viele Berliner Sonntags auch nichts Besseres vor hatten, als zu Ikea zu fahren – wahrscheinlich entkommt nur so halb Berlin den sonntäglichen Kaffeeritualen bei Muttern – fand ich keinen freien Tisch für mich alleine und sortierte mich, höflich fragend, ob noch einer der drei leeren Plätze frei sei, zu einer Dame höheren Alters an den Tisch, die mir dies auch gestattete.

Sie bewunderte alsbald meine Knödelformation (Köttbullar mit Knödeln auf einem Teller sind in sich eine ziemlich runde Sache) und erkundigte sich, ob es die Bällchen heute per se mit Knödel gab. Was ich verneinte und ihr damit erklärte, dass sie Berlin größten Knödelfan vor sich hätte und ich das Kartoffelpüree von Ikea abartig fände. Und Kartoffelpüree per se nur selbst gemacht ginge.

Sie verstand mich.

Und prompt waren wir mitten drinnen in der allerschönsten Küchen-Einmach-Diskussion, die man sich bei Ikea im Restaurant nur vorstellen kann. Sie erzählte mir davon, wie sie neulich Apfelgelee eingemacht hätte, und sie nun auf die Lieferung Quitten vom Nachbarn warten würde. Auch erzählte sie mir, dass sie früher viel mehr eingekocht hätte aber als ihr Mann gestorben sei, sie alles Eingemachte aus dem Keller weggeworfen hätte. An diesem Punkt habe ich streng geguckt und ihr den Wert der Einmachgläser (die heute preislich auch mit Svarowski-Kristallen besetzt sind, möchte man meinen) vorgeworfen, was sie mit schuldvollem Verständnis goutierte. Dann fiel das magische Wort: der Turbo-Topf.

Ich, die ich bisher noch nie Gelee eingekocht habe, habe natürlich nachgefragt wie jemand mit so langer Küchenerfahrung das macht. Denn sind wir ehrlich zu uns selbst, die alten Kochmaßnahmen erscheinen heute, in Zeiten von Silikon und überflüssiger Gerätevielfalt, hier und dort nach einem Besuch durch den kochenden Irrgarten doch als die deutlich sinnvollere Variante.

Die Dame beschrieb mir dann wie sie flugs und schnell in ihrem Turbo-Topf Fruchtfleisch mit wenig Wasser aufsetzt in einem Dampfeinsatz, dieses zum Klappern bringt (beim Turbo-Topf wird der Kochvorgang mit Klappern begleitet), dann zum Abkühlen stehen gelassen wird und sie in der Folge feinsten konzentrierten Apfelsaft im Topf hätte. Soweit so simpel. Sie empfand es mit erlaubten Stolz als ihre ureigene Erfindung im Schnellkochtopf die wichtigste Zutat für ein Gelee zu bereiten und das war schön zu erleben.

Mittlerweile verstand ich den Turbo-Topf als Schnellkochtopf der Urzeit. Der aber, wie ich mittlerweile nachgelesen habe, aus Aluguss (O-Ton Sie: aus dem Material aus dem Flugzeuge hergestellt werden) produziert wird, neben dem Ventil einen Druckablass extra hat und auch heute noch irrsinnig teuer ist im Vergleich zu den üblichen Markengeräten. Sie erzählte mir, dass sie mittlerweile zwei Töpfe hätte, die sie neulich für 100 Euro nochmals hätte überprüfen und mit Ersatzteilen habe versorgen lassen. Und dass sie den zweiten Topf von den Pflegeeltern von Horst Buchholz, dem Schauspieler, geschenkt bekommen hätte, die diesen damals nicht mehr gebaucht hätten.

Sie beschrieb den Turbo-Topf natürlich als heute rar, nicht mehr neu verfügbar und glaubte daran, es gäbe nur noch einen Händler (in Berlin), der Ersatzteile hätte. Nun, wie immer sieht die Sache nach einem Blick ins Internet deutlich verfügbarer aus. Sie erklärte mir auch, der Turbo-Topf sei aus den 50iger („Da waren Sie ja noch gar nicht geboren!” Ich: „Na ja, aber nur ganz knapp noch nicht.”)

Der EMI Turbo-Topf ist heute in seinem Design fast unverändert (hässlich) gegenüber seinen Vorgängern und offensichtlich muss es der einfach sein. In der Folge erzählte sie mir noch hübsche explosive Geschichten von Hausfrauen, die sie kannte – oder auch von denen sie nur entfernt selbst erzählt bekommen hatte – die zu wenig Geduld mit dem Turbo-Topf gehabt hätten und was dies in der Folge mit Küchen und Hausfrauen so alles angestellt hätte. Prompt beschlich mich wieder der tiefe Respekt vor Schnellkochtöpfen, der mir immer schon zu eigen war.

Ich hatte also unverhofft ein sehr interessantes lehrreiches Küchengespräch bei Ikea. In dessen Folge ich beflügelt dann auch (ganz alleine!) endlich verstanden habe, dass ich beim Kaffee ziehen gar nicht einen Schwung Kaffee erst wegkippen muss, alternativ die Tasse früher wegziehen muss, um noch Platz in der Tasse für einen ordentlichen Schluck Milch zu haben. Nein: ich muss tatsächlich nur auf die Taste mit der kleineren Kaffeetasse drücken! Jahrelang habe ich das nicht verstehen wollen (in der Folge wird in den neueren Ikea-Häusern in Berlin an den auch neueren Automaten nur noch eine geringere Menge Kaffee per se ausgeschenkt ohne Wahlmöglichkeit. Extra wegen mir. Oder wegen BWL. Was weiß ich.)

LUBJAN war natürlich nicht verfügbar, weswegen ich mich nicht in die sonntäglichen Kassenschlangen bei Ikea einsortieren musste (will man ja auch nicht wirklich) und somit fuhr ich gen Heimat, still in mich gekehrt glücklich über dieses unverhoffte Treffen mit der Dame und unser Gespräch und wieder einmal meine lieben Großmuttis vermissend.

5 Kommentare:

Anikó hat gesagt…

Gespräche derart hatte ich in den letzten Wochen öfter, kommt davon, wenn man mit älteren, großartigen Damen im Krankenhaus im selben Zimmer liegt. Und ja auch mir fehlten meine Omas sehr in solchen Momenten.
Übrigens Ikea-Wäscheständer fand ich bisher immer unpraktisch, passt nicht mal Bettwäsche vernünftig drauf ;-) Hoffe Du hast schon nen neuen erstanden :-)

creezy hat gesagt…

@Aniko
Also ich habe jetzt LUBJAN (aus Spandau) und er ist okay, ich hänge Bettwäsche eh immer einmal gefaltet auf, das passt schon. Mir war ja mein anderer (Leifheit, ursteuer) tatsächlich zu groß.

Eigentlich muss man was machen mit diesen Großmüttern, die so noch kochen können, und Jugendlichen.

Brigitte hat gesagt…

Jaaaa, meine Mutter hatte noch so einen guten alten Fissler Schnellkochtopf, mit geringeltem Dampfventil auf dem Deckel. Und einmal verteilte sich auch bei uns der Erbseneitopf sehr umfassend und gleichmässig über die gesamte Küche. Ich fand's damals lustig, muss ich zugeben.

Apropos Einmachgläser: Ich werde mich auch demnächst wieder entscheiden müssen: Vier Kilner Jars, um Gewürzgurken einzulegen oder einen Kurzurlaub im 4-Sterne Hotel in Paris. Bin noch am überlegen.

Wäscheständer: Ich erstand seinerzeit einen für 5 Pfund. Sogar einen kontinentaleuropäischen, nicht so eine englische Fehlkonstruktion auf der eh nichts trocknet. Freute mich noch wie sonstwas - bis diese fiesen Rostflecken meine Wäsche zierten. Ich habe dann beim Schreiner meines Vertrauens ein klassisches Holzrost klöppeln lassen und das hängt an zwei Haken über der Badewanne. Das Hissen mit frischer Wäsche hat immer sowas Feierliches, fast möchte man salutieren :). Ist mir auch erst zwei, dreimal auf den Kopf gefallen.

creezy hat gesagt…

@Brigitte
WAS? Ich habe diese „Vier Kilner Jars” gerade gegoogelt. My dear Mr. Singingclub sind das Preise. Hm, vielleicht doch lieber Paris? Oder soll ich ein Carepaket schicken? Ein bisschen günstiger sind die Gläser hier ja doch …

Holzrost im Bad klingt sehr cool. Salutieren auch. Da kann man bestimmt auch super Champagnerflaschen dran köpfen oder? ;-)

Die Konstruktion erinnert mich an das Holzgerüst an dem sich Ian Curtis aufgeknüpft hatte … gut, ich habe manchmal merkwürdigen Humor – ich weiß. ;-)

susa hat gesagt…

Weiß jemand, ob diese EMI-Töpfe induktionstauglich sind, ich fürchte, nein - oder?
Kilner Jars kauft man nicht, die vererbt man von der Mutter auf die Tochter ;o))

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