2010-04-23

Die hohe Kunst der Kochtopfruinierung

Im Leben eines jeden einzelnen Menschen tritt gelegentlich das Phänomen der Serie auf. Dementsprechend fällt nie nur ein Ei aus dem Kühlschrank auf den Boden, es müssen in einer verhältnismäßig kurzen Periode mindestens noch das Marmeladenbrot physikalisch bedingt mit der richtigen Seite auf den Untergrund plumpsen, gerne gefolgt von einem vor Aufprallwonne platzenden Joghurt-Becher. Auch geht nie nur ein Teller vom Lieblingsservice kaputt, es folgen üblicherweise die Kanne der Kaffeemaschine und die schöne, daher lieb gewonnene Butterdose, die sozial kompetent kurz nacheinander zu Bruch gehen. Ist bei Euch je nur der Staubsauger in die ewigen Jagdgründe eingegangen? Oder folgen nicht noch sehr gerne in kurzer Folge elektrische Zahnbürste, Radiowecker und gerne auch mal bei besonderes hohem Sternestand die Waschmaschine? Ist jemals ein Parkticket alleine gekommen? Serie! Sind Ärgernisse im Job auf wenige Tage im Jahr und nach Tageszeit geregelt? Quatsch! Serie! Mindestens eine.

Ich sehe, Ihr wisst genau wovon ich schreibe.

Ich befinde mich zur Zeit in der Phase der „ich lasse anbrennen, was geht“-Serie. Damit meine ich nicht, ich würde gerade in der Männerwelt nichts anbrennen lassen was nicht bei zweikommafünf auf den Bäumen ist. Ich rede von der heiligen Küchenkunst zubereiteten Speisen zu viel und zu lange Hitze zuzufügen. Das geht, das weiß ich. Ich habe es in der letzten Zeit häufiger probiert. Es ist eine ziemliche doofe Serie, denn das Anbrennen lassen von Speisen impliziert gleichzeitig mehrere unschöne Begleitumstände: Geruchswelten, Rauchwelten, geschmackliche Beeinträchtigung bis hin zur Regulierung des Essenganges direkt in den Mülleimer, anschließendes Hungergefühl, Frustration (die armen Kinder in Afrika, das lässt sich in prämenstruellen Phasen prima hochschaukeln) und schlussendlich: schwarze Kochtopfböden. Und ich meine, richtig schwarze Kochtopfböden. Schwarz. Behaupte da noch mal einer, echtes Schwarz würde es in unserer Farbwelt gar nicht geben.

Meine Serie fing vor einigen Wochen an mit einem Chili. Gut, Bohnen bieten ausreichend Stärke und diese bastelt gerne einen Bodensatz – aber so einen Bodensatz? Auf schüchterne Nachfrage – daran kann man sehen, wie unbedarft und naiv ich bin, was die Spezies des angebrannten Boden eines Topfes anbelangt - empfahlen mir einige Follower via twitter Backpulver in den Topf zu geben und dieses mit Wasser nach kurzer Einwirkzeit aufzukochen. Das ging wunderbar und froh war ich wieder. Der Topf auch. Wir verdrängten das unschöne Happening gemeinsam.

Ähnlich froh war, dass ich kurze Zeit später den zweiten Tipp meiner lieben Follower, nämlich das gleiche Prozedere mit Waschmittel durchzuführen, auch testen durfte: Wirsingkohl-Teer-Boden. Klappt beides gut, ich würde im Reinigungsergebnis ein klein wenig der Variante „Backpulver“ den Vorzug geben wollen - gebe aber zu bedenken, dass Waschmittelkochgeruch zusätzlich fundamentale Dienste leistet bei angebranntem Kohlgeruch in der Wohnung, Treppenhaus, Straße … (Okay, ich übertreibe. Aber kann man sich wirklich überlegen bei stehendem Kochgeruch in der Wohnung, kurz etwas Waschmittel auf dem Herd aufschäumen zu lassen. Wirkt geruchsbedingt Kochwäschewunder! Killt jeden Bratheringsgeruch.)

Frikassee. Ich finde schon, dass es eine hohe Kunst ist nun zum dritten Mal in relativ kurzer Zeit (vier Wochen?) erneut derartig meinen Kochtopf zu quälen. Ich ließ mir also den Titel der Kochtopfboden-Domina von Tempelhof als weiteren Beruf beim Finanzamt eintragen und stellte den Kochtopf mit Backpulver auf den Herd, legte mich Sonntags nachmittags nur mal kurz auf's Bett, es legten sich drei Fellträger dazu und aus der halben Stunde entwickelte sich anderthalb Stunden später der Geruch von angebrannter Backpulverlösung auf verbranntem Kochtopfboden, was uns alle aus unseren Träumen aufschrecken ließ. Man träumt bei zweifach angebranntem Küchenkram in der Küche plötzlich gar nicht mehr von der Provence und duftenden Lavendelfeldern, alternativ Fischmärkten und Gambas-Überhang. Weiß ich nun zu berichten.

Fortan diskutierte ich also mit mir, wie blöd man eigentlich sein kann und teste die Variante „verbrannter Kochtopfboden von Speisen an zusätzlich aufgebrachter Kruste von Backpulver-Wasser gelöst mit der Waschmittelpulver-Variante.“ Geht übrigens. Und ließ ich ausnahmsweise mal nicht anbrennen.

Die Steigerung des Ganzen dann letzte Woche und das ist nun wirklich so dermaßen blöd gelaufen, weil's wirklich das allerletzte Gemüse ist, das man anbrennen lassen kann, weil es in ausreichend Wasser vor sich hin köchelt: Spargel. Ich habe es geschafft, Spargel so anbrennen zu lassen, dass sich die Hälfte der Stangen in den Boden des Topfes eingebrannt haben! Das ist ein Highlight und offensichtliches Schlusslicht zugleich. Ich schämte mich.

Und weil ich mich so dermaßen schämen musste, habe ich genau was gemacht mit der Backpulver-Lösung in dem gleichen Topf auf dem Herd?

Ach, reden wir nicht mehr darüber!

11 Kommentare:

kaltmamsell hat gesagt…

Gratuliere, satte Leistung. Das kommt in bedrohliche Nähe der Kunst, Wasser anbrennen zu lassen.

Maren hat gesagt…

Hach, danke. Das beruhigt ungemein. Und der Tipp mit dem Backpulver ist ja wohl Gold wert. Mein Küchentrauma: Dampfnudeln. Wenn man nicht glaubt, dass eine Messerspitze Backpulver reichen sollte. Und gab die ganze Tüte hinein. Komischerweise kam dann die Dampfnudel allein aus dem Ofen. Was eine Schweinerei!

Anonym hat gesagt…

Die in Kochtöpfe eingebauten Böden sind eine Schikane der Kochtopfhersteller. Wie sollten die sonst überleben da ihre Töpfe ohne die eingebaute Schwachstelle eines Bodens ein Leben lang halten würden.

kelef hat gesagt…

ach du sch...

deshalb hab ich nur mehr edelstahlgeschirr: der versuch, den bodensatz nach essbrikettherstellung aus suppengrün und ochsenschwanz aus einem emaillierten kochtopf vermittels aufkochen mit backpulver und anschliessend waschpulver zu entfernen endete bedauerlicherweise in einer entfernung auch der gesamten emaill-beschichtung. ganz toll.

wenn man wirklich etwas anbrennen lassen will, nimmt man am besten richtiges eisengeschirr, darin verkohlen die reste sehr schön und man braucht dann gar nicht besonders putzen: einmal aufklopfen genügt, und die kohle fällt heraus. erfahrungsgemäss empfiehlt es sich, entweder cold-handle-modelle zu verwenden oder - und das meine ich ernst - geschirr und inhalt vor dem aufklopfen auf was auch immer erst auskühlen zu lassen. hände, umgebung und die nachbarn drei stock höher wissen das zu schätzen, und man erspart sich auch die renovierung der küche. allerdings braucht man die rettung nicht selber rufen, das machen die anderen (mit rücksich auf die hände). war nicht ich, aber die geschichte war wirklich übel.

hajo hat gesagt…

creezy,
wäre es nicht angebracht, sich mal bei einem Bäckerei-Lieferanten wegen eines größeren Gebindes von Backpulver umzuhören? Es gibt da so formschöne 10 m³-Silos und für so ein "Kleinteil" hast Du doch sicherlich noch Platz, oder? :-D
Liebe Grüße aus Frankfurt am Main
Hajo

Andrea hat gesagt…

Deine Kochtöpfe haben mein vollstes Mitgefühl!
Andererseits, wärest Du immer mit voller Konzentration bei der Sache, könntest Du hinterher nicht so hübsch drüber schreiben. :)

Angelika hat gesagt…

Ich bewundere Dich,Du schreibst über angebrannte Töpfe eine so nette Geschichte.

bel hat gesagt…

Das aller beste Backpulver um solche Sachen und auch andere Küchenkatastrophen, wie versiffte Teekannen und innenbeschichte Thermoskannens, eingebrannte Ränder auf Kochplatten und Fettecken an blöden Stellen zu entfernen heißt "Arm & Hammer". Und das ist kein Backpulver, sondern baking soda. Man kann auch zur Drogerie gehen und Waschsoda kaufen, aber Arm & Hammer ist doch noch besser.

Kannentherapie:

2 Esslöffel A&H und dann kochendes Wasser in die Kanne. Deckel drauf. Über Nacht stehen lassen.
Morgens auskippen und ausspülen.



Dr. Oetker ist Merde, weil da unter anderem allerlei Salze dringemixt sind und die sind sehr sehr ungesund. Für den Topf.

bel

Arm & Hammer kriegt man in Berlin im KadeWe

So siehts aus:

http://www.apartmenttherapy.com/uimages/la/arm-hammer-baking-soda.jpg


und auch das kann man mit A&H machen:

http://iblogbeauty.com/arm-and-hammer-solution-to-dull-hair

Indica hat gesagt…

Den Topf können Sie jetzt mit dem Spargelmuster als Kunstobjekt gewinnbringend verkaufen.

Und Sie sehen: Die Zerstörungsphase ist für dieses Jahr nach dem Krack der Sauciere gleich erledigt gewesen. Kochen Sie bitte nur noch in anderen Töpfen, dann haben Sie Ihr Anbrennpensum für dieses Jahr auch gleich hinter sich!

creezy hat gesagt…

@kaltmamsell
Okay, ab heute „Künstlerin creezy“. Klingt gut, finde ich.

@Maren
Ich habe ja sonst eher den Eindruck ich habe eine Backpulver-Resistenz, bei mir tut das gefühlt sonst nie was mit den Backwaren ;-(

@lamacucina
Stimmt! Kochtopfböden ist ein derartig überflüssiges Übel. Kochtopfwände brennen komischerweise nie an!

@kelef
Nun, bis auf den einen großen LeCreuset-Bräter habe ich ja auch nur Edelstahl … zum Glück.

Die Geschichte klingt übel! ,-(

@hajo
Habe ich Dir schon mal gesagt, wie sehr lieb ich Dich habe?! ,-)

@Andrea
Nicht wahr? Und nicht nur mit Konzentration – auch mit ganzem Herzen! *seufz*

@Angelika
Nun, sagen wir's so: Schreiben kann in solchen Dingen extrem therapeutisch wirken. Bei mir entwickelte sich langsam eine Koch-Phobie. Und das geht ja gar nicht! ;-)

@bel
Stimmt, das Zeuge habe ich neulich vergessen dort zu kaufen.

@Indica
Meinen Sie? Obwohl ich kein „B“ als Anfangsbuchstaben in meinem Namen trage? ,-) Ich hoffte ehrlich gesagt, mit diesem Geschreibsel die Serie zu beenden – mein Blog ist da manchmal magisch! ,-)

hajo hat gesagt…

ach creezy, das tut so richtig gut. Da muss man doch 60 Jahre alt werden um so etwas Schönes zu erleben :-D
Wie wär's: "creezy for Kandesbunzlerin"?!

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