War mir schlecht!
Zunächst einmal muss ich wohl gestehen: dieses Post schreibe ich betont kleinlaut, weil ich mich schäme. Ich habe nämlich Freitag abgeloost, wie man so schön sagt. Aber volle Kalotte. Wenn ich dürfte, würde ich sogar schreiben: vollste Kalotte!
Mir war schlecht. Im Flugzeug. Mir! So schlecht, dass ich eine Minute vor der Landung (natürlich Fensterplatz) allergrößte Lust hatte kleine Örtchen heimzusuchen und zur Ablenkung wie wild nach den sogannten Spuck- und Reiertütchen in meinem Sitzinformationsgewusel kramte. Da die neuerdings wohl aber exclusiv im Corporate Design (schöner Kotzen in Kranichblau) und pappeverstärkt daher kommen, ich aber noch auf die ursprünglichen blassen dünnen zweckentfremdeten Toiletten-Bindentüten geeicht war (daran sieht man wie selten ich fliege mir schlecht wird im Flugzeug), habe ich die nicht finden können – denn diese waren ja auch nicht da. Dann habe ich verzweifelt bis 60 gezählt und der olle Vogel hat endlich in Köln aufgesetzt und ich fühlte die große Anspannung entweichen. So schlecht war mir! Und irgendwie berührt mich das doch peinlich.
Denn mir ist nie schlecht im Flugzeug. Ich fliege doch so gerne, schrieb ich ja schon. Ich fliege völlig entspannt London an, ertrage dynamische Durchstarter, weil die Landebahn dann doch rein zufällig noch nicht frei ist (!), relaxtes Kreisen am Himmel, weil der Flughafen an nebulösen Monatsbeschwerden leidet und die üblichen inselbedingten ups-and-downs, die die Londonanflüge so einzigartig legendär machen, fröhlich und breit grinsend und mit dem vertrauensseligen Wohlwollen einer fliegebegeistertem Wahnsinnigen.
Gut, ein einziges Mal war mir bisher schlecht im Flugzeug. Auf meinem ersten Überseeflug 1991: da sind wir Berlin-Frankfurt, Frankfurt-London, London-New York und von New York noch in einem Bonsaibomber Richtung Boston geflogen. Was ich im Vorfeld großartig fand, denn ich kann prinzipiell nicht genug Starts und Landungen an einem Tag haben. Auf dem Flug NY-Boston habe ich dann leider doch gestreikt, zu lange unterwegs, für mich war's Morgens (früh morgens bin ich magenmäßig ein Sensibelchen) und ich hatte Hunger. Dann gab es mit Honigkruste ummandelte Erdnüsse an Bord (der Flug geht ja nicht lange) und ich konnte kurze Zeit später den Landeanflug auf Boston nur sehr deutlich angespannt erleben. Einziger Trost, als ich nach der Landung aufstand und meinen Freund ein paar Sitzreihen hinter mir abholte und zu ihm meinte «Ist mir schlecht!», guckte er genauso blass aus der Wäsche wie ich (vermutlich) und meinte: «Stimmt! Der Flug hätte jetzt nicht eine Sekunde länger dauern dürfen.» Na gut, das war unter erschwerten creezy-war-zu-lange-auf-und-Honigerdnussbedingungen (die ich eigentlich ganz lecker fand), Schwamm drüber.
Aber Übelkeit auf einem lässigen Flug von Köln nach Berlin? Memme! Ich! Pah! Der Flug war auch gefühlt gar nicht schlimm, klar war's windig und die Maschine hat so ihre Problemchen im Landeanflug.
Nur in keiner Weise, wie man es hätte aufgrund der Wettervorhersagen hätte erwarten können. Aber mich ließ das im Kopf wirklich kalt, nur der Gleichgewichtssinn hatte offensichtlich genug, noch nicht ausgeschlafen oder ich habe den Orangensaft zu schnell getrunken. Womöglich fängt jetzt im Flugzeug auch noch an, was ich schon im Auto und in der U-Bahn nicht mehr wirklich lange kann: lesen. Was weiß ich. Keine Ahnung. Es ist jedenfalls nicht entschuldbar. Auf alle Fälle werde ich nie wieder vorher über etwaige schwierig werdende Flüge bloggen und ab sofort immer eine Zahnbürste dabei haben. Man weiß offensichtlich nie … lächerlich, so eine Pappnase, ich!
Und dann in Kölle zwar nett im Taxi begrüßt, wie es sich für die beigeführte Pentax gebührt,
aber so 'ne Fahrer-raucht-im-Auto-Karre. Auch nichts, was man nach so einem Flug unbedingt braucht. Der Rückflug war indes toll, ich habe einfach im Vorfeld alle breit grinsend wild gemacht (Stewardess, Begleitung, Sitznachbarn). Noch mal vorher in Ruhe nach dem Tütchen researcht (der war mir jetzt schön!), den Tomatensaft langsam getrunken und mich daran gefreut, dass auch meine Begleitung nun verstanden hat, was es ganz Besonderes mit Landeanflügen auf Berlin an sich hat. Man will sie und ihre Lichter einfach umarmen. Berlin heilt eben alle Flugwunden. Ich schäme mich trotzdem.
6 comments:
Tja, wer fliegt schon gerne?
Ich muß leider gestehen, und dass ist MIR auch unglaublich unangenehm....
Ich bin nicht seetauglich. Schon beim Ausflug auf nem Tretboot muß ich den Horizont im Auge behalten, sonst wirds für alle unangenehm....
Anno 96, Überfahrt von Dover nach Calais, Nordwest 10, Böen 12. Wir dümpelten ohne Stabilisatoren, auf Einfahrt wartend, vor Calais. Bei der letzten großen Welle war die halbe Bordbar aus den Regalen gekommen und um herum führten sie gerade das furiose Finale aus "Das große Kotzen" auf.
Uns gings lustigerweise prächtig. An der Sache mit dem Lesen ist viel dran. Gleiches gilt für Liegen, nach unten gucken, schlapp herumhängen. Die beste aller Hälften (tm) hatte sich ne Rolle Doppelkekse aus dem Auto mit nach oben gebracht. Die hat das Aas dann grinsend aus einer (natürlich jungfräulichen) Kotztüte gefuttert. Das hat dem Rest den Rest gegeben. ;-)
Ralf
Das mit dem "Übelwerden beim Lesen" geht bei mir langsam auch los. Ich frage mich ob das nicht die ersten Vorboten einer altersbedingten Sehschwäche sind. Berichte aus dem Bekanntenkreis legen diesen Schluss leider nahe ...
Sie dürfen nun aus der Schäme-Ecke wieder rauskommen.
Honigummantelte Erdnüsse? Großer Gott! Die Dinger riechen nach Pipi, und wie sie schmecken, will ich gar nicht wissen. ürgs!
@Elsa
Gut, darüber schweigen wir mal. ,-) Aber ich kann im Boot unter Deck auch nicht soooo gut …
@fotoralf
Kann ich glaube ich auch: an Deck. Und ich darf vorher nix Schlechtes gegessen haben. Aber nach der Erfahrung vom Freitag lege ich nicht meine Hand mehr ins Feuer für nix! ,-) Ansonsten: fiese möpp, Du! ,-)
@foxxi
Ist so oder? Abnehmendes Sehen und Hören und Kettenkarussell geht vermutlich auch nicht mehr.
@duftbauemchen
Sicher? Es ist mir immer noch soooo unangenehm. Nun stellen Sie sich mal vor, ich hätte wirklich …?
@Scholli
Keine Ahnung, an sich fand ich die auf dem Flug sehr leckr (großer Hunger), hatte aber danach auch nicht sooo ein großes Bedürfnis. Finde die mit Fett und Salz einfach netter!
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Fröhlich sein, freundlich bleiben und bitte immer gesund wieder kommen!
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