2008-11-14

Fluglärm

Ein Teil meiner neuen Aufgabe beinhaltet ein wenig das fröhliche Städtethüpfen mehrmals die Woche, das wenig ökologisch aber zeitlich ökonomisch in einem Flugzeug vollzogen wird. Hierfür ist gelegentlich von Nöten, will man pünktlich irgendwo um 9:00 Uhr sein, dass man sich am Bienenstock, also der Flugwerkzeugsammelanlage, bereits gegen 06:00 Uhr einfindet, möchte man um 06:45 Uhr im Bauch des bevorzugten motorisierten Bienchens beispielsweise gen Karnevalscity entfleuchen. Wann man dafür die häusliche Docking-Station zu verlassen hat, braucht man ca. eine Stunde zum Flughafen der Stadt, überlasse ich der Phantasie der geneigten Leserschaft. Wann man dafür wiederum das warme weiche Bett zu verlassen hat, überlasse ich ebenfalls der Phantasie der geneigten Leserschaft. Um wieviel früher sich das alles potenziert, handelt es sich bei der Reisenden um eine feminine Person mit genetisch bedingter Neigung zur Eitelkeit, überlasse ich nochmals der geneigten Leserschaft und übernehme ausdrücklich nicht die Kosten für eine notwendige medizinische Behandlung bei solidarisch empfundenem Mitleidsschmerz.

Erwiesen ist wieder einmal, dass ich äußerst schlecht darin bin schon um 22:00 Uhr ins Bett zu gehen.

Tatsächlich hat die Hauptstadt so früh morgens ihren eigenen Charme. Gelernt habe ich diese Woche, dass es einen Arbeiterflug, den um 06:45 Uhr gibt, da fliegen viele Männer in den eher schlecht sitzenden Anzügen mit. Die Männer, die bügeln lassen, also die in den sehr hochwertigen Anzügen mit blitzenden Schuhen, die fliegen erst gegen 08:15 Uhr, das ist dann der Dronenflug. Der Frauenanteil ist in beiden Maschinen eher als dürftig zu benennen, ist aber in der späteren Maschine deutlich höher. Ich habe daher diese Woche viel für die Frauenquote in früh fliegenden Flugzeugen getan. Wenn Frauen mitfliegen und neben mir sitzen, scheinen sie ziemlich zappelig, hippelig und aufgeregt zu sein. Wohl weniger wegen der Flugangst, scheint es ein besonderes Merkmal für das eigene spezielle »ich bin wichtig« zu sein. Ich indes bin nicht wichtig und daher fliege ich völlig ruhig.

Außerdem bin ich klug und lerne aus meinen Fehlern in der Vergangenheit. Ich kann nämlich nur eines: entweder sehr früh aufstehen oder sehr sehr sehr schlechten Kaffee trinken. Immer noch glaube ich, dass die Fluggesellschaften ihren internen Wettbewerb «wer serviert den schlechtesten Kaffee an Bord» aufrecht erhalten. Daher habe ich in allen vier Flügen tapfer darauf verzichtet, den Kaffee zu trinken. Flugzeugkaffee kann den ganzen Tag verderben. Und so habe ich dieses Woche zwei Mal die Berliner Zeitung gelesen, Orangensaft getrunken und mich hinterher über Druckerschwärze an den Fingern geärgert. Das muss man um die Uhrzeit auch erst mal können!

Im Securitybereich muss man nicht mehr Notebooks aus ihren Taschen holen und anstellen, so wie früher. Dafür muss man aber jetzt Anzug- oder Kostümjäckchen ausziehen, denn die könnten fürchterlich evil sein. Hemden und Blusen sind indes noch von jedem Tatverdacht befreit, was die angenehme Folge hat, dass man sich nicht komplett nackig machen muss. Berliner Durchsteckschlüssel am Schlüsselbund lösen bei der Kölner Security Verwunderung aus. Aber das tun Berliner Durchsteckschlüssel eh bei jedem, der sich mit diesem Prinzip kaiserlicher Schlüsselkunst noch nicht auseinander setzen musste. Flugzeuge stürzen übrigens gar nicht gleich ab, wenn man mal versehentlich ein elektronisches Gerät, beispielsweise ein bonfortinös strahlendes altes Handy, während des gesamten Fluges anlässt. Das habe ich letztes Jahr auf dem Langstreckenflug getestet und diese Woche wieder.

Ich fliege sehr gerne, insbesondere starte und lande ich gerne. Ich habe auch ein unbedingtes Vertrauen in die Technik der Flugzeuge obwohl mir die Tatsache, dass es funktioniert immer wieder und jedes Mal aufs Neue wie ein Wunder erscheint. Berlin im Landeanflug ist immer noch schön und fürchterlich emotional für mich. Auch wenn ich nur acht Stunden weg war. Ich will die Stadt dann immer umarmen. Ich glaube, manchmal seufze ich sehr laut und glückselig, wenn ich aus dem Fenster gucke und auf die Lichter von Berlin gucke.

Allerdings muss ich mich an die Frühschicht erst noch gewöhnen. Die Zeit vor den Flügen ist spannend und mit dem Lesen von viel viel Text gut in Schach gehalten. Meine nicht so dummen Fragen und meine vielen dummen Fragen werden von meiner Begleitung mit unendlicher Geduld zwei-, drei- und manchmal auch ein viertes Mal beantwortet. Selten habe ich das Gefühl, der Wissenkreis könnte sich irgendwann einmal auch schließen für mich, aber gelegentlich deutet es sich als waberndes Hologram doch auch an. Nebenbei bin ich gezwungen eine völlig neue Sprache zu lernen, auch wenn tatsächlich mehrheitlich und nur Deutsch gesprochen wird. Die Zeit nach den Flügen ist mit viel Nachdenken und wieder viel viel Lesen bestückt, denn der nächste Termin kommt bestimmt. Die eigentliche Aufgabe dabei ist aber eine unendlich spannende und gerade nach dieser Woche bin ich sehr motiviert. Gleichfalls spannend sind die Menschen, denen ich im Zusammenhang mit dieser Aufgabe begegne: sehr kluge und engagierte Köpfe, leider denken und sprechen sie gelegentlich für die falsche Seite oft aber auch für unsere, die richtige.

Zwischen den beiden Flügen ist die Zeit also mit sehr wachem Kopf und offenen Augen zu überbrücken und daher kann ich melden, dass ich heute ein wenig müde bin. Aber ich bin gestern von einer jungen sehr charmanten jungen Frau am Flughafen abgeholt worden. An Flughäfen abgeholt werden, ist ein sehr schönes Gefühl, das nie unterschätzt werden sollte.

5 Kommentare:

kaltmamsell hat gesagt…

"Berlin im Landeanflug ist immer noch schön und fürchterlich emotional für mich. Auch wenn ich nur acht Stunden weg war."

Das würde ich so gerne auch von München sagen. Aber meine Stadt ist so weit weg vom Flughafen, dass ich sie noch nie beim Landen gesehen habe. Schnüff.

Anonym hat gesagt…

Willkomen in der schönen Welt der Flughafen-Lounges und Frequent-Flyer-Karten. Vielleicht sieht man sich zwischen zwei Anschlussflügen.

creezy hat gesagt…

@kaltmamsell
So richtig lange wird uns das hier auch nicht mehr vergönnt sein. In Schönefeld sieht das schon wieder ganz anders aus.

@Anonym
Halten Sie bitte unbedingt Ihr Schild hoch, damit ich Sie erkenne! ,-)

Anonym hat gesagt…

"Im Securitybereich muss man nicht mehr Notebooks aus ihren Taschen holen und anstellen, so wie früher."
...*verwirrtdreinschauend* also ich fliege fast jede Woche, dass wäre mir neu. Oder siehst Du so harmlos aus?

Anonym hat gesagt…

Ich glaube, manchmal seufze ich sehr laut und glückselig, wenn ich aus dem Fenster gucke und auf die Lichter von Berlin gucke.
Ich lieber immer sehr den Anflug über die Potsdamer Seen und Sansouci (ganz entzückend). Außerdem suche ich jedesmal den Berliner Horizont nach dem Gasometer ab und freue mich ein Loch ein den Bauch, wenn ich's gefunden habe.

p.s.:Ich habe irgendwann begonnen, die 6:30/6:45 Flüge kathegorisch abzulehen.

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