2007-10-13

Castell de Bellver de Palma de Mallorca



Am Tag nach dem Abschied von meiner Mum wollte ich endlich mal mit der alten Bahn von Palma nach Sóller fahren und dort den Botanischen Garten besuchen – der hatte aber Montags zu. Also bin ich in der Stadt geblieben und habe mir auf Anraten von Andrea den Weg zum Castell de Bellver erkämpft. (Und bin auf dem Weg dahin noch über das Poble Espanyol gestolpert, aber dazu ein anderes Mal mehr.)



Das war ein sehr schöner Tag, so wie ich das liebe. Einfach durch die Gegend schleichen mit der Kamera, irgendwo ein Ziel zu haben, dem Rest aber Raum geben und sich Zeit nehmen. Die Gegend Palmas westlich von der Kathedrale und Museu es Baluard ab dem Place Pont ist zu großen Teilen eine Villengegend auch mit altem hochherrschaftlichen Hausbestand. Eine charmante Ecke. Tatsächlich kann man von Palma zum Schloss laufen, sofern man gerne wandert und gut zu Fuss ist, es sind nur ca. 3 km. Das Schloss erreicht man aber erst nach einem Bergaufstieg, denn es liegt 137 m über dem Meeresspiegel. Das geht via Stufen, vielen Stufen.



Ich aber bin von der Camilo Jose Cela durch den Parc de Bellver aufgestiegen. Traumhaft – ein Pinienwald, der ein wenig vor der gleissenden Sonne schützt und man trifft in der Woche tagsüber keine Menschenseele.





Nach dem mit schnellem Schritt in ca. 30 Minuten zu bewältigendem Spaziergang steht man dann vor dem Schloss, mit hochrotem Kopf und Schweissflecken unter dem Arm. Daran erkennt man auch die anderen Kämpfer gleichen Standes, denn die Bustouristen sehen sehr schnicke und entspannt aus, haben aber dafür im Schnitt allerhöchstens 45 Minuten das Schloss und die Aussicht zu besichtigen. Wie man's mag. Mir ist dort jedenfalls erstmals wieder bewusst geworden, dass dieser Bustourismus ja wirklich Herdentrieb modernster Form ist. Sehr schräg.



Das Schloss Bellver wurde zu Beginn des 14. Jahrhunderts als Sitz für Jaime II in «nur» 40 Jahren gebaut. Der Mann hatte Tuberkolose und wollte dort die gute Luft genießen, konnte aber dann doch nur noch 18 Monate selber dort leben bis er starb. (Fällt Euch auch auf, wie unglaublich optimistisch die damals drauf waren?) Danach war das Schloss Festung und Sitz für die folgenden Könige, im Laufe der Jahrhunderte Gefängnis, bot im 17. Jahrhundert Schutz vor der Pest (zu der Zeit wurde es auch komplett mit Fackeln geschwärzt, seine ursprünglich helle Farbe erhielt es erst im letzten Jahrhundert zurück) und beherbergt heute ein Museum, dass die kulturelle Geschichte Spaniens und Mallorcas präsentiert. Konzerte werden dort ebenfalls gegeben, das muss wunderschön sein.





Merkwürdigerweise so oft ich nun auf Mallorca war in den Jahren, die meine Mum dort lebte und wir wohnten ja immer in bzw. nicht weit von Palma entfernt, war ich noch nie in dem Schloss. Wir hatten das nie auf unserem Tourenplan und ich weiß noch, dass ich da oben stand und dachte „Schade, dass ich hier nie mit Mum war.“ Dann fiel mir ein, dass sie ja nun für immer auf der Insel ist und frei und plötzlich war sie im Gefühl dabei und nahe. Das war noch einmal ein inniger Moment zum Vortag in dem ich spürte, ich hab's für sie richtig gemacht. Kurz so ein bisschen Glück im Bauch gefühlt.





Die Aussicht vom Schloss ist grandios und dafür auch weltberühmt. Ein Blick auf Pinienhaine, das Meer, den Hafen von Palma



und Palma natürlich selbst –



hat etwas sehr Großartiges (und im Hinterkopf wie immer der ewig wiederkehrende fassungslose Gedanke, wie haben die das damals nur geschafft?) Da oben zu stehen, einfach nur gucken und genießen, stundenlang – danach geht's einem gut, richtig gut. Mag auch daran liegen, weil man die pure Sonnendusche erhält.



Die Besonderheit am Castell de Bellver (Bellver steht für «schöne Aussicht»), es ist ein Rundschloss, das einzige dieser Art in Spanien und die einzige runde Festung in ganz Europa. Das findet sich in allen Bauelementen wie die Umrandung und wie oben zu sehen in den Gräben wieder.



Es wird von vier Türmen begrenzt, drei liegen direkt am Rondell an,



ein vierter und höherer Ehrenturm, der «Donjon» steht leicht abseits und kann nur über eine Brücke vom Hauptschloss erreicht werden.



Das Schloss hat drei Ebenen. Im unteren Bereich,



der von außen und innen begehbar ist sieht man außen die Gräben, im Innenhof stehen Skulpturen, geringfügige Kampfmittel (Kanonentechnik finde ich heute noch faszinierend), ein stillgelegter Brunnen und in den Innenräumen kann man das Museum besichtigen.







Auf der zweiten Ebene



ist der Innenbereich sehr ursprünglich eingerichtet, um ein Gefühl für das Leben in der damaligen Zeit zu bekommen und man trifft hübsche Männer (den für mich sehr lehrreichen Innenspaziergang machen wir ein anderes Mal, Ihr werdet staunen was Ihr mit mir über die Mallorquiner lernen werdet!).





Grandios dann der Aufstieg auf die oberste Ebene,





die rundrum den freien Blick auf Mallorca bietet und architektonisch sehr gelungen ist.





Faszinierend: in einem der alten Aufbauten im unteren Bereich sind die öffentlichen Toiletten untergebracht, da sitzt man mittenmang der Stellwände (erstaunlich modern und apart für so eine Installation für Notdurften), blickt hoch um zu registrieren, dass man gerade unter jahrhundertalten Gotikdecken uriniert. Das war wirklich ein sehr sehr schräger Moment.



Alles in allem ein wirklich wunderschöner Ort auf dieser unseren Erde. Wer es auf die Insel einmal schafft, sollte sich den Weg dorthin nicht entgehen lassen. Aber nehmt Euch Zeit und Muße dafür. Und nun hätte ich von Euch jetzt bitte ein oder gerne mehrere beindruckte «Ahs» und «Ohs» gehört, gelesen, gefühlt, weil ich es geschafft habe auf den allermeisten Fotos keinen Menschen zu fotografieren, was ein wirklich harter Job war und so mancher Tourist (Busmassen!) leider den Rest des Tages von meinen Miniflüchen begleitet wurde.

11 Kommentare:

r|ob hat gesagt…

Sieht wundervoll aus - wie haben Sie es eigentlich geschafft, die ganzen Menschengruppen wegzuretuschieren ... ? ;)

creezy hat gesagt…

Na wie üblich, 'nen Hubschrauber über uns kreisen lassen und immer wenn ein Holländer im Weg stand aus ihm den großen Stempel fallen lassen.

Haste gemerkt, wie mein Pseudo-Weitwinkel gestöhnt und letztendlich aufgegeben hat?

r|ob hat gesagt…

Du meinst die leichten dunklen Ecken ;)

Egal: Schöne und friedliche Bilder ohne Sangria-Eimer. Wenn man sie finden will, sieht man die vielen schönen Dinge der Insel. Ich musste schon in Palma schmunzeln: Auf der Jagd nach Shoppingtrophäen, versäumten die Menschen einfach mal nach oben zu sehen und verpassten so herrliche Architektur...

creezy hat gesagt…

Die auch ;-) aber die würden ja nur schlimmer ,-)
Oh ja, da gibt es ein paar wirkliche Schätze, ich empfehle ja immer Palma morgens um 5:00 zu besuchen. Da sieht man Dinge, da ist tagsüber keine Chance mehr für.

Anonym hat gesagt…

Schön, 5 Uhr, das ist genau die richtige Uhrzeit für mich und Töchterchen ... meinen "Ollen" würde ich dann einfach liegen lassen ;)

Schön! Das Schloss, die Fotos und das Gefühl (Kurz so ein bisschen Glück im Bauch gefühlt)

Anonym hat gesagt…

Wie genial ist das den bitte schön? Was für wundervolle Bilder. Und was sich der gemeine Malle-Touri alles entgehen lässt. Beim Betrachten der Fotos bin ich Gedanken den Berg mit dir hochgegangen und wusste spontan: dort will ich auch mal hin.

Meine Kanne, was für Foddos. Ich liebe ja eh schon die für den Süden so typische Helle-Steine-Blauer-Himmel-Kombi. Aber hier ist das ja mal sowas von gelungen, ich komm jetzt gar nicht mehr aus dem Schwärmen raus.

¡Gracias, son una maravilla tus fotos!

Narana hat gesagt…

Aaaaaah!
Ooooooh!
Toll!
(so in etwa?)

Wolf hat gesagt…

So soll es sein.

daniela hat gesagt…

Danke für diesen entspannenden Kurzurlaub, es hat mir sehr gefallen.

creezy hat gesagt…

@Sabine
Ein bisschen gespenstisch klingt Ihr ja schon … ,-)

@markus
Dankeschön! Und wann fliegen wir? ,-)

@narana
Sehr schön! Wirklich so in etwa wollte ich das haben!!!

@Wolf
Ach ja …

@Daniela
Gerne geschehen, war nett mit Dir!

Anonym hat gesagt…

Das sind übrigens wunderschöne Fotos.
Aber das wissen Sie ja.

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