2010-08-03

AKG Scholarship Of Sound



Letzten Montag als Autorin für's Hauptstadtblog eingeladen worden, der von AKG ins Leben gerufenen (First Edition of) Scholarship Of Sound 2010 beizuwohnen.

AKG, mittlerweile Tochter von Harman, steht für professionelles Musik-Equipment im Aufnahmebereich und produziert Kopfhörer und Mikrofone. Wer Musik liebt und selber macht, sagt jetzt „Ah!“ und beneidet mich ein bisschen. (Dies als Info für die, die von AKG vielleicht noch nichts gehört haben.) Der Sound der Fußballweltmeisterschaft 2010 (nee, ich meine nicht die Vuvuzelas) war z. B. Sache von AKG.



Zehn junge Europäer, die Musiker sind oder sich gerade in der Ausbildung zum Sound- oder Audio Engineer (hieß bei uns früher Tontechniker) befinden oder nach ihrem Abschluss bereits erste Schritte im Berufsleben unternehmen, wurden aus einem umfangreichen Bewerbungsprogramm von ca. 600 Bewerbern ausgewählt und von AKG eine Woche eingeladen, vom Fachwissen von namhaften internationalen Musikexperten zu profitieren. Quincy Jones schreibt das Begrüßungswort im Programm, er glaubt aus eigener Erfahrung an das System von Mentoren. Das Ganze passiert in Berlin, natürlich in Berlin-Mitte.

Die Finalisten sind zwischen 19 und 27 Jahre alt und kommen aus England, Dänemark, Norwegen Holland, Frankreich, Belgien sowie Deutschland. Sie sind Samstag bereits in der Stadt gelandet und wie sie erzählen, mehr als herzlich von AKG begrüßt worden. Wir kommen am ersten echten Workshoptag im Tonstudio „Basement“ in einem Keller in Mitte an.



Ich in einem echten ehrlichen Tonstudio!



Der erste Workshop läuft bereits, die Studenten werden über technische Funktionsweisen von Mikrofon und Kopfhörer aufgeklärt, während wir vom internationalen Marketingteam von AKG und Harman entspannt und lässig begrüßt werden. Ich mag das, der vorbereitete Kaffee ist der umgeknickten Filtertüte zum Opfer gefallen und wir stehen mit Thomas Schnaudt, dem Product Manager von Harman, in der Küche und sind uns schon mal über das NoGo der Abwesenheit echten Kaffees einig. Thomas bessert nach und macht guten Kaffee! Es ist ca. zehn Minuten vor elf und draußen kräht ein Hahn. Also in Berlin Mitte, Linienstraße 156 kräht ein Hahn. Ein echter Hahn. Wie sehr muss man Berliner Mitte-Hahn sein, um erst morgens um elf Uhr zu krähen?



Zweiter Workshop: Produktpräsentation, muss und soll natürlich sein. Selbst ich mit rudimentärer musischer Technikerfahrung, dafür aber ausreichend Erfahrung als Freundin eines Musikers und seit meinem vierwöchigen Meeting mit Apples Tonsoftware Logic schwer davon überzeugt, im nächsten Leben auch „irgendwas mit Ton machen zu wollen“, bin hin- und weg angesichts dieser kleinen gezeigten Gottheiten von Studio-Equipment. Bei der Präsentation vom AKG-USB-Mic werde ich wach und schwach. Will ich unbedingt für Podcasts haben. Also sparen, seufz.



Dann Mikro-Tests. Einer der Studenten, Jon Alexander, 19, spielt sich im Vorraum auf der Gitarre warm und hört nur noch unterbrochen durch Mikrowechsel auf. Er spielt, muss man schlicht sagen, klasse.



Die Diskussion über den Klang der Mikrofone erinnert mich an eine Weinverkostung. Thomas Schnaudt erklärt mir, man würde das Fachsimpeln tatsächlich „Wine Tasting Language“ nennen. Später sitzen wir draußen auf der Kellertreppe und lassen uns von Ashley Douglas, der PR-Managerin von AKG , die Hintergründe von der Idee zur Scholarship Of Sound aufklären. Im Hintergrund gackern die Hühner. Biennale-Hühner. Huhn ist Kunst. Musik auch. AKG will junge Musiker und Audiotechniker auf deren Arbeitspraxis vorbereiten und ihnen ein weiteres Stück Erfahrung in ihrem Arbeitsprozess mit auf den Weg geben. Im Laufe der Woche folgen Workshops mit Musikern, DJs, Musik-Produzenten, Label-Besitzern u.v.m. Sie erarbeiten gemeinsam Tonaufnahmen unter unterschiedlichen Bedingungen, ob Radio oder Bandaufnahme mit Wireless SetUp, sie lernen Software im Studio effizient zu nutzen, werden selber eine Platte abmischen und begleiten diese bis zu ihrer Endproduktion in Vinyl am Freitag als Höhepunkt. Nebenbei vermitteln die Profis ihre Erfahrung und Tipps rund um die Arbeit mit Künstlern oder Label-Marketing. Deutlich mehr Fachkompetenz, Kontakte aber auch Inspiration sollen die Teilnehmer im Gepäck haben, wenn sie wieder die Heimreise antreten.

Mittagessen bei In-Vietnamesen Chén Chè. Wir sprechen erstmals mit den Studenten selber und bekommen einen Eindruck davon, wie ungemein wichtig ihnen dieser Lehrgang ist und wie groß ihre Freude darüber zu den auserwählten Teilnehmern zu gehören. Big Point ist, dass Scholarship Of Sound in Berlin stattfindet. In ihren glänzenden Augen ist das offensichtlich schon die halbe Miete. Ich bekomme wieder einmal ein Hauch von Idee, was Berlin für junge Menschen in Europa bedeutet. Mich macht ihr Gefühl für meine Heimatstadt ein bisschen ganz doll irre stolz. Gesprochen wird natürlich englisch. Das tun sie, obwohl teilweise noch so jung, mit einer Selbstverständlichkeit von alten Hasen. Sie fragen uns nach dem Standort berühmter Architektur in Berlin, von der wir mal wieder noch nichts gehört haben. Wenigstens kann ich sagen, wo es in der Stadt Musiktechnik zu kaufen gibt. Ich will wissen, wie sie auf diesem Beruf gekommen sind, Elsa Grelot aus Liége (Belgien), mit 26 und bereits Berufserfahrung eine der älteren Teilnehmer mit unglaublich offenem Gesicht, spielt seit ihrem 12 Lebensjahr Drums und sagt, sie wollte immer schon Sound Engineer werden. Ich glaube ihr das, sie ist erstaunlich fokussiert und es besteht wenig Zweifel, sie hatte den Wunsch schon mit der Muttermilch aufgesogen.



Alle scheinen erstaunlich bodenständig für ihr Alter, auch die ganz jungen von ihnen. Das hier ist keine Klassenfahrt mit Bildungsziel. Die wollen das. Und zwar wirklich! Ich frage, warum nur zwei Frauen unter den Auserwählten sind – ob das für den Beruf steht, ob ihn generell weniger Frauen wählen? Darauf hat keiner eine echte Antwort. Alle erzählen mir, dass in ihren Studiengängen zwar mehr Frauen angefangen haben. Die allermeisten von ihnen aber nach nur zwei Monaten wieder aufgehört haben mit dem Studium. Juan Pablo Maran Ferro (!) kommt aus Paris, der charismatische Kopf der Gruppe. erzählt von seinem beruflichen Werdegang auch als Rowdy. Er glaubt, die Abstinenz könne mit der Schwere der körperlichen Arbeit zu tun haben. Kabel oder Verstärker schleppen, sich dreckig machen, sei nicht so die Sache von Frauen. Die Frage bleibt im Raum stehen, wir stellen wiederum fest, dass die meisten Cutter Frauen sind. Vielleicht ist die Frage ein Thema für eine Doktorarbeit in Soziologie.



Zurück im Studio wartet der nächste Workshop-Leiter auf die Studenten. DJ Dixon, alias Steffen Berkhan, ist seit 19 Jahren in dem Business als Musiker, Produzent und Label-Besitzer aktiv und erzählt die nächsten drei Stunden und länger, sehr charmant ausführlich über seinen beruflichen Werdegang, Chancen, die sich ihm geboten haben und die er genutzt hat. Als einzige Starallüre kann man ihm einen Schwanz von Praktikanten seines Labels „Innervisions“ im Schlepptau unterstellen, die ihm genauso an seinen Lippen hängen wie die Studenten, die seinem Vortrag lauschen.



Er erzählt von neuen Wegen, die er immer wieder einschlagen musste und täglich einschlagen muss. Bei seinem Gigs als auch im Vertrieb seiner Musik – das Musik-Business unterliegt einem extremen Wandel, reagiert schnell wie kaum ein anderes auf neue Techniken und jeder, der damit sein Geld verdienen will, muss mit neuen Vertriebsideen (nicht nur) auf die schöne Online-Welt reagieren. Oder auf Finanzkrisen, die ihren besonderen Einfluss auf die Konzertwelt nehmen. Festival-Hersteller wollen plötzlich nicht mehr seine Gigs bezahlen, weil dort aufzulegen für ihn ja Werbung sein müsste und nur wegen der Festivals er in Clubs gebucht würde, befinden neuerdings die Organisatoren. Dixon lehnt also komplett ab, dieses Jahr Festivals zu spielen. Die Zeiten seien zwar schlecht aber so schlecht nun auch wieder nicht, als dass er sich für dumm verkaufen lässt. Er sagte, er habe sich nie angeboten, sondern sich immer fragen lassen ob er spielen will. Er macht sich auch rar. Möglicherweise ist das ein Erfolgskonzept. Interviews will er nicht mehr geben. Mitnichten Arroganz, er habe einfach nichts mehr Neues zu sagen, immer und immer wieder.



Dixon gibt zu, die goldenen Zeiten sind auch im elektronischen Musik-Biz erst mal vorbei. Auch für ihn und sein Label. Er malt den Studenten keine Gespenster an die Wand, spricht die Tatsache dennoch deutlich an und lässt seine eigenen Fehler in der Berichterstattung nicht aus. Er erzählt optimistisch, dass seine über drei Jahre bei einem großen Label erworbenen Erfahrungen für ihn extrem gut waren und das alles, was er dort über Labelmarketing gelernt hatte, genau null Bestand mehr hat in der heutigen Musikindustrie. Dass er schon mal Tracks abgelehnt hat, die einem anderen Label kurze Zeit später den großen Charterfolg gebracht haben. Er findet „Don't ask for feedback, ‘cause it will have no influence (for the record) anymore.“ Der Spruch ist nicht gar nicht überheblich gemeint, wie man vielleicht meinen will: er signalisiert den Studenten, sie sollen hinter ihrem Produkt als Künstler auch stehen, wenn sie damit rausgehen. Wenn sie nicht an sich selber glauben, wie soll es ein Label dann tun? Er kritisiert auch, wie wenig Ahnung oft Künstler, die Stücke bei seinem Label einreichen, von ihrer eigenen Musik haben. „Anyone is good today in any way!“



Dixon hat Samstag gerade geheiratet und verbringt mit diesen Studenten also seinen Honeymoon. Er teilt seine Ideen, wie man künftig mit Musik Geld verdienen kann. Auch online. Er hat, wie ich finde, interessante Visionen von Limitierung. Er glaubt daran, dass jeder Musikkünstler einen Online-Shop auf der eigenen Homepage haben sollte. Bei ihm gibt es Musik seines Labels im Abo. Spätestens jetzt wissen die Zuhörer, dass man in dem Business nichts wird ohne eine Portion Marketing-KnowHow und ausgesprochen großer Erdhaftung. Er macht deutlich, wie wichtig – weil Geld sparend – es ist, dort Profis einzukaufen, wo man selber bei sich Schwächen sieht. Er gibt seine offen zu. Der künstlerische Akt, das Schaffen von Musik, ist und bleibt erstaunlicherweise Nebensache in diesem Gespräch. Die Studenten hören zu, fragen – sehr intensiv. Man muss sich die Situation des Nachmittages vorstellen: draußen sind ca. schwüle 26 Grad. 20 Leute sitzen in einem kleinen Kellerraum, der dank Studioleuchte für die Filmleute mehr als gut geheizt ist. Luftzufuhr nur durch eine Tür. Dixon überzieht mächtig, es geht keiner der Studenten in der gesamten Zeit auf Toilette, Wasser holen, noch eine rauchen. Und genau das ist Scolarship Of Sound 2010.



Später sitzen wir alle noch auf ein Glas im Garten eines Cafès. Alle! Das gesamte Team einschließlich der Filmleute und Fotograf. Lange nicht mehr so eine unpreziöse, dafür aber extrem angenehme Veranstaltung erlebt. Nach dem ersten Tag kann man sagen: das hier ist ein Erfolg. Insofern steht dem Wunsch von AKG, dieses Modell in Zukunft auch global fortzusetzen, wohl nichts im Wege.

Und man kann auch sagen: ich bin gerade ein bisschen neidisch auf die Studenten und darauf, was sie in dieser Woche noch lernen werden. Und wie sie Berlin sehen dürfen. Im nächsten Leben: Sound.

6 Kommentare:

Jrillmasda hat gesagt…

Klingt nach einer spannenden Veranstalltung!

Anonym hat gesagt…

Wow! Tolle Sache das - ich bin in der Tat neidisch! Warum hab ich sowas nie angeboten bekommen, als ich danach suchte?! ;) Da wär ich s o f o r t dabeigewesen!!!

Und wiedermal ein sehr schicker Bericht, liebe Creeezy!! Dankeschön!

Es grüßt der Herr Micha

Kellerkind hat gesagt…

Ich hatte ja mal eine AKG Kopfhörer, das war echt ein nettes Teil. Und was ist: geklaut hamsen mir!

fotoralf hat gesagt…

Mein nach wie vor in Benutzung befindlicher AKG-Kopfhörer - ein K240 in der Ur-Version, noch mit 600 Ohm - ist mittlerweile rund 35 Jahr alt und fit wie der sprichwörtliche Turnschuh.

Außer Kabel und Kopfband ist alles noch original.

Ralf

creezy hat gesagt…

@Jrillmasda
Yepp, das war sie zumindest für mich für den einen Tag. ,-)

@Micha
Ach weeßte, wir sind einfach zu alt mittlerweile, die Kids haben heute schon echt andere Möglichkeiten! Ich will nicht sagen, sie haben es einfach, nee, bestimmt nicht. Aber es gibt ein paar Sachen, die gab es in der Art zu unserer Zeit nicht ,-(

@Kellerkind
Das ist assig hoch drei! Tut mir leid! ,-(

@fotoralf
Ja, genau das klingt nach AKG. Ach, die Profi-Kopfhörer von denen, das ist schon ein riesen Unterschied, wenn ich hier meinen einfach Sennheiser mit Mikro anfasse dagegen (so ‘ne rudimentäre Podcastlösung) bei dem sich nach einem halben Jahr die Folie vom Halter ablöste …

fotoralf hat gesagt…

Vor allem gibts nach 35 Jahren noch Ersatzteile. Versuch das mal woanders.

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