2009-09-14

17 Internet-Gebote

Das Ganze ist nicht so schlecht, wie es gerade wieder ganz weblike zerredet wird. Es gibt eine Handvoll im Internet aktive Leute, die sich über den Umgang einiger Professioneller mit dem Medium, dem Journalismus, deren täglich Brot und vor allem mit der Wahrheit ärgern. Natürlich können die auf ewig weiter nölen. Irgendwann muss man aber auch selbst Farbe bekennen. Sich ein paar Regularien/Thesen zu überlegen, die jeder – wer es mag – mit auf seinen Weg nehmen, vor allem aber auch gerne mit verbessern kann, ist immerhin ein Anfang. Da kann ich keine echte Katastrophe und auch überhaupt keinen Hochmut erkennen. Ich kann nicht diese Arroganz sehen, die gerne den Initiatoren unterstellt wurde, hier und dort. Es sind nur Leute, denen das Thema „Information einer Öffentlichkeit im Internet“ am Herzen liegt und natürlich sind es mal wieder ausgerechnet die, die in der deutschen Web-Community eben nicht anonym schwimmen. Das ist nur logisch, deren Schnittstelle ist eben größer; ein Teil von denen verdient mit dem Verfassen und Veröffentlichen von Informationen, Texten im Internet ihr Geld und sie sind dem Thema inhaltlich deswegen sehr eng verbunden. Die einzelnen Regeln im Manifest sind allenfalls Mittelmaß? Möglich, sind ja auch nicht vom allwissenden lieben Gott verfasst. Wobei, der hat ja auch ordentlich geschlampt, wie wir wissen. Ix setzt sich wenigstens noch thematisch mit den einzelnen Punkten auseinander. Am Ort der öffentlichen Diskussion, im Wiki, vermisse ich leider noch seine Einlassungen aktiv eingebracht.

Wie bei uns üblich, haben sich die wenigsten Kritiker aber überhaupt konstruktiv mit den Thesen auseinander gesetzt. Die meisten zielen darauf, dass dieses Manifest wieder nur von den „üblichen Verdächtigen“ käme und überhaupt nicht „sexy genug“ getextet sei. Platzen im Hirn beim Lesen im Background keine animierten Extasy-3D-Bömbchen. Ist aber auch doof. In der inhaltlichen Entwicklung haben sich bisher nur wenige Kommentatoren mit konkreten Inhalten hervor getan. Obwohl es die Einladung zur offenen Mitarbeit gibt. Und ehrlich: so etwas verstehe ich immer nicht.

Wenn sich in Deutschland Journalismus dahingehend entwickelt, dass Journalisten, die die Wahrheit berichten wollen, keine Jobs mehr bekommen, weil mit der Wahrheit angeblich die Auflage nicht gesichert werden kann und die dahinter stehende kommerzielle Abhängigkeit von Anzeigenkunden aber gerne dem – angeblich – bösen, blöden Internet in die Schuhe geschoben wird von den Verantwortlichen, weil nur das doch die Quelle von schlechtem Journalismus sei, dann ist die Idee aus dem Internet heraus einen neuen besseren Qualitätsstandard etablieren zu wollen, eine gute Idee. Vor allem aber ist es wenigstens ein erster Schritt weg vom Genöle weg und hin in die aktive richtige Richtung.

Dass viele wiederum gar nicht kapieren werden, was mit diesem Manifest versucht wurde und es sie gar nicht tangieren kann, ist aber auch okay. Es ist nicht relevant, wer sich da Gedanken gemacht hat. Möglicherweise interessiert dieses Manifest da draußen (offline) niemanden, denn ja, natürlich handelt es sich hier um die Gedanken eines kleinen virtuellen Inselstaates im World Wide Web.

Ich möchte in dem Zusammenhang auf ein ähnliches Regelwerk aufmerksam machen, denn das Problem im Ursprung ist ein viel größeres und in anderen Bereichen der Berichterstattung international früher erkannt worden. Es gibt nämlich seit (für Web-Verhältnisse) langer Zeit eine ähnliche Sammlung von „Regeln“ die digitale Bearbeitung von Fotos in der Reportage-Fotografie betreffend, die DigitalCustom Model Ethics Guidelines.

Da haben 2003 ein paar Fotografen schriftlich Richtlinien formuliert aus einem bis dahin bestehenden Ehrenkodex, dem sich insbesondere Fotografen der Reportage- oder Dokumentationsfotografie verpflichtet fühlten. Mit zunehmender Vereinfachung der Retusche- und Montage-Technologien dank finanzierbarer digitaler Bildbearbeitung, die es schneller, einfacher und somit viel günstiger als früher ermöglichten, Fotos zu manipulieren, schien die Notwendigkeit gegeben, einmal schriftlich diese Selbstverständlichkeiten festzuhalten und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Die rasanten technischen Entwicklungen ermöglichen nämlich einer größeren Menge von Menschen, Autodidakten, in das Geschäft der Fotografie einzutreten. Die haben oft mangels Ausbildung nie von fotografischen Grundsätzen (in der Fotografie macht ja angeblich die Technik das Foto, nicht das Talent, das Hirn oder die Philosophie des Fotografen) gehört. Auch denen galt und gilt es klar zu machen, dass es in bestimmten fotografischen Bereichen Do's und Dont's gibt.

Das Thema Manipulation an der Fotografie ist in diesem gesonderten Bereich von gleicher Relevanz wie der Wahrheitsgehalt und somit die journalistische Qualität vom Text. Hier ist eine Entwicklung von der Realität weg und somit Abnahme von Qualität in der Berichterstattung genauso kritisch zu sehen. Wir finden ja alle die Reihe „Super Symbolfotos“ bei Niggemeier immer so unterhaltsam, letztendlich ist genau das aber schon Verrat an der fotografischen Dokumentation und aus Sicht von Fotografen überhaupt nicht akzeptabel. Wird im großen Maß praktiziert, und hierbei wird noch nicht mal am Foto selbst schon rumretouschiert – es werden einfach nur Texte mit falschen Bildinhalten in Zusammenhang gebracht und somit Berichterstattung verfälscht. Ob das wissentlich oder aufgrund semi-professioneller Technik passiert, ist dabei egal, hier wird geschludert! Wenn wir aufhören uns über solche Versäumnisse aufzuregen, werden wir irgendwann nicht einmal mehr merken, wann wir belogen und betrogen werden.

2003 haben sich genauso viele Fotografen über diese DigitalCustom Model Ethics Guidelines aufgeregt, wie heute es deutschen Blogger hinsichtlich dieses Internet-Manifests tun. Die Fotografen aber, denen in der Reportage/Dokumentationsfotografie die Wahrheit am Herzen lag und weiterhin liegt, haben damals genickt und gesagt: so soll, so muss es sein!“

In Deutschland sieht es mittlerweile im fotografischen Bereich so aus, dass Fotografen ihre Rechte an der Fotografie übertragen sollen, wenn sie das Bild/die Bildstrecke an Redaktionen verkaufen wollen. Das tun sie entweder oder sie dürfen sich einen neuen Job-/Auftraggeber suchen. Was es heißt, wenn der Fotograf kein Recht an seinem Bild hat und die Bildredaktionen sich dann den Regeln des Manipulationsverbotes nicht mehr unbedingt verpflichtet sehen, kann man sich selber ausmalen.

Deshalb sind solche Guidelines/Manifeste/Richtlinien wichtig, Sie wurden von den meisten Praktikern, die ich in der Vergangenheit auf die DCMEGs aufmerksam gemacht habe, dankbar aufgenommen. Und dabei ist die textliche Qualität dieser Richtlinien oder woher die letztendlich kamen, völlig egal. Es geht darum, dass man als Fotograf in einem bestimmten Genre interessiert ist Qualität zu liefern und so ein Manifest kann dabei hilfreich sein. Es ist nämlich ziemlich leicht sich selbst zu verlieren in seinem Job da draußen, wo einem ständig Berufskollegen mit weniger Gewissen zeigen, wie man ohne an der Wahrheit festzuhalten viel mehr (oder überhaupt noch) Geld verdienen kann. So ein Manifest ist etwas Handfestes, wer will kann es berücksichtigen, man muss es nicht. Man kann mit dessen Hilfe für sich Entscheidungen treffen, welche Art von Fotografie man bedienen will. Man weiß sehr genau, hält man sich an die Regeln nicht, begeht man einen Verstoß gegen die Regeln, anhand derer die besondere Qualität eines Jobs festzumachen ist– das muss dann ein jeder mit seinem Gewissen selbst ausmachen.

Daher finde ich dieses Internet-Manifest einen guten Schritt, es ist ein Anfang. Es mag textlich, inhaltlich noch nicht rund sein. Ja, der Name ist vielleicht doof gewählt (wenigstens ist er nicht verdenglicht.) Was daraus entstehen kann, entscheiden alleine die, die aktiv daran mitwirken, es tragen und weiterentwickeln. Da ist es erst einmal egal, wer alles davon nicht Kenntnis nehmen will oder wird und ob es für diese Dinge, die im Internet passieren, überhaupt eine Öffentlichkeit gibt oder geben wird.

Nur: ausschließlich meckern und drauf einschlagen gilt nicht! Dafür ist das Thema nämlich ein zu wichtiges – viele Themen betreffen oft am Anfang nur kleine Zielgruppen, bevor eine riesige Zielmenge für immer unter denen sich daraus zu entwicklenden Konsequenzen zu leiden hat.

6 Kommentare:

micha hat gesagt…

Gut geschrieben. Ich habe das Manfest auch als Denkanstoß gesehen. Damit die Diskussion in Gang kommt. Und das ist den Initiatoren ja auch gelungen.

Foxxi hat gesagt…

Also man sollte die Kritik schon ein wenig differenzieren.

Ich kann inhaltlich mit den 17 Thesen leben. Man kann immer an Formulierungen herumkritteln und inhaltlich ist sowieso schon alles gesagt, so dass auch keine Überraschung zu erwarten war und auch das ist völlig i.O.. Man muss ja nicht jedes Rad neu erfinden. Auch die Aufforderung am Konzept mitzufeilen passt in die Landschaft.

Ich habe jedoch ein Riesenproblem mit manchen der Unterzeichner. Ich kann Leute nicht ab, die Wasser predigen und Wein saufen. Allein durch ihr Mitwirken führen sie das gesamte Vorhaben ad absurdum und mit diesen möchte ich auf keinen Fall öffentlich in einen Topf geworfen werden.
(Stichwort natürlich: Zensurproviderunterstützer).

Werner hat gesagt…

Upps! - das ist ja mal zur Abwechslung astreines, intellektuell anstrengendes top B-Blogger Niveau...

Mein kürzlich gesehenes Beispiel zum Thema Bildmanipulation:

http://www.bildblog.de/9823/der-trick-mit-dem-mann-ohne-unterleib/

ker0zene hat gesagt…

Sehr gut geschrieben, Kompliment! Ich glaube, das Problem mit dem Manifest ist, das es - weil es kurz, prägnant und nicht schwafelig sein soll - von vielen als "von oben herab aufdoktriniert" empfunden wird. Liegt halt in der Sache der doch recht stringenten Formulierung begründet. Mancher reibt sich dann daran, das Leute wie Lobo und Niggemeier involviert sind, die mitunter polarisieren. Da fühlt sich der ein oder andere vom Manifest bevormundet.

Was man aber auch bedenken sollte: Das Ganze ist keine Einbahnstraße. Sicherlich auf Seiten des "klassischen" Journalismus viel falsch gemacht, auf seiten der "Bloggeria", "Blogosphäre", "Webcommunity" whatever aber eben auch. Siehe z.B. die Diskussionskultur zu eben diesem Thema.

shadow hat gesagt…

Ich verstehe die Argumentation von manchen nicht.
Wenn jetzt Lobo und Niggemeier ein Verkehrserziehungsvideo machen würden, geht ihr dann nur noch bei Rot weil ihr nichts mit den zu tun haben wollt?

creezy hat gesagt…

@shadow
.

Kommentar veröffentlichen

Fröhlich sein, freundlich bleiben und bitte immer gesund wieder kommen!