Ich esse für mein Leben gerne am Meer. Ein Restaurantbesuch direkt am Hafen oder am Strand – das ist ein Selbstläufer. Da stimmt einfach alles für mich. Und dafür muss nicht einmal zwingend Fisch auf dem Teller liegen. Frische Luft, Wellenschlag, das Kreischen der Möwen als Begleitmusik, die Masten der Segler klappern im Wind oder das Gluckern unter dem Bug der Motorboote am Steg. Besser geht es atmosphärisch für mich kaum!
Im Erasitexnes Psarades am Hafen von Heraklion hat man das alles (na gut, in der kälteren Jahreszeit genießt man das lieber hinter geschlossenen Türen) und richtig gute Küche. Es liegt vielleicht nicht im schönsten Teil des Hafens von Heraklion. Zu Fuß lässt man den zentralen Busbahnhof hinter sich, überquert etwas industriell wirkende Fläche und quert eine der Schnellstraßen. Aber dann wird man zuerst vom freundlichen trocken gelegten Fischerboot …
und dann vom maritimen Duft empfangen. Das Restaurant liegt unscheinbar in einem hohen Bungalow, macht aber mit dem großen Wandgemälde auf sich aufmerksam, das man locker noch von der anderen Seite des Hafens am Rocca al Mare erkennen kann.
Das Fischerboot, das vor der – wie eine Schiffskajüte gestaltete – Terrasse des Restaurants liegt, spricht für sich eine deutliche Sprache. Die Inneneinrichtung ist in den typischen griechischen Farben des Meeres – und sehr liebevoll mit größeren und kleinen Details gestaltet.
Alles verrät: Wir sind am Meer und hier wird Fisch gegessen!
Tnodoris Tsikanakis hat vor zehn Jahren dieses Restaurant von seinem Vater übernommen, das schon seit 40 Jahren an dieser Stelle existiert. Er und sein junges, sehr weibliches Team empfangen uns ausgesprochen freundlich und servieren in einer Geschwindigkeit, die ihresgleichen sucht. Nun ja, wir hatten uns – für griechische Verhältnisse – auch sehr früh angemeldet. Also waren wir die ersten anderthalb Stunden beinahe die einzigen Gäste. Konnten uns aber pünktlich gegen 22:00 Uhr davon überzeugen, dass das Erasitexnes Psarades bei den Herakliern sehr wertgeschätzt wird. Zu Recht.
Das Erasitexnes Psarades nennt sich also Fischrestaurant – und auf Fisch versteht man sich hier wirklich sehr gut. Auf den Sets kann man sich in den gängigen Namen der Winde üben, die in die Windrose gedruckt sind. Die Menükarte selber lockt mit typischen kretischen Gerichten und da die griechische Küche genauso auch grün ist und darin sehr lecker, nebenbei erwähnt, können Vegetarier und Veganer hier ebenfalls glücklich satt werden. Barrierefrei ist das Restaurant zudem ebenfalls.
Wir lassen uns vom Chef überraschen. Und er serviert uns als Vorspeisen aus der Küche marinierte Sardinen (€ 7,50), so frisch eingelegt, dass die Fischlein noch Biss haben und wie eben Fisch schmecken, nicht nur noch nach Essig.
Ihre Marinade aus Olivenöl, etwas weißem Essig und Zitrone ist frisch und köstlich. Das waren während des Aufenthaltes die besten Sardinen, die ich essen durfte, auf Kreta. Das geschmorte leicht würzige Wildgemüse (Stamnagathi) war noch knackig und wurde begleitet von herzhaftem Olivenöl und mit der richtigen Portion Zitronenfrische angemacht. (€ 5,50)
Gleiches gilt für die Dolmades (€ 5,–), die mich die Tage zuvor immer etwas an die erinnerten, die ich hier gelegentlich hier in Berlin aus der Dose esse. Hier hatten die Weinblätter noch den Biss, so wie ich ihn von früher her kenne, wenn die Mütter meiner Mitschülerinnen sie selber gemacht haben. Und ich durfte noch die Säure schmecken, in der die Weinblätter vor dem Kochen konserviert und geschmeidig gehalten wurden. Sie waren eine aromatische Offenbarung.
Unsere vierte Vorspeise ist uns hier auch nicht zum ersten Mal serviert worden, war aber auch wieder besonders gut: Saganaki mit Shrimps. Saganaki ist sowieso das Gericht meines Herzens, das ich von diesem Kreta-Ausflug für mich mitnehme!
Hier war es fantastisch, heiß serviert und fast schon eine Hauptspeise! Frische Shrimps in einer aromatischen Tomatensauce, die hier eine dezente Begleitung von Ouzo durchschmecken ließ und mit geschmolzenem Gravierakäse im Ofen gebacken. Zum Niederknien gut! Für € 9,–im Erasitexnes Psarades zu haben. Auch in der Muschel-Variante bestellbar.
Begleitet wurde unser Essen übrigen bei einem von uns Gästen mit dem Retsina, während wir anderen uns den weißen Hauswein, einen Lyraraki, geteilt haben, frisch und vollmundig.
Als Hauptgang wurde uns eine mit Olivenöl im Ofen gedünstete Rote Meerbarbe (€ 55,–/kg) serviert. Einfach mit einem Zitronen-Olivenöl-Dressing mit einem Hauch Knoblauch und nochmals die wilde oder krautige Wegwarte, Zichorie (Stamnagathi), serviert. Ein zarter, sehr saftiger, schmackhafter Fisch. Er überzeugt mit seiner Frische. Shrimps, Oktopus oder Sardinen kann man als Hauptgericht ab € 8,– genießen, Pasta oder Risotto mit Meeresfrüchten ab 13,– Euro.
Die Vorspeisen fangen preislich bei 0.75 Cent für das Brot an und enden bei 10,00 Euro für das Fisch-Carpaccio. Sollte ich nochmals nach Kreta kommen, dann möchte ich unbedingt wieder hier essen gehen – und mich einmal komplett durch alle Vorspeisen essen. Wir haben vorher auch wirklich schon sehr gut gegessen – aber hier hatte alles diesen einen Tick mehr Eigenständigkeit, den Spritzer Zitrone, war weniger tot gekocht. Hier war einfach etwas mehr Liebe auf dem Teller! Danke an die Köchin Erisa und ihr Team für dieses köstliche Erlebnis.
Tnodoris Tsikanakis serviert mit seinem Team im Erasitexnes Psarades eine ehrliche und liebevolle Küche zu ebenso ehrlichen Preisen in einer maritimen Umgebung – wer Fisch liebt, sollte sich das Essen hier nicht entgehen lassen! Das Restaurant hat ganzjährig geöffnet – bis auf die eine Weihnachtswoche in der auf Kreta traditionell nur Fleisch gegessen wird.
Zum Nachtisch gab es frische Mandarinen und Halva. Die Mandarinen waren wieder ein Geschenk! Süß, saftig – mit dem Geschmack meiner Kindheit!
Erasitexnes Psarades
Geöffnet täglich ab 12:00-24:00 Uhr
Heraklion Port
71202 Kreta
Am zweiten Tag unserer Reise im Rahmen von „Enjoy—it’s from Europe” mit dem Themenschwerpunkt nachhaltig angebautes Gemüses von Kreta, sind wir von Heraklion aus einmal komplett durch die gesamte Insel auf die gegenüberliegende Küstenseite nach Psari Forada gefahren. Das Wetter war – im Gegensatz zum regnerischen Vortag – fantastisch und unser Fahrer hatte jede Möglichkeit genutzt, mich an meine gesundheitliche Wohlfühl- als auch mentale Toleranzgrenze zu fahren. Das möchte durchaus etwas heißen.
Psari A.C. – ein ganzer Ort für die Gurke!
Unseren ersten Stopp erreichten wir deutlich verspätet bei Psari A.C. Diese Genossenschaft existiert seit 2006 und seit 2010 hat sie sich aufgrund der erarbeiteten notwendigen Zertifizierungen als Gemüse-Exportgemeinschaft in der EU etabliert. Das Kerngeschäft ist hier hauptsächlich der Anbau der Gurke!
Jedes, der hier produzierten Schlangengemüse wird, wie von den EU-Zertifizierungen vorgeschrieben, ab der Ernte bis zur Auslieferung getrackt, sodass ihre Herkunft jederzeit nachvollziehbar ist. Für EU-Produzenten. Die Kritik, der am Tag zuvor besuchten Kooperativen hinsichtlich der viel lascheren Konditionen für nicht in der EU produzierenden vorgeblich Bio-Anbieter, sie klingt auch hier mehrmals durch. Man kann sich so wohl kaum grün sein, in diesem grünen Business.
Während wir auf der Terrasse der modernen Niederlassung von Psari A.C. mit der 1300 Meter großen Kühl- und Lagerhalle, heißen Kaffee, ziemlich leckere griechische Knabbereien – und natürlich sehr frische Gurken – serviert bekommen, fühlen wir uns familiär liebevoll aufgenommen. Erste Informationen erhalten wir über diesen Ort gemeinschaftlicher Organisation und Vertrieb: 69 Mitglieder mit einem Durchschnittsalter von 44 Jahren zählt diese Genossenschaft heute. Pro Erzeuger werden im Schnitt 8 Hektar Produktionsfläche bearbeitet; das ist nicht nur auf Kreta, sondern in ganz Griechenland überdurchschnittlich.
Im Hintergrund lockt Schnee auf dem Hausberg, gegenüber im Garten leuchten reife Zitronen am Baum.
Und wir sind mitten drinnen im Tagesgeschäft! Ständig fahren die Landwirte mit ihren größeren und kleineren Pickups vor und laden ihre Tagesernten ab. Die Mitarbeiter um uns herum sind sofort aktiv dabei, die Pickups an die Laderampe zu lotsen und entladen die Fahrzeuge so schnell, dass man kaum gucken kann. Schon steht das nächste Auto an der Rampe. Und dennoch wirkt das alles angenehm ruhig hier.
Die Guten ins Töpfchen – die Krummen ins Joghurt!
In der Halle selber werden die angelieferten Gurken vorsortiert. Vier Kategorien zeigen uns der Präsident Nikos Maroulakis zusammen mit Manolis Papadakis (Manager).
Die riesengroße Gurke links, die es nie in einem europäischen Supermarkt schaffen wird, nur weil sie der üblichen Handelsnorm nicht entspricht. Was ich für mich immer wieder bedauere, ich kaufe gerne Gemüse, das anders aussieht als gewohnt. Die zweite Gurke links, die wir so auf bei unseren deutschen Supermärkten auch finden – die formvollendete Normgurke.
Die beiden Exemplare rechts davon landen höchstens noch auf griechischen Märkten und vor allem das krumme Modell hat, mit seiner Entscheidung so lustig zu wachsen, sein Ende in der Kosmetikindustrie oder im industriell produzierten Tsatsiki beschieden.
Für frische Gurken in den Regalen auf dem EU-Festland verbürgt sich Maroulakis. Alle Gurken, die hier angeliefert und sortiert werden, verlassen noch am gleichen Tag in den Lkws die Kooperative in Richtung zentraler Verpackung, verlassen spätestens am folgenden Tag die Insel.
Das berührt mich dann doch ehrlich gesagt, vor diesem Gemüse zu stehen, zu erleben, dass es hier händisch vorsortiert wird – weil der Markt (wir) vorgeblich die perfekte Einheitsware nur kaufen will.
Maroulakis kann sich auch den Seitenhieb nicht verkneifen zu betonen, dass überall in der EU die Gurke in Folie verpackt ausgeliefert wird und somit deutlich länger frisch bleibt. Und nur die Deutschen hier mit der Ablehnung der Plastikfolie eine Sonderrolle für sich beanspruchen. Er gibt uns den freundlichen Tipp, unsere in Deutschland unverpackten Gurken besser selber in Folie einzuwickeln und so im Kühlschrank bei 8 Grad Celsius zu lagern. Weil sie so länger frisch bleibt, mindestens zehn Tage nämlich, wir länger Freude am Produkt haben.
Ach, ich halte es da wie gewohnt: Meine Gurken kommen nicht in den Kühlschrank, sondern einfach schnell auf den Teller. Was gar nicht verkehrt ist, denn wir lernen unter anderem, dass eine frische Gurke komplett grün ist – also auch in ihrem Inneren. Ist ihr Fruchtfleisch weiß, gilt sie unter Fachleuten als überlagert. Und wir hören das Plädoyer für den Genuss der Gurke mit ihrer Schale, wenn möglich. Als Lieferant der Vitamine C, K und B-Gruppe und den Mineralstoffen Kalium und Eisen ist ihr kompletter Genuss empfohlen. Sie besteht zu 96 % aus Wasser, da darf einfach nichts weg von dem, was die Vitamine enthält.
Psari A.C. ist heute der größte Gurken-Exporteur in Griechenland. Durchschnittlich 7.000.000 Kilo Gurken erreichen von hier die europäischen Märkte pro Jahr – Tendenz steigend. Der ganze Ort hier arbeitet für Psari A.C.. Entweder in der Niederlassung oder in den Gewächshäusern, die auf einer Fläche von 401,30 Hektar rund um den Ort stehen. Man versteht sich als Genossenschaft auch im sozialen Sinn. Das unterstreicht auch die Tafel unterhalb des Firmenschildes, auf der man den verstorbenen Mitarbeitern gedenkt.
Auch hier wird das gesamte Jahr – bis auf die besonders heißen Monate – angebaut. Wobei man auch hier in den Gewächshäusern immer wieder Tomaten, Auberginen und Paprika finden wird, die für den kretischen Eigenbedarf angebaut werden. In der Ruhezeit sollen sich die Böden regenerieren.
Gurkenanbau mit THE View!
Wir steigen in unseren Mini-Bus und fahren Richtung Küste und zum Ort gehörenden Strand Sidonia. Er gibt dieser Kooperative „Vegetables Sidonia Sun – with the aroma of Crete” den Slogan.
Okay, sollte ich je als Gurke wieder geboren werden, dann doch bitte dort! Die Gewächshäuser stehen hier wirklich bis an den Küstenabhang; zu unseren Füßen liegt am Strand der Ort – der sich natürlich im Sommer zu einem beliebten Touristenort wandelt. Auch hier sichern sich die Mitarbeiter der Kooperative dann im Tourismus ihr zweites Einkommen.
Die Gurken wachsen hier mit Blick direkt auf das Mittelmeer. Und das Mikroklima mit windarmen Sommern und sehr milden Wintern lassen hier fantastische Gemüse, übrigens auch Bananen, wachsen, deren Schädlinge ebenfalls ausschließlich mit Nutzinsekten in Schach gehalten werden. Insektizide sind hier passé. A.C. TYMPAKIOU – zum Schluss ein bisschen Superlativ!
Ein ähnliches Prozedere erleben wir an unserem nächsten Stopp bei A.C. TYMPAKIOU, EU-deutsch: A. C. Tympaki. Ein neuer Superlativ erwartet uns, denn wir sind nun zu Gast in der größten kretischen Genossenschaft. Hier führt uns unterhaltsam und sehr selbstbewusst der Manager Ioannis Tzortzakaki durch die großen Hallen und Kühlräume.
Das Tagesgeschäft scheint in großen Teilen bereits erledigt zu sein. Unsere Verspätung vom Vormittag hatte sich ausgeweitet. Paprikaschoten in verschiedenen Farben werden hier sortiert und für den weiteren Versand fertig gemacht. Aber auch duftende Zitronen, extrem aromatische Datteltomaten und vereinzelte Gurken warten in den Kisten auf ihre weitere Bestimmung. Zur Begrüßung werden uns frische Zitrusfrüchte hingestellt – die Mandarinen schmecken wieder so gut!
Die Lagerhallen von Tympaki wirken deutlich größer als die Kooperativen, die wir bisher besucht haben. Hier ist aber auch die Geschichte des Unternehmens auch deutlich länger.
1945 wurde als Olivenöl-Kreditgenossenschaft von Tympaki (E.P.S.T) gegründet – und wie der Name schon verspricht, waren damals der Anbau von Oliven und Produktion von Olivenöl das Kerngeschäft. 1983 fusionierte man mit der OSPAKP (Erzeugergenossenschaft von Kokkinos Pyrgos) und fortan firmierte mal als Agro-Industrie-Genossenschaft von Tympaki.
Die Gründung der A.S. Tympaki in 2008 galt vor allem der Professionalisierung im Absatzmarkt. Diese Genossenschaft zählt heute 620 Mitglieder. Alle teilen sich die Ressourcen in der Produktion, Verarbeitung, Verpackung und im Vertrieb bzw. Speditionsbetrieb und übrigens auch Human Ressourcing. Bei der Größe ist es kein Wunder, dass das Spektrum der Produktpalette hier besonders groß ist und je nach Saison sehr unterschiedlich ist. Ach ja, Olivenöl wird hier auch weiterhin produziert.
In einer der Lagerhallen warten Unmengen von Kartons mit Melonen-Aufdrucken, dem Obst, das von hier aus als Nächstes in die Regale der EU ausgeliefert wird.
Übrigens legt man wenig Wert auf Verkäufe an (fast) Monopolisten wie LIDL etc. Tzortzakaki erklärt, dass sie so viel Gemüse produzieren und ausliefern, dass sie es sich einfach nicht leisten können, wenn solche Unternehmen dem Gemüse – aus nicht nachvollziehbaren Gründen – keine gute Qualität bescheinigen wollen in der Endabnahme, um lediglich die Preise zu drücken. Ja, wir lernen (nicht nur) hier einiges über schlechtes Benehmen der Einkäufer der großen Ketten. Das lässt mich ratlos zurück. Zumal: Auch ich bin Teil dieses unsäglichen Marktgebahrens.
Und wieder stehen die Mitarbeiter an den Verpackungstischen, sortieren und verpacken das frische Gemüse. Und es erwartete uns das gleiche Bild wie schon bei fast allen anderen Kooperativen, die wir auf Kreta besucht haben:
Immer wieder standen in den Hallen am Rand Verpackungsmaschinen, meist unter Folie verpackt, seit längerer Zeit unbenutzt herum. Einmal wurde scherzhaft betont, es gäbe keine Mitarbeiter mehr, die diese in sichtlich früheren Jahren produzierten Geräte, noch bedienen könnten. Immerhin, das Outsorcing der Maschinen – aus welchen Gründen auch immer – sichert den Menschen ein Einkommen. Zumindest in Mindestlohnhöhe.
Was für eine Paprika!
Szenenwechsel. Wieder fahren wir in die Vegetation und während ein Teil unserer Gruppe sich fröhlich auf dem Pickup zum Gewächshaus transportieren lässt, bin ich nach stundenlanger Fahrerei unendlich dankbar für 500 Meter Weg zu Fuß entlang der Oliven- und Zitronenbäume. Düfte, Gesumme, Natur und Sonnenschein – es ist wirklich herrlich. Übrigens auch in dem Gewächshaus, in dem jetzt noch grüner Spitzpaprika im Wachsen ist, um sich in schwarz-rote Spitzpaprika zu verwandeln.
Die wir direkt vom Strauch probieren dürfen – und die unfassbar knackig, süß, einfach verdammt lecker sind. Himmel, sind die gut. Und unbehandelt.
Davon könnte man mir monatlich problemlos eine ganze Kiste schicken! Und Olivenöl, das wir leider nicht einmal probiert haben.
Interessant im Gewächshaus, wo auch – wie zuvor in allen anderen Gewächshäusern – vertikaler Anbau betrieben wird, um mehr Gemüse produzieren und einfacher ernten zu können, die eine oder andere Reihe, wo testweise versucht wird unter geänderten Bedingungen anzubauen. Probeläufe, um höhere Erträge zu erzielen. Die auch wieder verworfen werden, wenn sich der erhoffte Erfolg nicht einstellt. Aber man möchte sich entwicklen und das zu beobachten, hinterlässt bei mir auch nachhaltigen Eindruck von dieser Reise.
Zurück zum Mini-Bus laufe ich wieder und freue mich wie Bolle darüber, dass mir vorher erlaubt wurde, die Zitronen frisch vom Baum zu pflücken.
Zum Teufel mit den Göttern, das war wirklich paradiesisch!
Einladung im Rahmen des EU-Projektes ”Enjoy it’s from Europe”. Ein Ausflug nach Kreta, viele Eindrücke im dortigen Gemüseanbau, schmackhafte Küche, neue Rezepte – es waren wundervolle und informative Tage bei zarten Frühlingstemperaturen auf einer wunderschönen Insel!
Nachdem ich in den letzten zwei Jahren im Rahmen dieser Maßnahme den nachhaltigen Reisanbau in Europa, genauer in Frankreich, Italien und Portugal kennenlernen konnte, durfte ich mich dieses Mal den nachhaltigen Anbau von Gemüse auf Kreta ansehen – und deren Produzenten treffen. Vier landwirtschaftliche Kooperativen über die gesamte Insel verteilt, die uns aus ihrem Alltag erzählten, an Auktionen teilnehmen ließen, und in deren Verpackungseinheiten und Gewächshäuser mitnahmen. Wir konnten Gurken, Tomaten und Paprika direkt vom Strauch kosten und uns von dem Geschmack und der einzigartige Frische ihrer Produkte überzeugen.
Selbstverständlich hatten wir auch ausreichend Gelegenheit, diese Produkte in einigen retischen Restaurants zu verkosten, einschließlich der Weine und dem fantastischen kretischen Olivenöl!
Kreta – der Garten Griechenlands
Kreta gilt als der landwirtschaftliche Garten Griechenlands – hier arbeitet noch die Hälfte aller Erwerbstätigen in der Landwirtschaft. Auf dem Festland soll es lediglich ein Viertel der Einwohner*innen ihnen gleich tun. Aber auch auf Kreta wird in den Sommermonaten, wenn zumindest der industrielle Gemüseanbau ruht, das Geld dann im Tourismus verdient.
Direkt nach dem Tourismus steht die Landwirtschaft auf Platz 2 der kretischen Wirtschaftsleistung. Exportiert wird nach ganz Europa. Deutschland, Italien, die Ukraine, Tschechien, Frankreich und Großbritannien kaufen gerne die sonnen gereiften Produkte dieser Insel. Der Absatzmarkt in den osteuropäischen Ländern wächst stetig, aber auch die vereinigten arabischen Länder greifen immer öfter zu den Produkten von Kreta.
Ein Faszinovum, denn lediglich ein Drittel der gesamten Bodenfläche Kretas ist überhaupt landwirtschaftlich nutzbar. Die Messara-Tiefebene (Πεδιάδα Μεσαράς) ist auf ihrer Fläche von 8 km Breite und 50 km Fläche das größte zusammenhängende Gebiet, wo vor allem Olivenbäume stehen und Wein angebaut wird.
Die relief-zerfurchten Gebirge von Kreta zerteilen die Agrarflächen in die einzelnen Täler der Ebenen. Dieses Relief, das milde Klima, das im Grunde ganzjährigen Anbau garantiert und die Geologie lassen hier unter veränderten, wenn auch schwierigen Bedingungen fantastische Gemüse anbauen. So stehen z. B. in dem Gurken-Dorf Therissou die Gewächshäuser mit ihren weißen Planen direkt an der Küste. In den frostfreien Ebenen gedeihen die Olivenbaumplantagen, die sich die Fläche bis in die mittleren Höhen auch mit den Weinreben teilen.
Der Obstanbau ist mit 2 % flächenmäßig auf Kreta eher zu vernachlässigen. Die köstlichen Orangen, Mandarinen und Zitronen, die wir oft zur Begrüßung in den von uns besuchten Kooperativen oder in den Restaurants zum Nachtisch serviert bekamen, stammen vor allem von Plantagen an der westlichen Nordküste. Oder ganz simpel aus dem Hintergarten der Restaurantbesitzer*innen. Ganz ehrlich? Lange nicht so fantastische Zitrusfrüchte geschmeckt – vor allem die Mandarinen haben bei mir Kindheitserinnerungen geweckt!
Jetzt, im März, leuchtet die Insel in ihrem satten Grün. Überall stehen die Zitrusbäume voller Früchte. Gelb und Orange, das sind die leuchtenden Farben in den Vorgärten, an denen man vorbeifährt. Gleichzeitig liegt schon wieder ihr Duft der ersten geöffneten Blüten über der Insel. Mispeln sind hier nun auch reif, unter den Olivenbäumen strahlt die zarte Flora frühlingshaft gelb. Kleine Orchideen wachsen am Wegesrand. Und im Hintergrund leuchtet auf der 2.456 Meter hohen Bergkuppe des Psiloritis der Schnee. Eine besonders schöne Zeit, um hier zu sein!
Und überall über das Land schmeicheln sich die weißen Gewächshäuser wie Schnee in die Landschaft. Hier werden Tomaten, Gurken, Paprika, Auberginen und Zuccini angebaut, die auf ganz Europa verteilt in unseren Küchen verarbeitet werden. Tatsächlich wird ganz Griechenland größtenteils mit Frischgemüse aus dieser Region versorgt. Exporte von dort finden wir auch auf unseren deutschen Märkten und in den Geschäften.
An unserem ersten Tag reisen wir von Heraklion nach Ierapetra in den Südosten Kretas. Ierapetra gilt als die südlichste Stadt Europas. Neben dem Saisontourismus gilt hier der Gemüseanbau als Haupterwerb. Für das benötigte Wasser sorgt der nordwestlich von Ierapetra gelegene Bramiana-Stausee bei Gra Ligia. Natürlich wird auch Regenwasser hier pragmatisch in Zisternen gesammelt und für den Anbau sparsam verwendet. Die günstigen Klimagegebenheiten Kretas ermöglichen von Haus aus eine biologische landwirtschaftliche Produktion. Auch davon können wir uns die kommenden Tage selber überzeugen.
Auf Kreta gibt es über 15 Genossenschaften in der landwirtschaftlichen Produktion. Sie organisieren sich untereinander, greifen sich im Anbau als auch Absatz kollegial unter die Arme. Um 2009/2010 haben sich viele kretische Landwirte genossenschaftlich verbunden, um den großen Monopolisten im EU-Binnenmarkt die Stirn bieten zu können, denen der einzelne Landwirt im Preiskampf und Bürokratieaufwand kaum etwas hätte entgegensetzen können.
Die Genossenschaft ANATOLI in Ierapetra
Von Heraklion aus, nach anderthalb Stunden Autofahrt werden wir in der landwirtschaftlichen Genossenschaft „ANATOLI“ in der Gemeinde Ierapetra herzlich begrüßt. Sie wurde am 17. Dezember 2000 von einer Gruppe lokaler Landwirte – Gewächshausgärtner – mit dem Ziel der gleichberechtigten Zusammenarbeit und der gegenseitigen Unterstützung, als auch der Möglichkeit für eine gemeinsame wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung – und somit Stärke im Markt – der Partner und Mitglieder gegründet.
Jetzt am Vormittag erleben wir eine schon bis unter den Rand gefüllte Lagerhalle. Die Männer, die auf der Rampe die Anlieferungen entgegennehmen, haben eine erste wohlverdiente Pause. Kisten voller Tomaten, Gurken, Paprika und Auberginen unterschiedlicher Größen und Couleur stehen in der Halle. Sauberes, saftiges Gemüse!
Deren Auktion ist bereits im vollen Gange. Das passiert auch hier natürlich längst elektronisch, wenngleich auch die versteigerte Ware dann doch mit Papierdrucken ausgezeichnet wird.
200 Mitglieder zählt diese im demokratischen Tenor funktionierende Genossenschaft heute, sie gilt inzwischen als eine der führenden landwirtschaftlichen Kooperativen in Griechenland. Ihre Mitglieder teilen sich technisches Know-how und alle erforderlichen landwirtschaftlichen Geräte und Materialien wie Düngemittel, Bewässerungssysteme, Nützlinge und entwickeln gemeinschaftlich neue Verfahren in der Anbaumethodik. Die notwendigen Zertifizierungen des europäischen Marktes werden dabei eingehalten.
Von hier aus wird die Verarbeitung/Verpackung der frischen Produkte organisiert und deren Vermarktung an in- und ausländische Unternehmen in den hauseigenen Auktionen vorgenommen.
Die Verpackung passiert händisch, wie wir mit Erstaunen im Rahmen unserer Führung in einer weiteren Halle erleben. Nikos Triantafyllopoulo, Sales Manager von ANATOLI, erklärt uns die Verpackungsmodalitäten.
Direkt daneben befüllt eine kleinere Gruppe der Mitarbeiter*innen mit faszinierender Geschwindigkeit, die bereits händisch mit Aufklebern versehenen Verpackungen mit den gerade versteigerten, leckeren Datteltomaten, wie wir sie hier in Deutschland aus den Supermärkten kennen. Sie wiegen sie ab, um sie in die nächstgrößere Verpackungseinheit zu verpacken. Das alles mit einer beeindruckenden Geschwindigkeit. Das am gleichen Tag angelieferte und verkaufte Gemüse, soll möglichst noch am gleichen Tag den Speditionen übergeben werden.
Das Hauptziel der ANATOLI Agricultural Association ist es, den griechischen, aber auch den internationalen Markt mit qualitativ hochwertigen Produkten mit ausgezeichneten Nährwerten aus nachhaltigem Anbau zu versorgen. Dabei macht es die EU den Landwirten nicht leicht, wie wir später, bei einem sehr leckeren zweiten Frühstück mit unglaublich saftigen Teigteilchen und natürlich aufgeschnittenem Gemüse, vom Vorstandsmitglied Fondas Douloumis einmal mehr lernen.
Einerseits gefangen in der teuren Samendiktatur der Großkonzerne, die keine große Vielfalt im Anbau mehr ermöglicht, über eine ausufernde Bürokratie im EU-Export. Obwohl hier die Landwirte der Genossenschaft in Bio-Qualität anbauen, Schädlingsbekämpfung alleine mit smarten Insekten betreiben, könnten sie sich den Verkauf unter einem BIO-Siegel gar nicht leisten. Deren Zertifizierungen sind zu aufwändig, zu teuer – dafür ist der Preismarkt – vor allem durch die preistreibenden Discounter – für die Erzeuger zu schlecht.
Ganz ehrlich, der größte deutsche Discounter mit den zwei L im Namen, dessen Konkurrenz, sie kommen, an diesem und dem folgenden Tag, selten gut weg bei den Profis.
Besonders ärgert sich Douloumis über die verpflichtenden hohen Kontrollstandards innerhalb der EU gegenüber den Produzenten aus der EU selber. Während Erzeugnisse aus Afrika und China unkontrolliert auf den Markt gelangen und Produktpiraterie im nicht unwesentlichen Stil betrieben wird. Das dort nicht nachhaltig angebaute Gemüse immer wieder als aus der EU, z. B. aus Griechenland kommend, illegal als EU- und sogar Bio-Ware deklariert wird.
Instrumente der EU solche Betrüger nachhaltig zu überführen und zur Verantwortung zu ziehen, scheinen kaum zu existieren, denn eine Strafverfolgung ist nicht möglich. Logisch, das Interesse der afrikanischen oder chinesischen Justiz am Leid der EU-Landwirte geht gegen Null. Die Produzenten fühlen sich diesbezüglich sehr von der EU im Stich gelassen, weil sie solche Fake-Importe weiterhin ermöglicht. Seine Enttäuschung darüber, macht er mehr als einmal deutlich. Und unterstreicht damit, warum sich für seine Genossenschaft die teure Bio-Zertifizierung gar nicht lohnen kann.
Die Genossenschaft A.C. NOTOS
Wir fahren nicht sehr weit durch die Region entlang der Küste und durch das bunte Treiben der kleineren Ortschaften. Unser nächster Stopp ist die Kooperative A.C. NOTOS. Hier begegnen wir im Verpackungsbetrieb schon Maschinen im Betrieb – aber weiterhin sehr vielen Menschen, die händisch das Gemüse unterschiedlichster Arten und Farben sortieren.
Vor allem treffe ich hier – und ich bin ehrlich entzückt! – meine erste Tomatenwaschanlage! Tomaten werden aus den Kisten auf ein Laufband gekippt, kommen durch die Waschstraße und werden später von den Mitarbeitern händisch sortiert. Die auf dem Band verbliebenen aussortierten Tomaten, die in Farbe oder Größe nicht den hohen Ansprüchen genügen, führt die Anlage gesondert zurück in Kisten. Sie wandern in die Produktion für Saucen und Püree etc.
Die für gut befundenen roten Früchte indes werden in einem anderen Teil der Halle in beeindruckendem Tempo in Netze abgefüllt. Es ist industriell laut, die Mitarbeiter lachen und scherzen. Faszinierend, wie vergleichsweise viel Handarbeit auch noch nach der Ernte tatsächlich händisch auf Kreta erfolgt! Es sichert den Menschen ihr Einkommen außerhalb der touristischen Saison.
Ab in die Gewächshäuser von A.C. Kamiros
Unser nächster und letzter Stopp an diesem Tag ist die Kooperative A.C. KAMIROS. Endlich dürfen wir in eines der Gewächshäuser, an denen wir auf unserer Fahrt immer wieder vorbeigefahren sind. Die unterschiedlichsten Tomaten, deren Verpackungsprozessen wir zuvor Zeugen waren, reifen in den langgezogenen Gewächshäusern, die mit weißen Planen umspannt sind.
Die Bestäubung erfolgt mit Bienen, die üblicherweise von einem niederländischen Produzenten eingekauft werden. Ein kluger Mann, der sie im letzten Jahrhundert von Kreta aus mitgenommen hatte, um sie in den Niederlanden selber einzusetzen und zu züchten – und sie später auf den europäischen Markt zu bringen als Produkt. Stolz wird die Geschichte erzählt, dass die heutige, in der Landwirtschaft zugekaufte Biene, ursprünglich die Biene Kretas ist!
Die Schädlingsbekämpfung erfolgt mit den üblichen Insektenfallen biologisch. Die Bewässerung, sparsam Tropfen für Tropfen, erfolgt über eine einfache Anlage – die sich das Wasser aus den in Regentonnen gesammelten Regenwasser der Wintersaison zieht.
So heiß wie es jetzt schon unter der weißen Plane im Gewächshaus ist, wird schnell klar, warum hier in den Sommermonaten nicht mehr im großen Stil gearbeitet wird. Dann stoppt der Anbau im Gewächshaus. In der Saison arbeiten die Kreter üblicherweise im eigenen Tourismusbetrieb. Ab Juli beginnt zumindest hier im Gewächshausanbau die Zeit, in der die Böden in den Häusern aufbereitet werden, sich in den Anlagen regenerieren.
«holy fruit salad!» ist ein Ausruf des Erstaunens von meinem alten Freund Robin. Robin ist wiederum der Freund meines alten Kumpels Batman, das ist der mit dem coolen Auto und der ewigen Lebenskrise. Mit beiden bin ich aufgewachsen. Dummerweise tragen beide ab und an Strumpfhosen.
«holy fruit salad!» denke auch ich gelegentlich in Anbetracht meiner kleinen täglichen Erlebnisse.