2008-08-21

Nehmen wir einmal an,

ein Fernsehsender bringt ein Format in dem angebliche deutsche Sozialbetrüger ermittelt und des Betruges am deutschen Sozialstaat überführt werden. Dann kann, man muss aber nicht vergessen, dass die in der Realität angefertigten Aufnahmen von diesen «angeblich vor der Kamera überführten» Personen nur dann gesendet werden dürfen, sofern diese Personen – die nicht Personen öffentlichen Interesses sind – ihr Einverständnis dazu geben. Was niemand, egal ob schuldig oder unschuldig, tun wird, allerspätestens aus rechtlichen Gründen.

Es werden also die Geschichten alle gestellt sein. Wir werden mit professionellen Darstellern zu tun haben. Und ab diesem Moment darf bei einem privaten Fernsehsender davon ausgegangen werden, dass inhaltlich alleine der Wunsch nach Quote den Wahrheitsgehalt der Sendung bestimmen wird.

Es wird also keinen Wahrheitsgehalt geben.

Vielen Dank an Stefan Niggemeier und René Walter für ihre Blogbeiträge zu diesem Format.

8 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

DANKE!! DANKE!! Meinen allerherzlichsten Dank für diesen treffenden Beitrag. Besser hätte ich es nie formulieren können. Lassen Sie sich knutschen!!! :-)

Anonym hat gesagt…

wieso schaust du dir sowas an? von der bildzeitung erwarte ich auch keine artikel, die mich ansprechen oder überzeugen, also lese ich sie nicht. ich meide nach möglichkeit komplett die privatsender in der glotze. von mir aus könnte das ganze fernsehenprogramm aus vier sendern bestehen. arte, arte, 3sat und phoenix.

Anonym hat gesagt…

Wie!?! Du siehst noch fern? Ganz schön retro ;)

Anonym hat gesagt…

mal ganz vom niveau der sendung abgesehen, aber glaubt man ernsthaft, dass die gezeigten "überführten" "sozialschmarotzer", sofern sie real sind, wirklich vors gericht ziehen würden, um den sender zu verklagen? vielleicht geht der sender auch garnicht davon aus und traut sich deshalb, die bilder zu zeigen... obwohl ich eigentlich eher die variante "schauspieler" den vorzug gebe.

Anonym hat gesagt…

Ganz so simpel ist die Welt nicht, Ms creezy.

Ja, die elenden Doku-Soaps bilden _sicher_ nicht das reale Leben ab, hier sind Redakteure bei der Auswahl vielversprechender Kandidaten, bei der Arrangierung der Ereignisse usw. am Werk, so wie bei jeder Daily-Talkshow der 90er auch.

Aber zwei Dinge bleiben:

- zum einen kann man mit einem Kamerateam durchaus hartnäckig recherchieren, immerhin arbeiten Monitor (gibts das noch bei der ARD?), spiegelTV und Co seit Jahrzehnten damit. Personen müssen gepixelt werden, Wohnungen sind tabu - aber die Story, wenn der Journalist nicht zuviel lügt, kann man nur in den wenigsten Fälle vom Gericht verbieten lassen

- zum zweiten gibt es sowohl Sozialhilfe-Betrüger als auch die schnüffelnden Bluthunde, die überall Missbrauch wittern.

Die sogenannten Reality-Shows geben einen arg gefilterten, entstellten Blick auf die Wirklichkeit wider, doch Schauspieler? Ich befürcht, man fährt in diesem Land billiger, wenn man echte Betroffene verwendet, denn die braucht man nicht einmal bezahlen. Denn wer klagt da schon?

Anonym hat gesagt…

Zudem gibt es da vermutlich auch fiese Regelungen, um im Zweifel problemlos senden zu dürfen was man halb-heimlich oder unter geschönten Vorstellungen gefilmt hat. Man kann ja einsteigen mit verständnisvollen Grinsen und dem Satz auf den Lippen "Wir wollen den Zuschauern ja nur mal zeigen wie schwör man es als HartzIVler hat, eine Vergütung Ihrer Zeit ist natürlich auch mit drin". Nebenbei baut man dann beiläufig immer mal wieder fiese Fragen ein, die man letztendlich sehr passend und "entlarvend" zusammenschneiden kann. Die Methode wurde ja auch schon bei ein paar Killerspiele-Spielern effektvoll genutzt. Ganz ohne zu lügen, nur mit passendem zusammenschneiden von Ton und Bild lässt sich schon einiges machen. Zudem gibt/gab es soweit ich weiß die Regelung, dass du implizit zustimmst etwas (heimlich) gefilmtes zu senden, wenn du hinterher bei einem offenen Interview mitmachst. Aber das kann ich mir auch falsch gemerkt haben - Medienrechtsexperte anywho?

Aber ansonsten, ja das Fernsehen insbesondere das Boulevardfernsehen liefern eine übelst verzerrte Sicht, ebenso wie die Bild halt. Von daher steht beides auch nicht bei mir auf dem Speiseplan. Ob das jetzt gestellt ist oder die paar dummdreisten (oder einfach perspektivlosen) Fälle rausgefischt wurden die man geschickt zum "Parasiten" pushen kann, ist letztlich quasi egal, journalistisch wertlos ist im Grunde beides, insbesondere als die soapige Suppe zu der es dann vermurkst wird.
Ok für ersteres könnte man sie noch verklagen, wenn sie behaupten es wäre echt, dazu muss man es sich aber anschauen und das ist doch eigentlich viel zu schmerzhaft.^^
Einfach Abstrafen mit Ausschalten! (vorher evtl. noch ein Quotenmessgerät beantragen).

Anonym hat gesagt…

Sozialporno für klein(geistig)e Menschen, die sich damit überlegen fühlen dürfen in ihrer selbstgerechten, kleinen Welt. Widerlich.

creezy hat gesagt…

@mona_lisa
Gerne geschehen!

@Achim B.
Öh, ich habe mir das nicht angesehen. Mir hat die Presse im Vorfeld gereicht.

@dr. sno*
Wieso glaubt immer alle Welt, man muss TV gucken, um TV scheiße zu finden? ,-) Und ja, ich bin natürlich retro. Ich esse ja auch Gummibärchen … ,-)

@shyen
Nein, das Risiko werden sie nicht eingehen. Das ist nicht die Form von schlechter Presse, die sie für das Format gerne hätten. Ich vermute, sie werden hier und da Gesichter pixeln um das als sogenanntes «Echtheitszertifikat» vorzutäuschen.

@truetigger
Zu den zwei Dingen:
a) Ja, aber echte Recherche, das steht bei dem Sender hier konträr zum Budget. Es ist letztendlich deutlich billiger sich die Geschichten auszudenken und die nachzustellen. Damit haben sie ja null Risiko. Warum sollten die sich mögliche rechtliche Verfahren ans Bein binden, wenn sie ganz ohne diese Probleme produzieren können? Dem Wahrheitsgehalt zuliebe? Dem Zuschauer zuliebe? Na daran glauben wir ja beide nicht, oder?
b) Klar gibt es die Sozialbetrüger auch, nur auch hier: das erste Format hätte dann heißen müssen «24h mit Arbeitslosen auf Arbeitsuche.» Herr Clemens hatte ja damals schon den Sozialbetrug (der angeblich so sozialbetrugsicheren Hartz IV-Stufe) im ganz großen Stil angeprangert. Die tatsächliche Quote lag dann – von der Arbeitsagentur selber zugegeben – bei 0,06 %! Übrigens einschließlich der Bearbeitungsfehler der Agentur in den Anträgen. D.h. wo Leute gar nicht vorsätzlichen Missbrauch betrieben haben.

Insofern bin ich mir nicht sicher, woher der Sender die Masse an Betrügern hernehmen wollte für die gesamte Sendereihe.

@Thaniell
Ja, ganz so funktioniert das nicht. Würden die unter Vorspielung falscher Tatsachen das Einverständnis zum Ausstrahlen sich erschleichen, wäre die Einverständniserklärung nichtig. Klar, die arbeiten mit Tricks, mit vielen unsauberen Tricks. Aber sie werden keinen «echten» Sozialbetrüger finden, der vor laufender Kamera den Betrug zugibt. (Jetzt mal ehrlich, wer das wirklich tut in «so großem Stil», der ist clever genug sich überhaupt gar nicht erst auf Kameraarbeiten einzulassen.)

Nächste Frage: wie wollen sie denn an die Daten herankommen? Also die Agentur darf damit gar nicht heraus gehen. Die darf allenfalls mit Ergebnissen von Ermittlungen zum Staatsanwalt. Ich meine, ich weiß, was mit Datenaustausch für Schindluder getrieben wird. Aber das muss uns trotzdem klar sein, die Arbeitsagentur schickt hier keine echten Fahnder und keine echten Empfänger vor die Kamera. Das Problem will die Agentur dann nun wirklich nicht haben. Dann könnte sie jeder, gegen den «lt. dem Sender» ermittelt wurde, verklagen.

Da fängt ja schon mal der ganze Schwachsinn innerhalb des Konzeptes an!

@Lorelei
Yep. Noch widerlicher: die werden das glauben, die es glauben wollen! ,-(

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