2007-12-30

Mein erstes Auto  …

Mein allererstes eigenes Auto war ein gebrauchter Austin Morris 1300. In weiß. Viertürig.



Meine Mutter hatte vorher mal einen Morris 1100 in rot, das war ein kultiges schnittiges Auto und den musste wollte ich auch unbedingt haben. Da war ich noch jung, unbedarft, befand mich in der Ausbildung und glaubte an das Gute in einem gebrauchten britischen Auto. In der Straße in der meine Oma lebte, gab es eine British Leyland-Werkstatt und die haben alte Autos überholt. Als sie das mit meinem Zukünftigen taten zu einem Zeitpunkt als ich noch für meinen Führerschein sparte, bin ich mit großen Augen an der Werkstatt und dem aufgebockten Auto vorbei gelaufen, nie ohne einen tiefen Seufzer in seine Richtung zu schicken. Eine Nachbarin meiner Oma kaufte das Auto. Also lief ich weiterhin mit großen Augen und tiefen Seufzern an ihm vorbei, wenn er in der Straße parkte und ich sie besuchte. Und er so schön dabei aussah. Als ihr Sohn seinen BMW an die Nachbarin abtrat, kaufte ich den Austin. Für DM 700,– und ich durfte über vier Raten abstottern. Das ging immer so: ich ging zu der Nachbarin im 2. Stock, trank einen Kaffee und zahlte die fällige Rate, dann ging ich in den 4. Stock zu Oma, trank Kaffee, aß Kuchen, aß später Abendessen und ließ mir begeistert einen Teil der Rate wieder zu stecken. Im Prinzip also bezahlte meine Großmutter zu sehr großen Teilen mit. Das musste sie auch, denn justamente als ich das Auto hatte, zahlte ich nur noch. Und zwar hier, da und dort.

Was bei den britischen Autos damals schon angenehm fortschrittlich war, sie hatten bereits lange vor den deutschen Herstellern begonnen serienmäßig ab Werk ihre Autos mit zwei Außenspiegel auszuliefern. Und da ich ein einseitig blindes Huhn bin, meinte meine persönliche 99seitige Zusatzanleitung im Führerschein – die mich übrigens heute noch stark vermuten lässt, meine Fahrkompetenz beschränkt sich alleine auf Gehör und Tastsinn – ich dürfe nur Autos mit zwei Außenspiegeln fahren. Also je einem auf einer Seite. Kosmetikspiegel hinter Beifahrersonnenklappen nicht mitgerechnet. DM 700,– und ein rechter Außenspiegel, ich war sicher, dieses Auto wäre nicht nur mein absoluter Traum sondern zusätzlich ein Schnäppchen.

Selbstverständlich war mein Austin Morris für den deutschen Straßenverkehr umgebaut, andererseits hätte ich sonst den totalen Vogel abgeschossen und wäre unglaublich cool gewesen. Die Fahrerin durften also links einsteigen. Das wiederum machte ihn aber in den ständigen raren Reparaturmomenten etwas teurer als andere Autos: denn ohne Servicewerkstatt mit irgendwie von rechts auf links gedrehtem Spezialwerkzeug ging da nicht viel. Spannende Sache. Diese Servicewerkstätten von British Leyland waren immer faszinierend und einen Besuch wert. Denn dort traf man die anderen Besitzer älterer Austins. Die hatten auch alle tiefe Sorgenfalten im Gesicht und sehr dunkle Ränder unter den Augen. Das verband uns miteinander. Noch hatte ich aber keine Ahnung, wieso eigentlich.



Der Umbau von rechts nach links wurde auf den offensichtlichen Ebenen durchgeführt und hörte bei gewissen Karrosserieteilen auf. Das merkten wir als kurz nach dem Kauf die Bremsen es mit dem Bremsen nicht mehr so genau nahmen und wir uns zwangsläufig mit einem Abschleppvorgang mit der Abschleppstange beschäftigen mussten. Dabei lernte ich dass, wenn bei britischen Autos die Aufhängung für die Stange vorne rechts, bei deutschen Autos die Aufhängung hinten links angebracht ist, das Hauptziel einer Stange – nämlich beide Autos auf Abstand zu halten – über die entstehende Diagonale eher nicht gegeben ist. Darüber hinaus können wir auch von einer nicht vorhandenen Bremswirkung des abschleppenden Wagens auf das abzuschleppende Fahrzeug in diesem Zusammenhang sprechen. Was man auch erst einmal schaffen muss, mit einer Abschleppstange. 1984 war ein harter Winter, es lag Schnee, es war glatt, das Auto wollte nicht bremsen, die Abschleppstange wollte nicht wirken, ich hatte den Führerschein seit knapp zwölf Monaten. Seitdem mag ich Abschleppvorgänge, ihr Schwierigkeitsgrad sollte nur wirklich hoch sein!

Aber ich wusste wenigstens beim nächsten Mal, nachdem die Bremsanlage trotz Entlüftung nur vierzehn Tage später wieder in Streik trat, britische Autos lässt man in diesem Fall besser von britischen Autos abschleppen und allerspätestens ab diesem Moment war mir auch klar, an diesem Auto werde ich noch meine finanzielle Freude haben. Ansonsten ein unglaublich spritziges Auto, Frontantrieb, 53 PS (für damalige Durchschnittsverhältnisse fast schon GTI-Status) und dabei wog das Auto fast nichts: das bisschen Blech und die üblichen riesigen britischen Rostlöcher im Unterboden haben nicht viel auf die Waage gebracht. Wir hatten viele lustige Situationen zusammen, einmal drehten wir uns bei Glatteis vor der Ampel am Ernst-Reuter-Platz so galant, dass das Auto genau zwischen zwei parkenden Autos auf dem Mittelstreifen zum Stehen kam. In Fahrtrichtung. Diese Momente waren tatsächlich immens wichtig, um zu wissen, ob das Deo der damals Minipli gestylten Maus creezyne in den besonderen heiklen Fahrmomenten halten würde. Die Frisur hielt eh immer. Keine Sorge! Wir lebten schließlich in den Achtzigern.

Mein Austin, irgendein schräges Sondermodell, der diesem hier sehr ähnlich sah …



hatte eine für damalige Verhältnisse fortschrittliche, von mir vorher noch nie gesehene Tempoanzeige aus liquider Flüssigkeit. Gelbgrün. Fluoreszierend. Seitdem bin ich leicht verstrahlt. Der Tempomesser verlief somit nicht rund, sondern horizontal hinter dem Lenkrad. Das hatte etwas vom Frequenzregler einer BRAUN-Stereoanlage. Vorne links bis 50 km/h war alles easy, alles hinten rechts war schnell und im roten Bereich. Ich mochte hinten rechts mehr als vorne links, hatte aber auch immer mehr Glück als Verstand. Da die Briten, als sie das Auto entworfen hatten, wohl nur an milde Winter auf den grünen Inseln gedacht und niemals in Erwähnung gezogen hatten, dass ihr Exportschlager soweit östlich nach Berlin – also kurz vor Moskau – gelangen könnte, erlebte ich die Tempoanzeige gelegentlich mit einem kleinen Bug: die konnte nämlich bei Temperaturen unter -8 Grad Celsius einfrieren. So brauchte sie einige Kilometer bevor der laufende Motor sie wieder flüssig gekocht hatte. Am Anfang ging sie nicht, später «britzelte» sie stockend in den rechten Bereich und blieb dort gelegentlich auch stecken. So geschah es, dass ich bei einem Ampelstop als einzige creezy weltweit laut Auto weiterhin konstante 75 km/h 50 km/h fuhr. Alleine deswegen vermisse ich das Auto noch heute.

Ein ebenfalls technisches Novum waren die Scheibenwischer. Die kannten nämlich genau zwei Tempostufen: Langsam und das war das, was wir heute als Intervallschaltung bezeichnen und schnell, schnell war aber direkt mit der Fahrgeschwindigkeit gekoppelt. Die waren wirklich drollig die Dinger, denn im Grund zwangen sie einen bei richtig starkem Regen richtig schnell zu fahren. D.h. ich sah beim Anfahren bei echtem Regen generell nie etwas oder aber ich wurde bei höheren Geschwindigkeiten von den hyperaktiven Wischern hypnotisiert und in den Wahnsinn getrieben. Keine Ahnung, wie die Briten das bei deren ewigen «English Summer Rain» ausgehalten haben. Aber die hatten ja später auch BSE. Und nur ich weiß, wo das wirklich herkam.

Zwangsläufig tat ich irgendwann eine Werkstatt in einer Holzscheune mit einem langbärtigen grummeligen rauen Bastler auf, der ebenfalls über spezielles Werkzeug für umgebaute britische Autos verfügte und der ungefähr zwischen dem Biernotstand und der nächsten Bierlieferung seiner Eckkneipe reparaturtechnisch anwesend und aktiv war. Reparaturdauer nie unter einer Woche. Unter Druck auch auf zehn Tage verlängert, dann aber immerhin mit sehr kurzfristiger Erledigung über's Wochenende. Der schrieb einwandfrei steuerlich absetzbare Rechnungen wie diese,



war aber vergleichsweise zur Servicewerkstatt günstig. Kein Attribut mit dem ich das Auto sonst beschreiben würde. Auch nicht, weil ich von dem Mann das Auto merkwürdigerweise nach der einen Woche plus einem Wochenende immer mit leerem Tank zurück erhielt.

Ich erinnere mich, dass ich um den kostbaren Lack vom erst 12-jährigen Auto vor Korrosion zu schützen, vor dem Winter mit einer Wachsschicht einspritzte. Unterbodenschutz. Wobei ich den Unterboden auf die Hälfte des Wagens ausdehnte. Ich dachte, das würde später wieder ganz leicht abgehen. Nach unserem ersten gemeinsamen Ausflug in die Waschanlage dachte ich das nicht mehr. Ich gruselte mich nur etwas vor dem Frühling. Bis dahin fuhren das Auto und ich zweigefärbt. Oben schön weiß, ab der Mitte hässlich mit viel Dreck anhaftendem Grau. Tatsächlich rostete das Auto in den sechs Monaten, die ich es fuhr bzw. es immer wieder in den Werkstätten hier und da gegen eine mich arm machende geringe Nutzungsgebühr unterstellte, kaum.

Meinen Führerschein machte ich übrigens am 6. Oktober 1983, vier Tage nach meiner Volljährigkeit. Theorie: null Fehlerpunkte. Praxis beim ersten Mal bestanden. Keine Ahnung, wie ich das wieder geschafft hatte. (Der Ex-Freund meinte neulich, blonde Mädels mit längeren Beinen hätten es da deutlich leichter.) Das Auto kaufte ich Ende Oktober 1984 und verkaufte es schon wieder im April 1985.

Zwischendurch lernte ich, dass bei kaputten Bremszylindern Stotterbremsen auch nix mehr hilft (bin aber seit dem Auto Königin der Stotterbremse), Bremszylinder nicht zu den günstigen Reparaturartikeln bei älteren raren Autos zählen (Second Hand ist bei Bremsanlagen doof), merkwürdige unsinnig an kleineren Vorfahrtsstraßen in Charlottenburg aufgebaute Betonpoller hässliche Attacken gegen Scheinwerfer, Kotflügel und Fahranfängerinnen fahren, die dann schon mal laut «Scheiße» brüllen und während sie vor Wut mit der rechten Hand aufs schöne riesengroße Lenkrad schlagen a) in der peinlichen Situation also auch noch extra hupen, um auf sich aufmerksam zu machen und b) sich prompt dabei die rechte Hand verstauchen.



Besonders gemerkt aber habe ich mir, dass kein Öl im Auto Getriebeschäden provoziert – insbesondere bei Fahrzeugen, die als generell für Getriebeschäden anfällig bekannt waren. Ich hatte das Auto knappe sechs Monate und mir liegen heute noch alle Rechnungen vor, nur die über den Bremszylinder fehlt. Alleine die Aktion «Bremse geht nicht, Bremsanlage entlüftet, Bremse geht wieder nicht, neuer Bremszylinder muss her» kostete mich DM 500,– und ging über drei Wochen. Faktisch fuhr ich das Auto eigentlich nie. Ausser hier und da zu Schrott.

Der Blick von dem langbärtigen grummeligen rauen Bastler und Austin-Liebhaber, den ich kassiert habe als ich als Auto fahrender Frischling mit mehr oder weniger leerem Öltank (Langbeinige Blondinen haben's nämlich überhaupt nicht immer leichter!) und mit der verzagten Aussage «Das Auto klopft so komisch, könnten Sie mal gucken …?» auf den Hof fuhr, verfolgt mich noch heute. Ich habe ihn aber adaptiert und wende ihn gerne an, wenn mir Vertreterinnen meines Geschlechtes erzählen, sie trauen sich nicht den Reifendruck alleine zu kontrollieren. Oder den Ölstand.

Ich verkaufte das Auto an eine entfernte Bekannte mit mündlicher Absprache vor allem aber schriftlicher Anmerkung im Kaufvertrag, das Auto würde mit Getriebeschaden verkauft und eine Reparatur würde mindestens ca. DM 400,– kosten. Die Bekannte verklagte mich wenig später, weil ich ihr ein Auto mit Getriebeschaden verkauft hatte. Ihre Klage wurde abgewiesen. Konsequenterweise unsere Bekanntschaft danach auch.

Direkt nach dem Verkauf zog ich von zu Hause aus und in meine erste eigene Wohnung ein, hatte ein ausgiebiges Partyleben und ging ständig weg. Ich kaufte mir neue Kleidung. Parfum. Endlich wieder Schallplatten. Und viel Haarspray. Ich hielt mir junge Männer, die etwas älter waren als ich. Alles das war günstiger als mein Austin Morris 1300. Deutlich. Günstiger. Alles!

13 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Man beachte, das die Leute in der Werbung für das Fahrzeug eine Golftasche in den Kofferraum packen....

Ich erspare mir, die diversen gewünschten und unerwünschten Assoziationen zu erläutern.

creezy hat gesagt…

@soulman
Och die unerwünschten hätten uns schon interessiert ;-) Naja, Briten eben. Die durften das damals schon …

Anonym hat gesagt…

Daher das mit der DS. creezy hatte schon immer einen teureren Autogeschmack - zur Freude der Werkstätten.

jonas hat gesagt…

Der letzte Absatz klingt interessant. Über eine ausgebaute Version, etwa auf Länge des vorliegenden Artikels und ebenfalls reich bebildert, würde ich mich sehr freuen:)

creezy hat gesagt…

@anonym
Ja, und ich weiß nicht woher ich das hab‘. Es können jedenfalls nicht meine Gene sein. ,-)

@jonas
Du meinst ich soll hier mal drei Seiten über meine in den 80igern verwendeten Haarspray-Flaschen bloggen? Das mache ich doch mit links! ,-)

jonas hat gesagt…

ja und deine zeit mit david bowie und so sachen:)

Anonym hat gesagt…

Als David Bowie in Berlin wohnte war Klein-creezy 11-13 Jahre alt. Ob da soviel mit Bowie gelaufen ist? Und in die Schöneberger Szenetreffs ist sie sicher auch zu dieser Zeit nicht reingekommen. Da konnte man Bowie oft treffen.

Anonym hat gesagt…

. ;o)

(Ich will ja im neuen Jahr keinen Ärger mit Dir! ;o) )

Anonym hat gesagt…

Ahh! Ein Auto! Frau creezys erstes Töfftöff! Guck an! Wobei mir die DS ja viiiiiel besser gefällt! :-)

The Exit hat gesagt…

Also, fassen wir zusammen: Männer sind günstiger als Autos!

Außerdem kann man viel besser mit ihnen kuscheln!

Narana hat gesagt…

Schickes erstes Auto.
Mein eigenes war da ganz anders, fügte sich optisch problemlos in die Massen ein und war auf grösseren Parkplätzen eben nicht ohne weiteres zu erkennen.

Hätte ich nur damals einen ähnlich exklusiven Geschmack wie Du gehabt!
:)

Anonym hat gesagt…

ich hatte ja versprochen, den artikel im neuen jahr zu lesen. ist hiermit getan. hat sich auch gelohnt, denn sie schreiben so hingebungsvoll, wie sie ihre autos pflegten. dennoch ist es mir nicht unrecht, dass sie derzeit eher auf dem mountainbike reiten, biviji fahren oder die beine in die hand nehmen, denn sonst gäbe es hier ja noch mehr benzincontent. ;-)

creezy hat gesagt…

@jonas
Wie anonym schon schreibt, soooo alt bin ich noch gar nicht. Aber ich hatte den Mick Jagger von Helnwein im Flur hängen in meiner ersten Wohnung, dem habe ich mal eine komplette Tube Merrettich ins Gesicht gehaun ,-)

@anonym
Hach, das waren Zeiten. Aber in der Tat, meine Generation erfreute sich eher an Depeche Mode in den Hansa Studios. Obwohl ich die damals zu poppig fand irgendwie …

@liisa
DAS nenne ich Einsatz! Das gefällt mir! ,-)

@spontiv
Mir ja eigentlich auch. Aber fahren hat Spaß gemacht mit dem Auto (ich erinnere mich vage an die Zeit mit dem meiner Mutter, meiner fuhr ja nie ,-) ) Und Platz hatten die, wir haben mit dem Auto ganze Umzüge veranstaltet.

@the exit
Männer + Schminke + Klamotten sind billiger gewesen als das Auto. Es war unglaublich. Ich glaube von dem finanziellen Desaster habe ich mich bis heute noch nicht erholt.

Naja, man kann auch nicht mit jedem Mann gut kuscheln … ;-)

@narana
Für einen exquisiten teuren Autogeschmack isses nie zu spät, glaube mir! ;-)

@sabbeljan
Was soll ich jetzt sagen? *schluck* Du hier? Hach! Du bist toll!

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