Es gibt sie noch: Wunder in der Berliner Baubranche! Völlig im Zeitrahmen konnte am 1. Juli 2024 Alexander Freund mit Küchenchef Fabian Meister und Team in den ehemaligen Räumen des ehrwürdigen Pressecafés am Alexanderplatz sein neuestes Gastronomieprojekt Berlin Steakclub, kreativ gekürzt auf: BEAST Berlin, pünktlich eröffnen. Was etwas heißen will in Räumlichkeiten, die dem Denkmalschutz unterliegen und der bekannten Personalknappheit in dieser Zeit.
Alexander Freund ist Gastgeber aus Leidenschaft. Seit seiner Ausbildung zum Hotelkaufmann bereichert er die Berliner Gastronomie-Szene mit seinen Restaurants. Gestartet 2011 mit dem Strandbaderlebnis STADT. LAND. BAD. – zusammen mit seinem Geschäftspartner Andre Beyer. Gefolgt von Pirates, Jäger & Lustig sowie Fischer & Lustig ist jetzt sein neuestes Projekt am Start, das BEAST Berlin, dem in Kürze die Eröffnung des Pressecafés im Untergeschoss des legendären Pavillons folgen wird.
Amerikanische Wohlfühlküche wird im BEAST serviert – als erstes Flaggschiff am Platz. Da wundert es nicht, dass die Speisekarte von Fleisch regiert wird. Gute Gastronomie ist direkt am Alexanderplatz rar gesät. Viele Restaurants richten ihr Angebot zu sehr ausschließlich an Touristen, die eh nur einmal dort essen werden, da finden sich Stil und Qualität selten in den Küchen. Das BEAST möchte die ehrwürdigen Räume des Pressecafés auch wieder zu einem Zuhause der Berliner machen. Und damit zumindest an die Geschichte des Pressecafés zur Zeit der DDR anknüpfen – als es einer der wenigen Treffpunkte mit internationalem Austausch im Ostteil der geteilten Stadt war.
Geschichtskunde
Der Pavillon mit Stahltragewerk auf zwei Etagen und einer Außentreppe zum Obergeschoss mit dem unter Denkmalschutz stehenden Außenfries, war zur Zeit der DDR Treffpunkt der internationalen Korrespondenten und ostdeutschen Journalisten. Hier lagen internationale Tageszeitungen und Zeitschriften aus, die, aus Gründen, nicht jeder normale Bürger der DDR lesen sollte. Schnell war das Café Treffpunkt der Elite des internationalen Journalismus und Politik. Nebenbei war die Küche für sonstige DDR-Verhältnisse geradezu reichhaltig und mit gastronomischem Stellenwert. Im Austausch mit westlicher Devise ging hier erstaunlich viel! Eines der wenigen Restaurants über das man im Zusammehang mit der DDR auch im Westteil der Stadt sprach. Im hinteren Bereich des Cafés waren ein Fotoatelier und Fotolabor untergebracht, sowie die Anzeigenannahme; das Obergeschoss war Konferenzen vorbehalten.
Der gesamte Baukomplex an der Karl-Liebknecht-Straße ist pure DDR-Baugeschichte. Als ein hochtrabender Gegenentwurf zum Verlagshochhaus vom Springer Verlag in Westberlin ersonnen, war Walter Ulbricht treibende Kraft für diesen Neubau am Alexanderplatz – ebenso für eine kontrollierte Presselandschaft in der DDR. Das Haus des Berliner Verlags wurde 1973 festgestellt. Jüngeren Berlin-Generationen wird nicht bewusst sein, dass vor allem dieses Verlagsensemble den Grundstein für die heutige architektonische Gestaltung des Alexanderplatz gelegt hatte.
Mit der jahrelangen Restaurierung des Ensembles „Pressehaus am Alexanderplatz” wurde auch wieder der Fries, historisch betitelt „Die Presse als Organisator” von Willi Neubert öffentlich gemacht. 76 Meter lang und mit 3,50 Meter Höhe umläuft das emaillierte Kunstwerk das Obergeschoss des Pavillons. Nach dem Mauerfall hatte es der Kapitalismus zugunsten des früheren Namenszuges eines Steakhauses ganz für sich eingenommen. Dem hat der Denkmalschutz nun einen Riegel vorgeschoben, auch der Schriftzug Pressecafé muss beibehalten werden. Eine sinnvolle Entscheidung. Wie auch die Entscheidung von Alexander Freund, im Untergeschoss wieder das Pressecafé zu eröffnen, sie wird diesem legendären Ort Berliner Nachkriegsgeschichte sehr gerecht. Man kann trotzdem alles anders machen.
Neue Gemütlichkeit mit Aussichten
Alexander Freund hat zusammen mit Designer Torsten Elgt (Logo-Projekt GmbH), wie ich finde, in der Gestaltung eine charmante Brücke geschlagen zwischen dem Retro-Look der DDR der 70er, der längst sein Standing im heutigen Interieur-Design hat und dem Design, das wir im 3. Jahrtausend als angemessen betrachten. Kommt eh alles wieder.
Im Eingangsbereich trennt sich der große Raum in einen mit Hochtischen und -bänken gestalteten Lounge-Bereich ganz in der Nähe der Bar. Denn nach dem früheren Vorbild muss auch hier nicht zwingend gegessen werden. Sich treffen auf einen Cocktail, das ist genauso BEAST-Konzept, wie das flinke Lunch-Angebot in der späten Mittagszeit. (Zur Zeit öffnet das BEAST erst um 17:00 Uhr.)
Geradezu malerisch: das fleischige Schaufenster, der Reifeschrank, beeindruckt im Breitwand-Format im Hintergrund des Restaurants. Naja, für einen Slogan wie „No Steak, no Life”, habe ich dann doch zu viel medizinische Expertise.
Dem Problem mit der namentlichen Präsenz, trotz der strikten Denkmalschutzauflage, hat man sich mit Neonbeleuchtung im Fenster gestellt, die farblich treffsicher zum Fries passt. Ansonsten ist die gesamte Fensterfront für die Gäste frei gehalten, den natürlich besticht dieser besondere Ort mit dem Blick auf die Lebhaftigkeit der Kreuzung vor dem Alexanderplatz. Auch wenn sie derzeit noch fröhlich dominiert wird von Baukränen und Bauaktivitäten.
Polstermöbel in weinrot und orange schenken dem großen offenen Raum erstaunlich warme Wohlfühlatmosphäre. Das Mobiliar sitzt sich enorm gemütlich und lädt zu mehrgängigen Menüs ein. Die Tische sind zu langen Tafeln gestellt, internationale Kommunikation der Gäste nach dem historischen Vorbild kann so zelebriert werden. Und die Dominanz der stoffbespannten Deckenleuchte is back! Das Raumdesign ist smart gestaltet, der große Raum – immerhin bietet er Platz für 310 Gäste – wirkt mit gestalterischer Separation dennoch übersichtlich.
Ausflug in die Speisekarte vom BEAST
Ich durfte anlässlich eines Pressedinners die durchaus fleischlastige Küche von Fabian Meister probieren. Nach dem Cocktailempfang, ich hatte den süßlich-herben Alex Amalfi Spritz, wurde uns eine Auswahl der Vorspeisen der BEAST-Speisekarte serviert, die richtig Spaß machte. Das dezente Küchenmesser auf den Tellern lässt keinen Zweifel übrig: Hier wird vor allem Fleisch serviert.
Eines vorneweg genommen, es gibt eine Auswahl für Veganer auf der Karte, z. B. das Rote Beete Tatar mit Kartoffelstroh, Avocado und Passionsfrucht oder den Spitzkohl aus dem Beefer – beides überzeugte. Das Knoblauchbrot aus Sauerteigbrot mit intensivem Grillkontakt war vor allem mit der sehr zarten Knoblauchnote mehr als krachend köstlich.
Das Tatar Homestyle – klassisch bodenständig wie sein Name. Dieses Gericht ist in der letzten Zeit so oft neu erfunden worden, nicht immer zu seinem Besten. Hier ist es, wie es sein soll: Ei, Kapern, Cornichons, Senf – keine Überraschung, perfekt dazu der hauchdünne Brotchip.
Wir finden auf der großen Platte die Burrata auf einem Salat schwarzer Tomaten. Saftig und aromatisch, der Dry Age Lachs im Beefer geflämmt und als Sashimi betitelt. Crab & Prawn, ein Krebs- und Scampi-Cocktail mit Bloody-Bacon-Sauce, sehr pikant angemacht, am Tisch entflammte Zuneigung. Die leicht gegrillte Melone bzw. Baby-Grünkohlsalate mit Ziegenkäsetalern kann Vegetarier sehr zufrieden stimmen.
An unserem Abend zu kurz gekommen, das – sicher für einen späten delikaten Lunch gedachte – BEAST & Bread auf der Speisekarte. Mich überzeugte der für uns angerichtete Rindfleischsalat, der im Original als Devil Beef auf einem scharf gebackenen Sauerteigbrot zusammen mit zart geschnittenen roten Zwiebeln, frisch geriebenem Meerrettich und Chiligurke serviert wird. Mittagessen für 12,— Euro, das passt. Mit asiatischer Tendenz und etwas luxuriöser: das Duck Pastrami Sandwich mit geräucherter Ente, Kimchi, Rauke, Wasabi-Mayonnaise und Hoisin Sauce für 21,— Euro.
Yes, you will have some Oysters, too. Und dann doch aparte Reminiszenz für den Standort und seiner Geschichte: Das Ragout Fin aus der Ochsenbacke im Blätterteig. 15,— Euro – nur echt mit Worcester Sauce.
Weinwechsel. Zum Fleisch sehr gerne rot. Die Weine, die unser Menü begleiten, stammen von der Winzergenossenschaft Durbach aus dem Schwarzwald, die dem Restaurant ihre BEAST-Selection senden.
Road Kill Chicken, Tonnkatsu (junger zarter Schweinebauch) – der Rest goes Rind. Das Beast Wellington, dem Topseller der Karte und historisch gesehen ein Volltreffer, tat die besondere Serviermethodik unseres Abends nicht ganz so gut. Die Black Hawk Ribs, Kalbsrippchen schwarz mariniert, waren, wie das Chicken, gut am Feuer. Serviert wurde uns eine bunte Auswahl der Beilagen und Saucen der Karte.
Traumhaft auf jeden Fall der Jungbulle, das Rinderfilet üblicherweise im 200 Gramm-Barbie- oder 300 Gramm-Like a Boss-Cut erhältlich. Zartes, schmackhaftes Fleisch, ein Traum. Mein persönlicher Favorit, das Rocket Man, kanadisches Rumpsteak vom Bison – ich mag Fett auf dem Grill unfassbar gerne! Hier zart und aromatisch.
Auch auf der Karte im Angebot: das Urban BEAST Hammer. Eine 24 Stunden lang gesmokte Jungbullenkeule für 4-6 Personen für 139,— Euro inklusive Beilagen. Fleisch als Gemeinschaftsevent ist eine charmante Idee – vielleicht für den nächsten Geburtstag? Zum fleischigen Socializing Grill & Share serviert das BEAST auch Chateaubriand für 2 Personen, weiter ein Dry Age Cowboy Steak oder Tortuga Steak für 2-4 Personen – inklusive zwei Beilagen und einer Sauce nach Wahl für je 99,— Euro. Die reichhaltigere Variante für Veganer, der imposante Rodizio Spieß mit Beeten, Portobello, Spitzkohl, Zwiebeln und Paprika und Chimichurri gibt es für 22,— Euro.
Ein Pasta-Angebot und natürlich Burger oder der BBQ-Lachs runden die Speisekarte vom BEAST amerikanisch gehalten ab. Wobei auch Vegetarier mit einem reichhaltigen Beilagenangebot, z. B. Fries, Kartoffel-Jalapeño-Stampf, Schmorzwiebel, gebratene Pilze, Piementos de Padrón, Spitzkohl Coleslaw oder Urkarotten sehr fein und grün dinieren können.
Meine Liebe zum Zartbitterschokoladen-Sorbet mit Beeren ist übrigens sehr groß. Ich hätte kein besseres Dessert für mich wählen können! Es passt so exzellent mit der bitteren Note zu dem vorherigen Fleischgang! Und wie gut würde es mit einem Faden Olio extra vergine di Oliva und Fiori di sale elegant zum Steak serviert passen! Ein Hingucker: das schwarze Spaghettieis mit einer gehörigen Portion Vanille im Eis und weißer Schokolade.
Das war ein leckerer und erwartungsgemäß fleischlastiger Abend, begleitet von soliden Weinen – in einer wirklich charmanten Kulisse, den Alexander Freund mit seinem reizenden (meine ich ehrlich, ein tolles) Team uns geboten hatte. Herzlichen Dank dafür! Das BEAST ist noch sehr jung, es wird sich an diesem Ort zu einer Bereicherung der Berliner Gastronomie entwickeln. Zumal hier am Samstag Abend auch Livemusik, DJ und Show-Act plus Menü zum gar nicht mal so klassischen Berliner Restaurantabend locken.
BEAST Berlin
Karl-Liebknecht-Str. 29
10178 Berlin-Mitte
Öffnungszeiten: Dienstag-Samstag 17.00-02.00 Uhr