2023-08-28

Cesenatico und das Meer

Zum Thema Meer und Fisch bietet Cesenatico deutlich mehr als nur eben die wunderschöne Adria Küste mit ihren hellen Stränden und der vielen Fischrestaurants. Alles hier scheint maritim geprägt und immerhin landet viel vom Fang der hiesigen Fischer später bei uns in Deutschland auf dem Tisch. Cesentatico ist ein wesentlicher Umschlagplatz des italienischen Fischexportes. Als Tourist kann man sich hier problemlos einen Tag lang nur der faszinierenden Geschichte, der historischen wie auch natürlich der heutigen Fischerei von Cesenatico widmen.

Ich nehme euch mit entlang der Ufer des Porto Canale Leonardesco stadteinwärts und später zur Küste zurück bzw. zum Fischmarkt, es wird uns nicht langweilig werden! Ein guter Treffpunkt ist die Piazza Spose dei Marinai am Ponente Ufer des Canale di Cesenatico. Dieser Ort wird von etwas Melancholie begleitet. Sofort fällt das von Quinto Pagliarani geschaffene bronzene Denkmal „La Ma” (von La Mama) ins Auge. Eine Mutter steht mit ihren beiden Kindern und guckt sehnsüchtig auf das Meer hinaus, ein Symbol für das Leben und Leiden in der Gemeinsamkeit mit dem Meer.

Folgt man der Mole in Richtung Meer entdeckt man die entzückenden Capanni da pesca, die pittoresken Fischerhütten aus Holz. Wir aber setzen direkt mit der den Kanal im wahrsten Sinne Wortes „querenden” Traghetto rüber an das Levante Ufer. Diese Sehenswürdigkeiten kennt ihr schon von meinem Blogpost „Cesenatico die bunte Perle der Adria.“
Beim Hafenmeister grüßt der Leuchtturm und wir laufen entlang der Viale Porto del Canale entlang in Richtung Innenstadt. Links und rechts an den Ufern des Canale ankern große und kleine Fischerboote, hier und da leuchtet aber auch schon eines der kleineren historischen Fischerboote in ihren fröhlichen Farben für die Cesenatico so bekannt ist. Linker Hand kommt man bald an der Galleria da Vinci vorbei, früher befand sich hier die Fischhalle, heute ist es eine Galerie für zeitgenössische Kunst.


Mercato del Pesce di Cesenatico
Keine 300 Meter weiter liegt die heutige moderne Fischhalle, eine charmante nicht allzu riesige Halle, die sich zum Zeitpunkt unseres Besuches zwei Fischhändler rechts und links teilen. Mir blutet ein wenig das Herz, dass ich hier nicht nach Herzenslust einkaufen kann mangels Küche und somit Kochgelegenheit: Heuschreckenkrebse, Sardellen, Mazzole, Meerbarbe und Makrele, um nur einige Sorten Fisch zu nennen, die hier als Tagesfang auf dem Eis liegen. Wenn man frischen Fisch bekommt, dann hier – der professionelle Fischerhafen mit Auktionshalle befindet sich direkt gegenüber auf der anderen Uferseite. Auf jeden Fall bekommt man hier das Sale dolce di Cervia zu einem angemessenen Preis – in den üblichen Tourismusshops Cesenaticos kann man sich über dessen Preise nur wundern.


Piazza delle Conserve

Verlässt man die Markthalle nach hinten hinaus, kommt man in einen sehr hübschen historischen Teil Cesenaticos. Klein aber delikat. Die Landwirte der Umgebung bieten hier am Vormittag täglich (außer Freitags) auf dem Gemüsemarkt ihre Produkte an. Rund um Piazza finden gerne auch Feste statt. Ein Wohlfühlort.
Aber auf der Piazza delle conserve kann man noch einen historischen Eiskeller – sechs Meter tief mit imposanten acht Metern im Durchmesser – entdecken. Heute sind sie nicht mehr in Betrieb, aber die Cesenaticer haben seit dem 16. Jahrhundert ihren Fischfang auf dem Eis des Winters – mit interessanter Technik überwintert – so frisch gehalten. Man konservierte hier den Fisch mit Schnee (aus den Hügeln). Dieser wurde gesammelt und gepresst und mit Sand und Strohgelage verhinderte man, dass das Eis schmelzen konnte. Drei dieser antiken Kühlschränke, Cesenatico hatte über 20 davon noch bis zu Beginn des letzten Jahrhunderts in Betrieb, sind heute restauriert und zu bestaunen. Cesenatico hatte sich dank dieser Technik sogar politische Unabhängigkeit gesichert.


Museo della Marineria

Mit einem Schlenker zurück zum Canale sieht man nun immer mehr der kleineren Schiffe mit den bunten Segeln an den Ufern liegen. Hinter der Brücke im von Leonardo da Vinci gestalteten „Porto Canale Leonardesco” wachsen sie zu einer imposanten Flotte alter Holzboote zusammen, die ab 1. Mai bin in den Oktober hinein ihre historischen bunten Segel hissen. Die Segel sind mit Figuren ausgestaltet, denn früher schmückten die Kapitäne ihre Boote mit den Familienwappen – so konnte La Mama am Ufer immer sofort sehen, ob ihr Ehemann wieder zu ihr heimkehrt. Diese Schiffe gehören zum Freiluftteil des Museo della Marineria – in der Weihnachtszeit wird auf ihnen die als übergroße Krippe die Weihnachtsgeschichte dargestellt. Die Modelle der Schiffe tragen illustre Namen wie Trabaccolo, Bragozzo, Lancia, Topo, Battana und Paranza. Die große Trabaccolo „Giovanni Pascoli” kann man besichtigen. Unbedingt beachten sollte man die interessanten Holzauszeichnungen und Malereien der Boote. Vor allem die aufgezeichneten Augen am Bug dienten in der Symbolik als Sehwerkzeuge, die den Booten immer den Weg in den sicheren Heimathafen weisen sollten.

Queren wir die Brücke an der Via Auerlio Saffi erreichen wir linker Hand das Museo della Marineria. Der Besuch gefällt mir persönlich außerordentlich, es wird die gesamte Seefahrt- und Fischereigeschichte Cesenaticos abgebildet. Und als pensionierter Fischer begleitet uns ab jetzt Antonio und erklärt uns leidenschaftlich die maritime Geschichte Cesenaticos
Zwei historische Schiffe sind in der hohen Halle unter Segel aufgedockt.
Ein Trabaccolo, deutsch Trabakel, ein Zweimaster aus Dalmatien aus der Zeit des 17.-18. Jahrhunderts, der vorrangig in der Adria benutzt wurde und mit mindestens vier aber auch bis zu 30 Männern gesegelt wurde. Diese Schiffe waren oft mit Kanonen ausgestattet, um sich gegen Piraterie wehren zu können. Kleiner und kiellos ist das Bragozzo daneben, das mit einer kleinen Mannschaft von nur zwei Männern gesegelt werden konnte und ebenfalls für den Fischfang in der Adria verwendet wurde. Das Bragozzo ist ebenfalls ein Zweimaster mit kurzer Fock. Vorteil dieser Bootsbauweise war der geringe Tiefgang des Bootes bei einer kompakten Bootslänge von bis zu 12 Metern.

Auf zwei Ebenen erzählt dieses Museum kurzweilig von der Historie Cesenaticos im Fischfang und hält unter anderem eine ganze historische Werftausrüstung vor und diverse Utensilien, die in den vergangenen Jahrhunderten den Fischfang ermöglicht haben.
Dieses Holzgefäß ließ man zum Beispiel im Kanal am Ufern ankern und packte dort den lebendigen Fisch hinein und hielt ihn so frisch.
Geschichtsträchtige Fundstücke aus dem Meer erzählen Geschichten. Für Kinder gibt es diverse Workshops z. B. wie man Knoten bindet. Das Museum ist barrierefrei, die obere Plattform über einen Fahrstuhl zu erreichen. Ein spannender gute-Laune-Ort!

Casa Moretti

Draußen aus dem Museum laufen wir auf der anderen Seite des Ufers wieder zurück Richtung Meer. Dabei kommen wir an der Casa Moretti vorbei, das Haus des bekannten italienischen Schriftstellers Marino Moretti beherbergt heute seine Bibliothek und Manuskriptsammlung.

Jetzt ist es an der Zeit z. B. im Titon (ich möchte es immer wieder empfehlen) sich mindestens eine Pasta mit Meeresfrüchten und viel mehr dieser maritimen Köstlichkeiten zu gönnen.
Wir befinden uns weiterhin in der Via Moretti, die bunten Häuser rechts und links vom Canale gehörten früher den ansässigen Fischern. Einige Häuser sind so rücksichtsvoll restauriert worden, dass an ihrer Geschichte kein Zweifel besteht.


Die Fischindustrie in Cesenatcio

Hinter der Via Semprini beginnt das Industriegebiet der Cooperative Armatori e operatori della pesca cesenatico – dem Fischgroßmarkt Cesenaticos. Genau der Bereich in dem ich mich in meiner Ankunftsnacht noch gruselte. Aber jetzt tobt hier das Leben! Keine Spur von düsterer Verlassenheit und Krimiatmosphäre.

Größere Fischerboote liegen vor Anker und in der von außen unscheinbaren aber in ihrem Inneren sehr modernen Fischauktionshalle wird zwischen 13-14 Uhr der frische Fisch in aller Herren Länder verkauft. Auch hier gibt es kleine Fischläden und die Cesenaticer auf der Ponente Seite kaufen den frischesten Fisch ein, Möwen haben Spaß an dem einen oder anderen beim Transport in die Halle verloren gegangenen Beifang.

Wir dürfen in die Halle und sehen ein Fließband, wo der Fisch nach Arten sortiert in Kästen einläuft. Rundherum in einer Art Arena sitzen die Einkäufer, tatsächlich vorwiegend Männer, die per digitalem Buzzer sich beim Wunschpreis die Ware sichern. Über dem Büro läuft die Preisuhr. Das alles geht erstaunlich ruhig und gesittet zu, wir sind alle mächtig beeindruckt von dem Prozedere. Routiniert präsentiert der Master des Geschehens die Ware den Einkäufern und der Printer wirft nach deren Zuschlag den elektronisch erstellten Bon zur Ware.
Später wird hinter der Halle der Fisch von den Käufern in Empfang genommen bzw. per Spedition verladen. Das wirkt alles faszinierend großindustriell, es stehen riesige Trucks herum, die Ware in die Kühlcontainer laden – das hätte ich bei dem Spaziergang um den charmanten und so schmal wirkenden Kanal so nicht erwartet.
Dank Antonio, unserem Insider der Fischerei, werden wir noch auf dem großen Gelände herumgeführt und dürfen Orte besuchen in die man als betriebsfremde Person vermutlich nicht leicht Einblick erhält. So werfen wir einen kurzen Blick in eine Werft, die verführerisch nach Holz duftet. Spannend ist eine Halle, quasi das Vereinshaus, wo die Fischer ihre Netze aufbewahren und sie unbehelligt vom Wetter flicken können.
Und das Geschäft der großen Nautika-Cooperative,
die den Schiffsbesitzern von der wilden Seegang fähigen Kaffeemaschine bis hin zum Tau alles liefern kann.
Eines ist klar, nach einem solchen erlebnisreichen Tag: Wenn Cesenatico etwas kann, dann Fisch!


Cesenaticos Fisch-Events

Es gibt viele Festivitäten rund um das Jahr in Censenatico, die (nicht nur) dem Fisch und dem Kanal gewidmet sind. So zum Beispiel: Il pesce fa festa vom 01.-05. November 2023. Im Frühling das Hafenfest. Im Sommer ein Weinfestival. Alle Veranstaltungen in Cesentaico könnt Ihr der Homepage der Stadt entnehmen.

Auf jeden Fall lohnt sich auch ein Ausflug zur Winterzeit nach Cesenatico, denn die Krippe auf den Booten im historischen Hafen ist ein seltenes Schauspiel!


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Cesenatico – die bunte Perle an der Adria
Cesenatico – einfach köstlich
Cesena – mit dem Rad entdeckt!
Gastfreundschaft in Cesenatico … und Bologna

2 Kommentare:

  1. Ich kriege Fernweh!!! :-)

    Danke fürs virtuelle Mitnehmen. - Das mit den Eiskellern finde ich übrigens total interessant. Die Menschen wussten sich auch zu helfen, bevor es Eisschränke gab.

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  2. Liebe Barbara,

    das ging mir auch wieder so beim Schreiben – wollte direkt noch einmal los. ;-)

    Die Eiskeller waren sehr spannend und das passiert mir oft auf den Reisen, dass ich erlebe, dass Dinge von damals in ihrer heutigen Entwicklung gar nicht mal zwingend große Fortschritte gemacht haben. Gut, eine Tiefkühltruhe mag nicht das beste Beispiel sein – aber viele Dinge waren damals einfach schon sehr gut gelöst!

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