Es ist manchmal so. Da kommt jemand aus der Ferne und verliebt sich, wandert aus in ein anderes Land, erlebt dessen Küche … und schreibt dann einfach in der fremden Sprache Kochbücher über die Küche des eigenen Heimatlandes. So ist der Werdegang von Anna del Conte zu beschreiben – und sie ist mit ihren Büchern über ihre italienische Heimatküche weltbekannt worden. Del Conte hat die längste Zeit ihres Lebens in Großbritannien verbracht, geboren 1925 in Mailand, zog es sie mit 24 auf die grüne Insel. Und gilt derweil im englischsprachigen Raum als die Nonna der italienischen Küche.
„Geheimnisse meiner italienischen Küche” ist im Erscheinungsbild sehr italienisch. Einfach und reduziert. Wenig Fotos – um nicht zu schreiben: sehr wenige Fotos. Jedem Kapitel wurde eines spendiert, insgesamt also nur 20 gleichzeitig. Gleichbedeutend sind das sehr viele, eben 20, umfassende Kapitel!
Mehr naive Illustrationen, dafür viel Text zur Küche Italiens, über Zutaten und liebevolle, ausführliche Rezepte, die die sehr ursprüngliche italienische Küche vermitteln. Tatsächlich war der Mangel an Fotografie von allen Lesern, mit denen ich über dieses Buch sprach, der hauptsächliche Kritikpunkt. Mammamia! Und dann haben sie auch noch den Farbfilm vergessen!
Und wir wollen doch die Farben Italiens gedruckt sehen in einem italienischen Kochbuch – dafür sind sie doch schließlich da in all ihrer wunderschönen Pracht im Sonnenschein. Dieses gefühlte Manko verliert sich jedoch sehr schnell, steigt man tiefer in die Geheimnisse von Annas Küche ein, lauscht ihrem umfassenden historischen Fachwisssen zu Produkten, nimmt man teil an ihrer eigenen Entwicklung der Rezepte.
Ein Kochbuch soll über Rezepte funktionieren und das tut dieses Buch auf fast 330 Seiten mit großer Sorgfalt und Vielfalt. Mit del Contes „Geheimnisse meiner italienischen Küche” hält man ein derartig fundiertes Buch der italienischen Kochkunst in der Hand, dass es problemlos als einziges im Regal dieser vielfältigen Landesküche seinen Stellenwert behaupten kann, ohne jemals ausgelesen, nachgekocht oder überholt zu sein.
Ich mag es, wie sie zu vielen Rezepten über ihre persönliche Entwicklung in der jahrelangen Kochexpertise erzählt. Zum Beispiel, wenn sie entdeckt, dass ihre Maronensuppe in der seit Jahren gekochten Lieblingsvariante zu einer noch köstlicheren Version gerät, wenn man den Hauch von französischem Einfluss einer Crème double zulässt. Oder die „Salsa di miele e noci” – eine köstliche Honig-Senf-Sauce mit Walnüssen, die kalt zu Fleischgerichten serviert, erwachsener wird mit der Zugabe von Pinoli, Pinienkernen.
Anna del Conte veröffentlichte dieses Buch im Alter von 64 Jahren, nach einem Leben voller Küchenerfahrung, Geschmacksexpertise und Entwicklung der eigenen Kochkunst. Diese Substanz ihrer Erfahrungen ist nicht überlesbar.
Von dieser Expertise profitieren zu dürfen, das ist das besondere Geschenk ihres Werkes. Ihre Rezepte sind von einfach bis umfangreich gehalten und zur Kenntnis genommen, dass in del Contes Minestrone alleine 17 Zutaten verwendet werden – übrigens exklusive dem Pesto – der versteht, was genau der italienischen Küche diese Relevanz in den Küchen der Welt beschert hat. 17 Zutaten – von jedem Rezept irgendeiner anderen internationalen Küche, würde man von einem prätentiösen Rezept sprechen. Wer würde behaupten, eine Minestrone sei prätentiös?
Ich gebe zu, meine Vision der italienischer Küche hat sich mit diesem Buch komplett verschoben. Wie schön, an Annas Kochtalent partizipieren und mitwachsen zu dürfen!
Nebenbei lernt man derartig viele italienische Wörter und alle Produkte auch auf italienisch kennen, das Buch könnte glatt in seiner zweiten Bestimmung als Dictionary durchgehen. Und wenn Nigella Lawson, die so etwas wie die britische Martha Stewart next Generation ist, bekennt, dass Anna del Conte, neben ihrer eigenen Mutter, die wichtigste Einflussgeberin war für ihre Kochexpertise, ist das natürlich ein hübscher Werbespruch. Einer der wenigen der glaubwürdigen Sorte.
Dieses Buch ist schon 1989 im Original als „Secrets From An Italian Kitchen” erschienen und zu Recht nun endlich in Deutschland aufgelegt worden im Ars Vivendi Verlag. Anna del Conte wird 2025 (hoffentlich) ein ganzes Jahrhundert alt. Wir dürfen ihr vertrauen. Und dafür sorgen, dass ihr Kochbuch in den Regalen aller Fans italienischer Küche steht.
„Geheimnisse meiner italienischen Küche”
Autorin: Anna del Conte
Verlag: ars vivendi
ISBN: 978-3-7472-0413-9
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