
Diese Stadt mit ca. 160.000 Einwohnern lockt heute vielleicht nicht mit den imposantesten Bauten, riesengroßen Piazzen wie in Rimini oder Bologna. Sie hat wider Erwarten und trotz ihrer marritimen Geschichte und Nähe, heute nicht den Charme der Kanalstädte Comacchio oder Cervia. Tatsächlich wirkt Ravenna heute etwas zerrupft. Der ursprüngliche Hafen Classe dieser einst so imposanten Hafenstadt – immerhin zeitweilig mit höherer Relevanz als Rom aufgrund ihrer Handelskompetenz – versandete. Auch die Küstenlinie der Adria hat sich über die Jahrhunderte sehr verändert. Diese Änderungen in ihrer architektonischen und wirtschaftlichen Relevanz trafen Stadt Ravenna in einem Ausmaß, der heute noch spürbar ist.
Das bemerkt man insbesondere, besucht man die ehemalige Hafenbasilika Sant Appolinare in Classe. Sie, einst im Zentrum der Stadt gelegen, ruht heute einsam im Schwemmland zwischen Küsten und dem heutigen Kern von Ravenna. Der neue Hafen Ravennas liegt ebenfalls abseits.
Es gibt Städte in Italien, durch die ich als Touristin spazierte, die mich völlig in den Bann gezogen haben, alleine aufgrund ihrer architektonischen Schönheit und dem lebendigen Flair ihrer Straßen. Das ist mir in Ravenna so nicht passiert. Hier hat man es eher mit einer Stadt des Understatement zu tun – alles wirkt eher klein und gemütlich. Selbstverständlich ist die Piazza del Popolo im Zentrum charmant, aber längst nicht so weitläufig wie in anderen Städten der Adriaküste. Es gibt auch eine Markthalle – aber auch sie ist verhältnismäßig klein und luxuriös restauriert. Der Charme üblicher italienischer Markthalle hat sich leider etwas verloren.
Ravenna als Stadt überzeugt trotzdem – nur eben ganz anders: mit ihrer Kunst. Genauer mit ihren Mosaiken! Mosaike anbelangend, ist Ravenna von einem unschlagbaren Reichtum historischer aber auch moderner Schönheit beschenkt. Und zu Recht sind heute die vielen besonderen Orte historischer Mosaikkunst UNESCO Welterbe. Diese Stadt lebt mit und von der bildenden Kunst mit den kleinen Steinen – und es ist kaum vorstellbar, ergibt man sich diesem relevanten Thema der erstaunlich jung und modern wirkenden Stadt, dass man nicht gänzlich beeindruckt von ihrer besonderen künstlerischen Schönheit ist. Das mag mit daran liegen, dass die Menschen in Ravenna sich auch heute noch auf die Kunst der Gestaltung mit den kleinen farbenprächtigen Steinen, besinnen und voller Leidenschaft praktizieren, lehren und lernen!

Nach Classe hatte ich euch bereits in die Basilika Saint Appolinaire mitgenommen. Auch in Ravenna wimmelt es von einer Vielfalt historischer, meist sakraler Gebäude, die mit ihren steinigen „Wandmalereien” faszinieren. Viele Gotteshäuser stammen aus der Zeit der Byzantiner und zeigen ihre Entwicklung über die Jahrtausende hinweg.






Basilica di San Vitale





Via San Vitale, 48121 Ravenna
Kombi-Ticket mit Mausoleao di Galla Placidia € 9,— (2022)
Die italienischen Städte mit frühzeitlicher Geschichte haben nachweislich einen besonderen Todfeind: den Tiefbau! Wie viele Städte in Italien mussten das schon sehr teuer lernen, die z. B. auf die unterirdischen Müllsysteme gesetzt hatten. Kaum gräbt man etwas tiefer, ZACK!, liegen die ersten Signale der nächsten archäologischen prähistorischen Fundstätte vor dir, mindestens eine frühe unterirdische Ölmühle. Auch Ravenna kann da viele Lieder von singen!


Glücklicherweise sind die Bauarbeiter Italiens sensibilisiert genug, bei frühen Anzeichen historischen Vorlebens innezuhalten. So geschah es auch, als man erste Steinmauern freilegte, die auf die Grundrisse eines Hauses hindeuteten. Heute weiß man, dass es sich um das Erdgeschoss einer byzantinischen Villa aus dem 6. Jahrhundert n. Chr. handelte, deren Niveau drei Meter unterhalb des heutigen Straßenniveaus lag.

Via Gian Battista Barbiani 16, 48121 Ravenna
Ticket € 4,— (2022)
Neonische Taufkapelle
Wird zu Recht als einer der schönsten Innenräume der Spätantike bezeichnet. Das Bapisterium der Orthodoxen liegt gegenüber Ravennas Duomo (Cattedrale della Resurrezione di Nostro Signore Gesù). Es wurde vermutlich als Nymphäum errichtet. Im ersten Viertel des 5. Jahrhunderts n. Chr. erbaut, folgten die wunderschönen Mosaike nach 452 n. Chr. durch Bischof Neo mit klassisch-römischem Einfluss initiiert. Wasser spielt eine große Rolle, so wird der Fluss Jordan dargestellt und die Taufe Chrisi in eben jenem Fluss durch Johannes den Täufer. Je nachdem, wann das Tageslicht in die Kapelle fällt, erhält sie ein anderes Gesicht. Also noch ein Ort, den es nicht nur einmalig zu entdecken gibt.
Piazza Duomo 1, 48121 Ravenna
Eintritt € 10,50 (2022)

Insofern, wer Ravenna besuchen möchte, nehmt euch mindestens eine Woche Zeit – denn … von der zeitgenössischen Mosaikkunst, die in ihrer Kreativität und Faszinovum mit der Historischen durchaus mithalten kann, erzähle ich in einem anderen Blogpost zu dieser besonderen Stadt.
Ich gebe zu: Ravenna – hat mich erst auf den zweiten Blick berührt. Aber dann tief und nachhaltig!
Weitere Blogposts zu Ravenna und Umgebung:
Ravennas moderne Mosaike (2)
Die Sehenswürdigkeiten von Classe
Ravenna – einfach köstlich!
Cervia – Vielfalt an der Adria
Die Salinen des Dolce di Cervia
Casa Museo Remo Brindisi in Lido di Spina
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