„Das Ermüdende an der Depression ist, dass sie immer noch und immer wieder da ist, auch wenn sie weg ist. Was ich damit meine: Nachdem ich mein Leben mithilfe der Verhaltenstherapie geflickt, gepflastert und repariert hatte, war dieses Leben wirklich sehr viel besser, und ich war in diesem Leben sehr viel zufriedener.
Aber die Depression lächelte im Hintergrund und sagte: Schön, jetzt bist du ein Depressiver mit einem reparierten Leben. Aber denk nicht, dass du mich los bist.”
Von Till Raether „Depressiv oder „nur" unzufrieden?” in der Brigitte
Ich finde den Text gut, weil er hier eine Form der Depression beschreibt, die Dysthymie, die ein Leben lang begleitet. Chronisch. Sie charakterisiert Menschen, die ein Leben lang versuchen, souverän und mit Leichtigkeit ihr Leben zu beschreiten, wie es in der Gesellschaft vorgelebt wird. Sie selber das Leben aber eher in Grautönen sehen, denen das Glas einfach nie „halb voll” erscheint. Das impliziert ein ständiges Gefühl, nie gut genug zu sein. Und das ist sehr sehr anstrengend.
Dysthmie kann – das macht dieser Artikel sehr deutlich – auch in Menschen innewohnen, die gesellschaftlich das Prädikat erfolgreich bekommen würden. Menschen, die vielleicht gut situiert leben dürfen, beruflich großartige Dinge leisten, gesunde und wundervolle Kinder großgezogen haben – all das, woran in dieser Gesellschaft gemessen wird, dass man gefälligst glücklich zu sein hat. Also Menschen, denen man die Depression eher nicht ansieht. Die – wie sie im Text genannt werden – Hochfunktionalen.
Fatal.
Für diese Menschen ist dieses Glück aber immer nur halb, wenn nicht noch weniger. Denn ihnen sitzen immer Gewichte auf der Schulter, die deren Handeln um ein Vielfaches schwerer erleben lassen, die Anschubenergie zum täglichen Tun – über die andere Menschen nicht einmal nachdenken – muss täglich neu verhandelt werden. Die Freude, der Genuss, den Menschen aus ihrem Leben ziehen dürfen, wird nicht empfunden, weil deren Ursachen für Patienten mit Dysthymie im Vorfeld immer nur mit unsäglichem Kampf vorab erzielt werden können. Es ermüdet sehr.
Man hangelt sich von einem hellen Moment zum nächsten, nur sie sind nie so selbstverständlich wie für andere. Man dreht ständig im Hamsterrad, um die Sonne zu sehen – während andere einfach entspannt nebenan in der Hängematte längst in der Sonne liegen.
Zwischen – und übrigens auch während – dieser dunklen Phasen können diese Menschen sehr leistungsfähig sein, fröhlich, lustig, ungemein selbstsicher wirken. Bis zum nächsten Schub. Und das ist der Punkt, therapeutisch kann man diesen Patienten Hilfsmittel, Medikamente und Therapien, an die Hand geben. Und dennoch: die Krankheit bleibt. Sie ist ein Teil von einem selbst. Man kann mit diesen Instrumentarien und dem frühzeitigen Erkennen der tieferen dunklen Perioden besser Fürsorge vorsorglich für sich betreiben.
Nur endgültig und für immer verschwinden, das wird die Dysthymie einfach nicht. Der Schein ist nicht immer das Sein.
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