2019-08-15

Der Mensch ist so dumm!

Im vergangenen Jahr haben wir Nachbarn, die wir gerne auf dem Hof wegen Kinder oder Tiere beisammen stehen und Kontakte untereinander pflegen, die Idee geboren, dass es schön wäre wenn wir auch in unserem Bereich der Wohnbautengenossenschaft einen anständigen Kinderspielplatz hätten, einen für etwas größere Kinder.

Vorteile einer Wohnbautengenossenschaft sind definitiv, dass die Geschäftsleitung solchen Anregungen erst einmal generell positiv gegenüber steht – man spricht miteinander. So gab es eine Begehung mit einem der Geschäftsführer (übrigens bei uns eine Geschäftsführerin und ein Geschäftsführer – es geht also, wenn man nur will), wir trugen unsere Ideen vor und im Grunde gab es damals schon das Okay! Das war im Frühsommer. Im Spätsommer begannen die ersten Baumaßnahmen, die sich allerdings hinsichtlich der Fertigstellung bis in dieses Jahr hinzogen, weil die Spielgeräte nicht so schnell lieferbar waren. Aber die notwendigen Geländearbeiten, Zaunerweiterung, Umbaumaßnahmen hinsichtlich der Feuerwehrzufahrt – das alles war geregelt.

Da wir den Spielplatz als offene Begegnungsstätte haben wollten, blieben die Türen im erweiterten Zaun ohne Schloss. Das war der Wunsch von uns Nachbarn, wir wollten mehr Interaktion hier mit anderen Nachbarn im Umfeld. Seitens der Geschäftsführung gab es ein „wir gucken uns das an”-Credo. Die Türen selbst waren notwendig, damit Kinder nicht auf die Straße laufen konnten – das impliziert die Notwendigkeit, dass man die Türen schließt. Wenn man kommt und wenn man geht.

Der Spielplatz wurde von Eltern und Kindern, die bei uns nicht wohnen, eingeweiht als dann die Geräte geliefert und installiert waren, da waren die „Hier bitte noch nicht spielen!”-Bänder der Gartenbaufirma, die natürlich auch Spielrasen aufgebracht hatte, der anständig anwachsen können sollte, noch gar nicht entfernt.

Es gibt für die Nutzung des Spielplatzes einige Regeln, die natürlich mit einem Schild kommuniziert werden; so gilt es die Mittagsruhe einzuhalten (die bei uns, Genossenschaft, im Mietvertrag für das Wochenende klar geregelt ist) und das Ballspielen ist generell verboten. Unsere Häuser sind nachträglich außen wärmegedämmt, solche Fassaden sind so stabil halt nicht. Und die Wohngenossenschaft möchte halt die Fassaden noch eine Weile nicht gleich wieder neu streichen müssen. Und die besondere Lärmkulisse, kaputte Fenster etc., wollte die Geschäftsführung von vorne herein nicht.

Der Spielplatz ist in einem Bereich der Anlage, die nach hinten hier (wo z. B. mein Schlafzimmerfenster liegt) eine Grünanlage ist, die ganz klar nicht mehr Spielbereich ist. Dort steht ein Baum, der wachsen soll, damit wir Mieter über die nächsten Jahre, mit etwas Glück, irgendwann einen Sicht- und Klimaschutz haben. Dieser Baum ist leider so gewachsen, dass man prima in ihm herum klettern kann. Dieser Baum hat an seinem unteren Stamm und den prima zu bekletternden Ästen bereits massive Schäden, weil leider schon immer ständig in ihm herum geklettert wird.

Lange Rede: ich mag Kinder, ich habe als eine der kinderlosen Mieter für den Spielplatz plädiert aber ich will, dass dieser Baum leben darf – länger leben darf. Und so habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, wann immer ich es mitbekomme, die Kinder und deren daneben stehenden Eltern höflich zu bitten, das Kind wieder aus dem Baum zu holen. An manchen Wochenendetagen machste das schon mal fünf Mal. Und das nervt, zumal sich einige Eltern bemüßigt sehen mit mir (oder Nachbarn) zu diskutieren, wenn wir Mieter uns erdreisten deren Königskinder halt nicht den besonderen Baumspaß zu gönnen. Die kapieren das auch nicht, wenn man ihnen sachlich den Hintergrund erklärt, dass es einfach uncool ist, wenn jedes zweite Kind in diesem Baum herum klettert. Es ist ihnen sch…egal. Zumal: sie zahlen auch nicht für die Grünanlagenpflege, so wie wir direkten Anwohner.

Der Spielplatz ist ein voller Erfolg, denn es kommen sehr viele Eltern mit ihren Kindern, die gar nicht Mieter bei uns sind. Einerseits sind das die Eltern mit ihren Kindern, die Beschäftigte der chinesischen Botschaft sind, die mehrere Hausstränge der Wohnanlage über die Straße gegenüber für ihre Bedienstete komplett angemietet hat. Andererseits sind das die Eltern der umliegenden Eigentumsbauten, die hier in den letzten Jahren hoch gezogen worden sind, die sich schön hinter dichten weißen Eisenzäunen isolieren und nicht im Traum daran dächten, auch uns andere anwohnenden Nachbarn ihre schönen – teilweise mit Springbrunnen – ausgestatteten floralen Gärten besuchen zu lassen. (Interessanterweise sind das teilweise auch die Nachbarn, die dann ihre Hunde in unsere (noch) offen Grünanlage scheißen lassen ohne den Mist mitzunehmen.) Und an sich sind sie uns alle willkommen.

Der Spielplatz ist so dermaßen ein voller Erfolg, dass wir Mieter hier nicht mehr hinterher kommen. Wir kommen nicht mehr hinterher den anwesenden Eltern mit ihren Kindern zu erläutern, dass man die Türen immer zu schließen hat, damit die kleinen Kinder nicht auf die Straße laufen. (Eigentlich eine Schutzmaßnahme, die deren eigenen Kindern zugute käme.) Wir kommen nicht hinterher, den Eltern zu erklären, dass unsere Grünanlage keine öffentliche Grünanlage ist, wo man sich wie im Volkspark einfach ins Grün legen kann und danach seinen Müll liegen lässt. Wir müssen da sehr hinterher sein, weil wir ständig die Junkies vom Moritzplatz eben hier rumliegen haben. Wir Anwohner, die wir das selber sehr sehr selten tun, bei einem Kindergeburtstag z. B., erbitten immer vorher explizit um die Erlaubnis bei der Genossenschaft.

Wir kommen nicht hinterher, die Eltern zu bitten, dass sie nicht in der Grünanlage mit teilweise harten Bällen Fußball mit ihren Kindern spielen – was man sich da teilweise gerade von vermeintlich eloquenten gut situierten Papis anhören muss, ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten. Funfact: Wenn es im Kiez etwas wirklich häufig gibt, dann sind das Bolzplätze.

Wir kommen nicht hinterher, Eltern darauf hinzuweisen, dass nicht alle Nachbarn vor deren Fenster der Spielplatz liegt supi begeistert sind von andauerndem Kinderlärm – und es einfach klar definierte Zeiten gibt, wo Ruhe herrschen darf und soll – weil man auch diesen Nachbarn diese Ruhe ab und zu gönnen darf.

Wir kommen nicht hinterher Eltern darauf hinzuweisen, dass man Müll wieder mitnehmen kann – wenn der Mülleimer voll ist – und man überhaupt Müll nicht einfach hinschmeißt und liegen lässt, sondern in den Mülleimer tun kann (solange dieser eben nicht voll ist.)

Mittlerweile müssen sich Eltern – also Mieter unserer Wohnanlage – richtig blöde anpampen lassen von Eltern, die eindeutig nicht in unserer Anlage wohnen (man kennt sich halt dann doch mit der Zeit), wenn sie diese darum bitten, dass ihre Kinder auch mal mit dem Karussell fahren möchten oder darauf hinweisen, dass man die um den Spielplatz neu angelegte Grünanlage gar nicht von deren Kindern zerstört sehen will. Oder Mieter werden angepflaumt, wenn sie Abends nach acht Uhr dann doch um etwas Ruhe bitten. (Und ich kann die verstehen, selbst ich kann jetzt im Sommer – obwohl meine Wohnung am anderen Ende liegt – nicht mehr telefonieren bei offenem Fenster.)

Also dieses Gespür, dass der Spielplatz gar kein so öffentlicher Spielplatz ist, wie von manchen Eltern hingenommen, ein Gespür sich wie Gäste zu benehmen, die diese Eltern mit ihren Kindern nun mal hier sind – die auch wirklich als solche am Anfang herzlich willkommen waren, lassen leider erstaunlich viele Eltern wirklich missen. In einer Art und Weise, die uns Mieter hier seit Wochen nur noch fragend zurück lässt.

Heute kam dann das Anschreiben der Genossenschaft. Die Türe bekommen Schlösser Anfang des kommenden Monats aus genau den oben genannten Gründen, dem Spielplatz wird sein halböffentlicher Status in Gänze entzogen. Einfach weil anwohnende Nachbarn keine Lust haben auf die hier wohnenden Nachbarn und deren Eigentum (Genossenschaft = Anteilseigner) Rücksicht zu nehmen – und sich nicht benehmen möchten.

Und nun frage ich mich, seit ich heute den Brief aus dem Kasten entnommen habe, wie blöd kann man sein?

4 Kommentare:

  1. "Und nun frage ich mich, seit ich heute den Brief aus dem Kasten entnommen habe, wie blöd kann man sein?"

    Ich würde das nicht "blöde" nennen - vielleicht "sehr blauäugig", weil der Verlauf ja nun einigermaßen vorhersehbar war, aber grundsätzlich finde ich es lobenswert, wenn man trotz aller Erfahrungen den Versuch wagt, einen solchen Spielplatz auch anderen zur Nutzung anzubieten.

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  2. Es würde mich nicht wundern, wenn jene rücksichtslosen Eltern aus der Nachbarschaft die Bewohner der Anlage anpampen und sich darüber beschweren, dass sie mit ihren Kindern nun nicht mehr den Spielplatz der Wohnungsbaugenossenschaft besuchen können.

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  3. @thh
    Ja, es ist lobenswert. Und ich hätte mir gewünscht, wir würden das auch weiter tun können – zur Zufriedenheit aller Nachbarn.

    @arboretum
    Das wird passieren, da brauchen wir nicht einmal drauf wetten so sicher ist das. :-(

    Mir tun die Kinder dann so leid. Die stehen vor verschlossener Tür und werden es nicht verstehen können.

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  4. Mir tun diese Kinder auch leid - weil das Risiko besteht, dass sie mal genauso werden wie ihre Eltern.

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