Treviso, 30 Kilometer von Venedig entfernt, das kaum jemand kennt, hat einen unbedingten Vorteil: Kaum jemand kennt es. Hier ist man noch verhältnismäßig wenig betroffen vom Massentourismus der großen Lagunenstadt. Selbstverständlich gibt’s noch viel mehr gute Gründe, Treviso zu besuchen und einer davon ist: Tiramisù!
Tiramisú – das Wort kennt weltweit jedes Kind!
Treviso ist, reden wir einmal über Essen – das lässt sich beim Thema Italien eh nicht vermeiden – die Geburtsstadt des Tiramisù! Natürlich habe ich mich während meines Aufenthaltes in Treviso voller Mut und mit herzlicher Hingabe aufgemacht und mich andauernden Tiramisù-Tastings hingegeben. Eine(r) muss es tun. Ich war vor Ort und jederzeit bereit. Es war spannend! Und erstaunlich vielfältig.
International gilt Tiramisù heute als eines der fünf bekanntesten italienischen Wörter. Übrigens heißt das köstliche All-we-can-eat im Trevisianer Dialekt Tiramesù. Dabei kann, wer mag, meine Empfehlung zur Kenntnis nehmen, dass man hier in der Geburtsstadt dieser feisten Köstlichkeit, das Tiramesù aufgrund seiner Historie durchaus schon zum Frühstück und den ganzen Tag über genießen kann. Stilecht genießt man es hier auch mit einem Glas Prosecco. Schließlich befinden wir uns auch in der Gegend der Prosecco Hills. Sich das Leben schön machen, darauf verstehen sich die Bewohner der Marca Trevigina bonfortionös!
Die Geschichte des Tiramisù
Aufzeichnungen über das Grundrezept einer Creme mit Ei, Zucker und Kakao kennt man in Italien bereits aus dem 18. Jahrhundert. Jedoch erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde diese Art Zabaione mit dem Biskuit und dem Caffè zusammengeführt. Und das geschah im Jahr 1955 im Treviser Restaurant Le Beccherie!
Die liebevolle Schwiegermutter der mit dem Sohn Carlo schwangeren Besitzerin, Ala Campeol, bereitete ihrer Schwiegertochter ein reichhaltiges Frühstück aus eben jenen Zutaten und Biskuit zu, damit die hart arbeitende Schwiegertochter à la „Zieh’ mich hoch!” – „Tira-me-sù!” den harten Arbeitstag überstehen konnte.
(Mich erinnert diese Geschichte ein bisschen daran, dass der Hausarzt – als ich Kind und sehr anämisch war – meiner Mutter empfahl, mir regelmäßig ein Eigelb mit etwas Rotwein und Traubenzucker gemixt zum Trinken zu geben. Ja, wir Kinder im Jahr 1972 hatten ein feistes Dasein.)
Auch im Jahr 1972 verfeinerte Ala Campeol gemeinsam mit dem Konditor Lolí Linguanotto die Art Zabaione final zu dem Tiramisù, wie wir es heute kennen, in dem sie die Mascarpone dem Rezept hinzufügten. Und noch einmal im Jahr 1972 nahm Le Beccherie an der Mailänder Messe (heute Expo) teil und präsentierte ein Menü, das mit Tiramesù endete. Der Rest ist weltweite Liebe und Geschichte – die jährlich im Oktober im Festival Tiramisù-Day in Treviso ihren Höhepunkt findet, wo sich übrigens auch Laien dem Tiramisù-Wettbewerb stellen können.
Das Le Beccherie existiert heute noch in Treviso – und serviert selbstverständlich weiterhin das, 2010 als Tiramesù von Le Beccherie in der Accademia Italiana della Cucina notariell beglaubigte, zarte Geschenk voller niedlicher Kalorien. Und teilt sehr großzügig das ursprüngliche Rezept auf der Homepage mit euch!
Fünf Tage – fünf leckere Tiramisù!
Soviel zur Geschichte. Mein erstes Tiramisù hatte ich natürlich direkt nach meiner Ankunft in Treviso. Mit meinem frisch erworbenen Wissen, dass man hier dieses köstliche cremige Etwas zum Frühstück essen darf – was hätte mich da noch hindern können? Alle Menschen strömten zum Startschuss des Marathons und somit waren in den Caffèterien plötzlich Außenplätze frei.
Die erste Bar, Lunula Caffetteria Brunch in der Via San Agostino 81, mit ansprechendem Sitzplatz war meine. Ich orderte einen Cappuccino korrekt im Zeitrahmen (vor elf Uhr), ein kleines Panzerotto und: Tiramisù. Letzteres mit unglaublich stiller Begeisterung. Was für ein Leben! Dieses Tiramisù, im Nachgang bewertet, würde ich den anderen gekosteten sofort wieder vorziehen. Es hatte diese Art Fluffigkeit, die ich mag, ausreichend Crème und viel Geschmack.
Das zweite Mal orderte ich das Tiramisù zum Abschluss eines Mittagessens zwei Tage später im Castellbrando, eine beeindruckende Schlossanlage in den (Prosecco-)Hügeln von Treviso, nämlich in CastelBrando, gelegen. Errichtet bereits zur Zeit der Römer – eine unglaubliche Begegnung. Hier wurden wir von der Familie Colomban nicht nur großzügig zum Mittagessen eingeladen – an dem einen Tag, an dem aufgrund der Wetterverhältnisse wirklich nicht ans Radfahren zu denken war – sondern auch in die grandiose Spa-Anlage des Castellos. Der Besuch des Schwimmbads war auch dringend nötig, nach dem feisten Dessert. Hier ähnelte das Tiramisù sehr einer Zabaione, der Löffelbiskuit wurde durch Amarettini ersetzt. Es war sehr köstlich, sehr großzügig und sehr besonders.
Und weil ich es konnte, habe ich bei unserem Abendessen im wunderschön gelegenen Restaurant Ca'Piadera (Nogarolo di Tarzo) gleich noch einmal Tiramisù classico geordert. Da habe ich kein Foto für euch, es war zu dunkel dafür. Aber auch dieses Tiramisù war ein sehr feines, uns glücklich machendes Dessert! In einem schmalen, hohen Glas mit mehreren Schichten serviert. Ihr glaubt nicht, wie groß die Servier-Vielfalt von Tiramisù in Treviso ist.
Am dritten Tag, zeigte uns unser toller Guide von Treviso Bike, Riccardo, in Treviso alle relevanten (Le Beccherie) und seine favorisierten Tiramisù-Adressen. Wir entschieden uns dann für das Tasting im Antico Caffè di Piazza Pola in der Piazza Pola, 15 im Centro Storico von Treviso.
Eine charmante Caffèteria, die das Dessert in zwei Schichten Löffelbiskuit, mit der Creme, davon nicht zu viel (mir persönlich zu wenig), verbunden und sehr viel Kakao anrichtet.
An meinem letzten Tag in Treviso folgte ich einer weiteren Empfehlung von Riccardo und bin in das mehrstöckige (Fahrstuhl) Treviso Tiramisú La Palazzina Barberia gegangen, die, sagen wir es höflich, das Merchandising und Angebot zum Dolce di Treviso auf die Spitze getrieben haben.
Aber das Restaurant in einen alten Palazzo modern hinein restauriert, ist wirklich nett. Man kann hier Tiramisú-Workshops belegen – und es gibt glutenfreie Varianten. Allerdings: mein bestes Tiramisú habe ich in Treviso woanders gegessen, dieses hier empfand ich eine Spur zu herb.
tl;dr In Treviso wurde das Tiramisú 1972 final erfunden. Man isst es hier zu jeder Tageszeit, gerne auch mit einem Schluck Prosecco, was diese Stadt unfassbar liebenswert macht! Ich muss unbedingt wiederkommen nach Treviso, denn ich habe es noch nicht in seiner Geburtsstätte kosten können.
Eines der Besten, wenn nicht das Beste, Deserts.
AntwortenLöschen@Massimo Wahre Worte. Auf jeden Fall ein Dessert mit absolutem Soulfood-Esprit!
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