Es gibt für mich eine Tradition zu Weihnachten, die ich mir aus der Kindheit bewahrt habe und die mir sehr wichtig ist. Bei meiner Mum und mir gab es auf dem immer fürstlich gedeckten Weihnachtsfrühstückstisch mit Tischdecke, Charme und Melone vor allem Toast mit einfachem Kaviar (Kaviarersatz vom Rogen des Seehasen) aus dem Supermarktglas und Lachsschnitzel mit Meerrettich. Die Lachsschnitzel wurden später mit etwas besserer Finanzlage durch geräucherten Lachs ersetzt. Für uns war das damals etwas sehr Besonderes, etwas Köstliches – die Hoheit unserer Feiertage. Grandios. (Später kamen dann noch aufgebackene Knack-und-Back-Brötchen bzw. Croissants dazu, die ich heute nicht einmal mehr riechen kann.)
Gut, den Lachs beize ich mittlerweile lieber selber. Toast esse ich nur noch sehr selten. Aber zu Weihnachten muss er sein. Und Kaviar, also dieser günstige Kaviar aus dem Glas im Kühlregal des Supermarktes. Nichts Mondänes. Trotzdem so herrlich! So habe ich es im letzten Jahr gehalten – und werde es weiterhin tun. Wie sehr ich dieses kleine Ploppen im Mund mag, wenn die Eier zerplatzen. Und ja: Ich liebe auch russische Eier sehr – die mit Remoulade und Kaviar. Gehören meiner Meinung nach zu jedem Buffet in die unmittelbare Nähe eines jeden Käseigels!
Dabei war guter, teurer Kaviar für mich bis dato eh immer ein Produkt aus Russland. Die Entdeckung eines großen Supermarktes mit Produkten aus Russland vor zwei Jahren in Steglitz mit einer Kühltheke nur für Kaviar, wo er sogar offen verkauft wird (und in Dosen) in den verschiedensten Qualitäts- und Preisvariationen, hatte mich in dieser Meeinung wieder bestärkt.
Aber wusstet Ihr, dass tatsächlich Italien nach China der zweitgrößte Kaviar-Produzent weltweit ist? In der Lombardei als auch Emilia-Romagna – rund um das Po Delta – wird hochwertiger Kaviar aus dem Rogen des Störs produziert und gerne in den heimischen Restaurants angeboten. Seit Jahrhunderten!
Am Wochenende bin ich zufällig im TV über die GEO-Reportage „Kaviar – Das schwarze Gold Italiens” auf arte.tv gestolpert in der man so viel Spannendes über die Zucht in Becken neben und Auswilderung des Störs im Po Delta – hier noch in der Lombardei – erfährt. Wann er entnommen und wie er verarbeitet wird. Neu interpretiert vom Sternekoch Enrico Bartolini in Mailand. Oder als Caviale alla Ferrarese, gekocht zubereitet nach einem traditionellen Rezept aus dem 16. Jahrhundert, zubereitet von Köchinnen. Derzeit ist die bekannte regionale Köchin Cristina Maresi in dem Agriturismo Le Occare in dem Rezeptbesitz. Sie liefert übrigens auch die Anleitung, wie man Kaviar richtig genießt.
Der Stör ist ein Meerwasserfisch, ein anadromer Wanderfisch, der sich zum Laichen in das Süßwassergebiet des Pos zurückzieht. In den 70iger Jahren galt der Stör in dieser Region als beinahe ausgestorben. Rücksichtslose Eingriffe in das Flussbett, die Industriealisierung haben ihm das Laichen dort immer unmöglicher gemacht. Hinzu kam die Überfischung, die Störe wurden weit vor dem Erreichen der Fortpflanzungsfähigkeit, sie sind erst im Lebensalter von 10-20 Jahren erstmals fortpflanzungsfähig, abgefischt. So alt wird kaum noch ein Fisch heutzutage in der freien Natur. Dabei könnten Störe problemlos bis zu 150 Jahre alt werden und bis zu 800 Kilo auf die Waage bringen. Die Zeit solcher historischen Fänge sind jedoch lange vorbei.
Die GEO-Reportage zeigt auch, welche großen Anstrengungen unternommen wurden und werden, damit der Stör sich wieder verstärkt in dieser Region ansiedeln kann.
Zum zweiten Mal in kurzer Zeit ist mir auch in dieser Reportage die Stadt Ferrara begegnet. Ich stolperte neulich erstmals als ich zu dem Blogpost der Küche der Emilia-Romagna rechererchierte, über diese Stadt, die als die Fahrrad-Stadt Italiens gilt. Die musste mir natürlich auffallen! Tatsächlich gilt sie auch als historisches Zentrum der Störfischerei. Die Reportage begleitet den an der dortigen Universität lehrenden Stör-Experten Professor Matteo Lanzoni bei seiner Arbeit, er versucht gemeinsam mit seinem Team den Stör wieder im Po-Delta anzusiedeln.
Eine faszinierende Sendung, ich habe so sehr viel gelernt. Nicht nur, dass sehr viel Kaviar tatsächlich aus Südeuropa kommt. Es gibt auch einen kleinen Ausflug in die Welt italienischer Salze, die ich sehr schätze, die meiner Meinung nach viel zu wenig offensiv vertrieben werden außerhalb Italiens. Und wie immer sieht man einen selbst fröhliche stimmende so begeisterte, leidenschaftliche Italiener und Italienerinnen, die für ihre Berufe und Produkte ihres Landes mit großer Leidenschaft brennen!
Es gab übrigens am Wochenende noch zwei weitere köstliche Sendungen rund um Italien. Bestes Material, um in dieser besonderen Zeit ein bisschen das Nichtreisen zu kompensieren …
Die junge Halbitalienerin Serena Loddos, Feinkosthändlerin von Sardolci (und Influencerin) reist kreuz und quer über ihre zweite Heimat Sardinien und entdeckt die Küche ihrer verstorbenen Nonna bei den ortsansässigen Produzenten neu. Kurzweiliger, junger, mit sehr sympathischen Protagonist*innen gemachter Film. Sehenswert! Köstliches Sardinien!
Und Sonntag gab es auf arte.tv an der üblichen Sendestelle von „Zu Tisch in …” aus der älteren Reihe „Cuisine Royale” nochmals Bilder aus der Gegend rund um Parma bzw. entland des Pos. Man ist zu Gast im Castello di Scipione und genießt unter anderem Forelle mit wildem Spargel in Aspik, Pasticcio Pallavicino, eine Paté gefüllt mit Macaroni und Taubenragout (nicht meins), und eine Crème Bavaroise. Oder vorher – in der Oper – zu Ehren des Meisters das Risotto Verdi.
Also alles in allem fantastische leckere visuelle Ausflüge in das wundervolle Italien!
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