2020-05-23

Die schöne Kunst Haltung zu bewahren … Teil 2

Natürlich habe ich den gestrigen Text mit Vorsatz geschrieben. Er sollte eine Einleitung sein. Die ist ein bisschen lang geworden. Das passiert womöglich, wenn man lange nicht mehr gebloggt hat. Und da ich nicht weiß, ob Ihr überhaupt noch lange Texte in diesem Internet lesen könnt in diesen Zeiten, habe ich gestern umsichtig einen Schlusspunkt gesetzt.

Aber es geht weiter. Ich bewahre weiter Haltung. Neu hinzugekommen dabei sind neuerdings Gespräche mit Corona-Leugnern und Maßnahmen-Ablehnern.

Zum Beispiel trage ich auch in Zeiten von Corona-Lockerungen Maske, in Situationen, an Orten in denen es gesetzlich verfügt zur Zeit nicht notwendig ist. Sie sind ein Schutz. Ich kann damit Menschen schützen, falls ich infiziert bin. Und: ein bisschen kann ich mich eben auch selbst damit schützen. Ich finde Maske im öffentlichen Raum eine prima Nummer. Ich trage sie auch in der Physiotherapie im Krankengymnastikraum, wenn ich an den Geräten arbeite.

Nachdem ich wochenlang mit allergrößtem Misstrauen und großer Fassungslosigkeit die Aussagen von Virologen und Politikern hinnehmen musste, die selbst nach Bekanntwerden der Tatsache, dass COVID-19 mindestens durch Tröpfcheninfektion übertragen wird, noch erzählten, es wäre nicht notwendig Masken zu tragen, war ich unendlich froh, als Masken im öffentlichen Raum zu einer Pflichtnummer geworden waren. Für mich sind die wirklich gerade auf psychischer Ebene eine ganz große Erleichterung – mir hat das wahnsinnig viel Druck genommen in meiner Existenz in der Außenwelt.

Zu der insgesamt desaströsen Versorgungenlage zum Thema Maske, sage ich jetzt fast nichts. Ganz großes politisches Versagen, das nun wirklich nicht erst mit der Pandemie begonnen hatte. Ein Land, dass in einer Welt in der es Ebola und SARS als Risiko immer noch gibt, nicht ausreichend Masken und Schutzkleidung für die Pflege – geschweige denn das ganze Land – vorrätig hält, das ist wirklich ganz großes Kino der Inkompetenz.

Ich trage also allermeist Maske. Nämlich auf dem Markt. Unter dem freien Himmel (wo ich derzeit bevorzugt einkaufen gehe, was finanziell ganz schön weh tut), trage ich dort auch Maske. Es sind dort Menschen unterwegs, ich weiß eben nicht, ob und wann ein Virus dieser hässlichen Art in mir womöglich aktiv ist. Es ist ein Ausdruck sozialer Kompetenz die Marktverkäufer auch zu schützen.

So bin ich also Mittwoch in Charlottenburg auf dem Markt. An einem Gemüsestand, der noch gelbe Beeten hat und als der Verkäufer an mir vorbei huscht zum Auto, um für die Kundin, die er gerade bedient, etwas zu holen, nutze ich die Chance ihn kurz zu fragen, ob ich mir das Gemüse selber aussuchen darf oder er das tun möchte. Es kommt eine typische Berliner flapsige Antwort, in Zeiten der Corona-Hygiene eigentlich die falsche. Aber gut, ich wühle auch nicht im Gemüse, sondern greife mir die Auswahl von Wurzelgemüse und höre derweil am Rande mit, wie die Kundin zu meiner Maskentragung im öffentlichen Raum meint, einen Spruch machen zu müssen, der meine Attitüde als lächerlich darstellen lässt. Der Marktverkäufer findet mich damit auch eher lächerlich, was ich zweifach unklug finde, da ich mich auch anschicke seine Kundin zu werden – über die ich nicht ablästern würde. Aber gut … jeder soll sein Vergnügen im Job haben dürfen.

Vertriebsgeschick ist nicht jedem gegeben.

Da man offensichtlich über mich spricht, denke ich mir – Haltung! – können sie auch doch auch direkt mit mir sprechen. Und ich frage beide höflich, ob sie überhaupt wissen, wie elendig diese Menschen an dem Virus sterben? Beide haben offensichtlich die Erfahrung im Umfeld noch nicht machen müssen und sie gucken mich erschrocken überrumpelt an, weil ich mich nun mal in deren Gespräch einklinke.

Sie verneinen das zwar nicht, sondern antworten mir mit …

„Aber es betrifft doch hauptsächlich nur ältere Menschen und solche mit Vorerkrankungen.”

Das kann ich als Argument immer noch nicht gelten lassen, weil es in sich einfach grottenmistig ist und zudem nun auch, wie wir länst wissen, nicht ganz so stimmt. Also entgegne ich zusätzlich, dass auch älteren verstorbenen Menschen womöglich trotzdem gerne noch ein paar schöne Jahre gehabt hätten – und womöglich sogar gerne gelebt haben? Und ihre Angehörigen, sie vielleicht auch noch länger in ihrem Leben gehabt hätten?

Aber ich habe hier zwei Exemplare der Menschen, die einseitig informiert und in der Person der Kundin, eine ältere Dame (was lustig ist, weil ich ja nun auch nicht ganz jung bin) aber sie ist vielleicht zehn Jahre älter als ich ungefähr. Oder auch nicht, weil einfach früher gealtert. Oder ihr distinguiertes Auftreten lässt sie für mich älter erscheinen. (Ich finde immer interessant, weil meinem Erleben nach, genau das Frauen ab einem bestimmten Alter einfach nur noch alt aussehen lässt.)

Er kommt mir nun mit dem „aber die 20.000 Grippetoten”-Argument, das, ich gebe es zu, mich mittlerweile innerlich leicht aggressiv macht, wenn ich es immer noch hören muss – obwohl nun mehrfach in unterschiedlichen Medien mehr als oft erläutert wurde, warum das einfach kein sehr sinnvolles Gegenargument in der jetzigen Pandemie ist. Ich bewahre Haltung und erkläre ihm, dass das so einfach nicht stimmt. Er begreift nicht, hört auch nicht hin und zielt nun voll darauf ab, ich würde behaupten, die Zahlen der Toten würde nicht stimmen und ob man dem RKI nicht trauen dürfe. Es ist interessant, was man aus einem „Dieser Vergleich stimmt einfach nicht.” so machen kann, wenn man sich ertappt fühlt.

Sie indes erklärt mir derweil, sie wäre in der Pflegeleitung tätig und ich könnte ihr glauben, niemand würde dort leben wollen. Was mich persönlich jetzt richtig sauer macht. Denn ja, niemand möchte irgendwann in einem Pflegeheim auf sein Ende warten müssen. Dennoch heißt das noch lange nicht, dass man in einem Pflegeheim lebend, automatisch bereit wäre für das eigene Sterben, noch zwingend Lust darauf hätte. Meiner Erfahrung nach, hängen auch sehr alte und sterbenskranken Menschen oft noch sehr an ihrem Leben. Und niemandem ist vermutlich mehr bewusst als ihnen, dass sie nur diese eine Leben haben. Ihre Meinung also auf die ihr anvertrauten Patienten ungefiltert zu projizieren – nur weil man täglich das sicherlich große menschliche Leid sieht – finde ich wirklich vermessen, geradezu sträflich! Insbesondere wenn eine Angestellte aus einem Pflegeheim daraus ableitet, in der Öffentlichkeit beim Einkauf keine Maske zu tragen und sich dann auch noch über die zu mokieren, die das tun.

Also: Ich schütze ihn. Ich schütze sie. Und indirekt schütze ich damit ihre Patienten im Heim.
Während: Sie ihn nicht schützt. Mich nicht schützt. Und ihren Patientinnen gegenüber im Heim somit Gott spielt?

Ich empfand diese Frau wirklich sehr widerlich in ihrem Handeln – und mir tut jeder Mensch leid, der in ihrem beruflichen Umfeld Opfer ihrer Überzeugung wird. Solche Menschen machen mir Angst!

Und dennoch, auch wenn mich die Ansichten der beiden sehr erschreckt haben – auf vielfacher Ebene – ich habe sie in dem was sie denken und sagen, nicht bestätigt; habe mich eingemischt und ihr deutlich zu verstehen gegeben, wie erschreckend ihre Ansicht vor allem in ihrer speziellen beruflichen Position auf mich wirkt.

Womöglich denkt sie doch darüber nach. Diese Hoffnung kann immerhin nicht von einem den Tod bringenden Virus befallen werden.

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