Disclosure: Drei Tage durfte ich auf Einladung von Carmen Mancarella (Chefredakteurin Spiagge, Kultur- und Tourismusmagazin Apuliens), Tourismusagentur Pamela Piaggi und dem Grand Hotel Masseria Santa Lucia Gast sein im Salento, um erstmals Apulien und seine Menschen kennenlernen. Und erlaube mir nun Euch mitzunehmen auf meine (viel) zu kurze Reise.
Obwohl ich in den wenigen Tagen relativ häufig in Ostuni war, war ich viel zu wenig dort – das steht fest. La Città Bianca – die weiße Stadt – tatsächlich werden deren Bewohner bzw. Hausbesitzer von oberer Stelle genötigt, regelmäßig ihre Häuser weiß zu tünchen, damit die visuelle Linie den Namen weiterhin bestimmt, liegt knappe acht Kilometer vom Adriatischen Meer entfernt auf drei Hügeln, wobei der höchste Hügel in 229 Metern Höhe die Altstadt beherbergt. Archäologische Funde weisen eine erste Besiedlung dieser Gegend vor 30.000 Jahren nach. Ostuni selbst bildete sich kurz nach dem Niedergang des römischen Reiches und entwickelte sich munter unter der Regentschaft diverser Damen mit klangvollen Namen wie Isabella, die Herzogin von Bari – so heißt einer der Flughäfen der Region – und ihrer Tochter Bona Sforza.
Von der auf dem Gipfel des Hügels vor 1300 gebauten Burg stehen heute noch noch Reste des Fundamentes, zu sehen auf der Piazza della Liberta zu Fuße der Oronzo-Säule …
… aber die unter Bona Sforza gebauten Türme rund um die Stadtmauer, die Schutz vor den Türken vom Meer aus bieten sollten, stehen noch heute, wie auch die Stadtmauer noch Reste ihrer Vorgängerbauten ausweisen.
Keine Herrschaft unter der diese Stadt Ostuni nicht stand in den vielen Jahrtausenden ihrer Existenz: von den Römern zu den Ostgoten, von den Langobarden zu den Sarazenen, gefolgt von den Byzantinern zu den Normannen, danach kamen die Hohenstaufen, die Angevin-Franzosen und Aragonesen, denen die Bourbonen folgten. Alle hinterließen sie ihre Spuren – was diese Gegend Italiens so unglaublich spannend macht. Die meisten Beweise dieser Zeit, die in Ostuni heute noch sichtbar sind, lassen sich auf die Zeit zwischen 1400 und 1700 zurück datieren.
Die Bewohner Ostunis wurden zur Zeit der Pest weitestgehend von ihr verschont, natürlich schob man damals die Ursache Gottes Gnade in die Schuhe. Heute weiß man, dass die mit dem weißen Kalk getünchten Häuser – die der Stadt mit ihren engen Gassen etwas Licht abgeben sollten – offensichtlich gut durch den Kalk desinfiziert waren.
Mit dieser langen Geschichte ist klar: in Ostuni gibt es wirklich unfassbar viel zu entdecken (und zu fotografieren). Uns blieb bis auf eine knappe Stunde am Sonntagabend nur Zeit ein klein wenig auf eigene Faust durch die Gassen zu laufen, wo die Stadt im Gegensatz zum Zentrum der Altstadt rund um die Kathedrale und das Il Museo delle Civiltà Preclassiche di Ostuni sehr umtriebig und typisch italienisch laut ist,
eher leise und beschaulich daher kommt, den Blick auf reizvolle kleine Häuser mit irrwitzigen schmalen Treppen und dem Hauch von extrem langer Historie erlaubt.
Leider stehen heute viele dieser Häuser heute leer und verfallen. Riesige Erbengemeinschaften machen die Zuteilung bzw. einen Verkauf nicht leicht. Auch die Restaurierung wird deutlich mehr Geld kosten, alleine das Heranschaffen von Baumaterialien stellt eine echte Herausforderung dar.
Die sehr sehr schmalen Gassen mit einer enormen Steigung sind, wenn überhaupt, allerhöchstens mit einer Piaggio Ape (der Biene), dem dreiräderigen Nachfolger der Vespa (Wespe) zu befahren.
Neuere Modelle dieser Ape, nun mit Sitzkomfort, fahren heute übrigens durch Ostuni als motorisierte Form der Rickscha, um Touristen die Stadt zu zeigen.
So ist der Zugang zu den Häusern über die teilweise sehr hohen Treppenstufen eher Menschen vorbehalten, die halbwegs jung geblieben sind. Sehr sicher kann man heute komfortabler wohnen. Nur ich war sehr froh, nach dem ich zwei Tage viel Zeit in einem Bus verbrachte, dass ich dort die Stufen der Gassen hoch und runter steigen durfte.
Möchte man ein Italien erleben, das man aus den schnulzigen Filme der 50iger Jahre kennt, jenes mit blauem Himmel, weißen Häusern, original italienischem Piaggio-Flair, italienischem Trubel und Lebenslust, dann ist Ostuni wohl eine der Adressen, wo man genau das alles finden wird. Okay, ich habe mich ein bisschen verguckt in diese Stadt. Ich würde gerne wieder kommen mit etwas mehr Zeit für die reiche historische Kultur, die vielen kleinen Läden, die italienische Delikatessen, den üblichen touristischen Fundus, aber eben auch Café, Eis und Antiquitäten feil halten.
Am Abend erlebt man auf den – zu dieser Jahreszeit – relativ ruhigen Straßen rund um die Stadtmauer mit Blick auf das Meer wunderschöne Sonnenuntergänge und kann verliebten jungen Paaren beim Küssen zusehen. Ostuni lässt einen selbst in die Kleider mit weit schwingenden Röcken und in Schuhe mit Pfennigsabsätzen (auch wenn sie durchaus bei diesen Straßen den Tod bringen könnten) träumen und in der Fantasie den Helden mit der Vespa vorfahren. Na gut, ich bleibe sachlich: Ostuni ist Romantik pur!
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Apulien, die Zweite: die Dune Costiere
Ostuni ist auch für mich eine der schönsten Städte Italiens. Ich war dort in den 90er Jahren einige Male und schon dem Namen der Stadt, die sich weiß auf dem Hügel erhebt, wohnt für mich ein besonderer Zauber inne. Danke für diesen schönen Bericht und die Bilder dazu!
AntwortenLöschenBisher hatte ich noch nie von Ostuni gehört - ich habe offensichtlich etwas verpasst. Allein die Geschichte ist so interessant. Und das Weiß. Und die Vespa. Da würde ich gerne hin.
AntwortenLöschenDanke für den schönen Bericht!