Gestern war Samstag, ein sonniger Samstag. Die ersten sonnigen Samstage im Jahr, sind Tage an denen der Berliner gerne mal am Rad dreht. Aber das ist sicherlich kein regional auf Berlin beschränkter Habitus. Der erste sonnige Samstag im Jahr hat etwas Magisches. Er weckt die Stadt, die eh schon nie wirklich ruhig wirkt, zu einem noch mal ganz neuen Leben.
Plötzlich sind alle da und draußen. Schon zu Uhrzeiten, die sonst Stille und Einsamkeit verheißen, bewegt sich die Stadt mit einem Enthusiasmus, dass man das Gefühl haben könnte, man hätte ein Ticket für die Fahrt in eine völlig neue Landschaft gezogen. Alle Menschen sind freundlich und haben ihr Lächeln wieder gefunden. In den Lärm der Großstadt mischen sich die frühlingshaften Laute der Vögel.
Es ist, als würde Berlin plötzlich in eine Schneekugel gezogen und von oben fiele ständig feinster glücklich machender Sonnenstrahlenglitzerstaub auf die Stadt.
Ich kann mich dem Zauber natürlich nicht entziehen und haben getan, was alle Berliner taten. Ich bin raus, einkaufen gegangen und habe die Plätze heimgesucht, die man im Winter gelegentlich länger nicht zwangsläufig heimsucht: Märkte. So bin ich gestern zum Bio-Markt am Südstern gefahren und habe mich mit guten Äpfeln, gelben Beeten, einer frischen Knoblauchknolle, heiß geliebten Papagai-Tulpen und Vorzugsmilch beglückt.
Auf dem Markt steht nämlich seit einiger Zeit ein freundlicher Bauer mit polnischem Einschlag in der Sprache mit dem wärmenden Lächeln und bietet gute Landkultur, vor allem aber unbehandelte Milchprodukte feil. Im Sommer habe ich mich nie getraut bei der Milch zuzuschlagen, da ich keine Kühltasche dabei hatte. Denn aus so einer Milch wird in der Hitze schnell Dickmilch. Aber gestern war der Liter frische Milch meiner und heute beglückt mich ein Sonntagskaffee mit Rahmschicht am Rand der Tasse und Fettsee auf der Oberfläche. (Erstaunlich zu schmecken wie deutlich weniger süß diese Milch ist im Vergleich zu ihren behandelten Kollegen.) Das macht mich gerade ein bisschen glücklich, wenn ich ehrlich bin. Echte ehrliche unschuldige Milch, die es überhaupt nicht nötig hat mit ihrem niedrigen Fettgehalt zu prahlen und jede Tasse Kaffee zur Prinzessin krönt.
Bei Soluna und Öl gab es um kurz vor drei Uhr wirklich nur noch Brote von gestern – alles ratzekahl leer gekauft, wie schon ihr Stand vorne am Markt. Also kein Walchenbrot für mich. Ein kleines Roggenbrot vom Vortag mit ordentlich Kümmel. Tsss … da hat man mal einen Plan, den schon alle anderen Frühaufsteher schon vor mir hatten. Und ich liebe das Verkaufspersonal bei Soluna und Ö, die sind so … Zucker!
Weiter zur Markthalle am Marheinekeplatz, auch Samstags immer ein Platz des sich Treffens und der Lebensfreude. Lange Schlange stehen am Lieblingswurststand. Aber das lohnt sich und es gibt dort immer feinen Bratenaufschnitt, den die Katzen sehr lieben.
Die Markhalle hat nun die obere Etage – früher Ausstellungsfläche – dem Kommerz gestiftet, was an sich sinnvoll ist für eine Markthalle. Dort sind recht neu ein Restaurant und ein veganer Supermarkt eingezogen. Das finde ich an sich sehr gut. Es gibt eine schöne Nuss- und Hülsenfruchttheke zum selber zapfen. Und einen minimal, um ihn nicht lächerlich groß zu nennen, großen Gemüse/-Obststand. Dafür eine vier Mal so große Fläche an veganem Convenience-Food. Der ganze Reichtum der Stärke-Industrie. Und an der Kasse viele Kochbücher von dem Vegankoch, der momentan unglaublich viel rechtspopulistische Sülze labert, dessen Kochbücher ich als Händler mit etwas Rückgrat höflich dem Müll anvertraut hätte aka dem Verlag zurück übersandt hätte – natürlich nicht ohne meinen Kunden schriftlich zu erklären, warum.
Aber … politisches ökologisches Bewusstsein, das ist tatsächlich bei den hippen Veganern vielleicht viel seltener gesät als ich es ihnen zutrauen möchte. Man merkt für viele es es ein Trend, der nicht so sehr hinterfragt wird. Sie laufen mit, ungefähr so, wie sie alle gerade zerrissene Jeans tragen, weil’s eben alle tun. Nun, ich komme aus der Generation, die die zerrissene Jeans erfunden hat also mir ist der Herdentrieb noch sehr bewusst in Erinnerung. Ich meine das also gar nicht böse, es ist menschlich und jede junge Generation hat ein Recht darauf Moden zu folgen. Ach … mir hat sich gestern beim Anblick dieser vielen Kühltheken mit in Plastikfolie verpacktem Essen das Herz ein bisschen schwer getan. So kann doch Veganismus auch nicht die Antwort auf unser ökologisches und gesundheitliches Problem sein, oder?
Ich habe mir dann in der Markthalle noch ein bisschen Vanillemarkpulver, nicht im veganen Supermarkt, gegönnt. Eine Etage tiefer, einfach weil ich in dem Kräuterladen unten gerne einkaufe – obwohl das Verkaufspersonal dort das Verkaufen grundsätzlich nicht erfunden hat. Auf deren Vanillepulver steht übrigens auch Bio und es kostet einen Euro weniger. Wie unhipp.
Aber hey, Sonne und Vogelgesänge – und rahmende Milch! Dabei ist noch gar nicht Frühling.
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Fröhlich sein, freundlich bleiben und bitte immer gesund wieder kommen!