2013-07-28

Eigentlich …

… gäbe es aus dem Klinik- und Therapiealltag so viel zu schreiben, ist doch das hier rauslassen für mich immer auch ein Stück Verarbeitung. Alleine die Kraft ist noch nicht da. Aber es fehlt mir.

Neulich mir erstmals eingestanden, dass ich von der Räumung ganz tief traumatisiert bin. Andere Menschen sind traumatisiert durch Vertreibung, Folter, Vergewaltigung, Überfälle und andere schlimme Erlebnisse. Bei mir ist es die Räumung. Wann immer ich den Profis (ich nenne sie liebevoll die Psychos) erzählt habe, wie das damals ablief. Wie ich einen einzigen Tag Urlaub genommen hatte und ansonsten zur Arbeit gegangen bin in dem Jahr danach mit einem Grinsen, gute Laune verbreitet habe; jede freie Minute genutzt habe, eine Wohnung gefunden habe. Versucht habe, mein Leben wieder in die Spur zu bekommen, gucken sie mich an, als hätte ich nicht alle Tassen beieinander. Respektvoll allerdings. Gucke ich zurück, kann ich nicht sagen, wie ich das leisten konnte. Langsam gestehe ich mir ein, dass ich jetzt so völlig fertig bin, ist eine notwendige Selbstverständlichkeit.

Eine Therapeutin riet mir (auf der Basis des Gespräches, das wir vorher hatten), mir einen Entschuldigungsbrief zu schreiben hinsichtlich der Räumung; ich kann sie mir selbst am wenigsten verzeihen. Zur Zeit erscheint es mir als die unmögliche Hausaufgabe. Liebevoll mit mir umgehen. Ich soll auch meine Träume aufschreiben. Träume? So tief kann ich gar nicht buddeln …

Seit Freitag bekomme ich ein neues Medikament. Nachdem mich neulich der Oberarzt dann doch mal in einer Krise erlebt hatte, war auch er dann davon überzeugt, dass das alte Medikament mir gar nichts bringt. Im Gegenteil, hat es einige Symptome unter denen ich eh schon seit meiner Kindheit leide, nur noch verstärkt. Also habe ich seit zwei Tagen das Gefühl nicht ständig schlafen zu müssen. (Was ich dann tagsüber, wenn ich es konnte, auch lange und intensiv tat.) Das ist für mich gerade ein Gewinn. Gucken wir mal.

Ich muss – für mich – gegen die beiden Mitarbeiter beim Jobcenter je eine Dienstaufsichtsbeschwerde einreichen. Ich bin mir das schuldig. Wenn es hier jemand gibt, der dazu fachlich fundierte Informationen hat, würde ich mich über Hilfestellung sehr freuen. Ich bin seit fast drei Monaten in der Klinik und jedes Mal hat mir das Jobcenter einen Knüppel zwischen meine Beine in den Therapiebemühungen geworfen. Ich werde auch meiner Krankenkasse raten, sich einen Teil der Kosten beim Jobcenter in Berlin-Mitte wiederzuholen. Es ist unglaublich. Ich bin dort mit meiner Krankheit absolut transparent umgegangen, es wurde ganz klar die suizidale Tendenz angesprochen. Im Erleben scheint mir, verwenden sie diese Transparenz gegen mich, damit ich genau das tue. Das ist so offensichtlich – und so bitter menschenverachtend.

Eine Frau, die weder in der Lage ist, ein Amtsschreiben gemäß den Regeln der DIN Norm zu verfassen. Die mir einen Brief schickt mit acht (!) Rechtschreibfehlern in sechs Zeilen, diese Person will mich also fertig machen. Zugunsten ihrer Erfolgsstatistik. Für ganze 250,00 Euro, die sie mir im Monat zahlen. Das muss es wohl wert sein.

Meine Lieblingsmitpatientin ist Freitag entlassen worden. Es gibt also noch ein Leben nach der Klinik. Meine Entlassung steht nun auch in zwei bis vier Wochen an. Jetzt erst fange ich an, an meinen eigentlichen Problemen, die mich in die Krankheit gebracht haben, arbeiten zu können. Das Jobcenter hat mir diese Chance einfach nie gegeben. Was danach kommt, weiß ich noch nicht. Das Angebot dort in die Ambulanz zu gehen, bis ich einen Facharzt für Psychiatrie bzw. Therapeuten gefunden habe. Oder Kur oder was weiß ich. Ich bin noch ganz am Anfang.

Wann immer man mich fragt, was ich denn gerne tun würde, denke ich, ich möchte so gerne wieder einmal im Mittelmeer schwimmen. Einfach Urlaub machen, einmal unbeschwert sein. Tief durchatmen, richtig vom Innern heraus. Nicht dieses tiefe Durchatmen, das man in den Therapiegruppen lernt, das aber für mich gefühlt lange noch kein echtes ist. Ich möchte dort sein, wo meine Mama ist. Mit ihr reden, ihr endlich alles erzählen. An diesem einen Ort. Einfach Urlaub machen. Sonne tanken, einen kurzen Moment schönen Alltag leben dürfen ohne Altlast.

Mir fehlt sehr in diesem Sommer nicht irgendwo sitzen und ein Glas Rosé trinken zu können. Es geht mir nicht um den Alkohol. Den kann ich abschreiben für den Rest meines Lebens, das ist auch okay. Die Diagnose und er schließen sich künftig ganz simpel aus. Das stört mich nicht so sehr. Aber mir fehlt diese Farbe von durch seine Kühle am Glas Tau produzierenden spanischem Rosé im Glas im Sonnenschein. Mir fehlt dieses Farbenspiel, das visuelle Schöne.

Ich werde den Teufel tun und über das jetzige Wetter klagen. Aber die kleine graue stark behaarte Katze setzte sich gestern bei offener Tür vor den Gefrierschrank und ließ sich nicht einmal mehr mit einem bestechenden Catstick von der Stelle bewegen. Ihr Gesicht sprach Bände. Ansonsten liegen hier überall feuchte Handtücher herum, die ausgiebig von den dreien belegt werden. Tally und Nishi, denen ich nun strikt den halben Tag Balkon ermögliche, haben viel mehr Selbstbewusstsein zurück bekommen und erscheinen mir neu entspannt. Meine beiden süßen Kobolde! Ich gehe drei Mal im Tag mit Shiina auf dem Arm ins Schlafzimmer, damit sich die drei langsam aneinander gewöhnen können. Nishia bleibt mittlerweile in Sichtweise, flieht nicht mehr panisch auf den Schrank. Legt sich demonstrativ auf ihr Bett – sie hat die letzte Woche nicht einmal gefaucht, wenn sie das kleine Monster gesehen hat. Das wiederum zappelt immer weniger auf meinem Arm und das Meckern wird auch weniger. Es ist noch eine ganz lange Strecke zu gehen, fürchte ich. Also schlucke ich diese Miniatur-Zeichen und glaube weiterhin an ein Wunder der kätzischen Vereinigung.

Ich komme wenig bis gar nicht dazu Eure lieben Kommentare/Mails zu beantworten, noch die Danksagungen zu verschicken für Eure Hilfe. Aber es kommt. Ich brauche nur etwas Zeit und hoffe sehr auf die neuen Tabletten. Lieben Dank an Euch alle!

Genießt Euer Leben Ihr wundervollen Menschen!

17 Kommentare:

  1. Liebste Claudine,

    gerade habe ich deinen Artikel gelesen und bin wieder tief berührt, was du durchmachst. Ich will gar nicht viel sagen; aber der Ansatz, dir selbst eine Entschuldigung zu schreiben ist gut. Im Hawaiianischen spielt es übrigens ein sehr große Rolle sich selbst zu verzeihen... erst dann kann man sich auch wieder mögen.
    Ich tanze gerade wieder Hula. Und ich denke an dich bei all meinen Tänzen. Ich schicke dir von meiner positiven Energie und mein Aloha! Du hast den Anfang des Weges gefunden, auf dem du weitergehen musst; davon bin ich überzeugt.Lass dir die Zeit, die es braucht. Mein neuester Slogan ist: es dauert solange wie es dauert!
    Fühl dich umarmt und gedrückt!!!
    Liebe Grüße,
    deine Manuela

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  2. cornelia zschorn28/7/13 14:17

    Liebe Claudine ich wünsche dir die Kraft das für dich alles wieder gut wird. ich würde dir raten bei der dienstaufsichtsbeschwerde dir einen Anwalt für sozial recht hinzu zu ziehen den wirst du brauchen . es gibt ja auch die Prozess kostenhilfe für dich. wenn ich mich in deiner Stadt auskennen würde würde ich es für dich machen. ich kann aber erst mal bei meiner Stadt rumfragen und mich bei dir noch mal melden wenn du magst. ich drück dich ganz lieb und wünsche dir alles Gute lg conny (Zahni_le )

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  3. Eine Dienstaufsichtsbeschwerde kannst Du bei der Behördenleitung formlos einreichen. Es ist keine Klage, Anwalt und Prozeßkostenhilfe brauchst Du dafür nicht. Schreib den ganzen Ablauf auf und lass dann jemand drübergucken, ob die Schilderung klar und chronologisch ist.

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  4. Mir fiel noch was ein zum Thema Bank: Wenn Dir das Arbeitsamt fälschlicherweise Geld überweist, dann gehört Dir das ja nicht. Somit kann die Bank es auch nicht einfach pfänden, sondern muß es wieder herausrücken. Ich denke, ein Anwalt kann hierzu bestimmt mehr sagen.
    Gute Besserung!

    Sunlion, der Flauschige

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  5. @Anna Ansage: Du unterlässt ab sofort jeglichen Kommentar in diesem Blog. Anderenfalls erhältst Du eine Unterlassungsklage zugestellt. Und ja, ich habe Deine alten Mails noch auf der Platte, jeder Anwalt bekommt mit den darin genannten Daten Deine Adresse heraus.

    Deine Kommentare hier sind alle dokumentiert, einschließlich der LogFiles.

    Und: es wäre mir eine ganz besondere Freude und Genugtuung.

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  6. Ich wünsche dir viel Kraft, um das alles durchzustehen. Ich denk an dich und ich glaub an dich. Und wenn ich es irgendwie könnte - ich würde dich zu dem Ort deiner Sehnsucht schicken. Vielleicht sollte ich doch mal Lotto spielen...

    Liebe Grüße
    Maike

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  7. Wenn du öffentlich einen Blog betreibst und freie Kommentare zulässt, dann bleibt es nicht aus, dass hier auch Leute posten die eine andere Meinung bzw. sichtweise haben als du und mal böse und investigativ :) hinterfragen.
    Wenn du das nicht möchtest, mach doch deinen Blog dicht und nur noch zugänglich für "ausgewählte" Leser...
    Ps: Glück hängt nicht von Rotwein, Miele Waschmaschinen, superdupernähprofimaschinen, extrateurem Katzenfutter oder Urlaub im Süden ab sondern kommt von innen
    Tina Anonym

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  8. Ich lese aus diesem Eintrag sehr viel Hass und Verbitterung heraus. Einerseits mangelt es dir an Energie, wie du schreibst, andererseits scheinst du aber doch eine Menge Energie zu haben, wenn es darum geht, gegen die Mitarbeiter des Jobcenters oder Kommentatoren vorzugehen. Zitat zu @Anna Ansages Kommentar "Und: es wäre mir eine ganz besondere Freude und Genugtuung"

    Du musst endlich beginnen, diese Opferrolle abzulegen und selbst wieder Verantwortung für dich und dein Tun zu übernehmen. Das mag sicher manchmal unbequem und anstrengend sein, aber es ist die einzige Chance. Je länger das Verharren in der Opferrolle andauert, desto mehr Leid fügst du dir damit selbst zu. Um diese Rolle abzulegen gehört auch, sich vermeintlich unangenehmen Fragen zu stellen und nicht einzig und allein auf all jene zu bauen, die (sicher gut gemeint) bemitleiden zu bauen. Denn letztere "füttern" und bestätigen dich in dieser Opferrolle, was es umso schwerer macht, aus dieser herauszukommen, da du sie als für dich funktionierendes System erlebst.

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  9. Und da waren sie wieder, die Leute, die keine Ahnung haben, was eine Depression ist und wie sie sich auf die Psyche auswirkt...
    :(
    (Ich werde nicht streiten oder weiter diskutieren, musste das nur noch tippen)

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  10. Eine Dienstaufsichtsbeschwerde geht, ohne groß Formalien einzuhalten, einfach an die Geschäftsführung des Jobcenters. Name der "Angeklagten" und Begründung. Nur ist es leider so, dass auch die Geschäftsführung so etwas sehr locker sieht. Ich würde die Dienstaufsichtsbeschwerde sogar als Petition, gemäß Artikel 17 GG, schreiben. Das bringt auch nicht viel, wirkt aber schon einmal doch etwas formeller.

    Ich kenne leider aber einen Fall, da hat dann sogar die stellvertretende Geschäftsführerin in der Beantwortung der Petition gelogen und getäuscht, um diese abzuwimmeln. Das muss aber nicht in jedem Jobcenter so funktionieren.

    Fakt ist, dass man dem Jobcenter im Grunde nicht ans Bein pinkeln kann. Eine Klage beim Verwaltungsgericht ist nicht zulässig. Anzeige wegen Rechtsbeugung ist nicht zulässig. Was die wenigsten wissen ist, im sozialen Bereich wurden viele Rechte, die ansonsten völlig normal sind, vom Gesetzesgeber ausgehebelt. Der einzige Weg ist das Sozialgericht. Und das dauert zwei Jahre und es wird nur über den Fall entschieden, gegen die Sachbearbeiter direkt nie. Leider.

    Wie gesagt, ich habe da so meine Erfahrungen.


    http://www.berthold-kogge.de/buchprojekte-von-berthold-kogge/alg-ii-in-l%C3%BCbeck/

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  11. Hallo creezy,

    noch ein kleiner katzentipp:
    das feline denken funktioniert meist ganz anders als unser wohlgemeintes primatenverhalten:

    das auf den arm nehmen der neuen katze kann dabei ziemlich kontraproduktiv sein.
    Deine alten sehen das als besonders tolle ehrung der neuen und aberkennung ihrer eigenen angestammten dominanten position.
    Das auf dem arm tragen entspricht in ihrer felinen welt dem herumtragen und säugen eines welpen, und ist der neue wurf da, müssen die alten gehen.

    Die neue auf dem arm zeigt damit: schau her, ich bin das neue lieblingskind, die alten denken: och nö uns hat sie nicht mehr lieb, sie nimmt den neuen störenfried, ihr neues kind, sogar ganz nah zu sich und uns läst sie hier im abseits hocken. wir sind abgeschrieben.

    Der frust darüber verhindert dann, dass die drei sich annähern.

    gruß bel

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  12. Ich klinke mich hier noch mal ein. Eine ganz witzige Idee dürfte die Presse sein. Kennst du zufällig einen engagierten Reporter in Eurer örtlichen Tagespresse, der den Fall vielleicht in die Zeitung setzen würde? Die Leute beim Jobcenter wissen zwar, dass man ihnen rechtlich nicht beikommen kann, aber gerade bei sehr zwielichtigen Entscheidungen ist es ihnen oft doch peinlich, wenn sie dann damit in der Presse stehen. Immerhin haben sogar Sachbearbeiter beim Jobcenter Freunde und Bekannte und gerade bei zwielichtigen Entscheidungen mögen sie es dann auch nicht, wenn ihre Freunde und Bekannten darüber lesen.

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  13. Hallo Maus,

    ich freue mich ueber jeden Eintrag hier. Und auch wenn es noch etwas holprig vorwärts geht, so geht es doch vorwärts. Und egal was so gewisse Leute meinen - ich bin stolz auf Dich.

    Ich wuerde mich freuen, wenn ich Dich mal auf eine rodéfarbene Saftschorle einladen duerfte und vielleicht auf ein paar Garnelen^^

    Dicken Kuss

    Deine Heike

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  14. "Ich möchte dort sein, wo meine Mama ist."

    Sag das Deinen/Deinem Therapeuten bitte.

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  15. @Ingeborch
    Nein, so ist das wirklich und ganz bewusst nicht gemeint. Ich will wirklich nur dort mal wieder sein, wo ich ihre Asche verstreut habe, um Zwiesprache an diesem Ort mit ihr halten zu könne. Es ist ein besonders schöner Platz.

    Ich bin nicht suizidal. Das haben wir dort auch festgestellt. Natürlich weiß ich nicht, was in Krisen passierten könnte, aber ich grenze mich in guten Momenten ganz klar davon ab (im Gegensatz zu anderen Patienten.)

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Fröhlich sein, freundlich bleiben und bitte immer gesund wieder kommen!