Heute Mittag war ich auf dem Markt in Charlottenburg. Dem Markt meiner Kindheit, wo es immer die kleingeschnittene Wiener am Wurststand gab, dem, der für uns Kinder diese supercolen Ministühle und -tische damals schon hatte.
Ich war da vergleichsweise spät und schritt daher direkt zum Lieblingstürkischepasten und -olivenstand, wo es die besten getrockneten Sauerkirschen gibt. Die getrockneten Sauerkirschen sind dort sehr sehr großartig, die Reise nach Charlottenburg immer wert. Beim „ich mache meine Wurst noch selber, dafür habe ich weniger Auswahl”-Fleischer gab es die beste Leberwurst. Und dann ging ich weiter zum befreundeten Obststand, der zu einem späteren Zeitpunkt immer unglaubliche Angebote hat und immer Petersilie zu Pilzen jeder Art auf's Haus dazu legt: heute gab es zum Schluss den Korb Steinpilze für fünf Euro zum Beispiel.
Auf Höhe des Blumenstandes kurz vor dem Fleischer rannte ein kleiner Hund an mir vorbei und ich dachte so bei mir, der wirkt nicht glücklich. Ob der wirklich weiß, wo er hinwill?
Ich ging dann den einen Gang nach oben, dort ist einer meiner favorisierten Currywurststände, auch mit kleinen Kindermöbeln, aber er steht auf der falschen Seite von dem Stand früher, der heute doof auf Öko macht (also Öko ist an sich toll aber nicht bei Berliner Currywürsten) und ich bestellte mir eine Wurst. In dem Moment in dem ich Wurst und Tüten am Stehtisch abstelle, sehe ich den kleinen Hund mitten auf der Straße, herzzerreissend verwirrt nicht wissend, ob er sich nun vom Auto rechts oder links oder dem geradeaus überfahren lassen soll. Zum Glück sind die Straßen dort klein, noch aus gutem alten Kopfsteinpflaster bestehend und man muss sich an rechts vor links halten, insofern waren die Fahrer alle sparsam in der Geschwindigkeit unterwegs. Ich ließ also Curry Wurst sein und erklärte dem Hund mit einem beherzten Griff an sein Halsband zu unser aller seelischen Ausgleich mit mir mitzukommen.
Das tat er auch. Es war ein sehr hübscher, kleiner, klug guckender mit halblangem Fell. Vertraute mir, wenn auch sehr ängstlich und im Grunde innen drinnen schon ganz aufgelöst aber sehr hundetapfer Haltung bewahrend. Im gleichen Moment stürzten irrsinnig viele Leute auf mich zu, die den Hund schon die ganze Zeit auf dem Markt beobachten haben wollten und ihn natürlich jetzt auch aufgreifen wollten etc. Und alle wollten ihn ja gerne nehmen, hätten aber Papageien. (Offensichtlich hat man als Charlottenburger Marktgänger halt eher Papageien als Hunde oder Katzen.) Nun denn, ich löste derweil meinen Rock von meinem Gürtel und wir bastelten uns eine schicke Leine. Ich entschied an der Ecke zu warten, sei erst einmal das Beste. Denn dort könnte uns ja jemand, der den Hund sucht, gut finden – weil gut sehen. Dann aß ich meine Wurst und der Hund blieb mit gelegentlichen Anwandlungen wieder weitersuchen zu wollen, ansonsten brav sitzen.
Jemand holte den Marktleiter. In der Hoffnung, wenn ihn jemand vermisst gemeldet hätte, wüsste er schon Bescheid. Der telefonierte ein wenig herum, aber die Marktsirenen hatte offensichtlich nichts zu vermelden – außer einem hundischen Einbruch beim einzigen Futterstand auf dem Markt. Es ließ sich aber nicht zurück verfolgen, ob es der gleiche Hund war. Ich hätte mich auch geweigert für so einen hübschen und braven Hund eine Einbruchsanzeige entgegen zu nehmen – zu diesem Zeitpunkt hatte er mich schon soweit, dass ich für ihn durch das Feuer gegangen bin. Er war ganz klar erkennbar ein guter Hund.
Wir riefen also die Polizei, denn der Hübsche trug eine schicke Steuermarke. Die kam auch alsbald und nahm ihn ganz entzückend lieb in Empfang und setzen ihn sehr vorsichtig ins Auto. Dann erzählten sie mir, was sie mit ihm machen würden – nämlich zum Tierarzt gehen und versuchen dort den Halter zu ermitteln, dann käme er in die Aufbewahrung. Sie bekamen noch meine persönlichen Daten und Telefonnummer, für den Fall, dass sich der Halter bei mir melden würde wollen. Und dann fuhren sie von dannen. Mein Rock hatte den Gürtel auch wieder.
Als ich später nach Hause kam, wo mein Handy brav auf mich wartete, hatte ich schon einen Anruf von der Besitzerin, der Stimme nach schon älter, in der Mailbox, die sich herzlich bei mir bedankte, dass sie ihren Hund zum Glück wieder hatte.
Was mich irrsinnig froh machte. Die beiden haben sich wieder. Sehr wichtig! Gute Enden sind sowieso ungemein wichtig bei solchen Abenteuern! Nur der Currywurststand hat ab sofort eine Kundin verloren, wer so einer verlorenen Seele nicht einmal eine kalte Wiener anbietet, taugt nix. Ich hab' da ja stellvertretend für alle Hunderassen auch meinen Stolz!
schön!
AntwortenLöschenMeine kleine Hündin ist vor 3 Monaten abgehauen.Ich wünschte einer hätte sie festgehalten und mitgenommen :( Zum Glück sind in Deinem Fall Frauchen und Hund wieder vereint!
AntwortenLöschenFrüher, in Berlin hat mein Hundemann von Christel auf dem Winterfeldtmarkt IMMER mindestens eine Dampfwurst oder eine Bulette bekommen. Meistens beides. Und sie hat ihm sogar extra eine beiseite gelegt, wenn wir mal später dran waren und ihr die Würste ausgingen.
AntwortenLöschenSO gehört sich das nämlich. Schön, dass Sie das Kerlchen aufgegriffen haben.
@Immertreu
AntwortenLöschen;-( Das ist so traurig zu lesen.
@Brigitte
Eben! Sage ich ja, ein Sack Wurst für den Hund am Marktstand – das gehört sich so. Genau wie klitzekleine Wiener am Wurststand in jedem Supermarkt für Kinder!
Gut, dass der Kleine dank Dir wieder zu Hause ist! Mein Whippetmädel ist auch mal abgehauen, einen Tag lang war sie weg. Die Hölle, echt!
AntwortenLöschenOh Scholli, daran will ich nicht mal denken. Meine Katzen oder eine von denen ein Tag weg. Ich wäre ein Wrack. Aber hochpotenziert. ,-(
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