2009-03-31

Am 1. April 1978 …

– es war ein Samstag – kamen meine Mum nach einem schönen Tag vom Einkaufen nach Hause und während wir die Tüten auspackten, meine Mum sich einen Kaffee aufgesetzt hatte und wir allerbester fröhlicher Stimmung waren, klingelte das Telefon.

Der Cousin meiner Mum erzählte ihr, dass sich ihre Mama, meine Oma, erhängt hatte. Das ist wie gestern, dieses immer noch spüren, wie meine Mum immer hektischer in den Hörer rief «Lebt sie noch? Lebt sie noch?», dann irgendwann den Hörer auflegte und mit dem schlimmsten Schrei, den ich jemals in meinem Leben vernommen habe, im Wohnzimmer zusammen brach. Höre ihn heute noch. Dieser Gefühlsbruch, wir waren so froh und glücklich an dem Tag, ein Anruf und alles war nur noch schwarz und düster.

In was für einem Albtraum man zurück bleibt, wenn sich jemand selbstständig aus dem Leben wählt. Heute sehe ich das anders. Habe im nachhinein Verständnis für den Schritt meiner Oma, kann ihn verstehen, bewundere sie im Grunde für ihren Mut. Sie hatte ihr Leben lange genug ohne meinen Opa leben müssen, wollte mit der gesundheitlichen Diagnose – Alzheimer – nicht zugrunde gehen, wie sie es sonst wohl getan hätte, sie war müde und offensichtlich reif zu gehen. Aber damals? Wochenlang sind wir wie durch Nebel gewatet. Meine Mum wurde später sehr krank, verlor ihre Arbeit. So etwas zu verarbeiten, braucht viel viel Zeit.

Oma erhängte sich im Altersheim auf der Toilette. Taktvoll und rücksichtsvoll wie sie war, entschied sie, dass es für einen Mann wohl weniger schlimm wäre, sie zu aufzufinden und so wählte sie dafür die Herrentoilette. Wenn sich jemand erhängt, rät die Gerichtsmedizin sich den Menschen nicht noch einmal anzusehen.

Und trotzdem ist sie mir heute noch in meiner Erinnerung der sprudelnste und lebenslustigste Mensch, denn ich je kannte – neben meiner Mum.

7 Kommentare:

  1. Tragisches Ereignis, aber nachvollziehbar.

    Trotz oder gerade wegen des traurigen Inhalts ein sehr schöner Beitrag!

    Lieber Gruß von Renate

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  2. Daß so viele Leben tragisch enden. Selbst die anfangs glücklichen

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  3. @Renate
    Ich grüße Dich auch, meine Liebe! ,-)

    @anonym
    Ja, man hat zu keiner Zeit für nichts eine echte Garantie. Ich sehe das allerdings heute für meine Oma selber gar nicht mehr so tragisch. Sie war es leid und müde und sie war in ihrer Art immer sehr konsequent. Tragisch war wohl nur für uns, die wir zurück blieben.

    @me
    Ja 1. Aril, aber ich denke über so etwas macht man sich in der Depression wenig den Kopf.

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  4. Whow, was für ein Beitrag. Ich meinte erst, eine Geschichte über einen besonders gedankenlosen und überaus schlechten Scherz zu lesen. Bis ich checkte, dass da niemand mehr anrief um "April April" zu sagen.... Ich bin geplättet.....!

    Aber schön, dass Du das aus heutiger Sicht anders einschätzen kannst, als noch im damaligen Schmerz gefangen. Und noch schöner, wie Du sie in Erinnerung hast.

    Alles Liebe....

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  5. Mir ging es beim Lesen ähnlich wie Vee...
    Aber ich finde es total stark, wie du damit umgehst. Ich weiß noch, wie es für mich war, als mein Opa von uns gegangen ist... Er ist zwar eines natürlichen Todes gestorben, aber das machte es nicht weniger schlimm.
    Ich wäre in deiner Lage bestimmt nicht so stark geblieben. Mit wäre es schwer gefallen, deine Sicht der Dinge anzunehmen. Also noch mal "Hut ab!"

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  6. mh, ich kann den Schock deiner Mutter mehr als nachfühlen. Aber eben auch die Entscheidung deiner Oma. Und bei aller Vernunft, es ist immer schwer jemanden zu verlieren.

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Fröhlich sein, freundlich bleiben und bitte immer gesund wieder kommen!