
Lucia Zamolo ist Münsteranerin, den interessanten Namen hat sie vom Vater, der italienische Wurzeln hat. Den eher südländischen Look haben sie und ihre Schwester tatsächlich aber von der deutschen Großmutter, sie stammt aus dem sehr deutschen Ruhrpott.
Lucia ist auf einer Geburtstagsparty und bekommt zum wiederholten Mal die Frage gestellt, wo sie eigentlich herkäme?! Und diese Frage setzt bei Lucia Gedankengänge in Gang, die sehr verständlich sind, bis sie die Frage so beantwortet, wie sie ein Gegenüber wohl gerne hören möchte. Die skurrilen, immer wahren Antworten, die Lucia auf diese Frage einfallen, sind natürlich sofort nachzuvollziehen. Sie kommt von hier! Dann erzählt sie aber doch, was sie glaubt, das Gegenüber hören möchte: Sie erzählt, ihr Vater würde aus Italien stammen.
Später, die Party ist längst vorbei, kommen die Gedanken wieder und führen zu diesem spannenden, sehr kurzweiligen Buch.

Nebenbei ist in dem Buch ein hübscher kleiner Sprachkurs in frulanischer (friulanischer), italienischer und deutscher Sprache enthalten. Auch stellt Lucia uns den klugen Professor und Psychiater Chester M. Pierce vor, der den Begriff Microaggressionen geprägt hatte. Anhand dessen vermittelt sie sehr deutlich, was das andauernde Voreingestuftwerden – nur aufgrund eines Namens oder der eigenen Typologie – mit Menschen macht, die das täglich aushalten müssen. Auch in den sehr freundlichen Gesprächen.
Und sie erklärt pragmatisch, was Migrationshintergrund eigentlich genau bedeutet, verdeutlicht, dass die meisten Menschen in diesem Land, denen man ihn vielleicht zuschreiben möchte, schon längstens keinen mehr haben – wenn es ihn überhaupt je gab. Ganz sachlich per offizieller Definition.
Der von uns gelebte Alltagsrassismus macht vor allem eines: Er teilt Menschen in zwei Gruppen ein. Othering – heißt diese Einteilung in „wir” und „sie”. Unnötig und oft ziemlich bekloppt, wie ich erkennen darf, denn Lucia hält mir Leserin liebevoll den Spiegel vor. So habe ich natürlich beim Lesen mir selber eingestehen müssen, dass ich hier und dort genau in diese Fallen des Alltagsrassismus auch tappe. Dabei bilde ich mir ein, ein Mensch zu sein, der sich in diesem Punkt seiner Fehlbarkeit bewusst ist und sich vergleichsweise oft hinterfragt. (Insbesondere im Vergleich zu denen, die Rassismus heute wieder oder immer noch legitim finden.) Und trotzdem, ich lernte viel …
Auch darauf hat Lucia einen sinnvollen Satz parat: „Nur, weil etwas nicht beleidigend gemeint war, tut es ja nicht weniger weh.“ Sie möchte, dass wir Leser*innen dank des Buches ein wenig mehr auf uns achten und daran wachsen. Zum Dank enthält dieses Buch für uns ein wirklich tolles Rezept für Spaghetti mit Tomatensoße von ihrem Vater.
Ein so kluges und kurzweiliges Buch, das ich gestern während meiner Plasmaspende ratzfatz weggelesen habe. Ich finde, dieses Buch sollte man immer zweimal verschenken. An einen Menschen, den dieser Alltagsrassismus ganz sicher betrifft, denn es liefert hervorragende Argumente, die sich nicht jeder junge Mensch so zu formulieren traut. Und an einen Menschen, der in diesem Land nie gefragt wird, wo er/sie/es eigentlich herkommt. Und dieser Mensch darf, wie ich, ruhig auch schon älter sein.
Ein wertvolles Buch, 2022 im Schweizer Bohem Verlag erschienen, oft prämiert, ist mittlerweile in 13 Sprachen erschienen! Jeden Tag Spaghetti
Autorin und Illustratorin: Lucia Zamolo
Verlag: Bohem Verlag
ISBN 978-3-95939-205-1
Das scheint mir ein sinnvoller Lesestoff zu sein, denn man tappt leider all zu oft in die Falle neugierig auf den Menschen gegenüber zu sein und doch mit unbedachten Äußerungen verletzend zu werden.
AntwortenLöschenUnd wer lieber hört als liest, dem sei der Podcast "Gute Deutsche" empfohlen. Ich fand es sehr schade, dass er nicht weiter produziert wurde. Zumindest war das mein letzter Stand.
Einen schönen Sonntag.
Liebe Grüße
Martina