Die Küche Apuliens ist pur, frisch und sehr konzentriert auf die guten Produkte, die hier im meist roten Boden gut wachsen. Frühe Artischocken, tiefrote Tomaten, seltene historische Mehlsorten, aromatische Paprika. Aus den Käsereien kommen aus aktueller Tagesproduktion Ricotta, Mozzarella und sahnige Stracciatella oder Burrata. Das Meer schenkt Fisch und Meeresfrüchte, von den Weiden kommt das Fleisch der Schweine, Rinder und auch Pferde.
Obendrauf frisches Olivenöl, gerne – aber in kleinen Mengen getrunken – Wein. Die perfekte mediterrane Küche!
Apulien hat aber auch eine großartige Leckereien anzubieten, die es zumindest in die großen Städte Deutschlands auf die Hand geschafft haben. Dort, wo die italienische Community groß und lebenslustig ist – und man fern der Heimat an die großartige Küche der Nonna glaubt. Die meisten dieser Köstlichkeiten machen mindestens satt und meistens irgendwie sehr glücklich. Ich stelle euch einige dieser typischen apulischen Köstlichkeiten vor, okay?
Panzerotto
Meine große Liebe! Eine fluffige, heiße Köstlichkeit aus dem Frittierfett (es gibt sie auch gebacken – aber das ist kein Vergleich zum frittierten Panzerotto.) Der Teig dieser zu einem sehr großen Raviolo geformten Köstlichkeit, wird zu gleichen Teilen mit Farina Tipo 00 und Manitoba Mehl (auch Kichererbsen- oder -kartoffelmehl) zubereitet. Keine Hefe (auch wenn sie in den deutschen Rezepten gerne genannt wird), Backpulver sind die Zauberzutaten – und sehr viel Zeit.
Ein Panzerotto, so schnell man es auch essen mag, braucht in der Entstehung viel Geduld. Ich empfehle dringend es nirgendwo zu kaufen, wo es schon seit einiger Zeit in der Auslage liegt und erst noch einmal warm gemacht wird. Es sollte erst nach der Bestellung zubereitet werden. Ausgerollt, gefüllt, übereinander geschlagen, festgedrückt und dann mindestens 10 Minuten frittiert. Das braucht seine Zeit – aber lohnt sich immer sehr zu warten.
Ein Grund, warum man in Süditalien am Abend vor dem Panificio gelegentlich lange Menschenschlangen stehen sieht. Ein Bäcker, der etwas auf sich hält, der räumt am Abend die Dolce aus der Auslage und macht Platz für frisch frittierte Panzerotti. Besonders lange Schlangen verheißen besonders gute Panzerotti! Die Liebe der Pugliesi ist für das delikate Teigteilchen sehr groß.
In den Bäckereien ist die Auswahl nicht sehr groß, die klassische Variante mit Passata aus Tomaten und Mozzarellawürfeln ist hier doch eher üblich. Vielleicht gibt es sie mit Mortadella oder Prosciutto und mit geschmorten Zwiebeln (Cipolle) und Oliven. Nun machen in den größeren Städten Apuliens immer mehr Läden auf, die eine größer werdende Auswahl anbieten: Vegane Panzerotti, glutenfreie Panzerotti, Panzerotti mit Meeresfrüchten oder mit Gemüse aller Art. In jedem Fall vermengen sich die Zutaten in der Tomatensauce mit dem Käse zu einem heißen, flüssigen aromatischen Schmelz – und drumherum schützt heißer knuspriger fluffiger Teig.
Panzerotti sind genauso schwierig zu essen, wie Döner. Man verbrennt sich leicht den Mund – und weiße Kleidung zu tragen, während man ein Panzerotto genießt, ich empfehle es nicht. Man kann sich von ihnen den gesamten Apulien-Urlaub ganz wunderbar ernähren – sollte aber täglich ein gutes Sportprogramm in den Tag einbauen.
Mein bestes Panzerotto hatte ich übrigens im Salento (Via St. Giovanni, Melendugno) bei Danieles. Bei diesem Bäcker gibt es sie nur am Abend frisch aus der Fritteuse – und meist stehen Menschen vor dem kleinen Laden schon Schlange.
Kürzlich hat in Monopoli das Restaurant Madia ein Panzerotto-SpinOff aufgemacht. Madia, so heißt das Brett auf dem Pasta- und Pizzateig ausgerollt wird, Mit ihrer riesigen Auswahl treiben sie es ein wenig auf die Spitze.
Abends steht man hier sehr lange, bekommt aber frischestes leckeres Panzerotto. Wer will auch in einer glutenfreien, veganen Variante. Oder mit Cannabis. Tagsüber kommt man schneller zu seinem heißen Glück! Probiert es aus, es lohnt sich!
Rustico leccese
Auch so ein heißes Etwas, das direkt den Hüften Glück verheißt. Ein Rustico leccese ist ein rundes, heißes, im Teig doppelt gelegtes Blätterteig-Gebäck. Gefüllt mit Béchamelsauce, Käse und Prosciutto.
Rustico von einem guten Bäcker, der es heiß serviert, ist ein Traum. Meist liegt es vorgebacken in der Auslage – sie brauchen zu lange im Ofen, um ganz frisch gebacken zu werden und wird dann noch einmal heiß gemacht. Unbedingt Finger weg davon in den Bars am Flughafen oder den größeren Bahnhöfen. Oft packen die Verkäufer sie dort direkt ein – ohne sie noch einmal einzupacken. Niemals ein kaltes Rusticco annehmen! An Tankstellen auf der Autostrada und auch ab und an in den kleinen Bars an den kleineren Bahnhöfen kann man gelegentlich aber durchaus auch vorzügliche Rustici bekommen.
Der Panificio macht einfach die besten Rustici. Sieht es blass, trocken und lieblos aus? Finger weg. Dann ist es zum Abgewöhnen – bevor man überhaupt seiner leckeren Großartigkeit begegnen durfte. Ein gutes Rustico, wie z. B. im altehrwürdigen Caffè Oriente,
dem sieht man glänzende Butter an und ein Ei-Strich vor dem Backen deutet auf jegliche Abwesenheit von Geiz beim Bäcker oder Bäckerin hin – und dann macht es sehr glücklich!
Friselle
Nichts, was sich je unfallfrei essen ließe. Friselle ist die apulische Bruschetta.
Aus dem Teig des Pane Pugliese (mit Lievito madre) wird das Brot zweifach gebacken, damit es hart und haltbar wird.
Friselle bekommt man inzwischen in allen möglichen Formen – aber historisch ist der runde Kringel mit dem Loch in der Mitte die logische Form. Friselle ist das Brot aus Hartweizen, das die Fischer auf ihre tagelangen Bootstouren hinaus mit auf das Meer genommen hatten. Die Kringel wurden auf ein Seil gezogen – und einmal kurz durch das Meer gezogen. So waren sie sehr kurz angefeuchtet, etwas weicher und gleich gesalzen.
In keinem apulischen Haushalt fehlt heute die Sponzafrisa, eine Keramikschüssel (meist mit einem aufgemalten Hahn, dem apulischen Wappen), mit einem durchlöcherten Sieb als Aufsatz. So legt man die Friselle kurz in das Wasser und lässt sie oben auf der nächsten Etage gut abtropfen. Sponzatura nennt man diesen Vorgang da unten im schönen Italien. Wichtig ist: Der Kontakt mit dem Wasser muss sehr kurz sein, sonst verfällt das Friselle und das Essen wird noch unmöglicher, als es so schon unmöglich ist.
Auf die Friselle kommt nun ein guter Faden Olivenöl extra Vergine und dann pure rote Tomate. Tatsächlich sind diese Produkte (gutes Olivenöl und aromatische reife Tomate) so gut in Apulien, dass man im Grunde auf weitere Zutaten verzichten könnte. Aber natürlich gibt es auch sehr viele Varianten, einfache und luxuriöse, die eine Friselle noch feiner schmecken lassen. Die einfache Variante wird schon mit frischem klein gehacktem Basilikum oder Oregano und frisch gemahlenem Pfeffer geschmacklich aufgewertet.
Die Tomaten lassen sich auch mit saftigen, süßen roten Zwiebeln anmachen oder mit Kapern – denn sie gibt es hier vor Ort. Fantastisch ist die Variante mit Rucola, Tomate und einer geöffneten Burrata aus der die Sahne fließt – oder man nimmt gleich Stracciatella – darauf frisches Olivenöl und frisch gemahlener Pfeffer. Einfach, dafür göttlich. Oder sie wird mit Tartar di Tonno, Gamberetti (natürlich frisch aus dem Meer) oder Oktopus belegt. Oder dem Mix Insalata Frutti di Mare. Besonders köstliche Friselle mit Meeresfrüchten und fantastischer Aussicht auf die Bucht von Otranto gibt es in der La Polperia im Centro Storico (Via de ferraris 38).
So eine Friselle mittags am Strand im Lido, dazu ein Glas kühler Malvasia oder ein Rosato aus Negroamaro. Das ist … einfach ein wunderschönes Mittagessen – und ein ebensolcher Moment im Leben.
Puccia Salentina
Das Puccia ist ein bisschen der Youngster unter den apulischen Auf-die-Hand-Gerichten. Sie stammt aus dem letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts. Irgendein cleverer Pizzaiollo hatte übrig gebliebenen Pizzateig flach gedrückt und gebacken, dann in der Mitte (nicht ganz) aufgeschnitten und gefüllt mit leckeren Resten.
Es ist das apulische Sandwich. In den Fladen kommt alles hinein, was die gute apulische Küche hergibt. Knackiger scharfer Ruccola, frische oder die besonders aromatischen getrockneten Tomaten, Zwiebeln, Mortadella, Prosciutto, Käse – Toscanello, Caciocavallo, würziger Cacioricotta salentino oder sahnige Straccitella – oder Fisch, meist Tonno. Auch heiß geliebt mit Polpette in Sugo. Jede Salumeria bereitet auf Wunsch eine Puccia ganz nach eigenem Gusto mit allem aus der Kühltheke zu, was man sich aussucht. Ein guter Sattmacher, der irgendwie auch sehr glücklich macht. Denn das Gute an diesen Zutaten ist, man weiß einfach: Das sind sind gute Zutaten, frisch und mediterran gesund.
Foccacia barese
Wohl auch hierzulande das bekannteste Street Food aus Italien oder? Die Foccacia wird historisch aus Gersten, Hirse- oder Grießmehl zubereitet, nur ein klein wenig Hefe, Wasser und Salz und sehr lange Gare (bis zu 48 Stunden, gerne auch mehr.) Die Besonderheit der Focaccia barese (von Bari natürlich) sind die gekochten Kartoffeln, die zu dem Teig gegeben werden und ihn besonders fluffig und saftig innen machen. Heraus kommt ein hoher, saftiger Teigfladen. Nach der letzten Gare bohrt man mit den Fingern tiefe Löcher ins Gewölbe, begießt sie reichhaltig mit Olio di Olivi (extra vergine) und drückt kleine Kirschtomaten in den Teig, Oliven, krümmelt frischen Rosmarin oder Thymian darüber. Ab in den Ofen.
Wer keinen Holzbrotbackofen hat, wie ihn der heutige apulische Bäcker von seinem Urgroßvater geerbt hat, der backt die Foccacia in zwei Schritten. Erst auf der untersten Schiene im Ofen, gute zehn Minuten, damit der Boden krachend knusprig wird. Dann noch einmal auf der mittleren Schiene für ca. 40 Minuten. Alles bei mindestens 250 Grad. Dann wird sie perfekt wie das Original.
Frisch gebacken und heiß gegessen ist die Foccacia ein Traum, vorgebacken aus der Auslage … naja. Es gibt leider unfassbar viele schreckliche Foccacie, dass ich mittlerweile etwas auf Kriegsfuß mit ihr stehe. Auf jeden Fall ist die apulische sehr hoch im Teig gebacken, sehr fluffig und unten mit perfektem Knuspereffekt. Ist der Teig perfekt, ist mein persönlicher Liebling die einfachste Variante: Olio, frischer Rosmarin (reichhaltig) und Meersalzflocken. Mehr braucht's doch gar nicht!
Ich empfehle Foccia wirklich selber zu machen. Mit ihrem Teig zu arbeiten … er ist so sehr göttlich anzufassen, ist er ausreichend lange gegangen! Und wenn sie heiß und frisch aus dem eigenen Ofen kommt – ist schon ein bisschen, wie Urlaub haben!
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