2024-04-03

Enjoy – it’s from Kreta!

Einladung im Rahmen des EU-Projektes ”Enjoy it’s from Europe”. Ein Ausflug nach Kreta, viele Eindrücke im dortigen Gemüseanbau, schmackhafte Küche, neue Rezepte – es waren wundervolle und informative Tage bei zarten Frühlingstemperaturen auf einer wunderschönen Insel!

Nachdem ich in den letzten zwei Jahren im Rahmen dieser Maßnahme den nachhaltigen Reisanbau in Europa, genauer in Frankreich, Italien und Portugal kennenlernen konnte, durfte ich mich dieses Mal den nachhaltigen Anbau von Gemüse auf Kreta ansehen – und deren Produzenten treffen. Vier landwirtschaftliche Kooperativen über die gesamte Insel verteilt, die uns aus ihrem Alltag erzählten, an Auktionen teilnehmen ließen, und in deren Verpackungseinheiten und Gewächshäuser mitnahmen. Wir konnten Gurken, Tomaten und Paprika direkt vom Strauch kosten und uns von dem Geschmack und der einzigartige Frische ihrer Produkte überzeugen.

Selbstverständlich hatten wir auch ausreichend Gelegenheit, diese Produkte in einigen retischen Restaurants zu verkosten, einschließlich der Weine und dem fantastischen kretischen Olivenöl!


Kreta – der Garten Griechenlands

Kreta gilt als der landwirtschaftliche Garten Griechenlands – hier arbeitet noch die Hälfte aller Erwerbstätigen in der Landwirtschaft. Auf dem Festland soll es lediglich ein Viertel der Einwohner*innen ihnen gleich tun. Aber auch auf Kreta wird in den Sommermonaten, wenn zumindest der industrielle Gemüseanbau ruht, das Geld dann im Tourismus verdient.

Direkt nach dem Tourismus steht die Landwirtschaft auf Platz 2 der kretischen Wirtschaftsleistung. Exportiert wird nach ganz Europa. Deutschland, Italien, die Ukraine, Tschechien, Frankreich und Großbritannien kaufen gerne die sonnen gereiften Produkte dieser Insel. Der Absatzmarkt in den osteuropäischen Ländern wächst stetig, aber auch die vereinigten arabischen Länder greifen immer öfter zu den Produkten von Kreta.
Ein Faszinovum, denn lediglich ein Drittel der gesamten Bodenfläche Kretas ist überhaupt landwirtschaftlich nutzbar. Die Messara-Tiefebene (Πεδιάδα Μεσαράς) ist auf ihrer Fläche von 8 km Breite und 50 km Fläche das größte zusammenhängende Gebiet, wo vor allem Olivenbäume stehen und Wein angebaut wird.

Die relief-zerfurchten Gebirge von Kreta zerteilen die Agrarflächen in die einzelnen Täler der Ebenen. Dieses Relief, das milde Klima, das im Grunde ganzjährigen Anbau garantiert und die Geologie lassen hier unter veränderten, wenn auch schwierigen Bedingungen fantastische Gemüse anbauen. So stehen z. B. in dem Gurken-Dorf Therissou die Gewächshäuser mit ihren weißen Planen direkt an der Küste. In den frostfreien Ebenen gedeihen die Olivenbaumplantagen, die sich die Fläche bis in die mittleren Höhen auch mit den Weinreben teilen.

Der Obstanbau ist mit 2 % flächenmäßig auf Kreta eher zu vernachlässigen. Die köstlichen Orangen, Mandarinen und Zitronen, die wir oft zur Begrüßung in den von uns besuchten Kooperativen oder in den Restaurants zum Nachtisch serviert bekamen, stammen vor allem von Plantagen an der westlichen Nordküste. Oder ganz simpel aus dem Hintergarten der Restaurantbesitzer*innen. Ganz ehrlich? Lange nicht so fantastische Zitrusfrüchte geschmeckt – vor allem die Mandarinen haben bei mir Kindheitserinnerungen geweckt!

Jetzt, im März, leuchtet die Insel in ihrem satten Grün. Überall stehen die Zitrusbäume voller Früchte. Gelb und Orange, das sind die leuchtenden Farben in den Vorgärten, an denen man vorbeifährt. Gleichzeitig liegt schon wieder ihr Duft der ersten geöffneten Blüten über der Insel. Mispeln sind hier nun auch reif, unter den Olivenbäumen strahlt die zarte Flora frühlingshaft gelb. Kleine Orchideen wachsen am Wegesrand. Und im Hintergrund leuchtet auf der 2.456 Meter hohen Bergkuppe des Psiloritis der Schnee. Eine besonders schöne Zeit, um hier zu sein!
Und überall über das Land schmeicheln sich die weißen Gewächshäuser wie Schnee in die Landschaft. Hier werden Tomaten, Gurken, Paprika, Auberginen und Zuccini angebaut, die auf ganz Europa verteilt in unseren Küchen verarbeitet werden. Tatsächlich wird ganz Griechenland größtenteils mit Frischgemüse aus dieser Region versorgt. Exporte von dort finden wir auch auf unseren deutschen Märkten und in den Geschäften.
An unserem ersten Tag reisen wir von Heraklion nach Ierapetra in den Südosten Kretas. Ierapetra gilt als die südlichste Stadt Europas. Neben dem Saisontourismus gilt hier der Gemüseanbau als Haupterwerb. Für das benötigte Wasser sorgt der nordwestlich von Ierapetra gelegene Bramiana-Stausee bei Gra Ligia. Natürlich wird auch Regenwasser hier pragmatisch in Zisternen gesammelt und für den Anbau sparsam verwendet. Die günstigen Klimagegebenheiten Kretas ermöglichen von Haus aus eine biologische landwirtschaftliche Produktion. Auch davon können wir uns die kommenden Tage selber überzeugen.

Auf Kreta gibt es über 15 Genossenschaften in der landwirtschaftlichen Produktion. Sie organisieren sich untereinander, greifen sich im Anbau als auch Absatz kollegial unter die Arme. Um 2009/2010 haben sich viele kretische Landwirte genossenschaftlich verbunden, um den großen Monopolisten im EU-Binnenmarkt die Stirn bieten zu können, denen der einzelne Landwirt im Preiskampf und Bürokratieaufwand kaum etwas hätte entgegensetzen können.



Die Genossenschaft ANATOLI in Ierapetra

Von Heraklion aus, nach anderthalb Stunden Autofahrt werden wir in der landwirtschaftlichen Genossenschaft „ANATOLI“ in der Gemeinde Ierapetra herzlich begrüßt. Sie wurde am 17. Dezember 2000 von einer Gruppe lokaler Landwirte – Gewächshausgärtner – mit dem Ziel der gleichberechtigten Zusammenarbeit und der gegenseitigen Unterstützung, als auch der Möglichkeit für eine gemeinsame wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung – und somit Stärke im Markt – der Partner und Mitglieder gegründet.
Jetzt am Vormittag erleben wir eine schon bis unter den Rand gefüllte Lagerhalle. Die Männer, die auf der Rampe die Anlieferungen entgegennehmen, haben eine erste wohlverdiente Pause. Kisten voller Tomaten, Gurken, Paprika und Auberginen unterschiedlicher Größen und Couleur stehen in der Halle. Sauberes, saftiges Gemüse!
Deren Auktion ist bereits im vollen Gange. Das passiert auch hier natürlich längst elektronisch, wenngleich auch die versteigerte Ware dann doch mit Papierdrucken ausgezeichnet wird.
200 Mitglieder zählt diese im demokratischen Tenor funktionierende Genossenschaft heute, sie gilt inzwischen als eine der führenden landwirtschaftlichen Kooperativen in Griechenland. Ihre Mitglieder teilen sich technisches Know-how und alle erforderlichen landwirtschaftlichen Geräte und Materialien wie Düngemittel, Bewässerungssysteme, Nützlinge und entwickeln gemeinschaftlich neue Verfahren in der Anbaumethodik. Die notwendigen Zertifizierungen des europäischen Marktes werden dabei eingehalten.
Von hier aus wird die Verarbeitung/Verpackung der frischen Produkte organisiert und deren Vermarktung an in- und ausländische Unternehmen in den hauseigenen Auktionen vorgenommen.
Die Verpackung passiert händisch, wie wir mit Erstaunen im Rahmen unserer Führung in einer weiteren Halle erleben. Nikos Triantafyllopoulo, Sales Manager von ANATOLI, erklärt uns die Verpackungsmodalitäten.



Direkt daneben befüllt eine kleinere Gruppe der Mitarbeiter*innen mit faszinierender Geschwindigkeit, die bereits händisch mit Aufklebern versehenen Verpackungen mit den gerade versteigerten, leckeren Datteltomaten, wie wir sie hier in Deutschland aus den Supermärkten kennen. Sie wiegen sie ab, um sie in die nächstgrößere Verpackungseinheit zu verpacken. Das alles mit einer beeindruckenden Geschwindigkeit. Das am gleichen Tag angelieferte und verkaufte Gemüse, soll möglichst noch am gleichen Tag den Speditionen übergeben werden.
Das Hauptziel der ANATOLI Agricultural Association ist es, den griechischen, aber auch den internationalen Markt mit qualitativ hochwertigen Produkten mit ausgezeichneten Nährwerten aus nachhaltigem Anbau zu versorgen. Dabei macht es die EU den Landwirten nicht leicht, wie wir später, bei einem sehr leckeren zweiten Frühstück mit unglaublich saftigen Teigteilchen und natürlich aufgeschnittenem Gemüse, vom Vorstandsmitglied Fondas Douloumis einmal mehr lernen.
Einerseits gefangen in der teuren Samendiktatur der Großkonzerne, die keine große Vielfalt im Anbau mehr ermöglicht, über eine ausufernde Bürokratie im EU-Export. Obwohl hier die Landwirte der Genossenschaft in Bio-Qualität anbauen, Schädlingsbekämpfung alleine mit smarten Insekten betreiben, könnten sie sich den Verkauf unter einem BIO-Siegel gar nicht leisten. Deren Zertifizierungen sind zu aufwändig, zu teuer – dafür ist der Preismarkt – vor allem durch die preistreibenden Discounter – für die Erzeuger zu schlecht.

Ganz ehrlich, der größte deutsche Discounter mit den zwei L im Namen, dessen Konkurrenz, sie kommen, an diesem und dem folgenden Tag, selten gut weg bei den Profis.

Besonders ärgert sich Douloumis über die verpflichtenden hohen Kontrollstandards innerhalb der EU gegenüber den Produzenten aus der EU selber. Während Erzeugnisse aus Afrika und China unkontrolliert auf den Markt gelangen und Produktpiraterie im nicht unwesentlichen Stil betrieben wird. Das dort nicht nachhaltig angebaute Gemüse immer wieder als aus der EU, z. B. aus Griechenland kommend, illegal als EU- und sogar Bio-Ware deklariert wird.

Instrumente der EU solche Betrüger nachhaltig zu überführen und zur Verantwortung zu ziehen, scheinen kaum zu existieren, denn eine Strafverfolgung ist nicht möglich. Logisch, das Interesse der afrikanischen oder chinesischen Justiz am Leid der EU-Landwirte geht gegen Null. Die Produzenten fühlen sich diesbezüglich sehr von der EU im Stich gelassen, weil sie solche Fake-Importe weiterhin ermöglicht. Seine Enttäuschung darüber, macht er mehr als einmal deutlich. Und unterstreicht damit, warum sich für seine Genossenschaft die teure Bio-Zertifizierung gar nicht lohnen kann.


Die Genossenschaft A.C. NOTOS
Wir fahren nicht sehr weit durch die Region entlang der Küste und durch das bunte Treiben der kleineren Ortschaften. Unser nächster Stopp ist die Kooperative A.C. NOTOS. Hier begegnen wir im Verpackungsbetrieb schon Maschinen im Betrieb – aber weiterhin sehr vielen Menschen, die händisch das Gemüse unterschiedlichster Arten und Farben sortieren.

Vor allem treffe ich hier – und ich bin ehrlich entzückt! – meine erste Tomatenwaschanlage! Tomaten werden aus den Kisten auf ein Laufband gekippt, kommen durch die Waschstraße und werden später von den Mitarbeitern händisch sortiert. Die auf dem Band verbliebenen aussortierten Tomaten, die in Farbe oder Größe nicht den hohen Ansprüchen genügen, führt die Anlage gesondert zurück in Kisten. Sie wandern in die Produktion für Saucen und Püree etc.



Die für gut befundenen roten Früchte indes werden in einem anderen Teil der Halle in beeindruckendem Tempo in Netze abgefüllt. Es ist industriell laut, die Mitarbeiter lachen und scherzen. Faszinierend, wie vergleichsweise viel Handarbeit auch noch nach der Ernte tatsächlich händisch auf Kreta erfolgt! Es sichert den Menschen ihr Einkommen außerhalb der touristischen Saison.


Ab in die Gewächshäuser von A.C. Kamiros
Unser nächster und letzter Stopp an diesem Tag ist die Kooperative A.C. KAMIROS. Endlich dürfen wir in eines der Gewächshäuser, an denen wir auf unserer Fahrt immer wieder vorbeigefahren sind. Die unterschiedlichsten Tomaten, deren Verpackungsprozessen wir zuvor Zeugen waren, reifen in den langgezogenen Gewächshäusern, die mit weißen Planen umspannt sind.
Die Bestäubung erfolgt mit Bienen, die üblicherweise von einem niederländischen Produzenten eingekauft werden. Ein kluger Mann, der sie im letzten Jahrhundert von Kreta aus mitgenommen hatte, um sie in den Niederlanden selber einzusetzen und zu züchten – und sie später auf den europäischen Markt zu bringen als Produkt. Stolz wird die Geschichte erzählt, dass die heutige, in der Landwirtschaft zugekaufte Biene, ursprünglich die Biene Kretas ist!

Die Schädlingsbekämpfung erfolgt mit den üblichen Insektenfallen biologisch. Die Bewässerung, sparsam Tropfen für Tropfen, erfolgt über eine einfache Anlage – die sich das Wasser aus den in Regentonnen gesammelten Regenwasser der Wintersaison zieht.
So heiß wie es jetzt schon unter der weißen Plane im Gewächshaus ist, wird schnell klar, warum hier in den Sommermonaten nicht mehr im großen Stil gearbeitet wird. Dann stoppt der Anbau im Gewächshaus. In der Saison arbeiten die Kreter üblicherweise im eigenen Tourismusbetrieb. Ab Juli beginnt zumindest hier im Gewächshausanbau die Zeit, in der die Böden in den Häusern aufbereitet werden, sich in den Anlagen regenerieren.

5 Kommentare:

  1. Hallo Creezy,
    wie toll! Das finde ich eine super Aktion, und Kompliment, was Du an Infos und Fotos zusammengetragen hast.
    Kreta habe ich letzten Herbst näher kennen gelernt; da sind mir auch die weißen Gewächshäuser aufgefallen. Stimmt es, dass viele Folien kaputt gehen und als Plastikmüll ein Problem darstellen?
    Liebe Grüße
    Barbara

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  2. Man lernt nie aus, hätte ich alles so nicht gedacht!

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  3. Liebe Barbara,

    Dankeschön für dein Kompliment! :-)

    Zu den Folien: Jein. Natürlich können auch diese Folien kaputt gehen wie jedes Material irgendwann einmal nachlässt und deren Entsorgung wird genau so ein Fragezeichen hinterlassen … . (Auch Gewächshäuser aus Glas haben irgendwann das Problem der Materialermüdung, werden z. B. blind – was sich direkt auf das Pflanzenwachstum auswirken würde – und müssen dann entsorgt werden.)

    Die hier verwendeten Folien sind extrem stabil, mehrschichtig. Und genau darauf ausgelegt z. B. auch Sturmschäden, Hagel etc. auszuhalten. Wie geschrieben, teilweise stehen die direkt an der Küste. Sie sind nicht mit denen bei uns verwendeten Spargelfolien oder dem Material, was man z. B. bei den flexiblen Bauschuttcontainern verwendet zu vergleichen. Hast Du mal Folie für Swimmingpools angefasst? Die Qualität ist noch stärker.

    Man darf nicht vergessen: Diese Landwirte schwimmen nicht im Geld, sie sind sehr darauf bedacht für eine gewisse Ewigkeit zu kaufen.

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    1. Danke für Deine ausführliche Antwort. Das beruhigt mich. Toll, was Du alles vor Ort erfahren und erlebt hast. Danke fürs Teilen.

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  4. @anonym

    Mich hat vor allem beeindruckt, dass so viel händisch passiert – und die Liebe der Produzenten dort vor Ort zu ihren Produkten.

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Fröhlich sein, freundlich bleiben und bitte immer gesund wieder kommen!