Das Internet erfreut sich heute mit großer Hingabe an dem Auftritt von Professor Dr. rer. nat. Melanie Brinkmann bei Markus Lanz gestern Abend. Melanie Brinkmann ist die Virologin, die sehr gerne nicht mehr zu politischen Verhandlungen im Zusammenhang mit dem Covid-Virus eingeladen wird, weil sie als zu forsch gilt.
Ist Frau Brinkmann nicht. Ihr ist sichtlich lediglich ihre Lebenszeit zu schade (und unser aller Leben zu wichtig), sich in politischen Hieroglyphen zu verlieren. Sie sagt, was Sache ist. Und was derzeit die einzige Lösung im Umgang mit mutierenden Viren ist. Dabei ist sie immer höflich, immer gewaltfrei. Argumentiert klug und themenorientiert. Politiker, die eine solche Stimme nicht mit am Tisch haben möchten in einer Pandemie, sollten sich fragen, ob sie selber noch richtig am Platz sind. Meine Meinung.
Psychologischer Best-Fail wie gestern Lanz und Wolfgang Kubicki auf Brinkmanns „Jetzt rede ich!” reagieren, als sie Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer auf das allgemeine politische Versagen in der uns alle betreffenden Pandemie ansprach und Lanz wieder einmal ihr ins Wort fällt. Und man sich fragen muss, warum eigentlich? Denn was er sagt, hat genau gar keinen Wert.
Der eine, Lanz, kapiert’s gar nicht und strullert innerlich angezählt, er könne auch seine eigene Sendung verlassen, wenn er nicht mehr gebraucht würde. Sollte witzig klingen aus seiner Sicht, stellte aber leider wieder nur einmal mehr unter Beweis, wie wirklich sehr klein in Wirklichkeit Lanz’ Ego doch nur ist.
Der andere, Kubicki, lacht zwar noch medienhaft professionell, fängt aber an an seiner Kleidung herum zu fingern und wirft sich nach hinten in den Stuhl, was totale Entspannung signalisieren soll aber nur zeigt, dass er sich sehr unwohl fühlt. Dabei lässt er seinen Spruch los, errötet immer mehr – ist sichtlich nervös und zeigt in seiner Sitzhaltung, dass er sich jetzt lieber nicht mehr Frau Brinkmann zuwenden möchte. Was so gar nicht für eine erwachsene Gesprächskompetenz spricht.
Das Ego zweier Hyperbubies sackt sichtlich tief getroffen zusammen, weil jemand (und da ist ganz egal wer, ob Mann oder Frau), dem das Wort erteilt wurde, nur auf das Recht pocht in einer Talkshow ausreden zu dürfen. Zu der Sache, zu der er/sie eingeladen worden ist. Üblicherweise muss in solchen Formaten die Moderation nur andere Gäste an die geltenden Höflichkeitsregeln erinnern. Bei Lanz ist es vorrangig er selbst, der ständig von seinen Gästen erzogen werden muss. Mir würde das vor laufender Kamera nur einmal passieren, um es zu kapieren.
Nun gibt es gemeinhin drei Gründe, warum jemand einen anderen Menschen nicht ausreden lässt, insbesondere als Gastgeber einer Gesprächsrunde. (Den dritten Grund, Gast redet rassistischen oder sexistischen Scheiß, beleidigt andere Teilnehmer und gehört das Wort entzogen, lasse ich hier außen vor.) Grund eins, dieser Mensch ist einfach schlecht erzogen und nicht gewillt, sich auch im höheren Alter die üblichen Höflichkeitsregeln einer Gesellschaft anzueignen. Was okay ist, aber dann hat man als Gastgeber einer Sendung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nichts verloren. Ungeeignet.
Grund 2 ist, man hält sich für klüger und überlegener als den bzw. die Gesprächspartner. Auch dann muss man die Eignung von Lanz als Moderator stark hinterfragen, denn er lässt bekanntlich nie einen Gast ausreden und beantwortet von ihm gestellte Fragen am liebsten selbst. Er muss also also seine Gäste für sehr viel blöder und inkompetenter halten als sich selbst. Was immer dann schwierig wird, wenn der Gesprächspartner im eigenen Fachgebiet eine vielgeschätzte Expertise (nochmal: Professor Dr. rer. nat. Melanie Brinkmann) vorweisen kann und – vermutlich – wegen genau dieser eingeladen wird.
Dass Kretschmer sich in der Situation versucht zu retten in dem er Frau Brinkmann rät, sie solle sich nicht aus dem Konzept bringen lassen (wir nennen das mittlerweile mansplainen) – in einer Situation in der man keine Sekunde das Gefühl hatte als Zuschauer, das BlaBla der Hyperbubies würde Brinkmann aus dem Konzept bringen, zeigt auch nur, wie tendenziell eher klein und hilflos er sich selber in dieser Situation sich fühlen muss. Im Gegenteil schien mir es ziemlich souverän von ihr, wie sie die Spätpubertierenden sich erst einmal ausfeixen lässt, damit wieder Ruhe in die Klasse kommt.
Wenn mich jemand darauf hinweisen muss, dass er/sie gerade das Wort hat, weil ich ihn/sie unterbrochen habe (wozu ich durchaus auch neige), dann habe ich zu akzeptieren, dass ich gerade bei meinem Gesprächspartner auf unhöfliche Weise die Grenze überschritten habe. Dann gibt es genau zwei Reaktionen – für mich und für jeden anderen Gesprächsteilnehmer, dem dieses Signal gesetzt wird: Die erste Reaktion ist, ich entschuldige mich. Die zweite Reaktion ist, ich halte daraufhin die Klappe – solange bis mein Gegenüber den unhörbaren Punkt gesetzt hat in seinen Ausführungen. Und rede dann erst.
Wieso das ZDF Lanz sein unhöfliches Verhalten immer noch durchgehen lässt, verstehe wer will. Ich empfinde ihn als immer armseliger werdend in seiner Kommunikation. Investigativer Journalismus, der das sein soll, wie er selber immer behauptet, ist das nämlich genau nicht. Investigativer Journalismus, wenn er gut ist, kennt die Regeln der Höflichkeit. Er unterbricht nicht. Er lässt ausreden. Er hinterfragt, wenn Gesprächspartner ihre Ansicht ausformuliert haben. Und ist nicht sichtlich pissed, wenn jemand genau darauf dringt bzw. überhaupt dringen muss.
Lanz kann’s. Nicht.
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