Ich bin so sehr bei ihr!
Vom immer riesig groß sein
Auch wenn ich es nur auf 181 cm geschafft habe, war ich mit 12 Jahren bereits 176 cm groß und in den 80iger waren 1,81 Meter bei einer Frau das, was heute die 1,90 Meter bei einer Frau sind. Und das macht etwas mit einem – vor allem, wenn man ein Mädchen ist.
Dabei fing das Erleben, irgendwas stimmt nicht mit einem, schon viel früher an, nämlich wenn ich als erst Dreijährige mich nicht so „erwachsen” verhalten habe, wie mein Aussehen Erwachsenen suggeriert hatte, ich mich verhalten müsste. Oder noch nicht konnte, was diese meinten, das müsste ich doch schon längst können bei meiner Größe.
Bei Kindern gilt: Körpergröße ist nicht in Relation mit dem Alter zu setzen! Ich wünschte, die meisten Erwachsenen würden das endlich verstehen!
Es war als Kind für mich wahnsinnig schwer mit dieser übergroßen Körperlichkeit klar zu kommen. Beispielsweise im Sport, wo ich einfach nicht so leistungsfähig war, wie irgendwelche Alters-Tabellen behaupteten, ich müsste das jetzt können. Kann man einfach nicht, wenn die Glieder schießen – aber die inneren Organe wie z. B. die Lunge in der Entwicklung nicht auf der gleichen Entwicklungsstufe sein können. Laufen müssen über lange Distanzen hinweg, das war für mich eine Qual. Ich war nicht faul, ich war nicht uninteressiert. Es tat mir körperlich einfach weh!
Ich bin in der Zeit vom Kind zur Jugendlichen z. B. ständig umgekippt, wenn ich etwas länger stehen musste, weil mein Kreislaufsystem überhaupt noch nicht in der Lage war, das Blut so hoch zu pumpen.
Dabei ist es gerade für ein kleines Kind sehr schwer mit so einem enormen Körperwachstum auf die Beine zu kommen. Ich habe es neulich erst bei einem unserer Nachbarkinder erleben dürfen. Der Papa ist sehr groß – und so sein kleines Mädchen von Anfang an sehr langgliederig und zierlich.
Als sie anfing ihre ersten Schritte zu tun, bekam sie (im Sommer) einen üblichen Wachstumsschub und hatte erst mal wieder Schwierigkeiten mit der Koordination. Weswegen dieser kleine Mensch für sich beschloss das Thema „Laufen können” doch noch einmal um ein paar Wochen zu vertagen. Ein sehr gesunder kindlicher Instinkt, um den eigenen Körper zu schützen. Wenngleich sie diesem Instinkt natürlich nicht bewusst folgte. Aber Kinder wissen, was sie sich zumuten können, was ihnen schwer fällt.
Leider sind dann auf der anderen Seite die Anderen, bei kleinen Kindern dann eben die Erwachsenen, die es oft nicht erwarten können, an einem Kinder herum zu kritisieren. Erwartungen an so kleine Kinder zu stellen, könnten wir das bitte generell künftig lassen? Insbesondere, wenn deren besondere Physiognomie nicht ausreichend berücksichtigt wird dabei?
Dieses groß sein – ohne groß zu sein – zieht sich bei der Körperlichkeit durch so viele Lebensbereiche. Man wird von Anfang an sortiert als etwas Besonderes. Zum Beispiel, wenn Du immer auf Klassenfotos etc. nach hinten sortiert wirst in die letzte Reihe. Du fühlst Dich aussortiert, nicht wichtig genug auch einmal vorne präsentiert werden zu dürfen. Immer wieder!
Das. tut. weh. Das tut einer Kinderseele verdammt weh!
Wenn, sobald Du einen Raum betrittst, alle Blicke sich auf Dich richten, weil Du alle anderen überragst. Das strengt wahnsinnig an, denn Du willst nicht immer der Blickpunkt in einer Situation sein. Ich habe Discotheken gehasst – denn ich tanzte immer über allen. Ich durfte nie im Mainstream der normal großen Masse versinken.
Im Ballett, wenn Du auf der Spitze stehend die Homogenität der gesamten Tanzgruppe sprengst, und Du spürst, die Ballettlehrerin hätte Dich lieber nicht so gerne dabei in der Aufführung, Dich deswegen also nach hinten sortiert in den restlichen Corps, der den Hintergrund stellt – egal, ob Dein Tanztalent durchaus präsentabel war.
Wenn Männer Dich angeifern, sobald Du den Raum betrittst und Du als Persönlichkeit, als Mensch, überhaupt nicht mehr stattfindest, weil er halt besonderen Bock hat langbeinige Frauen flachzulegen. Auch das tut weh!
Heute weiß ich die Vorteile des Großseins zu schätzen, ich habe es gelernt. Dennoch gab es viele Momente in meinem Leben in denen ich gerne mit weniger Körperlänge viel unsichtbarer hätte sein wollen und mir das auch viel besser getan hätte. Nun, dem war nicht so.
Worum ich einfach bitten wollen würde, wenn Ihr im öffentlichen Leben einer sehr großen Frau begegnet: Starrt sie nicht in Grund und Boden. Womöglich möchte sie Eure Aufmerksamkeit in diesem Moment überhaupt nicht ertragen müssen. Wenn Ihr kleine Kinder erlebt, die groß gewachsen sind, erzählt ihnen nicht, dass sie dies oder jenes doch schon können müssten. Nein, müssen sie nicht! Sie müssen das erst dann tun, wenn sie es können. Ein zu großer Körper muss dabei nicht immer hilfreich sein.
Und lest den Blogbeitrag von Janina, er ist so verdammt zutreffend!
Danke. Ich habe mich schon oft gefragt, wie es sich auf das Lebensgefühl auswirkt, wenn man besonders groß ist.
AntwortenLöschen@N. Aunyn
AntwortenLöschenEs hat viele Vorteile, durchaus. Aber gerade in jungen Jahren ist es sehr oft sehr schwierig. Und es wäre deutlich leichter, würde das soziale Umfeld einfach öfter „mitdenken”. Sich überlegen, was Aussagen anrichten können an so jungen Seelen.