Waren wir also wandern. Gestern. Der Plan für Glück und Lebensfreude befiehlt das mittlerweile und der gemeinschaftliche Deal ist, sich alle vierzehn Tage eine schöne Tour vorzunehmen. Vor zwei Wochen waren wir wieder einmal im schönen Biesenthal unterwegs, was ziemlich grandios war, denn Samstags waren außer uns kaum Leute auf den Wegen unterwegs und der Natur beim Erwachen zuzusehen, das hat immer etwas ganz besonderes.
Gestern wollten wir Richtung Potsdam über Caputh –> Ferch –> Petzow –> Werder. Knappe 30 Kilomter, anspruchsvoll – aber man kann bei Bedarf zwischenzeitlich auch immer in einen Bus einsteigen, der alle 60 Minuten fährt. So war der Plan bis der Hinweis von einem Insider kam, dass dieses Wochenende in Werder Baumblütenfest sei und … somit Werder und Umgebung generell überfüllt wohl sei, die Bahnen ebenso und nun ja, die Sache mit dem Obstwein.
Während die ersten zwei Teilnehmer auf dem Weg zum ersten Treffpunkt sich noch überlegten, ob es vielleicht sinnvoll sei die Tour dann genau anders herum zu gehen, um der abendlich alkoholisierten Volksfeststimmung in Werder zu entgehen. Denn eigentlich wäre es ja ganz lustig, das Fest zu erleben, da beide Berlinerinnen (!) es noch nie erlebt hatten. So trafen wir auf die dritte gebürtige Berlinerin, die das Fest auch noch nie besucht hatte – das ist das Problem mit diesem Baumblütenfest, ihm eilt so ein gewisser Ruf voraus – und so blieben wir bei der Idee, zuerst nach Werder zu fahren, wechselten das Gleis zum Regionalzug, warteten auf diesen Zug … und entschieden uns nicht wie die Ölsardinen in einem völlig überfüllten Zug mit teilweise schon leicht vorgeglühten Persönlichkeiten 20 Minuten nach Werder zu fahren.
Wechselten wir also noch einmal das Gleis und fuhren mit den Schönefeld-Express in die entgegengesetzte Richtung von Werder nach Rangsdorf, denn bis dahin hieß uns die DB mit unserem gelösten C-Ticket willkommen. Auf der Wanderkarte am Bahnhof entschieden wir uns für die Strecke über Mittenwalde nach Königs Wusterhausen. Irgendwas um 25 Kilometer laut Smartphone. Wir durchschritten einen Teil von Rangsdorf, wo regionale Politiker für die Europawahl werben indem sie Bürgern versprechen, sich für den dörflichen Straßenausbau stark zu machen (?). Wir erfreuten uns an vermeintlich blühenden Wiesen, …
… Strohmännern auf Bänken …
… und im Grünen wachsendem Mamorkuchen.
Zwischendurch trafen wir noch ein paar nette Hunde und einen frei laufenden Bengalen, der als seinen Buddy einen gemütlichen Rotweiler nennen durfte, der nämlich gar nicht uns böse ankläffte hinter seinem Zaun, wie wir Doofies vermeintlich zunächst annahmen, sondern lediglich seinen bildhübschen Kumpel zu sich heran wuffte. (Passender Song auf Spotify, Caught in the Act: Love is everywhere.)
Am Kiessee machten wir dann unser erstes Picknick, nicht weil wir schon sonderlich viel gelaufen wären, sondern weil wir aufgrund der Tourumstellung nun schon ein Weilchen unterwegs waren.
Wenig später führte uns unser Weg an diesen beiden freundlichen und sehr kommunikativen Wollträgern vorbei, die uns telepathisch von Frischgrasanreichung überzeugten. Sagen wir es so, die hatten mindestens so viel Spaß an den unverhofft vorbei kommenden Wanderinnen wie auch diese mit ihnen.
Wir begegneten grauer Straßeneminenz,
… feuchten Biotopen …
… ländlicher Geometrie …
hier und da einem Blümchen …
– und Rapsfeld (mit Wetter) …
… kleinen Bächen, namens Zülowgraben:
… hier und da Rehspuren …
… diversen Kranichschwärmen, Raubvögeln über uns kreisend, die wir nicht artengerecht erkennen konnten, Graureiher, Wildgänsen, Stockenten, Schwänen, Hühnern (Symbolbild!)
Rehen, Hasen, Mücken und sonstigem fliegenden Gedöns und mindestens einem echten Mistvieh, das mir in die Ferse gebissen hatte.
Einskommafünf Regenschauer durften wir auch erleben – wir Berliner wissen ja leider gar nicht mehr was das ist, hatten aber dennoch erstaunlicherweise Regenjacken, Regenmützen, einen Regenschirm und die obligatorischen Regenschutzhüllen für Rucksäcke dabei. Wir fanden das so grandios, dass wir offensiv unterhalb der Regenwolke in ihre Richtung mitliefen, sie lief uns dann aber doch irgendwann davon.
Ich benötige wasserdichte Wanderschuhe! Die Halbschuhe, die ich mir letztes Jahr im Ausverkauf kaufte, sind im nassen Gras genau nicht wasserdicht. Lernte ich gestern. Im letzten Jahr hatten wir es in Berlin mit dem Regen nicht so. Also gar nicht. Da konnte ich das nicht lernen.
Aber hey: Gras. Grünes frisches saftiges Gras. Plus Regen. Ein Duft, der wirklich Gold wert ist!
Außerdem gab es unterwegs leckere Pizzaschnecken, Franzbrötchen, Nudelsalat, Kekse, Trockenfrüchte und frisches Obst in Form von Mispeln und Äpfeln. Und wenn es das nicht gab, dann gab es tolle Aussichten, viel Natur, nette Wolkenformationen …
ein äußerst apartes Mittenwalde …
mit Pulverturm …
dem Stadttor …
… interessanten unerwarteten Wegen …
… und echtem Briefkasten-Charme.
Der ca. 7.6 Kilomater lange sehr gerade verlaufende Reit- und Wanderweg von Mittenwalde nach Königs Wusterhausen entlang dem Nottekanal war sehr schön und sehr … gerade.
Und zog sich dementsprechend. Sagen wir es so, bei ungefähr Kilometer 21 hätte unsere Tour prima für uns zu Ende sein dürfen. Der nette Brandenburger mit Pils auf dem Rad „Na Mädels, eene von Euch kann icke mitnehmen.” auf seinen Gepäckträger deutend, war uns da bei drei müden zweifüßigen Wesen auch keine echte Hilfe aber allemal eine sehr nette Pausenunterhaltung. Aber die Aussichten – vor allem bei dem sich immer leicht änderndem Wetter mit und ohne Sonnenschein, waren über die gesamte Wanderung wunderschön!
Bemerkenswert auf unserer kleinen Wanderung – oft begegneten uns bei den Einfamilienhäusern in den Gärten fröhliche Hühernhaltung. Die Brandenburger setzen dabei interessanterweise gar nicht auf Monokultur sondern bunten Rassemix: weiße Hühner mit Toupet-Frise, bildschöne Hühner mit schwarzem Federkleid und grauen Punkten, braune Hühner, fast rote Hühner, mehrfarbige Hühner. Alles schien vertreten, alle lebten sie anscheinend gemeinsam friedlich und zufrieden in ihrer Gemeinschaft (im für Hühner üblichen Patriarchat) auf der Suche nach einem fröhlichen Korn. Also auch die braunen Hühner schienen extrem unvoreingenommen integrationswillig. (Schon wieder passender Song auf Spotify, Caught in the Act: Love is everywhere.)
Könnte man darüber nachdenken … vielleicht ist unsere menschliche Komplexität, die man keinem Huhn unterstellen wollte, eher Klotz am Bein in manchen Dingen. Aber was weiß ich schon. Auf alle Fälle leben die dort sehr nett:
Irgendwann – wir glaubten schon nicht mehr daran – tauchte dann doch noch Königs Wusterhausen mit seinem verheißungsvollen Bahnhof vor uns auf.
Es kam sogar ein Zug! Und mit ihm zwanzig Minuten später dieser sehr spezielle Moment in dem man nach so einer Wanderung und Glückseligkeit beim Sitzen nach ebensolchem doch wieder aufstehen und umsteigen muss.
Ich war dann später in der Wanne lange nicht mehr so glücklich, so euphorisch.
Und so dermaßen so etwas von fertig!
Super, Sie wandern wieder. Eine sehr schöne Tour, vielen Dank fürs Mitnehmen.
AntwortenLöschen@arobretum
AntwortenLöschenJa, man muss ja ne? Die Welt ist so sehr charmant da draußen! :-)