2018-07-28

Salatkarussell

Gestern Abend klingelte … nee, ich fange anders an. Mittwoch am Morgen klingelte der DHL-Mann. Die Nachbarn, Frührentner im Haus vorne, die sich als freundliche Paketannahmestation etabliert haben in unserem Block, sind verreist und offensichtlich bin ich in einem solchen Fall seine zweite Wahl. Was okay ist. Die paar Pakete, die hier rumstehen tun mir nicht weh, ihm dafür in der Tour ganz gut und ich finde es auch viel schöner, wenn ich mein Paket am Abend beim Nachbarn abholen kann als erst auf den nächsten Tag warten zu müssen, um es drei Straßenecken weiter abholen zu können.

Mittwoch sehe ich vom Arbeitszimmer aus ihn mit einem riesigen Paket rumfahren. Irgendwann klingelt er bei mir und fragt, ob ich ein Paket annehmen würde und da er ohne das Paket erst mal die halbe Treppe hochkommt, um zu fragen, sage ich nur: „Aber nicht das riesige Ding oder?” „Doch!”

Eigentlich wollte ich zum ersten Mal nein sagen, denn ich weiß, die Familie hat eine schulpflichtige Tochter, kann also verreist sein. Ich weiß aber auch, dass der Kleine für den das Paket sehr offensichtlich ist: nämlich ein mistiges Akku-Auto zum drinnen sitzen, ist letztes Wochenende zwei Jahre alt geworden ist. Die Grillfete, Ihr erinnert Euch?

Mistig, weil der Akku-Sound dieser Dinger sehr sehr nervt, wenn die Kids stundenlang hier die Wege hoch und runter fahren. Hier hatten zwei Kinder schon diese Autos zur gleichen Zeit, wir Nachbarn waren irgendwann nicht mehr entspannt. Ich begreife eh nicht, warum man zwei- bis dreijährige Kinder noch auf dem Weg in ihr körperliches Bewusstsein in solche Teile stecken muss, die sie zur Nichtbewegung animieren? (Und sich dann Eltern wundern, warum ihre Kinder abends noch so viel Energie haben.)

Dann erinnere ich mich, dass ich vorgestern mich noch mit der Mutter unterhalten hatte als sie auf dem Weg mit ihm zum Einkaufen war, denke wie Sherlock auf naiven Abwegen, das sei ein gutes Indiz für „sie sind da”, schmiere mich prima damit an und sage ja. Dann trage ich mit dem DHL-Mann dieses riesige, wesentlich schwere Paket ins Zimmer – und wohne seitdem prima gemeinsam mit einer Hexe in der neu gegründeten WG. Ich in der Wohnung, sie in meinem Rücken.

Umgangsprachlich aber vom Herzen formuliert: Manchmal finde ich meine Gutmütigkeit selber zum kot…! Und überhaupt bin ich einfach nur total neidisch darauf, dass der Zwerg demnächst mit 'nem Geländewagen der Firma mit dem Stern rumkurvt und ich nicht. (Ich habe nicht ins Paket geguckt, das Paket protzt außen von alleine mit seinem Inhalt rum.)

Funfact: ich muss das Zimmer, in dem die Kiste jetzt steht, dieses Wochenende ausräumen, weil ich am Dienstag von einer Bekannten zwei Regale (die wenigstens halbseitig Türen haben) abholen möchte – also muss ich vorher räumen und in der Lage sein die (mit Hilfe) zu tragen! Alles zusammen mit der Hexe. Ich mag meine Nachbarn, der Zwerg ist Zucker, der DHL-Mann wirklich nett – aber im Moment bin ich leicht angefressen.

Neu bei der Hexe, normalerweise packe ich mir nachts so ein Wärmepad auf den Rücken, nehme eine Schmerztablette, denn in der Bewegung bleiben ist die halbe Miete – hilft nix. Üblicherweise habe ich immer eine Sache (sitzen, stehen, liegen), die ich nicht tun mag und eine Sache (sitzen, stehen, liegen) die der Rücken und ich hingegen sehr gut finden. Gesetze dieses Mal außer Kraft gesetzt. Es gibt nur eine Position, die ich dieses Mal sehr wertschätze: auf dem Fahrrad sitzend mit leichter nach vorne Beuge. Dieses Mal drei Wärmepads, bin bei der fünften Schmerztablette. Also etwas ätzender als übliche kleine Rücken-Wehwehchen von denen ich schon weiß, die haben ab und an was mit dem Abbau der Rückenmuskulatur zu tun. Offensichtlich bespiele ich beim Thema Rücken das nächst höhere Level.

Nun hänge ich seit zwei Jahren mit immer wechselnden wiederkehrenden Schmerzen an den Gelenken herum, aktuell seit Wochen im Daumen (keine Diagnose vom Orthopäden – nicht einmal altersbedingter Verschliess) und am Fuß (Zyste und Sehnenentzündung an alter Sehnenrissstelle von der ich bis vor zwei Wochen gar nichts wusste). Und trotzdem habe ich vor vier Wochen mich um Sport gezwungen, weil ich selber fand so geht es nicht weiter (auf mehreren Ebenen) – also rein und gegen den Schmerz. Nun ja, endete also in der Bandage. Ich fühle mich als wäre ich jetzt in diesem Kreis „dreht sich alles nur noch um die Gesundheit” älter werdender Menschen gefangen. Boah ey, wie ich es hasse!

Außerdem brauche ich dringend eine neue Matratze. Werde ich mir jetzt von den 24,34 Euro für Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände zusammen sparen. Wie den Kühlschrank. Man fällt wirklich vor Lachen kaum noch in den Schlaf.

Lange Rede, ich erzählte vorgestern einer Nachbarin (eigentlich nur in der Hoffnung, sie wüsste vielleicht wie lange die anderen Nachbarn verreist sein) von meinem Problem und sie bietet mir prompt an, mir das Paket ins andere Zimmer hinüber zu tragen. Und steht gestern Abend wirklich unaufgefordert mit ihrer kleinen süßen Tochter (diese im Elfenkostüm) vor meiner Tür und macht das einfach. Ist es nicht entzückend?

Zufällig genau in dem Moment in dem ich in meinem Mixer Eiswürfel, pürierte Erdbeeren als Eiswürfel gefroren mit Melonenwürfel, die eine Stunde im Gefrierfach lagen mit frisch ausgepresstem Limettensaft und einem Hauch Rohrzucker getan hatte und aufmixte. Was uns hervorragend schmeckte bei der Hitze! (Unbedingte Empfehlung zum nachmachen: so lecker!)

Leider genau nach dem Moment in dem Shiina gerade ihr Abendessen bekommen hatte und sie sich schon auf ihren „nach Abendessen soll man ruhen-”Schrankthron zurück gezogen hatte. Aber zweieinhalbjährige Kinder im Elfenkleid (mit Flügeln!) kann man auch stundenlang beschäftigen in dem man sie vor einen Schrank stellt von dem eine müde Katze gelassen auf das trotzdem sehr begeisterte, zappelnde, strahlende Kind hinunter blickt. Glück ist so einfach.

Und dann … aber da beginne ich noch mal wie ganz oben:

Gestern Abend klingelte ein Amazon-Bote und brachte mir diese wunderschöne Salatschleuder. Von meiner Amazon-Wunschliste. Anonym. Ein Geschenk! Ein Salatkarussell in bildschön!



Ich habe nämlich neulich meine wirklich innig geliebte, schon über 20 Jahre alte, mittlerweile hässliche aber wirklich herzlich geliebte Salatschleuder auf dem Herd stehen, der dann versehentlich die falsche Platte in Betrieb nahm, dezent zur Unbrauchbarkeit einschmelzen lassen. Und mich so geärgert. Ich mochte das Ding wirklich sehr! Eine mit Strippenmechanismus, einfach praktisch und gut, oft benutzt. Klar, es gibt ein Leben ohne Salatschleuder, habe ich nun drei Wochen lang auch wieder gemerkt, aber: es macht nicht halb soviel Salatfreude wie mit! Und nun habe ich diese wunderschöne neue Salatschleuder (mit Strippenmechanismus). Die hat zwar unten auch eine Gummierung für den Stand. Aber selbst würde mir da das gleiche Missgeschick noch einmal passieren, bliebe die schöne Schüssel übrig – die eine sehr schöne Salatschüssel mit Deckel gleichfalls ist. (Ja, der Fotounter- und hintergrund birgt durchaus ein kleines Anzeichen von fröhlichem Wahnsinn. Keine Sorge, das passiert mir nie wieder.)

Manchmal beginnen Tage ganz oll wehleidig, doof selbstmitleidend und enden sehr schön! Weil die Welt voller schöner Menschen ist. Und weil ich mir nun – wenn es wieder Geld gibt – keine Salatschleuder mehr selber kaufen muss, kann ich dafür diesem Hospiz in Berlin einen Ventilator spenden. Weil ich aus einer Quelle weiß, dass die Klienten dort in ihrem Prozess des Gehens gerade bei der Hitze – weil deren Station unterm Dach liegt - wegschmelzen und sie Ventilatoren wirklich gebrauchen können. Das Hospiz-Budget sieht so etwas leider nicht vor. Klimaanlage ist nicht. 15 Einzelzimmer brauchen etwas Kühlung.

Dankeschön an die Nachbarin, der schenkenden Person, dieses Leben!

2 Kommentare:

  1. ein Schritt zurück, einer vor und trotzdem ein aufmunterndes Lächeln. Danke.

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  2. Und sofort denkst Du wieder an Andere! Ich war mir sicher,dieses Geschenk ist für Dich ein kleines Glück.
    Liebe Grüße aus Leipzig.
    R.

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Fröhlich sein, freundlich bleiben und bitte immer gesund wieder kommen!