2018-07-04

Das Omen

Das ehemalige Nachbarbaby L., das letztes Jahr noch im Mutterbauch hier ins Haus eingezogen war, wurde vergangene Woche auch schon ein Jahr alt und ist nun kein Baby mehr.

Gestern stehe ich mit den beiden Nachbargeschwistern E. und E. vor unseren Balkonen, ich sprenge die Blumen und die Kinder, als sich vom Balkon vom Nachbarskind L. der schöne mit Helium gefüllt Geburtstagsballon auf den Weg in die freie Welt macht – er steigt so schnell nach oben, dass ich ihn nicht mehr greifen kann. Der Nachbar auf dem darüber liegenden Balkon, wo der Ballon kurz Zwischenstation macht, hört uns nicht. Und so stellt sich dem ummantelten Gas nichts mehr in den Weg bei seinem Drang in seine Freiheit.

Zwei Erwachsene und zwei Kinder gucken dem Ballon mit gemischten Gefühlen hinterher. Nachbarmädchen E. (2 J.) – gerade fürchterlich vom Penisneid auf den Bruder geplant (und auf die damit ihm gelieferte „Pipi”-Variation) klärt mit einem Blick unter meinen Rock, dass ich auch nur ein Mädchen bin. Nach Feststellung dieser Tatsache freuen uns über die Eichhörnchen mit Baby, die in den Bäumen vor unserem Haus herumtollen und füttern sie mit den Pfirsich- und Birnenstückchen, die kurz zuvor Nachbarkind L. herunter gefallen sind. Ich lerne, dass Eichhörnchen auf Türkisch Sincap heißen. Mein Nachbar von gegenüber kommt auf dem Rad daher und erzählt, er hätte gedacht, dass Eichhörnchen anders heißen, nennt ein Wort (an das ich mich nicht mehr erinnere). Die Mama von E. und E. erklärt uns, dass man so in der Türkei gerne kleine Tiere nennt, das aber eigentlich Inci – Perle – bedeutet. Der Nachbar erzählt von einem Lied in dem dieses Wort vorkam, das – als er vor vielen Jahren in der Türkei urlaubte – ein Hit war und fängt an das Lied zu singen und zu tanzen. Die Kinder sind begeistert, wir auch. Die Nachbarin freut sich, dass sich jemand nach so langer Zeit an dieses Lied erinnert. Wir alle freuen uns, wussten wir noch gar nicht, dass unser Nachbar ein so prima Tanzbär ist.

Nachbarkind L. kommt auf den Balkon auf dem Arm ihrer Mama, weil gesungen wird und wir erzählen ihnen von dem Ballonverlust. Die Mama ist ratlos, denn der Balkon befand sich im Kinderzimmer – er muss also von dort sich den Weg in das Wohnzimmer zur Balkontür in die Freiheit regelrecht gesucht haben. Einen sehr klugen Ballon hatte die L. da, erklären wir ihr. Ihr ist ihr Ballon ziemlich egal – die Eichhörnchen sind interessanter. Die scheinen ganz zufrieden, weil satt von den Früchten. Und die Amseln freuen sich wie jeden Abend über meinen nassen Rasen, der den Regenwürmern suggeriert, es hätte geregnet.

Später klingelt der Nachbar noch einmal an meiner Tür. Seine Frau, meine Freundin, wurde gestern operiert – nachdem die im letzten Jahr gründlich verdorbene Operation (Harnplastik) zurück gebaut wurde, und sie lange leiden musste mit dem Status der Rückheilung, ein neuer Versuch in einem anderen Krankenhaus. Sieben Stunden dauerte die OP. Die Ärzte sind zufrieden, ich wünsche ihr so sehr, dass sie es auch sein kann.

Ein neues Leben, nicht mehr alle Unternehmungen darauf tackten, dass man alle 60 Minuten eine Toilette benötigt. Aber mit so einem frei fliegenden Ballon … ein Zeichen!

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