Frank Zander ist nicht nur Schlagersänger, Komiker, ein begnadeter und dabei durchaus hurmorvoller Maler – es ist auch ein durch und durch guter Mensch. Dieser Mann, ein Berliner Urgestein (Neuköllner), wird heute 75 Jahre alt.
Zeit ein paar Geständnisse bzw. Erlebnisse zu teilen, die mich mit ihm verbinden.
Frank Zander brachte im Jahr 1969 eine Single heraus, namens „Der Ur-Ur-Enkel von Frankenstein”. Das war die erste Single, die ich mir damals als noch richtig kleines Kind (fünf Jahre) als Single wünschte. Ich habe sie übrigens noch heute. Ich fand das Lied toll und auch sehr gruselig gleichzeitig. Gruselig weil mich der Ausklang, wenn durch das Verschwinden der (damals sprachen wir nur von Batterien) Batterieladung die Stimme Frankensteins Ur-Ur-Enkel blechern klang bis sie ganz versagte, dieses Elektrisieren seiner Stimme mir regelrecht körperliche Schmerzen bereitete. Daher stoppte ich gerne den Plattenspieler vor dem Ende, ich kann das heute noch nicht gut hören.
(So geht es mir übrigens auch mit Kraftwerk. Ich fand die von der ersten Minute an toll, also deren Musik, den Habitus. Die Roboterstimmen kann ich manchmal heute noch sehr schlecht ertragen, früher konnte ich es gar nicht.)
Das Lied, die Musik vom „Ur-Ur-Enkel von Frankenstein” fand ich aber sonst witzig und toll. Ebenso seine dazugehörigen Auftritte im übersichtlichen Musikprogrammen der Öffentlich Rechtlichen Sender. (Es gibt damals davon keine Videos, liebe Kinder. Abba gewannen erst in diesem Jahr den Grand Prix und die erfanden bekanntermaßen später so etwas wie das Musikvideo. Die mittlerweile verfügbaren Aufzeichnungen sind späteren Datums, Zander hatte den Song von ein paar Jahren nochmals neu veröffentlicht.)
Frank Zander hatte das große Talent – für mein Empfinden als Kind – sich sehr gruselig zu verkleiden und zu benehmen und trotzdem immer etwas Gutes durchscheinen zu lassen, vor dem man sich genau nicht fürchten musste. Also: alles nicht so schlimm, wie es zunächst aussieht. Das ist womöglich das besondere Talent von ihm: er bietet uns immer etwas an, sendet dennoch gleichzeitig die Signale, dass man ihn nie all zu ernst nehmen sollte.
Interessanterweise hatten wir im letzten Jahr am Heiligabend einen Moment in dem wir uns unsere ersten Lieblingslieder bzw. Platten gestanden in fröhlicher Runde, was insofern viel Spaß machte, denn wir konnte uns die Lieder alle auf YouTube gleich anhören. Da wurde mir bewusst – auch durch den Zuspruch der anderen – dass das Lied schon damals erstaunlich modern und seiner Zeit sehr weit voraus war. Wenn Frank Zander sagt, das sei eigentlich der allererste deutschsprachige Rap überhaupt gewesen – dann ist das so verkehrt nicht.
O-Ton Frank Zander: „Der erste echte Rap und zugleich mein erster Nummer 1 Hit, allerdings nicht in Deutschland, sondern in Österreich, dort liebten sie den schwarzen Humor. Für den Rhythmus habe ich mit dem Fuß auf meinen alten Holzboden getreten und der Impuls zweier Bananenstecker musste für die Snaredrum herhalten. Klingt irgendwie irre -- war es auch! Noch zur heutigen Zeit klopft man mir in Österreich auf die Schulter und sagt „Jo Zander, mir ha'm dir net vergessen!" Der Ur-Ur-Enkel wirkt doch sehr nachhaltig.”
Der Groove vom Song ist erstaunlich modern, heute noch.
Jahre später, ich war in der Oberstufe und verdiente mir mein Geld als Gardrobiere im ICC sowie im Konzertsaal vom (damaligen) Sender Freies Berlin (SFB), hatte ich einen Job als Schließerin bei einer Live-Radio-Sendung beim SFB. Diese Sendung fand in einem kleineren Sendesaal mit Bestuhlung statt – gibt es das heute eigentlich überhaupt noch? Diverse Schlagersänger durften dort ihr Playback singen und kurz etwas ins Mikro sagen. Daran nahmen teil Drafi Deutscher (der damals mit dem Revival von „Marmor, Stein und Eisen bricht” gerade wieder kurz hoch poppte am Schlagerhimmel) mit sehr sehr sehr junger Freundin, Jürgen Marcus mit seinem Manager-Freund und eben Frank Zander.
Besucher dieser Veranstaltung waren Berliner Menschen, die schon so sehr Fan sein mussten, dass sie überhaupt mitbekommen hatten, das so eine sehr schräge Sendung produziert wurde. Eine recht große Gruppe bestand aus Menschen mit geistigen Behinderungen mit ihren Betreuern, die schlicht und einfach Fans waren. Glückliche Fans. Das alles war keine große Sache, lass es mit uns Beschäftigten, Gästen und Künstlern insgesamt 80-100 Leute gewesen sein. Wirklich überschaubar.
Als Schließerin ist es Aufgabe die ganze Zeit vor der Sendung freundlich guckend herum zu stehen an den Türen, den Gästen die Sitzplätze zu zeigen {wenn die Karten nummeriert verkauft wurden), ggf. Progammhefte zu verkaufen und nach dem dritten Gong, wer wäre jetzt darauf gekommen, die Türen zu schließen. Und diese zu bewachen, damit – vor allem bei Klassikkonzerten oder Radioaufnahmen – nicht störende Zuspätkommer das Event etwa vor dem ersten Applaus stören. So hatte ich also Zeit diese Veranstaltung im Vorfeld genau zu beobachten, so etwas wie Maske gab es nicht, denn wenngleich die Künstler zwar von ihren Fans gesehen wurden, gab es keine Aufzeichnung der Television. Die kamen also, bekamen etwas zu trinken, deren begleitendes Manager-Personal drehte ein bisschen übertrieben aufgescheucht am Rad (vorrangig das von Drafi Deutscher), der Rest war im Grunde ein Meet & Greet. Man trifft sich, versichert sich seiner gegenseitigen Zuneigung und unterschreibt Platten, Hefte bzw. verteilt Autogrammkarten.
Für die Stars sicher Business as usual. Für die Fans etwas deren Leben Bewegendes.
Und hier genau trennte sich die Spreu vom Weizen: während Drafi Deutscher, so muss man es sagen, sich wirklich wie ein arroganter Arsch verhielt und sich vor allem von den Menschen mit den Behinderungen regelrecht angewidert abwandte und dann zurück zog, den Fans vielleicht fünf Minuten Zeit gönnte, stand Jürgen Marcus nett, ganz bescheiden herum und tat das, was seine Fans sich von ihm wünschten. Zog sich später in eine Ecke zurück mit seinem Freund, nachdem er diesen Teil erledigt hatte (er war zu der Zeit nicht mehr ganz Top of the Pop, meine ich zu erinnern), war zurückhaltend aber durchaus zugewandt.
Frank Zander aber betrat den Gang vor dem Raum, begrüßte alle Menschen sehr herzlich, ließ sich das Aufzeichnungsprozedere erklären und widmete sich ab dem Moment mit einer Hingabe, Freundlichkeit und Zuwendung jedem einzelnen dieser Menschen, die ihm einmal nahe sein wollten, ließ sie nicht eine Sekunde spüren, sie wären nicht weniger besonders als er und ließ jeden der Anwesenden sich wie ein kleiner König sich fühlen – und hatte bis heute durch seinen menschlichen Habitus mein Herz gewonnen. Ich hatte nämlich gesehen, was er mit diesem Verhalten bei all diesen Menschen bewirkte, nachhaltig. Man musste ihn zu Beginn der Sendung regelrecht von den Fans wegziehen. Es war … er war eben besonders!
Das muss Anfang der Achtziger Jahre gewesen sein. Mich hatte damals Frank Zander (dessen Musik ich ehrlich gesagt in den letzten Jahren eher weniger wahrgenommen hatte, mein Geschmack hatte sich doch ein bisschen geändert über die Jahre Zeit) so nachhaltig beeindruckt, dass ich heute noch gelegentlich feuchte Augen bekomme, denke ich an diese Szene. Ihn zu erleben und die Freude dieser Menschen, war ein kleines mich mein Leben begleitendes Geschenk.
Meine Nachbarn gehen öfter hier in Kreuzberg in einer Kneipe etwas trinken, wo Frank Zander immer noch gern gesehener Stammgast ist und erzählen ab und an davon – ooch janz glücklich! Ich habe ihn noch nie dort getroffen. Freue mich aber jedes Jahr darüber, wenn es zur Weihnachtszeit wieder von ihm und durch ihn Gänse gibt für Menschen, die sonst nicht viel haben, dass es ihm gut geht und bewundere seine Arbeit und Leidenschaft. Dass er nun auch schon 75 Jahre alt ist – hat mich heute doch etwas erschrocken. Kann eigentlich nicht sein, das war doch alles erst gestern?
Hoffentlich kann uns Frank Zander noch viele, viele Jahre mit seiner Fröhlichkeit, Menschlichkeit, Optimismus und Weitsichtigkeit anstecken!
Tolle Erinnerung an den Zander! Bei uns lief er auch, außer vielem anderen auch die Insterburgs. Auch damals gab es wirklich tolle Musiker, die man auch heute noch gut hören kann (nich die Schlager, bitte, bitte, nich mit die Schlagas hauen ...). Auch und gerade von der Ösi-Seite her, musste ich grad dran denken, als Du das Momenterl oben erwähntest.
AntwortenLöschenHerzliche Dir und schönes Wochenende,
Ev
Jedes Jahr lese ich in der Adventszeit im "Tagesspiegel" von dem großen Weihnachtsessen für Obdachlose, dass Frank Zander ausrichtet. Er serviert dort auch höchstpersönlich Speisen und Getränke.
AntwortenLöschen- s (das Frank Zander ausrichtet, muss es heißen).
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