2012-09-09

Manchmal macht Internet einfach Hals.

Bei mir. Seit gestern. Thema: Bettina Wulff. Frau Wulff wurde, als es ihrem Mann aufgrund seiner Verfehlungen an den Kragen ging, in einer widerlichen Art und Weise – wie man heute weiß – von Parteifreunden ihres Mannes denunziert, nämlich dergestalt, wie man Frauen seit Jahrhunderten am besten in der Außenwelt schädigen kann: man stempelt sie als öffentliche Dame a. D. ab.

Das Verhalten wirft drei massive Tendenzen auf, die kaum noch zu ertragen sind. Die öffentliche Demütigung und Schädigung einer Frau, weil man ihrem Mann schaden wollte. Diese Frau – so wenig ich CDU- noch Wulff-Fan bin, ganz im Gegenteil – das muss ich ihr zugestehen, hat letztendlich ihre Sache als sogenannte First Lady ziemlich gut gemacht. Sie ist vergleichsweise jung in eine Aufgabe gekommen, in die sie nie gewählt wurde. Was viele der Klugscheisser akut vergessen, die die Verfehlungen von Wulff auch ihr in die Schuhe schieben wollen: Frau Wulff war politisch nicht aktiv, noch Ministerpräsidentin, noch Bundespräsidentin, sie ist lediglich die Ehefrau des höchsten Staatsoberhauptes a. D. unseres Landes und ist somit in eine Funktion gehoben worden, die die Berufswahl ihres Mann ihr zwangsläufig auferlegt hat. Diese Aufgabe hat sie angenommen gut und würdevoll erledigt. Und nein, wer glaubt, das sei ein toller Job und die Erfüllung eines weiblichen Berufslebens in netten Kostümchen Staatsbesuchern die Hand zu reichen und immer nett gestimmt zu sein, soll weiter an Märchen glauben. So kann man das natürlich emanzipatorisch hinterfragen, es ist aber immer Privatsache von ihr. Sie in die ganze Kampagne einzubeziehen, unfair, denn letztendlich ist es auch mit Job einer Ehefrau des Bundespräsidenten gegeben ausdrücklich die Klappe zu halten, sie konnte sich nicht einmal wehren in dieser damaligen besonderen Krisensituation. Wir sollten generell das Wort „Freund” aus dem Begriff „Parteifreund” entfernen.

Die andere Tendenz ist der Beweis aus diesem Vorgehen, wie sehr weit weg doch die Mitglieder der CDU (natürlich auch CSU) vom heutigen Leben und Gesetzesumfeld denken und handeln. Prostitution gilt seit Jahren in diesem Land als legal. Wenn Frauen, die dieser Tätigkeit nachgehen oder nachgegangen sind, von Politikern immer noch dergestalt vorgeführt werden, als würden sie sich einer Verfehlung strafbar machen, dann stimmt etwas ganz massiv nicht in den Hirnen dieser „Staatsträger”. Ich hoffe sehr, dass auch die zweibeinigen Dinosaurier in dieser Welt endlich aussterben mögen. Vielleicht sollten aber auch nur mal alle öffentlichen Damen die zu ihnen und bei ihnen kommenden Politiker öffentlich machen. Dann hätte wenigstens diese Art der Verlogenheit ein praktisches Ende.

Eine dritte Tendenz, vermutlich die traurigste in der ganzen Sache: Journalisten, auch solcher von bis dato als halbwegs gründlichen Journalismus bietenden Medien, haben diese Vorwürfe nachgeplappert ohne auch nur halbwegs ordnungsgemäß zu recherchieren und zu hinterfragen. Die schreibende Meute ist blind vor Bluteifer in der Masse mit gerannt und hat die Beute in aller Öffentlichkeit zerfleischen wollen. Bewusst, gewollt. Alle journalistischen Regeln über Bord werfend. Frau Wulff zwei Kinder. Zwei schützenswerte ahnungslose Kinder, diese hat die deutsche Journaille gerne gleich auch geopfert. Übrigens: die gleiche Journaille, die heute weiß, welche Parteifreunde sich für die Gerüchte verantwortlich zeigen, nennen deren Namen natürlich nicht. Selbst die FDP-Politikerin, die dergleichen Vorwürfe in ihrem Blog kommunizierte, muss sich einer öffentlichen Gegenüberstellung nicht sorgen!

Frau Wulf geht nun gegen diese Behauptungen juristisch vor. Daher glaubt das halbe Internet sie weiterhin brüskieren zu dürfen. Das macht mich unglaublich wütend. Juristisch interessant ist dabei ihr Vorgehen gegen Google. Gestern stehe ich im Supermarkt an der Kasse und ein junges Paar, ca. Anfang 20, thematisiert hinter mir die eingereichte Klage von Frau Wulff. Sie erklärt ihm den Sachverhalt bezüglich Google mit der nun immer automatischen Verknüpfung ihres Namens mit den bekannten Begriffen des horizontalen Gewerbes. Er zuckt nur die Schulter und meint (wir kennen das: Google hat 125.998 Treffer, als wird es schon stimmen!) „Na, das wird dann wohl doch auch seine Richtigkeit haben!”

Hat es eben nicht. Mittlerweile hat man nämlich dann doch in den geneigten Fachkreisen recherchiert und musste feststellen, die damals geäußerten Aussagen hinsichtlich Frau Wulffs' angeblicher beruflicher Vergangenheit berühren in keiner Weise die Realität.

Natürlich kann Frau Wulff bei alldem kaum noch gewinnen. Das beweist das kleine eben von mir geschilderte Supermarkthistörchen. Frau Wulff reicht die Klage pünktlich zum Erscheinen ihres literarischen Werkes ein und man beschuldigt sie, dies nur zu Werbezwecken zu tun. Was übrigens völlig legitim wäre, auch Frau Wulff hat als ehemalige First Lady sehr wohl das Recht die üblichen Gesetze hiesiger Marktwirtschaft anzuwenden. Vielleicht aber nutzt sie auch nur die mediale Aufmerksamkeit, der sich gerade sehr blind ihre ehemaligen Feinde, heute wieder Pseudofreunde, bedienen, um darauf hinzuweisen, in welcher Art und Weise ihr Unrecht geschehen ist. Klar, wer letzte Woche noch schön von ihrem Buch schwärmte, muss diese Woche auch über die Klage zwangsläufig schreiben. Sie ist Journalistin, sie kennt diese Regeln. Sie hat auch alles Recht der Welt sich nun dieser Regeln zu bedienen. Im übrigen bin ich mir sicher, dass eine Klage gegen Google vorzubereiten, ein juristischer Akt ist, der sehr gut und genau vorbereitet sein will und somit ausreichend Zeit beansprucht. Auch dazu hat sie mit ihren Anwälten das Recht. Es ist ein kluges Vorgehen dies besonnen anzugehen.

Derzeit stehen die Chancen gut, dass ihre Klage gegen Google vor Gericht nicht erfolgreich beschieden werden dürfte. Präzedenzfälle der Vergangenheit lassen dies vermuten. Sollte sie trotzdem gewinnen, wird sie dennoch nicht gewinnen können. Denn man wird Justitia in ihrem besonderen Fall die juristische Unabhängigkeit absprechen.

Der Punkt hierbei ist aber: wann immer die Kinder von Frau Wulff ihren Namen googlen werden, wird er ihnen gegenüber unsachgemäß mit einer Berufung präsentiert, der sie nicht gefolgt ist. Dabei ist egal, welcher Berufung. Es ist nun erwiesen die Unwahrheit. Frau Wulff muss sich ein Leben lang erklären. Alleine deswegen wünsche ich Frau Wulff hier einen Rechtsspruch zu ihren Gunsten.

Man hat ihr massiv geschadet. Mit den ältesten unfairen Mitteln der Welt, die leider auch heutzutage in unserer Gesellschaft nur allzu gut noch funktionieren. Wer das lustig findet und zudem Schwanzträger ist (meinem nichtrepräsentativen Gefühl nach reißen gerade hauptsächlich Männer in den sozialen Werken diese Witze, muss historisch bedingt sein), sollte sich mal überlegen, wie er sich fühlen würde, wenn das mit seiner Mutter, Schwester, Frau, Freundin geschähe. Nein, das ist nicht lustig!

Bester Artikel dazu im Web von Michaelis Pantlouris. Lesempfehlung.

Interessant ist dieser Artikel, denn Google kann offensichtlich auf Lobbyzuruf die Schlagwortvariablen ändern.

4 Kommentare:

  1. sehr schön, danke.

    manche vertreter der journaille sind ja mehr vertreter der abteilung karnaille, von sowas wie journalistischem ehrenkodex haben die noch nie was gehört. mag auch damit zu tun haben dass heute jeder depp irgendwas von sich geben kann und kaum findet eine suchmaschine den stuss, dann ist es wahr. die daraus entstehende eigendynamik bei rufmörderischen aktionen kann man sich dann vorstellen.

    aus prinzip hab ich das ganze gegeifere ja nicht verfolgt, eben weil: es ist völlig irrelevant. was auch immer jemand vor zehn oder zwanzig jahren gemacht hat, sei es nun beruflich oder privat, hat meist auch positiven einfluss auf das, was er zum gegenwärtigen zeitpunkt macht, denn je verschiedener die erfahrungen, desto grösser die toleranz und verständnisbereitschaft.

    persönlich kenne ich ein paar "fälle" von frauen, die tatsächlich dem frau wulff unterstellten gewerbe nachgegangen sind. sie haben nach etlichen jahren der einen tätigkeit eine andere gewählt - dazu gehört im übrigen sehr viel mut, kraft, bildung und sehr viel wissen über eine anzahl von, sagen wir einmal, verfehlungen anderer - man könnte es auch mut zur erpressung nennen. so what? diese frauen haben es zu anerkannten persönlichkeiten des öffentlichen lebens gebracht, waren hoch angesehen, untadelig in ihrem geschäftsgebaren, hervorragende ehefrauen und ebensolche mütter, angenehme gesellschafterinnen, hut ab und chapeau. aber das waren noch andere zeiten.

    nebstbei hab ich auch schon sogenannte "professionelle" kennengelernt, die warem mit dem arsch anständigere menschen als viele, sagen wir einmal "andere" mit dem gesicht. man muss nur die bereitschaft haben auch zu ungewöhnlichen zeiten an ungewöhnlichen orten den menschen zuzuhören. das hilft ganz ungemein bei der akzeptanz, kann ich versichern.

    manchmal denke ich, man sollte in solchen fällen gar nicht klagen, sondern mit gleichen mitteln zurückschlagen können. dann würden sich derartige auswüchse sehr schnell erledigt haben. wer frei von schuld, der werfe den ersten stein - wetten, dass?

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  2. @kelef
    Meinem Gefühl nach seid Ihr in Österreich in dem Punkt Akzeptanz von Prostituierten in der Gesellschaft auch in der oberen deutlich weiter als wir hier in Deutschland. Das nur am Rande.

    Es ist eine seit Jahrhunderten praktizierter sehr stark nachgefragte Berufung, die sehr viel Qualität von den Ausübenden abverlangt. Es ist eine Schande, dass in der heutigen Gesellschaft noch auf die Frauen (und Männer) mit dem Finger gezeigt wird oder man mit einem „sie/er war es” nach wie vor schädigen kann. Vor allem Politiker, die sich dem strafbar machen, sollten direkt vom Hof gejagt werden.

    Und ja, natürlich würde die Tatsache man würde die Freier öffentlich machen der ganzen Sache in der gesellschaftlichen Akzeptanz einen deutlichen Schub bringen. Was den Arbeiter/innen zugute käme.

    Bei Wulf ist es ja noch etwas anderes: jung, blond, studiert, allein erziehend, unverheiratet bis sie Wulff traf. Dann auch noch Ehebrecherin. Logisch, das sie auf den Strich gegangen sein muss und vermutlich auch „wild” gefeiert haben muss. Die Hirne der alten Herren sind so vertrocknet, das es nur so laut bröselt …

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  3. ja. allerdings muss ich sie korrigieren: das sind keine alten herren, das sind moralisch tieffliegende y-chromosomenträger, welchen alters auch immer. und weder herren noch männer.

    im übrigen meinte ich mir dreck am stecken nicht nur die freier, sondern ganz überhaupt: wer so laut schreit sollte sich ganz, ganz sicher sein können dass er selber nie und nimmer nix diskutables nicht getan hat. und, seien wir einmal ehrlich: wer von uns kann das schon?

    und wo ist der unterschied zwischen den sogenannten prostituierten, die eben für diese-und-jene-Leistung eine vorab vereinbarte summe nehmen, und den lieben, anständigen ehefrauen die einem mann ein kind unterjubeln (vielfach auch noch in form eines kuckuckskindes) und sich dann ein leben lang auf dieser tatsache ausruhen, soll heissen: ernähren, kleiden, etc. lassen, wenn es leicht geht noch den titel mitführen (wie würde manche trulla sonst zur "frau doktor"?), und so weiter und so fort. und wenn der mann dann irgendwann einmal nicht mehr kann und davonläuft, dann kriegt die arme, verlassene ehefrau das haus, das auto und eine lebenslange apanage, weil sie ja wegen des kindes aufgehört hat ihrer berufung als regaleinräumerin, kassiererin oder tippse nachzugehen. und eine psychisch schwer verletzte "frau doktor" kann ja nicht arbeiten gehen, wie sähe denn das aus. schlimmstenfalls kann sich der mann dann gar nicht scheiden lassen, weil er sonst ruiniert wäre, dann leidet er eben bis zum bitteren ende.

    ach ja. file under: geschichten die das leben schreibt. ich denke, wir kennen alle ein paar exemplare dieser liebenswerten spezies.

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  4. Vorgestern habe ich die taz für ihre Schlagzeile geliebt:
    Wulffs peinliches Vorleben enthüllt

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Fröhlich sein, freundlich bleiben und bitte immer gesund wieder kommen!