2010-12-14

Meine Meinung zum Afghanistanbesuch von Stephanie von und zu Guttenberg

Bei aller Kritik, die ich an der Person von Stephanie von und zu Guttenberg hinsichtlich ihres merkwürdigen medialen Aktionismus für die Organisation „Innocence in Danger“ vorzubringen habe, kann ich die vorherrschende Kritik anlässlich ihres gemeinsamen Besuches mit ihrem Mann, dem Außenminister, in Afghanistan nicht so ganz teilen.

Selbstverständlich ist dieser Besuch Teil der Image-Strategie der von und zu Guttenbergs, die existent ist und zwar so dermaßen offensichtlich existent, wie bei keinem anderen deutschen Politiker jemals zuvor. Das ist die neue Generation von Politikern. Hier kommt das Selbstverständnis von Menschen zusammen, die mit einer Portion Glück ins Leben geworfen wurden, wie sie anderen oft nicht zuteil wird. Dafür können die von und zu Guttenbergs nichts. Sie haben die Ausbildungen genossen, die ihnen finanziell ermöglicht werden konnte. Sie sind clever genug – und sicherlich auch engagiert genug – daraus für sich und ihr Lebensmodell das Beste zu machen. Das ist legitim. Es ist etwas, was wir jedem anderen Menschen in anderen Berufen ebenso zugestehen.

Letztendlich ist alles, was von und zu Guttenberg macht für ein Exemplar einer im Vergleich jungen Politikergeneration, völlig am aktuellen Zahn der Zeit orientiert. Von Guttenberg ist im Vergleich zu seinen Kollegen nicht herausragend talentiert, noch besonders schlau. Er hat einfach nur kapiert, dass in der Weltpolitik heute etwas mehr dazu gehört als einen grauen Anzug zu tragen und verkniffen betroffen zu gucken. Kann man ihm verdenken, dass er sein vorhandenes Kapital einsetzt, um seine Strategie zu seinen politischen Gunsten voranzutreiben? Eher nein.

Er lebt das amerikanische Modell. Und weil wir alles oberflächlich kritisieren, was die Amerikaner machen, um es hintenrum doch immer wieder dumm schnell zu adoptieren, hat er damit großen Erfolg und ja, er wird diesen auch weiterhin haben. Ist dieser Erfolg hart erarbeitet oder nur teuer bezahlt? Vermutlich beides. Wäre von und zu Guttenberg der Sohn einer allein erziehenden Mutter gewesen, hätte er sich neben seinem Studium seine Lebensexistenz hart erarbeiten müssen, hätte er kein Geld, um sich exzellente Webpräsentationen u.v.m. vom eigenen Geld zu finanzieren, hätte er nicht schon sehr früh überall perfekt im Anzug geschniegelt auftreten können – sich also „einzukaufen“ können, wofür andere hart und lange arbeiten müssen – wäre er heute längst noch nicht dort, wo er gerade steht. Aber er wäre irgendwann dort hin gekommen, keine Frage. Heute gilt eben: Bildung ist auch nett – nur Image ist alles! Und darin ist Theodor von und zu Guttenberg Meister.

Perfekt nahezu sein Glück in seiner Ehefrau eine Gleichgesinnte gefunden zu haben. Auch das ist per se nicht verkehrt. Im Gegenteil, das ist jedem Mann (dto. umgekehrt) zu wünschen. Kann einem unangenehm aufstoßen, dass die Frau sich selber engagiert? Nicht nur in Ehrenämtern, vielleicht sogar selbst politisch? Nein. Wir leben im Jahr 2010. Es ist heute absolut Usus, dass Frauen nicht zu Hause bleiben und sich um Haushalt und Kinder zu kümmern haben. Dass sie sich politisch engagieren, dass sie ihre eigene politische Ideologie vertreten und selber entscheiden, was sie tun und was sie nicht tun. Somit sind es auch ihre eigenen Entscheidungen, inwieweit sie ihre Lebenspartner beruflich unterstützen. Man kann Stephanie von und zu Guttenberg nicht vorwerfen, dass sie das tut. Man könnte natürlich – und das wird ausführlich getan und kritisiert – zu Recht darüber reden, wie sie das gelegentlich tut.

Eine kluge moderne Frau 2010 hat viele Interessen, auch an dem Beruf ihres Mannes (dto. umgekehrt), das sind die Vorzüge, die uns die gesellschaftliche Evolution gebracht haben. Wir denken frei, wir gestalten unser gemeinsames Leben und natürlich haben wir gelegentlich auch intensives Interesse am Alltag unseres Lebenspartners. Insbesondere dann, wenn dieser Alltag keiner ist, den man so eben um 17:00 Uhr mit der Stempelkarte intellektuell und emotional am Ausgang abgibt. Nach Afghanistan fliegt auch ein Verteidigungsminister nicht mal eben, ohne nicht emotional tief betroffen zu sein von dem, was er dort sieht, hört, riecht und erlebt. Dass er sich gelegentlich bei diesem Job Unterstützung seiner Lebenspartnerin wünscht, ist legitim. Dass ihm diese Unterstützung seine Lebenspartnerin gewährt, auch vor Ort – natürlich, weil sie sich das finanziell leisten können – ist ebenso legitim. Für die Ehe zu der sie sich gemeinschaftlich entschlossen haben, wird das tatsächlich ein Zugewinn sein. Der ist immens groß, wenn der Lebenspartner mitfühlen kann, weil er miterlebt hat. Darin unterscheiden sich die von und zu Guttenbergs von keinem anderen Ehepaar. Und ja, ich an ihrer Stelle wäre dorthin auch gegangen. Alleine aus dem puren Egoismus heraus für meine eigene Entwicklung, einmal Kriegsschauplatz erlebt zu haben.

Im Grunde erwarten wir sehr wohl von den Lebenspartnern unserer Politiker, dass sie bei offiziellen Anlässen an deren Seite stehen. Wir gucken immer interessiert, ob der Ehemann der Kanzlerin sich nicht doch mal die Ehre gibt. Und gönnen – auch vor der offiziell geschlossenen Lebensgemeinschaft – uns wohlwollend einen schwulen liierten Außenminister. Gleichwohl respektieren wir aber, wenn sich die Lebenspartner der Staatsdiener dem entsagen. Das ist Demokratie! Gelebte moderne Demokratie! Die von und zu Guttenbergs haben für sich entschieden, ihren Weg gemeinsam zu gehen. Ich glaube persönlich, anders hätte eine Ehe mit einem Politiker auch keine Chance in der heutigen Zeit. Ich werden den privaten von zu Guttenbergs nicht vorhalten, dass sie diesen Weg für sich wählen und gehen. Sofern sie das finanziell sauber gestalten – und das tun die, ein von und zu Guttenberg ist zu clever, um über solche Lappalien zu stürzen – ist es deren legitime Auffassung von einem gemeinsamen Lebensmodell Arbeitsalltag und gemeinsames Leben zu teilen. Ich werde auch einem Verteidigungsminister nicht vorwerfen, dass er seinen Job dazu benutzt, um sich medial zu profilieren, um sich für spätere Aufgaben zu empfehlen. Ist da Imagepflege dabei? Klar. Die von zu Guttenbergs können nicht anders. Das ist ein Habitus, der Blaublütern schon im Mutterleib durch die Nabelschnur in die Venen geschossen wurde.

Persönlich ist mir die glatte Fassade der von und zu Guttenbergs zuwider. Alleine die Vorstellung, diese beiden Menschen werden mein politisches Erleben noch lange begleiten, sorgt mich immens. Aber sie sind eben auch schlichte Kinder ihrer Zeit und Umwelt und das was sie tun, um ihren Weg zu gehen, tun sie erstaunlich gut. Man kann ihnen wahrlich nicht vorwerfen oder absprechen, dass sie Lebensziele haben und alles gemeinsam tun, um diese Ziele zu erreichen.

Vielleicht aber schießt sich von und zu Guttenberg genau damit dennoch irgendwann selbst ins Aus. Man wirft ihm vor, wenig inhaltlich Konkretes zu bieten, teuer bezahlte clevere Imagearbeit kann natürlich von inhaltlicher Leere eine Weile ablenken. Möglicherweise muss er doch irgendwann erwachsen werden, aber wo wenig ist, kann sich nicht viel entwickeln. Ein Glück für die von und zu Guttenbergs, dass sie genügend monetäre Mittel haben, um den Wählern in diesem Land noch eine Weile eine Illusion vorzugaukeln. Da ist die Stephanie dem Theodor teures Kapital. Man kann ihm wünschen, dass er das Zeug dazu hat, in die mediale übergroße Blase zu wachsen, die er und seine Frau sich da geschaffen haben. Oder auch nicht.

Das Problem ist in der ganzen Sache: die von und zu Guttenbergs sind nur die Vorhut. Wir werden zunehmend nicht mehr mit Menschen in der Politik zu tun haben, die ihr Handwerk Politik hart erlernt haben. Um später resigniert in die Welt des Lobbyismus abzuwandern, wie es uns die scheidende Politikergeneration zur Zeit vormacht. Wir werden zunehmend von Menschen regiert werden, die zuerst Geld verdient haben, sich Freunde gemacht habe und nicht mehr mit Lobbyisten verhandeln, weil sie selber der Lobbyismus sind. Viel Spaß dabei, Deutschland!

10 Kommentare:

  1. Was für ein toller, differenzierter und einfühlsamer Text! Ich versuche, dem Ganzen(v.a. letzter Absatz) aber auch etwas positives abzugewinnen und könnte mir durchaus vorstellen, dass sich an diesem Modell eine erneuerte "Arbeiter- und Aufsteigergeneration" von Politikern profilieren kann.

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  2. Menschen, die Geld verdient haben? Eher wohl Menschen mit Geld. KT hat das erste juristische Staatsexamen, das zweite brauchte er für die berufliche Karriere nicht, aber ein Dr. macht sich immer gut. Stephanie hat die "Lehranstalt des Deutschen Textileinzelhandel" besucht. Auch nicht gerade der ideale Einstieg in den Berufserfolg. Jeder "normale Mensch" und Politiker wäre mit solchen formalen Qualifikationen nicht weit gekommen, aber wenn man seine Berufsausbildung nicht für den Lebensunterhalt benötigt, sondern auf das Netzwerk der besseren Gesellschaft bauen kann, werden Abschlüsse relativ.

    Ganz ehrlich: Dann lieber von jungen Politkarrieristen, oder gestandenen Lobbyisten regiert werden.

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  3. Irgendwie Frage ich mich, warum sie "als Frau und Mutter" unterwegs ist, sie wird ihren Töchtern doch keine Karriere bei der BW zumuten wollen.
    Um bei mir Punkte zu sammeln, hätte sie aber noch die afghanischen Opfer besuchen müssen. Aber wahrscheinlich ist sie daran nicht wirklich interessiert.

    Gruß orangata

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  4. @notquitelikebeethoven
    Danke. Letzendlich ist es einfach der Sache etwas Gutes abzugewinnen. Da sitzen Leute, Soldaten, die im Krieg leben. Denen hat der Besuch vermutlich gut getan, Hoffnung vermittelt. Zu Weihnachten, das sie nicht zu Hause feiern werden. Darauf kommt es wohl in erster Linie an. Wenn die das ein Stück mehr gefreut hat, Guttenbergs Mädel auch zu sehen, dann soll es so sein. Die Leute, die hier im Trocknen sitzen und nicht wissen, wie sich Waffenübergriffe anfühlen, sollten sich da vermutlich einfach mit ihrer Kritik zurück halten – zumindest was diesen Besuch angeht.

    @Anonym
    Typischer Fall von nur letzten Artikel gelesen, oder? In dem genau es als einzigen Absatz nicht mehr um die von Guttenbergs geht. Die Beobachtung, dass die beiden von Hause aus Geld mitbringen, steht indes oben lang und breit beschrieben. ;-)

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  5. "weil sie selber der Lobbyismus sind" - wenn das auf KT gemünzt ist, dann würde ich gerne mal wissen, welcher Lobby er dient. Dem 2. Stand? KT ist für mich der Prototyp des Hobbypolitikers. Finanziell unabhängig und mit Gastaltungswillen. Der mann für die großen Würfe. Wirtschaftsminister, Verteidigungsminister oder Außebminister. Da wo es dem Wähler nicht direkt weh tut und er Politik nicht vermitteln muss. Dem können die Wähler egal sein, wenn sie nicht dem Monarchen folgen, dankt er eben ab.

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  6. Die beiden machen Marketing für den Krieg. Wenn sie das noch besonders gut machen, dann macht mir das noch mehr Angst.

    Nein, danke! Die brauche ich nicht und ich kann der Aktion Kriegspropaganda auch nichts Gutes abgewinnen.

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  7. .

    Danke für Deine Meinung gegen den Mainstream, Creezy. Klar machen die beiden Werbung für sich selbst (Projekt Kanzlerschaft) und auch für den Krieg. Aber dennoch Respekt vor ihrem Mut.

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  8. Werbung für sich selber - welcher Politiker macht das heute eigentlich nicht? Egal wer, wo und für was, läuft doch alles nur noch nach Schema "Ätsch" ab: Der eine tut was, der andere sagt "Ätsch, das war Scheiße". Und damit meine ich alle Fraktionen. Wäre schön, wenn Alle mal wieder anfangen würden, von sich zu sprechen, ihren Zielen. Aber dafür geht es ihnen und uns noch immer zu gut ...

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  9. @Sammelmappe
    Das tun sie. Nur, zumindest von ihm ist es genau sein Job. Wir haben Soldaten im Kriegsgebiet stationiert und es ist seine Aufgabe deren Job dort „uns hier“ nicht vergessen zu lassen.

    Was nicht heißen soll, dass ich beim Thema „Krieg“ mit Dir nicht einer Meinung bin.

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  10. zu Guttenberg ist für mich ein seltsamer Fall. Reich geboren, adelig mit den richtigen Kontakten, Mitglied der CSU und dazu sieht er aus wie Lothar Matthäus.
    Erstaunlicherweise mag ich ihn trotzdem. Was die Afghanistangeschichte angeht stört mich Kerner viel mehr als seine Frau. Trotzdem glaube ich, dass die liebe Stephanie für die Karriere ihres Mannes auf Dauer nicht hilfreich sein wird. Denn eine Überdosis engagierter Gutmensch kommt selten gut an.
    Ich bin mir nur noch nicht sicher, ob ich das gut finde.

    Gruß
    Fulano

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