2009-10-21

So mit Abkürzungen und so …

Wer, wie ich, bekennender Fan von Typografie ist, dem bricht mehrmals täglich das Herz beim Anblick falsch gesetzter Anführungszeichen, Apostrophen und Schrägstrichen. Nie würde ich behaupten, selbst perfekt zu sein in meiner Rechtschreibung – das Ding hat sich mit der Verwirrung dank Rechtschreibreformen leider völlig verselbstständigt, ich bekenne mich da als Leidtragende. Aber ehrlich gesagt, mir auch völlig egal wie Menschen privat kommunizieren. Aus der eigenen Familie und dank Freundschaften weiß ich, dass zum Beispiel Legasthenie die schriftliche Kommunikation für beide Seiten enorm erschweren kann. Da aber findet man immer Mittel und Wege. So trenne ich sehr strikt private schriftliche Kommunikation von professioneller und finde, es soll jeder schreiben (auch in Blogs) und großartige Texte oder Kommentare publizieren dürfen, auch wenn sie nicht fehlerfrei sind. Rechtschreibfehler sind mir hier echt schnuppe solange der Inhalt verständlich bleibt.

Wenig Verständnis habe ich jedoch für Fehler in einem für eine größere Allgemeinheit bestimmten Text. Will sagen, mein Verständnis für Fehler, wenn es sich dabei um Werbeinformationen handelt, ist nicht vorhanden. Wer wirbt und nicht bereit ist, das (heutzutage) wirklich bisschen Geld in die Hand zu nehmen, um einen Lektoren und Typographen bezüglich der Qualität seiner Druckmaterialien zu befragen, löst bei mir mehr Ärger als Wohlwollen seiner Produkte gegenüber aus. Leider ist das ein Trend, der selbst dort wo mit professioneller Textung Einnahmen generiert werden – nämlich in Zeitungen und Zeitschriften – zunimmt.

In der Berliner U-Bahn sind Monitore installiert, die in einer zehnminütigen Schleife dem U-Bahn-Konsumenten aktuelle Tagesmeldungen, Veranstaltungsinformationen und Werbung präsentieren, bekannt als „Berliner Fenster“. Dort wirbt aktuell auch die GAGFAH Group, ein im Berliner Wohnungsmarkt aktives Unternehmen. Es bewirbt im „Berliner Fenster“ seine Wohnanlagen mit „kinderfr. Wohnanlagen“.

So gehe ich davon aus, dass dieses Unternehmen besonders dafür wirbt, kinderfreie Wohnanlagen im Angebot zu haben. Das mag ein wichtiges zu bewerbendes Alleinstellungsmerkmal sein. Nur frage ich mich, was macht die GAGFAH Group mit den Mietern, die dort wohnen und vielleicht d(n)och erfolgreich sexuell aktiv sind? Müssen die dann mit Sack und Pack umziehen in für sie besonders bereitgestellte „kinderfreundl. Wohnanlagen“? Schon beschleicht mir als potentieller Interessent ein Image-Problem die GAGFAH Group betreffend, Kinder werden dort vielleicht nicht gemocht. (Dabei bin ich sicher, wollten die mir genau das Gegenteil vermitteln.)

Im „Berliner Fenster“ wird jeder besonders hervorgehobene Text anstatt mit den korrekten „typografischen Anführungszeichen“ ständig mit dem "Zollzeichen" publiziert, das tut genauso im Auge weh, wie es schlicht nach deutschen Rechtschreibregeln falsch ist. Die setzt übrigens auch die Duden-Sprachberatung in der Newsletter-Bestätigung genauso falsch. Na, macht ja nix. Sind bloß Profis.

16 Kommentare:

  1. Solange e's nicht um phalsche Apostrof's geht, bin ich ja ziemlich tollerant...

    Nein, im Ernst: Johann Wolfgang von hat höchstselbst die Schreibweisen Goete, Göthe, Göte und Goethe für seinen Nachnamen benutzt (wurde mir kolportiert) und war zweifellos in der Lage, sich sehr präzise zu verschriftlichen.
    Für mich besteht der größte Vorteil der letzten zwei Rechschreibreformen darin, dass in diesem überrechthaberischen Land kaum jemand mehr ganz genau weiß, wie's geht. Und dass damit die Tür für weitere Reformen offen gehalten wird.
    Ein bisschen mehr Unwissenheit für alle und - ja, da hast Du völlig recht: Verbal eins auf die Finger für dumme "Profis"! ;-)

    Gruß, svenski.

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  2. wolltest Du nicht auch mal Deine Reihe (Claudia erklärt die Typographie - oder so ähnlich) fortsetzen?

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  3. Mich erregen im Sinne von Auf-, nicht von Anregen, die Apostrophterroristen am meisten.
    Ansonsten bin ich ja nach wie vor ein Anhänger der alten Rechtschreibung und verweigere mich insbesondere diesen Unsäglichkeiten wie "Delfin" und "Portemonee" - da krieg ich Spontanpickel.

    Die Rechtschreibreform war für mich nie mehr als ein zu Gesetz gewordener Freibrief für Lernfaulheit.

    Gibt es eigentlich noch mehr Länder, die meinten, ihre Rechtschreibung reformieren zu müssen?

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  4. Bei Blogs kommt es mir IMMER mehr auf die Inhalte an, da bin ich eher großzügig, aber professionell veröffentlichte Texte müssen einfach stimmen. Es gibt genügend Möglichkeiten, die eigenen Unzulänglichkeiten vor Publizierung zu überprüfen, das ist auch so eine Art Mühe, die man sich für den Leser macht und damit auch eine Wertschätzung.

    Emotionale Texte mit Rechtschreibfehlern sind mir immer noch lieber als seelenloses Dahingeklimpere, aber rechtschreibpolitisch korrekt. Im Privatbereich jedenfalls.

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  5. Vielleicht wissen sie noch nicht genau, ob sie mit kinderfreundlichen oder kinderfreien Wohnanlagen besser im Markt liegen.

    Dann ist es besser, sich nicht festzulegen. Ist doch kreativ.

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  6. Bitte immer bedenken, dass auch die Rechtschreibung vor den letzten Reformen das Ergebnis einer Reform war. Die Einführung einer einheitlichen deutschen Rechtschreibung war vielleicht die größte Reform zu diesem Thema in unserem Sprachraum, und Kritiker gab es von Beginn an.
    In Spanien schreibt man schon gaaaanz lange Delfín, und alle finden es normal. Das ganze ist zu großen Teilen ein Gewöhnungsproblem.

    Meint svenski.

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  7. @ Jekylla: Ach ja, das mit der Lernfaulheit. Im bereits zitierten Spanien werden an den Schulen kaum Diktate geschrieben. Weil es nicht nötig ist. Weil die Beziehung zwischen Aussprache und Schrift so wunderbar eindeutig ist und es da auch nur ganz wenige Ausnahmen gibt. Rechtschreibfehler sind ein viel kleineres Thema als hierzulande.

    Mal drüber nachdenken.

    Gruß, svenski.

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  8. Zum Thema Rechtschreibung:
    Fehler 1 und hier Fehler 2

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  9. Darf ich hier mal eine Lanze für die Zollzeichen brechen? Die habe ich bei meinem Word vor Kurzem auch eingeschaltet, weil es mir auf den Geist ging, dass auch das Apostroph-Zeichen (') von Word in (einstrichige) typographische Anführungszeichen umgewandelt wird. Da ist es mir lieber, mit den Zollzeichen zu leben.
    (Natürlich freue ich mich, wenn jemand noch eine nicht zu aufwendige Alternative bieten kann.)

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  10. @Michael
    Ja wollte ich, Schande echt auf mein Haupt!

    @Muriel
    Ich weiß nicht, ob ich das als Ausrede akzeptieren kann – ich muss mich schon seit Jahren mit der unterschiedlichen Belegung von Sonderzeichen in XPress, InDesign, RagTime, Word auseinander setzen ,-) Ein Zollzeichen signalisiert eine Maßeinheit, ein Anführungszeichen eine Hervorhebung. Dat sind nun mal zwei sehr unterschiedliche Dinge oder? Außerdem sollte man sich nie etwas von Word diktieren lassen. NIE! ,-)

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  11. Übrigens: ich hatte alle drei im Post angesprochenen Falsch-Setzer/-Abkürzer per Mail mit Hinweis auf diesen Text angeschrieben. Nur die GAGFAH hat reagiert und wenigstens angedeutet, sich den Text nochmals anzugucken …

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  12. @creezy: Aber sehen die Anführungszeichen beispielsweise in den USA nicht immer so ähnlich aus wie Zollzeichen? Die haben dort doch gar keine tiefgestellten Anführungszeichen. Ich finde, was für Obama gut ist, kann für Muriel nicht schlecht sein.

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  13. @Muriel
    Genau, haben die in den USA nicht. Die benutzen dort zum Beispiel den „ganzen“ Geviertstrich als Gedankenstrich, setzen diesen direkt in die Satzzeile, während wir nur das Halbgeviert mit geschütztem Leerzeichen setzen. Unterschiedliche Länder haben völlige unterschiedliche Regelungen der typografischen Regeln und auch andere Zeichen. Schon Frankreich benutzt andere Anführungszeichen die »Guillemets« als wir (bzw. wir benutzen die auch, aber «umgedreht» gesetzt). Gerade Anführungszeichen setzt jedes europäische Land anders als sein Nachbar, nur sind es immer Anführungszeichen, nie Zollzeichen!

    Mir ist auch ehrlich gesagt völlig egal, ob jemand, der nur privat schreibt in einer Mail das Zollzeichen verwendet. Aber Firmen, die sich höchst professionell mit der Veröffentlichung von Texten beschäftigen (bild.de – die Redakteure dort sind zu blöd, die Ellipse ordentlich zu setzen!) oder mit ihnen werben wollen, haben sich in einem deutschen Text an die Regeln der deutschen Typographie zu halten.

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  14. Ach ja: übrigens ist tatsächlich auch geregelt, dass selbst ausländische Texte in einem deutschen Text mit deutschen Anführungszeichen gesetzt werden! ,-)

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  15. @creezy: Hach, du hast ja Recht. Aber es wäre so schön einfach...

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  16. Auch wenn man nur obere Anführungszeichen setzt, gibt es in den meisten Schriften (und Satzprogrammen) eine Differenzierung zwischen An- und Abführungszeichen. Und zusätzlich Zollzeichen.

    Gruß, svenski.

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