Stehe ich gestern morgen an der Ampel Martin-Luther-Straße, Ecke Eisenacher Straße. Auf dem Gehweg zwei junge Männer, zwei Einkaufswagen von Aldi. Der eine Einkaufswagen voll mit leeren PT-Flaschen, der zweite Einkaufswagen zu einem Viertel noch voll mit gefüllten Mineralwasser-Sixpacks, die 1,5 l Variante. Zwei Sixpacks stehen unten auf der Straße, aufgerissen. Die beiden Jungs legen die geöffneten Flaschen an den Bordstein und lassen das Wasser in den Gulli auf dem Fahrweg fließen.
Ich stehe an der Ampel, sehe das und denke, ich habe Halluzinationen. Von hinten kommt gerade ein Polizist an, dessen Auto in zweiter Reihe steht und fragt die beiden «Woher haben Sie denn die Flaschen her?», nun ja, ganz legal logisch wirkte die Situation wirklich nicht. Einer der beiden antwortet ihm «Von Aldi. Wir haben Sozialgutscheine. Darauf gibt es aber keine Tabakwaren. Nur Esswaren oder Getränke.»
Die haben also die Flaschen gekauft, das Wasser in die Kanalisation gegossen, um sich für das Pfandgeld in bar ausgezahlt, Zigaretten kaufen zu können.
Bin immer noch perplex, um nicht zu schreiben: sprachlos.
und das schlimme...es gibt nicht mal Rechtliche Schritte die man einleiten könnte...
AntwortenLöschenLebensmittel wegzukippen um über einen Umweg an das Geld ranzukommen ist nicht in Ordnung keine Frage und im ersten Moment rührt sich Empörung. Ohne die Situation erlebt zu haben oder die beiden zu kennen fällt es schwer zur konkreten Situation mehr zu sagen.
AntwortenLöschenAber was ist das eigentliche Problem? Die zwei Genannten brauchen offensichtlich ihren Suchtstoff, nichts anderes ist doch das Nikotin. Der Gesetzgeber hat jedoch entschieden, dass einem Empfänger von Sozialscheinen die legale Droge Nikotin nicht mehr zusteht - mit welcher Begründung eigentlich. Ich frage das ganz ernsthaft. Warum wird Armen faktisch verboten zu rauchen? Warum wird Armen die Entscheidungsfreiheit genommen für was sie ihr "Verpflegungsgeld" ausgeben? Ich stelle die Frage ganz ohne Polemik, weil ich es wirklich nicht verstehe. Und auch ganz ohne Polemik frage ich mich was die nächsten Schritte sein könnten ... keine Süßigkeiten auf Sozialschein (oder ist das vielleicht schon so) ... keine zuckerhaltigen Getränke, kein Fleisch, nur bestimmte Gemüsesorten ... am Ende steht die verpflichtende Massenspeisung auf der es gegen Sozialschein einen Teller Brei oder Suppe gibt.
Meine Empörung geht eher in Richtung derjenigen, die die Ursachen für solche Auswüchse schaffen.
Früher einmal gab es Leut, die Salatöl aus PET-Flaschen in ihr Dieselfahrzeug kippten - also Nahrungsmittel allein um ein paar Cent an der Tanke zu sparen verbrennen. Und es gab kurz nach der Einführung des Dosenpfandes wirklich Versuche, LKW-weise leere Dosen im Ausland herzustellen, nach Deutschland zu transportieren und dort als Pfand abzugeben.
AntwortenLöschenWill sagen: es wird immer welche geben, die die aktuellen Regeln mit Aktionen ausnützen, an die vorher niemand dachte. Nicht immer kann man es verhindern, und manchmal wird erst dann ein Problem draus, wenn es alle so machen.
Für den speziellen Fall: ich bin ein Freund des bedingungslosen Grundeinkommens, so dass man sich nicht von allen Ecken als Sozialschmarotzer behandelt fühlen muss, nur weil man keinen Job hat. Denn bei weitem nicht jeder, der arbeiten will, findet auch was. Hier würd ein Grundeinkommen vom Staat ohne die Bürokratie der Sozialdetektive zumindest die Würde bewahren.
Jedem seine Droge und dann jedem seinen Entzug und dann wieder jedem seine Droge. Quasi als Endlosschleife, denn man hat ja Anspruch.
AntwortenLöschenJedem seine Zigaretten und dann, wenn's die Lunge nicht mehr tut, jedem seine Sauerstoffpulle und dann weitere Zigaretten, man hat schließlich Anspruch, und dann brennt die Bude.
Nein, unbedingt!
Erst gestern hatten wir eine Diskussion darüber, wie viel z.B. vom ausgezahlten Kindergeld wohl insgesamt in Alk und Zigaretten umgesetzt wird.
Meine Erfahrung als Basis-Doktorette flüstert mir, dass es nicht gerade wenig ist.
@pepa: Selten so einen selbstgefälligen und absolut asozialen Kommentar gelesen. Danke dafuer!
AntwortenLöschenBeim Lesen der ersten Kommentare dachte ich schon die Menschheit waere tatsaechlich noch denkfaehig und "nur" die derzeitige Rechtslage verschoben..
Nunja, hoffe mal dass Dein Geschreibsel die sprichwoertliche Ausnahme in der Regel darstellt.
Wissen Sie Sven, ich bin schon nachts um drei zu solchen armen Menschen gerufen worden, die einen leeren Kühlschrank, dafür einen vollen Aschenbecher hatten und die es vollkommen korrekt fanden, einen Arzt auf Sozialamtskosten zu rufen, der ihnen jetzt doch mal was zu Essen bringen sollte.
AntwortenLöschenIch habe oft genug fastfood genährte Kinder mit chronischer Bronchitis in verqualmten elterlichen Buden behandelt, in denen die Bierflaschen anstatt der Babyflaschen auf dem Tisch standen - erzählen sie mir bitte nicht, was asozial ist.
Dennoch muss ich Truetigger zustimmen:
Ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Bürger wäre eine der besten Lösungen - nur für die, die hier im Eintrag beschrieben werden, würde dies auch nicht reichen.
ach sveni,
AntwortenLöschennein, die Jungs wissen sich nur zu helfen, das wird doch heute immer verlangt:
--> Eigeninitiative,
--> Flexibilität,
--> Einstellen auf die Situation
--> Auskommen mit dem Einkommen.
Und dir isses nu auch nicht recht.
Ja was jetzt??
Und zum ersten Kommentar zero Comment wegen Redundanz.
bel
@Sven
AntwortenLöschenAlso wer pepas Blog liest und ihre alltäglichen Erfahrungen aus dem notärztlichen Arztdiensten kennt, der versteht ihre Argumentation sehr gut. Und sie hat auch nicht unrecht.
Ich bin immer noch nicht sicher, was ich von dem Vorgang halten soll. Letzendlich ist es natürlich jedermanns Entscheidung, wofür er sein Geld ausgibt. Ich kann mich aber auch nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass von den Leistungen Alkohol und Zigaretten finanziert werden.
Das liegt vielleicht mit daran, dass Sozialleistungsempfänger - in der ähnlichen Lage - oft nicht wissen, wovon die letzten zehn Tage im Monat den Kühlschrank füllen - um dann von den Neunmalklugen anzuhören zu müssen, "Eure Leistungen reichen doch, solange Geld für Zigaretten oder Alkohol da ist." Das ist eine Haltung, die auch gerne auf Nichtalkoholkonsumenten oder Nichtraucher umgedreht verwenden wird, dann wird nämlich hochgerechnet "Ich verstehe nicht, warum Deine Leistungen Dir nicht reichen, Du rauchst ja nicht und trinkst nicht mal."
Soweit ich informiert bin, gibt es diese Sozialscheine nur noch bei Leuten, die defacto nicht mit ihrem Geld umgehen können bzw. kein Konto haben. Also solchen, denen von Amts wegen aufgrund gewisser schlechter Erfahrungen die Miete direkt an den Vermieter angewiesen werden muss und Geldleistungen nicht mehr in bar ausgezahlt werden. Es sind dann wohl noch mal ganz andere Kandidaten.
Andererseits, wenn das so aussieht, Menschenskinder, die haben massenhaft von Wasser weggekippt. Alles in allem bin ich da ratlos.
@creezy
AntwortenLöscheneigentlich hat aebby das ja schon auf den Punkt gebracht:
Da ist das Unbehagen, daß da Wasser enfach so weggekippt wid, aber auch eben das Unbehagen, daß denen, die nun mal rauchen oder trinken oder beides, vorgeschrieben wird, was und wie sie gefälligst leben sollten.
Die Sozialgutscheine werden übigens auch von der ARGE aus Sanktionsgründen ausgegeben.
Ich teile das Unbehagen, daß da Lebensmittel weggekippt werden, aber es überwiegt mein Verständnis dafür, daß sich da einige doch recht clever aus der Bredouille zogen, um an ihre Zigis oder an den Alk, oder was auch immer zu kommen.
Ich gehe nun mal davon aus, daß es einer Behörde nicht geziemt, soweit in den Lebensstil anderer einzugreifen, die sind nämlich nicht im Knast, sonden nur arm.
Aber das scheint ja heute schon ein Verbrechen zu sein, das jede Strafe rechtfertigt.
Und zu pepa, ja, es gibt diese Leute, die du da beschreibst.
Und es gibt auch die anderen Leute, die die Folgen verpfuschter Schönheitsoperationen, oder Unfälle beim Risikosport der Allgemeinheit aufbürden.
Und nun? Soll ich denen auch vorschreiben, was sie tun und lassen sollen. Oder gelten für die nur andenr regeln, wiel sie nicht arm sind?
Entweder, wir akzeptieren das, (auch unter Zähneknirschen) bis zu dem Grad, wo es Folgen für Leib und Leben anderer (z.B. von ihren Kindern hat) oder wir sanktionieren und reglementeiren nun alles, aber dann auch wirklich alles.
Gruß bel
Gruß bel
Genau Creezy, danke!
AntwortenLöschenUnd ich muss zugeben, mich etwas unklar oder vielmehr unvollständig ausgedrückt zu haben.
Um es kurz zu machen: Genau diese Leute, die Du da beschreibst, sind es, die S*razzin et.al. die Argumente liefern, die bei so feinen Sächelchen wie der Gesundheitskarte Pate stehen und sicher noch für andere kleine Genialitäten unserer Regierenden plakativen Zündstoff liefern werden. Ihr Verhalten mit einer undifferenzierten Sozialromantik zu belegen ist schlicht kontraproduktiv.
Karl Marx hatte für solche Teile der Gesellschaft einen Ausdruck, aber ich werde den Teufel tun und den hier zitieren. Zum einen ist er zu weit gefasst und somit nicht übertragbar, zum anderen habe ich keine Lust, mich nochmal beschimpfen zu lassen, ich bin nämlich sensibel. ;-)
Ich möchte noch etwas anfügen.
AntwortenLöschenIch denke nicht, dass ich mich "undifferenzierter Sozialromantik" hingebe. Ich möchte das, was die zwei Männer getan haben, nicht gutreden und auch nicht die von pepa genannten Familien in Abrede stellen - ich kenne selbst solche. Ich kenne aber auch andere Familien (Nichtraucher), die ihre Kinder nicht auf das Klassenfest schicken, weil sie kein Geld für die Grillwurst haben. Und ich kenne es ein Stück weit aus eigener Erfahrung. Vor nicht allzu langer Zeit war bei mir das Geld so knapp, dass ich mir persönlich sehr wichtige Dinge auf ebay verkaufen musste um die Geburtstagsfeier meiner Kinder finanzieren zu können - ich rede gerade von 50 Euro für zwei Kinder und ich rauche nicht und trinke keinen Alkohol. Die Vorstellung langfristig sehr wenig Geld zur Verfügung zu haben und irgendwann mit einem Sozialschein bei Aldi zu stehen um mir anhören zu müssen, sorry "Kekse gibts dafür nicht" tut mir weh auch wenn es mir heute wirtschaftlich wieder besser geht. Das mit den Keksen mag noch Zukunftmusik sein, ich denke aber die zitierten Protagonisten der erbarmungslosen Sozialpolitik wollen genau da hin.
Ich habe leider keinen Lösungsvorschlag, ein bedingungsloses Grundeinkommen könnte zumindest ein Baustein einer Lösung sein auch wenn es wie pepa richtig sagt immer welche geben wird, die nicht damit auskommen.
Was bleibt ist ein Gefühl der Ohnmacht.
@Aebby: "Warum wird Armen die Entscheidungsfreiheit genommen für was sie ihr "Verpflegungsgeld" ausgeben?"
AntwortenLöschenNaja, das Geld, von dem sie versorgt werden, kommt immerhin direkt vom Steuerzahler. Der Staat hat nicht nur eine Verantwortung den Armen gegenüber, sondern eben auch denen, die das alles finanzieren müssen. Würden Ziggis und Alk zu den Grundbedürfnissen dazugerechnet und der Sozialhilfebetrag dahingehend verwendet oder gar aufgestockt, wäre ich ziemlich angepißt, muß ich offen sagen. Ich sehe einfach nicht ein, wem auch immer seine Sucht zu finanzieren, die mir dann als Passivraucher und Krankenkassenmitgliedt noch ein zweites und drittes Mal schadet.
ja genau Ute.
AntwortenLöschenUnd deshalb fordere ich nun:
Weg mit dem privaten PKW.
Autofahrer verpesten nicht nur das Gemeinwohl, sondern schädigen auch MEINE Gesundheit UND verschwendendazu noch meine sauer verdienten Steuergelder.
Weg mit den verdammten Autos und zwar sofort!!
Außerdem ist zu Fuß gehen auch viel gesünder, wenn keine Autos mehr fahren, ja eigentlich könnte die ganze faule Bevölkerung laufen, das senkt auch ungemein die Gesunsdheitskosten, wer nicht laufen kann, soll sehen wo er bleibt.
Ich bin mir sicher, du stimmst mir zu.
bel
@Ute ... so wie du es formulierst kann und möchte ich Dir nicht widersprechen: Sozialhilfe - egal in welcher Form - sollte nicht für die Finanzierung von Suchtmitteln verwendet werden.
AntwortenLöschenMir geht es nicht um die Extremfälle (starke Sucht) sondern um diejenigen, die darunter leiden werden, wenn der Warenkorb der Grundbedürfnisse immer weiter eingeschränkt werden wird. Ich befürchte ernsthaft, dass die Einschränkungen weiter gehen werden, im Prinzip so wie ich es in meinem zweiten Kommentar geschrieben habe. Man kann natürlich geteilter Meinung sein ob meine düstere Vision so Wirklichkeit werden wird. In ganz anderen Zusammenhängen habe ich aber schon persönlich erlebt wie weit die Einschränkungen der Definition der Grundbedürfnisse schon fortgeschritten sind. Der an meinem Wohnort ansässige Krankenpflegeverein freut sich z.B. sehr über Spenden von Windeln um sie armen Pflegebedürftigen zukommen zu lassen. Die Windeln sind teuer und die Krankenkasse bezahlt nur noch eine - wahrscheinlich im Jahresdurchschnitt - berechnete Menge, die für eine würdige Pflege (z.B. im Sommer) nicht mehr ausreicht.
Also wie gesagt mir geht es um die zunehmende Verhärtung des Sozialsystems.
'Na das ist ja gemein, da leben zwei JUNGE Männer von der Solidargemeinschaft, haben sich aus irgendwelchen Gründen zu doof angestellt, um Bargeld ausgehändigt zu bekommen und der Steuerzahler kommt nicht für Alkohol und Zigaretten auf, auch nicht für z.B. einen Urlaub auf Malle oder andere Vergnügungen.'
AntwortenLöschenIch weiß sehr genau was ich davon halte, und dass sowas reglementiert wird, finde ich richtig. Solche Fälle werfen schlechtes Licht alle anderen Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger. Selbstverständlich kann jeder, der es braucht oder mag, ein Bier trinken oder eine Zigarette rauchen, wenn dies aber bei den Bezugsscheinen vom Sozialamt nicht vorgesehen ist, dann ist das halt so. Schließlich sind Alkohol und Zigaretten nicht überlebenswichtig, Essen und Trinken schon.
"Ich bin mir sicher, du stimmst mir zu."
AntwortenLöschen@Bel: Ich würde Dir zustimmen, wenn Du mein Auto, die Versicherung und den Sprit bezahlen würdest. Ansonsten hinkt der Vergleich nämlich gewaltig. ;-)
Wir sind wir jetzt eigentlich auf Auto gekommen?
AntwortenLöschenWer Lebensmittel verschwendet, sollte mit 1-2 Jahren Äthiopien oder Sudan bestraft werden...
AntwortenLöschenEs gibt KEINE Entschuldigung für ein dermaßen dämliches Verhalten!