2008-06-01

Pueblo Español de Palma de Mallorca

Seit einiger Zeit habe ich wieder Fernweh, was sich bei mir auch stark in einer Art Meerfernweh ausdrückt. Dann fehlt mir die Geräuschkulisse, das Kreischen der Dünenschwalben (Möwen) und dieser Blick auf den Horizont. Vermutlich denken gerade 97 % meiner Leser gerade: «Ich weiß genau, was Du meinst.» Der Rest geht vielleicht lieber wandern. Aber auch dafür ist Mallorca ideal: Wasser satt, Radsport sehr gut möglich und es gibt leichte bis sehr anspruchsvolle Wander- und Klettertouren en masse. Zumeist mit Sonne. Zurück zum Fernweh, Urlaub ist aus den bekannten Gründen nicht im diesjährigen Plan enthalten. So guckte ich alternativ gestern die Mallorca-Fotos von der Mama-Bestattungsreise im letzten Jahr durch – weswegen ich übrigens auch gerne wieder hinwollte, «ihren» Platz besuchen und einen Sonnteruntergang mit ihr dort haben. Dabei stellte ich fest, ich habe Euch ja noch gar nicht mit allen Fotos gequält.

Ein sehr komisches Erlebnis war meine Entdeckung vom Pueblo Español de Palma de Mallorca. Das fand ich auf meinen Weg am vorletzten Tag als ich das Castell de Bellver besuchen wollte. Andrea deutete mir das Pueblo Español in der Wegbeschreibung zwar irgendwie auch an, aber einen Tag nach der Asche-Übergabe war ich mit meinen Gedanken ziemlich planlos bis unaufmerksam unterwegs und schlicht nur auf die alte Burg fixiert.

Trotzdem stand ich irgendwann vor einer interessanten Anlage, die schön nach alt aussah, mit Türmchen, großen verschlossenen Holztüren, die riefen: «Komm‘ und enter mich!» (von Schiff entern, nicht vom Tastatur-Enter, wohlbemerkt.) Das Ganze die Neugierde weckend von der Außenwelt abgeschirmt und ich suchte und fand dann den Hintereingang, der, das sollte ich später noch lernen, mich davor bewahrte Eintritt zahlen zu müssen, wie es der Haupteingang von mir gewünscht hätte und dann wäre ich dort nicht hinein gegangen.



Und das war dann das Pueblo Español oder auch Poble Español:





Ein in sich geschlossenes spanisches Dorf, gegenüber dem Kongresszentrum von Palma gelegen, ein Projekt des spanischen Architekten Fernando Chueca Goitia, der auf einem Gelände von ca. 26 000 qm eine Art Architekturmuseum mit originalgetreuen Nachbauten bedeutender Gebäude aus ganz Spanien – in kleinerem Maßstab natürlich – errichtet hatte. Die Fertigstellung war 1967.



Aufgrund der Überpräsenz seines Namens denke ich mir, wurde eine Restaurierung vermutlich mit zum großen Teil wohl von Señor Matthias Kühn, seines Zeichens Mallorcas blonder Immobilien-Mogul mit hanseatischem Pass mitinitiiert. Kühn-Büro am Nebenbeingang, Kühn-Büro am Haupteingang. Bisschen viel Kühn für einen kleinen Ort für meinen Geschmack.



Und so schlich ich durch die kleinen Straßen und hörte: deutsch. Ich begegnete Menschen, die dort offensichtlich dem Ort anders zugehörig (also dort lebend) schienen als Touristen und sie sprachen: deutsch. Überhaupt, das ganze Areal merkwürdig aufgeräumt, sterbenslanweilig, dröge und irgendwie: deutsch.





Es ist eine wunderschöne Anlage. Wundervolle Details ohne Frage.





Die Kapelle birgt farbenfrohe wunderschöne Malereien. Aber dem «spanischen» Dorf fehlt das spanische Leben, die Lautstärke, der Trubel. Die Atmosphäre war lahmarschig gediegen und irgendwie: deutsch.





Nun war ich mittags da, hatte den Vorteil Fotos ohne Menschen darauf anfertigen zu können, es mag sich zum Nachmittag hin mehr dort tun. Aber was will man von einem Platz erwarten, wo Menschen per se ausgeschlossen sind, es sei denn, sie zahlen Eintritt, um dann am Platz in den etwas teureren Gaststätten den Café con leche zu sich zu nehmen? Geht dort wirklich noch der Mallorquiner hin?



Mir fiel auf, dass an dem Ort etwas nicht stimmt (da hatte ich noch gar nicht alle Informationen über das Pueblo und bin noch nicht der zweiten Kühn-Representanz begegnet), als ich – und ich will auf Mallorca immer und überall Café con leche trinken – dort keinen zu mir nehmen wollte. Mir war das alles zu schickimicki. Die Infrastruktur bestand aus ein paar Souvernir-Läden mit Preisen, die man «Downtown» in Palma mehr als lässig unterboten bekam. Wenigstens hatte man noch nicht vergessen, noch ein paar Mallorquinerinnen zu installieren als Verkaufspersonal, damit die deutsche Übernahme nicht zu penetrant ins Auge fiel.



Ich muss aber sagen, in der Tat ist mir dort die grandioseste öffentliche Toilette begenet, die ich je betreten durfte. Nicht unweit von Kühns-Büro. Natürlich.




Also wenn Ihr vor Ort seid, guckt es Euch an, die Architektur ist sehenswert, die gesamte Anlage selber ist wunderschön. Macht euch im Zweifelsfalle schick, als sehr leger gekleideter Tourist in FlipFlops könnte man sich da schon fast etwas unwohl fühlen. Aber setzt Euch im Zweifelsfall Euren MP3-Player auf und lasst eine spanische Fassung irgendeiner Hereos-del-Silencio-CD spielen oder den spanischen Sprachkurs, denn ansonsten wird dort nämlich «deutsch gesprochen!»

(Dem Link (oben bereits verlinkt) können die nachgebauten Architekturen mit Lageplan entnommen werden.)

1 Kommentar:

  1. Nach Mallorca wollt ich ja auch immer mal. War echt noch nie dort (obwohl ich jedes Jahr, meist mehrfach sogar, in Spanien bin). Wenn ich's mal nach Malle schaffen werde, weiß ich ja jetzt, wo ich unbedingt auch hin muss. Die Fotos, die du jetzt glücklicherweise noch ausgegraben hast, und deine Beschreibungen machen wirklich Lust, diesen Ort zu "entern". ;-)

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