Nichts besonderes eigentlich. Die Sonne scheint gelegentlich und ich mache mich auf, ein paar Fotos für meinen Hasenheide-Artikel zu machen. Vorher noch einen Abstecher zum Fischhändler in die Karl-Marx-Straße, einer Institution mit einer so freundlichen Bedienung, dass ich immer versucht bin einfach nur hineinzugehen und nach irgend etwas zu fragen, weil sie immer so freundlich und zuvorkommend antworten. Das ist ein Laden, wo die zwei Kilo Muscheln abgewogen werden und dann der Rest aus der Ablage hinterher noch mit in die Tüte wandert, weil's der Rest von heute ist und außerdem die eine oder andere Muschel etwas zerbrochen ist. Der Rest war es nicht, vorne in der Fenstervitirine liegen noch welche und so zerbrochen waren sie später auch nicht meinem Empfinden nach. So ein Laden.
Letzte Woche hatten sie frischen Aal zu einem relativ günstigen Preis in der Kühltheke liegen. Da hatte ich die Idee einmal Aal grün zu kochen, wollte aber erst zu Hause nach einem Rezept suchen. Mein Opa hatte Aal grün geliebt, ich auch, was verwunderlich war für ein zehnjähriges Kind. Aal gab es bei uns oft am ersten Weihnachtsfeiertag, da Opa an dem Tag Geburtstag hatte. Meine Oma, Großküchenmamsell bei Osram/Siemens, mochte Aal überhaupt nicht, kochte den nur für Opa und just als Opa nicht mehr war, weigerte sie sich ihn für uns zu kochen.
Gleiches mit ihren Bratheringen. Sie hasste das, weil dann die Küche immer so stank. Die habe ich aber mittlerweile oft selber gemacht, selbst gemachte Bratheringe müssen sein einmal im Jahr. Ich stelle immer eine Schüssel mit Essig gefüllt in die Küche, das schluckt den Gestank. Oder ihre Linsensuppe, wie war ich erstaunt, als ich das erste Mal Linsensuppe machte mit dem Wunsch, sie wie „die von Oma“ zu erschaffen, dass ich sie tatsächlich so hinbekam. Bei Aal grün habe ich mich das bisher nicht getraut, der ist so verdammt heilig.
Nun, heute wollte ich beim Aal zuschlagen, blickte vorher noch im Internet zum Stichwort was andere Seiten so bieten – und als wie üblich bei der Rezeptsuche „Die Koch-Homepage, die als neue Einnahmequelle das Abmahnen im Internet entdeckt hat“ die ersten drei Linkvorschläge belegte, dachte ich bei mir „Nö, liebe Freunde. Von Euch möchte ich kein Fachwissen mehr abgreifen, mir ist die Freude und Faszination Euren Service zu nutzen gänzlich vergangen.“
Ob sie das auch berücksichtigt haben bei der von ihnen so konzentrierten hochfinanzierten Wahrung ihrer Rechte? Dass sie sich, auch wenn sie jetzt vielleicht zur Zeit mehr Traffic aufgrund einer konzentrierten Berichterstattung haben, ihr Image für alle Zeiten verdorben haben? Dem User sehr bewusst ist, dass es auch andere sehr gute Kochseiten gibt im Internet? Man nun von Stund an mit denen nichts mehr gemein haben will und sie vor allem nicht mehr in der eigenen Küche wissen möchte?
Wobei ich ihnen nicht vorwerfe, dass sie ihre Rechte gewahrt sehen möchten. Ein Urheberrecht an einem Foto ist als solches klar geregelt und sollte auch respektiert werden. Ob ich aber einer rein privaten Person, die offensichtlich kein Geld mit ihrer Homepage generiert, wenn sie sich – vielleicht unwissentlich – an Fotomaterial vergreift, gleich so dermaßen eins überbraten muss? Das ist jede Kritik wert. Es gibt noch sehr viele Menschen, die das Internet erst für sich entdecken und gar nicht gleich begreifen können, dass sie im Internet als Rechtsperson haftbar sind. Diesen Leuten werde ich immer erst einmal über die Strasse helfen – ich werde sie garantiert nicht in ihren finanziellen Ruin treiben. Das verbietet mir meine soziale Kompetenz – als Mensch. Und der bin ich immer zuerst und erst danach Homepagebastlerin, Content Offerierende, Fotografin, Kochfan und Geldsüchtige.
Was hätte ich getan, hätte ich auf einer anderen Seite ein Foto von mir gefunden? Ich hätte eine E-Mail geschrieben mit dem höflichen Hinweis, dass ich, wenn sie sich schon an meinem Fotofundus vergreifen ohne vorher anzufragen, die Quellenangabe mit Link erwarte. In 99,9 % der Fälle würden die Leute im Web das tun, in 99,8 % gäbe es sogar eine Entschuldigung – daraus würde sich vermutlich sogar ein netter E-Mail-Kontakt entwickeln. Und gut ist.
Und, mal mit beiden Füßen auf dem Boden als auch sehr ambitionierte Hobbyfotografin sehr deutlich gesagt: Hey, wir reden hier von JPEGs, hier wurde die Zweckentfremdung eines Fotos abgemahnt, das in einer Auflösung von maximal 500 Pixel, unter 20 k groß publiziert wurde. Hallo? WAS bitte kann ich denn mit so einem Foto überhaupt groß anfangen? Hat der Fotograf ernsthaft Sorge, daraus würde irgend jemand eine Fototapete erstellen wollen? Es an ein Print-Medium verkaufen?
Darüber hinaus gibt es eine sehr simple Methode, wie man in der Webprogrammierung verhindern kann, dass überhaupt Fotomaterial von der eigenen Seite „gemopst“ werden kann. Und ich wundere mich wirklich in dem aktuellen Fall, wenn es einerseits bei den Seiteninhabern soviel fachliches KnowHow auf der Seite zum Thema Internetrecht und Abmahnung gibt, warum kennen und nutzen sie dann nicht auch gleichzeitig die ihnen zur Verfügung stehenden technischen Hilfsmittel, wenn es ihnen denn so wichtig ist, dass diese Fotos nicht woanders genutzt werden können? Auch die virtuelle Kennzeichnung eines Fotos ist etwas, was es heute in jedem Freeware-Fotobearbeitungsprogramm als Aktion gibt und wäre somit das Problem nicht. Wenn man nur wollte.
Nun, andere Seiten haben auch Aal-Rezepte, mein Dr. Oetker-Kochbuch auch. Leider gab es heute keinen Aal mehr, es gäbe keinen zur Zeit, die Lieferung am Donnerstag war großes Glück. Aber ich soll es nächsten Donnerstag versuchen, ich kann auch anrufen, wenn welcher da ist, legen sie mir gerne Aal für mich zurück. „Wie schön es ist, Kunde zu sein.“, denke ich. „Ach", denke ich auch „ich rufe nicht an, ich gehe vorbei, ich komme ja immer so gerne her.“ Und entscheide mich für Muscheln.
Turnvater Jahn in der Hasenheide von mir anschließend fotografiert, fragt streng, „wann ich gedenke an ihm wieder einmal joggend vorbei zu traben?“ „Bald!" antworte ich, „sehr bald. Du fehlst mir doch auch.“ Die Hasenheide scheint heute zu bersten vor Menschen, die nach Sonnenstrahlen hungern, die Hunde laufen lassen, vor Kindern, denen der Spielplatz gehört, die Fahrrad fahren lernen oder Inline-Skates ausführen. All diese großartigen Weihnachtsgeschenke, die endlich raus wollen. Die obligatorischen Fußballmannschaften ringen um Bälle, es klingen Vokabeln wie „Foul!“ durch die milde Winterluft. Die neue Skater-Anlage auf der Seite zum Columbiadamm ist voll belegt, gleiches gilt für die Basketball- und Fußballfeld-Anlage. Alles keine Brötchenkonsumenten.
Das Leben ist schön und es ist wichtig gesund zu sein und Spaß zu haben während man es lebt. Wem der virtuelle Diebstahl eines kleinen 20 k großen Fotos der Gang zum Anwalt wert ist, die Auslobung eines irrsinnig hohen Streitwertes, der hat vielleicht nicht mehr viel Freude am Leben, fürchte ich für ihn. Und Freunde wachsen auch nicht an jeder Ecke so eben nach.
Aber Muschelfotos. Bei mir.
Bitte lesen!
Ja, ja, auf die Seiten von den Betreibern, die gern abmahnen, kann ich auch verzichten. Lustig in diesem Zusammenhang fand ich, dass die Betreiberin in einem Interview mal erzählte, sie könne von dem Internetauftritt leben. Jetzt weiß ich auch, wie sie das macht :-(
AntwortenLöschenMuscheln, ja, die gab's bei mir heute zum Mittagessen. Und heute abend im Blog.
@claudia
AntwortenLöschenVor allen Dingen, ich mochte deren Seite nie wirklich. Die Fotos sind klinisch steril, so richtig Herzblut bei der Sache wie bei Dir oder Cilli & Ciabatta kann ich nicht entdecken. Und was dass, sie könnte davon leben angeht, naja … ob soviel die Google-Anzeigen bringen? Da muss man sich in der Tat noch ein paar Nebeneinnahmen ausdenken. Ach, ich finde so etwas traurig. Noch schlimmer finde ich ja, dass sie jetzt die Leute abmahnen, die Kritik üben. Da hört es dann auf. Völlig.
Die Muscheln kochen, verbreiten ihr Aroma und der kleine spanische Kater ist fürchterlich aufgeregt und singt schon Fischerslieder. So ein Prachtexemplar von einer Inselkatze.
Beifall!!
AntwortenLöschen@creezy: Die Google-Anzeigen bringen wahrscheinlich gerade mal die Serverkosten wieder rein. Es sei denn, Sie hat Aber-Millionen von PIs. Den Rezepten dort habe ich auch nie wirklich Beachtung geschenkt. Dann lieber aus einem Blog oder einer Newsgroup, in der Rezepte auch diskutiert werden und die Leute Feedback geben können.
AntwortenLöschenDer Fischerslieder singende Kater hätte heute ein wenig mediterranes Flair in meine Küche gezaubert. Stelle mir vor, wie der um meine Beine gestrichen wär.
@julia
AntwortenLöschenmerci! Sehr großartige kämpfende Kung Fu-Pfanne btw. ;-)
@claudia
Der hätte Dich geliebt und wäre Dir um die Beine gestrichen wie kein anderer. Aber hallo! Und X und Y gleich mit. Der Kater frisst nur das Gelbe der Muschel, das dunkle Fleisch lässt er liegen. Diese Diva. Aber er sieht sehr glücklich spannisch aus zur Zeit. Ich auch – die Muscheln waren bezaubernd!
Ich glaube schon, dass die guten Traffic haben, man findet ja deren Rezepte oft verlinkt, will sagen, die fusionieren auch nicht nur unter dem einen Namen, denke ich. Aber es ist halt biedere Hausmannskost. Keine Schokoladenfondantkuchen, keine Karamellsaucen … apropos Karamellsauce. So ein Hüttenkäse mit K …
dürfen die denn eigentlich die rezepte einfach so veröffentlichen? ich meine, irgend jemand hat sicherlich den krustenbraten erfunden und jetzt wird er gar nicht gefragt ob er möchte, dass alle das nachkochen? also ich, als erfinderin der biermilchsuppe würde mich da wirklich ärgern!;)
AntwortenLöschensehr fein geschrieben, miss creezy und sehr recht haben sie auch!
@zoe: Bin zwar keine Juristin, aber soviel ich weiß, gibt es ein Urheberrecht auf Rezepte (Gott sei dank!) nicht. Es sei denn, sie sind in irgendeinerweise künstlerisch verfasst. Aber auf Zutaten und Zusammensetzung gibt es kein Copyright. Stell Dir vor, Du müsstest, wenn Du eine bestimmte Tomatensuppe kochst, so etwas wie Gema-Gebühren abführen ;-) Und erst einmal der Streit, wer denn nun die Tomatensuppe erfunden hat.
AntwortenLöschenGanze Kochbücher darf man allerdings nicht abtippen. Bis zu welcher Anzahl an Rezepten das legitim ist, weiß ich nicht. Ist wohl auch Ermessen dabei ...
@creezy: Bin gestern bei der Suche nach "Baguette recipe" auf ein interessantes Ergebnis gestoßen: Die Dame veröffentlicht auch Rezepte auf englisch ...
AntwortenLöschen@claudia
AntwortenLöschenIch bin ja drauf und dran mit Dir den besseren Rezeptedienst aufzuziehen – einen mit echtem Income! ;-)
Ist das Baguette-Foto hässlich? Hässlich freigestellt? Meine Güte, was mit mit einem Baguette alles anstellen kann? Ich glaube, ich kaufe heute mal ein Baguette und setze das sexy in Szene – ganz ohne Hohlkehle, die Brötchenfotos sind ja auch gerne genommen worden. *lol*
Das Baguette-Foto auf der Seite habe ich mir gar nicht angeguckt. Wegen Nicht-Klickens. ;-)
AntwortenLöschenEinen besseren Rezeptdienst aufzubauen wäre nicht schwer. Neidvoll kann man da auf chefkoch.de gucken. Die haben über 50 Mio. PI. Da muss man erst einmal rankommen. ;-) Dann können wir uns nicht nur bezahlte Praktikanten, sondern auch Angestellte leisten ;-)