2006-09-18

Das Mem

Da läuft gestern auf 3SAT um 21.30 Uhr, ich hatte es mir gerade mit einem riesigen Stück selbst gebackenen Pflaumenkuchen mit Sahne auf dem Bett bequem gemacht, eine Dokumentation „Die große Depression“ von Konstantin Faigle. Ich zappe sie an, bleibe hängen, weil gerade eine kleine blonde Dame hinter einem riesigen zugemüllten Schreibtisch charismatisch hinreissend intelligent mit Edding auf einen DinA3-Zeichenblock hochkomplizierte Themen auf kleine verständliche gemalte Skizzen reduziert und mich über ihren Schreibtisch in ihren Bann zieht. Vera von Birkenbihl, das ist die Frau, die sich – unter anderem natürlich nur – ziemlich viele Gedanken über Lernmechanismen gemacht und diese publiziert hat. Viel gehört, weniger gelesen habe ich ja schon von ihr, aber sie so en natura zu erleben, ist ehrlich ein Naturschauspiel!

Zum Schluss ihres Interviews stellt der Autor noch eine Frage in Richtung Endlösung des ganzen Schlamassels aus ihrer Sicht („Die große Depression“ handelt natürlich vom kollektiven depressiven Untergang Deutschlands zur neueren Stunde), die sie mit „sie hätte wenig Lust die Kürze der ihnen zur Verfügung stehende Zeit auf solche Themen zu verschwenden. Das könnten sie machen, wenn sie 120 Minuten für das Interview hätten und jeder Themenkomplex 20 Minuten Zeit bekäme, aber so hätten sie jetzt doch wohl Wichtigeres vor!“ Und wimmelt ihn und seine Frage mit einem lauten herzlichen Lachen ab.

Was ich aber eigentlich erzählen wollte: in diesem Beitrag ist mir erstmals bewusst das Mem über den Weg gelaufen. Die hohe Wissenschaft der Memetik geht davon aus, das Mem als kleinster Informationskomplex bedient sich seines Trägers (Mensch) und der sich ihm dort bietenden Umweltbedingungen, um sich selbst zu reproduzieren (das Phänomen kennen wir aus Star Trek) und zu verbreiten.

Das Mem ist schuld an so vielen Dingen, die uns das Leben schöner glauben machen, aber hintenrum doch nur ins Verderben ziehen. Radikale Politik oder Religion, der wir folgen – ein Werk der Meme. Gerade das Internet ist eines der herausragenden Instrumente im Dienst der Meme für ihre Sache. Wie wahr! Sogar dieses kleine zierliche gelegentlich amüsante, manchmal traurige aber immer konsequent unwichtige holy fruit salad!-Blog ist nichts weiter als ein Bruchteil der gigantischen Memkopiermaschine.

Ich warne Euch: Dieses Blog ist dazu da, um meine Meme bei ihrem Kampf um ihren Lebensraum zu unterstützen, damit sie sich in Eure Gehirne einnisten und es von dort aus leichter haben, Eure Meme zu missionieren, damit sie meinen Memen ausreichend Beachtung zollen.

Ich bin – ganz jungfräulich mit meinen Memen konfrontiert - ziemlich begeistert von der Philosophie der Memetik und denke das nähere Studium wird mir über so manchen trüben Herbsttag in diesem Jahr hinweg helfen. So reichen sich meine Fragen (Meme manipulieren mich auch hier!) einander die Hände wie die südfränkischen Trachtentänzer: wo bleiben die Kontrollmechanismen, wenn meine Meme ihren Träger (mich) verlassen haben? Könnten sie im Kampf gegen die Übernahme von Fremdmemen mutieren? Entarten möglicherweise meine Meme und gauckeln als Informationsträger der weiten Welt vor: „Ja, tragt alle Leggins!“ (richtig böses Memresultat)? Eine Meinung, die meine ungeschädigten Meme nie vertreten würden! Oder sind das gar nicht meine Meme, sondern die Meme der anderen, die nichts Gutes im Memschild führen? Haben meine Meme in der großen weiten Welt der Meme überhaupt eine Stimme?

Ganz klar ist jedenfalls, das in meinem Haus bereits Mem-Entwicklungen existieren, die vom Menschen auf das Tier übergesprungen sind. Darüber habe ich bisher in der Literatur noch nichts lesen können. Der Beweis:



Selbst niedere Existenzen wie z.B. Katzen sind vor der Übernahme der Meme ihres nächsten Menschen nicht ausgenommen. Dieser Kater zum Beispiel mußte jahrelang den Gebeten einer Buddhistin lauschen und weigert sich nun mehr ohne buddhistischer Gebetskette und -buch einzuschlafen. Nachdem Zen-Yoga bereits von Katzen adaptiert wurde, sind diese Lebewesen nun auch für die Verbreitung der buddhistischen Lehren aufgrund der Existenz und Wirkung menschlicher Meme präpariert. Da bin ich gestern erst den Memen begegnet und habe heute schon die eigentliche Sensation der Memetik erfasst!

Ich muss lesen! Ich muss noch viel lernen! Bis dahin rufe ich jeden Morgen beim Zähneputzen und im Anblick meines Spiegelbildes: „Hallo Ihr Meme, ich erkenne Euch (noch) nicht, aber ich wasche Euch trotzdem!“

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