2023-01-10

Vom alltäglichen deutschen Wahnsinn

Vor Weihnachten erhalte ich eine schriftliche Einladung vom Jobcenter. Das passiert immer wieder einmal, es ist nichts Aufregendes.

Dieses Mal aber hatte mich das Schreiben aufgeregt. Oder vielmehr die Art des Versendens. Sie erfolgte nämlich nicht in einem normalen Briefumschlag sondern in einem gelben Umschlag per formeller Zustellung (PZA). Also der Art, dass der Postbote den Brief zwar nicht persönlich überreichen muss aber schriftlich quittiert, wann der Brief zugestellt worden ist. Beziehungsweise vor allem, dass er zugestellt worden ist. Oder im Dienstjargon: „Die förmliche Zustellung erfolgt nach den Regeln der Prozessordnungen durch persönliche Übergabe an den Empfänger oder eine nach dem Gesetz vorgegebene Ersatzzustellung (z.B. Einwurf in den Hausbriefkasten, ersatzweise Niederlegung).”

Mich hatte das maximal geärgert. Ich möchte Briefe dieser Art nicht in meinem Briefkasten vorfinden. Sie machen mir ein ungutes Gefühl und ich habe sehr darum gekämpft die letzten Jahre in meiner besonderen Lebenssituation solche Briefe nicht zu bekommen – was wirklich nicht einfach ist. Ich habe es geschafft. Es gibt also keinen Grund mir Post auf diesem Wege zukommen zu lassen.

Das kommentierte ich auch genauso in meiner E-Mail an meine Gesprächspartnerin, denn ich musste den vor ihr (sehr kurzfristig) vorgeschlagenen Termin leider verschieben. Auch mit dem Hinweis darauf, dass ich bisher zu den Terminen der Behörde immer gekommen bin, pünktlich, sehr selten – genauer: einmal – einen Termin nur absagen musste. Umgekehrt ist es deutlich öfter passiert. Und kurzfristiger. Es gäbe also keinen Grund mir Termine in einer Art und Weise zu schicken, die gefühlt mir den Vorsatz unterstellt, Termine nicht einzuhalten. Und dass ich mir diese Versendeform daher in Zukunft höflich verbitte.

Ich war ziemlich sauer.

Die neue Einladung kam wieder in einem normalen Brief an. Der Termin war heute. Ich war mit Begleitung pünktlich vor Ort. Wir, also vorrangig ich, hatten mit der Dame ein gutes Gespräch hinsichtlich meiner Zukunftsperspektive, meiner Ideen und Vorstellungen. Dazu gehörte, dass ich auch ein bisschen in Details meiner Vergangenheit ging und wir somit nochmals auf diese Versendeform zu sprechen kamen.

Und jetzt kommt's: Die versenden die Briefe so gar nicht aus dem Grund, weil viele Klienten nicht auf die Einladungen reagieren würden. Die versenden neuerdings die Briefe so, weil die Deutsche Post seit einiger Zeit so unzuverlässig Post zustellt, wenn sie Post überhaupt zustellt, dass die Schreiben öfter nach dem Termin erst bei den Klienten eingingen. Sie also aufgrund von Unwissenheit auf die Einladung nicht reagieren können.

Sie versenden also normale Anschreiben per formelle Zustellung, weil die Deutsche Post die bei ihr eingekaufe Dienstleistung nicht oder nur noch schlampig erledigt!

Normaler Brief bis 20 g: 0,85 Cent. Postzustellungsurkunde € 3,45 – mit Glück kauft das Jobcenter die Leistung in der Großpackung ein, dann kostet sie nur noch ab 70.000 PZA/Kalenderjahr € 2,19

Und an der Stelle kommt ihr ins Spiel: Es sind eure Steuergelder!

Ich finde übrigens auch, dass diesbezüglich diese von CDU/CSU und FDP kurz vor dem Bürgergeld angestoßene Sanktionsdebatte noch einmal ein ganz besonderes Nachgeschmäckle erhält.

2023-01-01

Herzlichen Glückwunsch – wir sind sehr weit gekommen!

Ich wünsche euch allen ein gesundes neues Jahr. Möge uns 2023 gut gelingen! Irgendwie.

Ich freue mich über jede Person, die die letzten Jahr überstanden hat, hier noch mitlesen kann und mag. Wir waren wirklich tapfer, fürsorglich und ein bisschen gehören wir wohl zu den Glücklichen unserer Zeit!

Ich muss sagen, 2022 hat mich wirklich an meine Grenzen gebracht. Dabei war es persönlich für mich ein gutes Jahr. Gesundheitlich keine echte Verschlechterung, eher im Gegenteil. Diverse Vorsorgeuntersuchungen ohne Befunde durchstanden. (Darf man in meinem Alter auch happy mit sein.) Immer noch (ihr seht mich gerade auf Holz trümmern) kein Covid eingefangen. Vierten Booster, die Impfungen wirken immer noch gut auf die Fibromyalgie.

Habe mich wieder auf das Plasmaspenden eingelassen, was mir tatsächlich auch richtig gut tut körperlich. Keine Ahnung, ob es der Auftrag ist an den Körper wieder mehr das Blut zu pimpen oder die 250 ml Kochsalzlösung hinterher. I like it!

Mir sind meine mir sehr lieben Menschen alle geblieben, auch die meisten davon halbwegs gesund. Keine Selbstverständlichkeit in dieser Zeit zumal mir unter den Internet-Menschen einige uunerwartet weggestorben sind – nein, ich werde euch nicht vergessen! Und ich bin immer noch entsetzt.

Mein Fahrrad wurde mir auch nicht geklaut. In Berlin. Kann man sich auch nicht vorstellen.

Es sind Freundschaften zerbrochen. Erstaunlich wegen was Menschen andere Menschen aus ihrem Leben werfen. Eine Freundschaft ist für mich zerbrochen, weil man meine Grenzen überschritten hatte. In einem Fall ist in einem Punkt für mich eine neue Freiheit ins Leben getreten –  die ich nun sehr genieße.

Für Shiina gab es in diesem Jahr zwei schlimme Momente. Eine Operation im Gesicht, wie sich herausstellte ein Fibrosarkom. Und im Spätherbst schlimmes Erbrechen und Darmprobleme ohne echte Idee, was es sein könnte und einem Darm-Röntgenbefund, der auch alles Üble hätte sein können. Schlussendlich war es runtergeregelte Darmperistaltik aufgrund ihres (in diesem Jahr) eingesetzten Schilddrüsenpräparates. Und mittlerweile vermute ich, dass auch das Fibrosarkom aus der Ecke kam. Umgestellt auf altbewährte Tabletten. Nicht immer ist neu und state of the art wirklich ein Heilsbringer. Aber im Herbst sah ich uns schon Abschied nehmen. Es war eine schwierige Zeit auf so vielen Ebenen –tausend Dank an B. für deine großzügige Unterstützung und an K. für dein Angebot. Große Hilfe!

Ich habe Silvester gestern in großer Dankbarkeit gefeiert mit Shiina ganz in Ruhe, dass ich das doch noch tun durfte. Wir versuchen es 2023/24 wieder zu tun, haben wir uns versprochen.

Ich durfte viele schöne Reisen unternehmen. Teilweise Einladungen. Aber eben auch zwei eigene von mir gewünschte, geplante und durchgeführte Reisen. Ein wirkliches Wunder, ich kann es immer noch kaum glauben. Und bin zutiefst dankbar für die Erfahrung an sich und das Erleben vor Ort. Ich habe dadurch Matera getroffen. Eine Stadt, die mein Herz so tief berührt hatte, wie selten ein Ort zuvor. Bari, Monopoly, Brindisi. Im Herzen. Ja, dankbar. Das trifft es. Was für ein Glück ich hatte.

2022 war aber auch für mich das Jahr des Unfassbaren. Unfassbar war für mich, wie lange westliche Politiker ernsthaft geglaubt hatten, Putin würde seinen irrsinnigen Armeeaufmarsch an unkrainische Grenzen nur zum Spaß durchführen, Grenzgebiete nur mal eben so annektieren. Wieso dürfen Politiker so vorsätzlich naiv sein?

Ich habe 2022 gelernt zu hassen und auch dazu zu stehen. Ich hasse diesen Mann sehr. Ich wünsche ihm das Allerschlechteste auf dieser Welt und auch danach in aller Ewigkeit. Russische Soldaten sind Mörder, Folterer, Vergewaltiger, Kriegsverbrecher. Und Menschen, wie Wagenknecht und Kretscherm sollen sich in Grund und Boden schämen, wenn sie glauben, man könne immer noch mit Putin reden. Dem Lügner und Kriegstreiber. Was haben manche Menschen eigentlich im Hirn?

Ich bin als in West-Berlin und 1965 geboren eine Person, die natürlich mit dem Russen als Feindbild aufgewachsen ist. Ich habe hart an mir und mit mir arbeiten müssen, um dieses Feindbild nach dem Mauerfall abzulegen und Menschen aus Russland offen und vorurteilsfrei begegnen zu können. Das war ein sehr bewusster Prozess, der in Berlin nicht immer ganz einfach war, wo sich die russische Finanzelite sehr breit gemacht hatte in den letzten 25 Jahren mit einem Gebahren teilweise, dass es schwer machte sie einfach wertzuschätzen. Aber ich habe es wirklich getan: an mir gearbeitet in dem Punkt.

Dann kommt dieser Unmensch und reißt alle alten Wunden auf. Die Wunden, die eine Enkeltochter meiner Generation mit aushalten musste, weil die Großmütter, die im zweiten Weltkrieg von Russen vergewaltigt wurden, es natürlich in welcher Weise auch immer (bei uns war es dieses fürchterliche greifbare Schweigen in bestimmten Situationen) auf uns unbewusst übertragen haben.

Es ist so viel hochgekommen in diesem Jahr. So viel alte Angst. Diese schreckliche Sorge. Dass er mich dazu bringt überhaupt zu überlegen, ernsthaft, ob ich eigentlich auch die Kraft hätte wie sehr viele Ukrainer*innen in ihrem Land zu bleiben und mit der Waffe zu kämpfen, um ihr Land zu Leben zu verteidigen? Was, das sollte uns klar sein nach diesem Jahr – nicht so unwahrscheinlich mehr ist in einer künftigen Notwendigkeit als wir es uns 2021 je hätten denken können. Das hier, da geht es um so viel mehr Grauen als nur um Energieprobleme.

Das ist schwer. Und es braucht ein Ventil. Meines ist der Hass auf dieses Monster und seine blinden Mitläufer.

Okay, das musste auch raus. 2022 hätte ein gutes Jahr, ein viel besseres Jahr werden können. Er hat es uns vermasselt.

Übrigens habe ich tatsächlich zwei Vorsätze für 2023. Habe ich sonst nie, weil meiner Meinung nach eher Quatsch. Beziehungsweise glaube ich an die Macht der sofortigen Veränderung. Nicht der zum Jahreswechsel. Aber man kann ja umdenken. Zum Glück. Vorsatz Nr. 1: Mindestens einmal am Tag für mich ein Lied durchtanzen. In der Wohnung. Meine eigene persönliche Disco! Zum Spaß. Für mein Glücksgefühl. Und ein bisschen Fitness. Ich habe das früher als Kind stundenlang in meinem Kinderzimmer getan. Wann habe ich das eigentlich aufgehört – und vor allem: warum?

Vorsatz Nr. 2: eScooter/Mieträder, die sch… parken – also Fußgängerübergänge zuparken und Rollator-/Rollstuhlfahrer behindern, räume ich ab sofort immer aus dem Weg und stelle sie auf die Straße. Wo sie als motorisierte Fahrzeuge übrigens lt. StVO auch hingehören. Aufenthalt auf dem Gehweg ist für Motorradfahrer, Roller, eScooter nämlich nur geduldet.

2022-12-21

Ich bin sauer!

Ich bin letzte Woche für ein Nachbarschaftsprojekt in finanzielle Vorleistung gegangen. Der verantwortliche Mitarbeiter hatte mich gefragt und gebeten, ob ich einen Einkauf noch in diesem Jahr hinbekomme, wegen der Jahresabschlüsse. Habe ich verstanden, habe zugesagt, obwohl ich wusste, es wird solange die ausgelegte Summe nicht an mich zurückfließt, schwer werden für mich.

Geld auslegen berührt in meiner Lebenslage meinen Alltag immer. Und eher nicht angenehm. Und mit einem letzen harten Monat in dem Shiina sehr krank war, alleine wahnsinnig viel Geld in Futter geflossen ist, bis sie wieder etwas fressen wollte und vertragen hatte, berührt es noch einmal sehr. Und in einem Monat Dezember in dem man irgendwie seinen Lieben auch ein schönes Fest gestalten möchte, auch ich, berührt es dringlich sehr.

Aber ich habe zu der Zusage gestanden, habe das Geld vorausgelegt – habe dabei in der Sache dem Nachbarschaftsfonds sogar 30,— Euro eingespart, die nun in andere Projekte fließen können.

Mit dem Einreichen der Rechnung und Unterlagen habe ich mich vor dem zuständigen Mitarbeiter ein Stück weit nackig gemacht und musste darauf hinweisen, wie wichtig mir eine Überweisug noch vor Weihnachten ist. Ja, das hat mir total viel Spaß gemacht. Nichts mache ich lieber! /*ironietag_off

Nein, es geht nicht wirklich um eine hohe Summe – aber unter dem Strich heißt es für mich, dass mir von dem Anteil im Satz bereit gestellten Anteil für Nahrung und Getränke nur noch € 115,82 blieben in dem einen Monat. Bei 20 % Inflationsrate bei Lebensmitteln derzeit. Kann man so oder so funky finden.

Dämlich für mich, dass ich es trotzdem getan habe aber ich tue es, für die Sache. Für die Nachbarn im Ehrenamt. Mache ich gerne. Sitze jetzt aber leider hier und ärgere mich seit gestern Abend.

Auf mein mich-nackig-machen am Donnerstag letzter Woche folgte keine Reaktion. Kein simples „Geht klar, Frau XYZ, haben Sie vor Weihnachten.” Nun kann absolut passieren, dass einem das durchgeht. Für mich aber bedeutet es dennoch aber, ich hänge seit letzten Donnerstag in der Luft, weiß nicht ob ich diese sicher für viele Menschen geringe Summe vor Weihnachten noch im Einsatz haben werde oder nicht. Unsicherheit ist kein sehr schönes Gefühl. Selbstverständlich ließe sich das kompensieren in dem ich keine Lebensmittel vor Weihnachten einkaufe oder Freunde frage, ob sie mir aushelfen könnten. Es ist schlussendlich mein Risiko, das ich eingegangen bin, geschenkt.

Aber ich würde wenigstens Bescheid wissen dürfen!

So fragte ich gestern kurz per Mail nach. Also kurz, wie man es in E-Mails tut auf Mails auf die keine Reaktion erfolgt ist. Mit dem Hinweis, dass ich bis dato kein Geld erhalten hätte und wenigstens eine Rückmeldung schön fände.

Auf diese E-Mail erhalte ich gestern Abend eine Antwort der Vorstandssekretärin, die den betreffenden Mitarbeiter in dessen Urlaub gerade vertritt. Sie teilt mir mit, er hätte die Rechnung umgehend weitergegeben, die Anweisung würde diese (!) Woche umgesetzt. Und das Ganze wäre ja nun innerhalb von fünf Werktagen passiert oder O-Ton: „Heute ist Dienstag, das sind bisher fünf Werktage und ich denke, dass die Bearbeitungszeit vollkommen angemessen ist, auch unter dem Aspekt, dass die B. solche schönen Projekte fördert.”

Sagen wir es so, mein Gefühl, dass sie mein Anliegen als Peanuts betrachtet und sie sicherlich genervt war, sich darum überhaupt kümmern zu müssen, ziehe ich sicherlich nicht aus der Atmosphäre, sondern aus dem Lesen ihres Einzeilers. Ich kann so eine Überheblichkeit nicht ab. Davon abgesehen, dass ich immer noch nicht weiß, ob ich über die ausgelegte Summe vor Weihnachten verfügen kann, kann „… wird diese Woche umgesetzt …” auch erst Freitag heißen. Weiß ich es?

Und Angemessenheit finde ich, wenn jemand seine Situation offen darlegt und gar keine Reaktion darauf erhält, schlicht nicht gegeben. Es ist nicht angemessen, nicht zu kommunizieren. Punkt. Was nicht heißt, dass ich kein Verständnis dafür habe, dass das jemandem vor seinem Urlaub hinten runter rutscht. Passiert. Und trotzdem steht auf der anderen Seite immer noch die eine Person, die nicht informiert wird. Und vielleicht, nur vielleicht aber wäre ein stellvertrendes kurzes „Sorry!” angemessen?

Gar nicht angemessen ist, wenn jemand nochmals nachfragen muss, dass mit solcher Überheblichkeit geantwortet wird. Ob fünf Tage Bearbeitungszeit angemessen sind noch vor Anweisung, kann man dahin gestellt sein lassen. Je nach Position auf der man steht, hätte ich es auch als angemessen finden können, wäre das Geld schon vergangenen Freitag angewiesen worden. Darüber will ich mich gar nicht erst streiten. Mir geht es alleine um das Feedback. Das zuerst nicht erfolgt ist, dann von der Vertretung sehr von oben herab.

Und ich finde auch „… dass die B. solche schönen Projekte fördert.” frech. Offensichtlich hält mich diese Mitarbeiterin für zu blöd als dass ich nicht wüsste, wer die „schönen Projekte” defacto finanziert. Es sind dann doch die Anteilseigener dieser Genossenschaft , die auch auch mit der Zahlung der Mietzinse immerhin im Jahr hier und da kleine Überschüsse produzieren, die nicht in die Dividendenausschüttungen sondern lt. Satzung auch in solche Projekte fließen sollen. Womöglich zahlen die gleichen Leute unter dem Strich sogar das Gehalt dieser Mitarbeiterin. Könnte das sein?

Davon abgesehen, dass mich und alle anderen aktiven Nachbarn natürlich sehr gefreut hat, dass dieses Projekt auf unseren Wunsch hin überhaupt umgesetzt wurde und sogar viel früher als angedacht. Das ist unbenommen, wurde von mir auch an die involvierten Mitarbeiter mehrfach kommuniziert. Uns ist klar, da ist Geld geflossen, Manpower. Aber unterm Strich sind wir Anwohner, die auch solche Projekte finanzieren.

Gerade den Leuten, die sich so engagieren am Ende des Jahres noch einen Tritt in den Allerwertesten zu geben, das kann man machen. Es ist okay. Es mein persönliches Boule-Spiel mit dem bisher in dem einen Projekt gespielt wurde und das Kinder-Boulespiel, das allen zur Verfügung steht, habe auch ich von meinem Geld gekauft und für die Sache spendiert. Aber offensichtlich fehlt in dem Unternehmen – zumindest einigen Mitarbeitern – an dieser einen Stelle die Sensibilität für das das, was manche Anwohner hier leisten für die gemeinsame Sache. Deren Engagement, man hat es in diesem Jahr gemerkt, nachvollziehbar so immer weniger wird.

Nicht zu kommunizieren ist übrigens die Kernkompetenz dieses Unternehmens. Ich habe mich in diesem Jahr bereit erklärt als Schnittstelle zwischen zwei Mieterprojekten und dem Unternehmen zu fungieren – ehrenamtlich – und kann daher ein Lied singen, wie oft Informationen gar nicht, trotz Nachfrage nicht und nach nochmaliger Nachfrage erst fließen. Es übrigens auch keine Reaktionen auf Vorschläge gibt, wie man die Kommunikation vereinfachen/verbessern könnte. Dass mich dieses Ehrenamt zwei Freundschaften in der Nachbarschaft gekostet hat, weil ich nun ein Sprachrohr bin und einige Menschen das offensichtlich nicht getrennt bekommen von meiner persönlichen Person: geschenkt. Aber ja, es bestätigt sich, was immer gilt: Ehrenamt heißt Opfer bringen.

Ja. Es war für uns alle ein schlimmes, ein hartes Jahr. Nach den anderen harten Jahren. Wir haben alle Nerven gelassen. Und ich will dieser einen Mitarbeiterin das auch zugestehen. Aber ich weigere mich, mich mies behandeln zu lassen und mich für meinen Einsatz noch blöd anmailen zu lassen. Der Sack ist zu. Es ist so typisch, dass die Menschen, die sich einbringen (und dafür ja nicht einmal ein Dankeschön erwarten) schlussendlich noch blöd gekommen wird.

Für mich ist's geklärt. Ich bringe keine Opfer mehr. Meine übernommenen ehrenamtlichen Angebote ziehe ich zurück. Ich habe es gerne gemacht – aber nicht so. Auch die Vorgartenpflege hat sich für mich erledigt. Den unnötigen Ärger tue ich mir nicht mehr an.

2022-12-15

Wie stirbt man in Zeiten eines Pflegenotstands?

Ich habe gestern mit der Freundin telefoniert. In dem Hospitz in dem sie arbeitet ist zur Zeit nur 50 % Belegung (ist nicht so als hätten die nicht auch bei 100 % Einsatzmöglichkeit enorm lange Wartelisten) der sonstigen Belegung möglich.

50 % deshalb, weil ein großer Teil des Personals krank ist. Das hat mich gestern dann doch schockiert. Denkt darüber nach, was das für die Paliativpatienten heißt, die dann halt jetzt in die endliche Phase ihres Lebens treten.

Wo werden sie sterben? Wie werden sie sterben?

Sterben ist zeitlich selten verhandelbar. Es ist nicht so als würden die Krankenhäuser derzeit auch alle Betten bedienen können, die sie vorrätig halten. Ist Pflegepersonal nicht ausreichend verfügbar, stirbt man auch u. U. im Krankenhaus schlecht versorgt. Und verfügbares Pflegepersonal wird derzeit an die Pädiatrie weiter gereicht, wenn nur möglich. Und die Situation in der häuslichen Palliativpflege ist kein bisschen besser. Leider. Sie war auch immer schon hart am Limit – als meine Freundin S. vor Jahren zu Hause sterben wollte (und konnte) hatte schon die Pflege Dienst bei ihr in der Freizeit erwiesen.

Lasst euch bitte wenigstens gegen Grippe impfen, auch die Kinder – und auch wenn ihr nicht zur ausgewiesenen Risikogruppe gehört. Schützt die Pflege durch Minimierung von Erkrankung, wo es nur geht. Meine Hausärztin sprach gestern von Infektionszahlen, die das harte Grippejahr 2017/18 noch übertreffen könnten.

Es ist jetzt vielleicht auch nicht die Zeit sich auf Weihnachtsfeiern, in Clubs oder auch so nur zum Spaß mit Alkohol, Drogen so abzuschießen, dass der Notarzt kommen muss. Vermeidet Erkrankungen, wenn ihr es könnt. Vielleicht weniger Verkehrsregeln missachten. Begreifen, dass man auf dem Fahrrad doch sterblich ist. Solche Dinge. Wir können in der jetzigen Zeit das System durchaus entlasten.

2022-12-12

Bargeld abschaffen?

Wird derzeit viel diskutiert. Jüngere Generationen, die auch gar keine Probleme offensichtlich mehr haben mit allen Alltagsaktionen getrackt zu werden, finden das total cool. Ältere Generationen, die vielleicht oldscool am physischen Geld hängen, sehen das etwas kritischer. Richtig alte Generationen wissen wie wichtig in harten Zeiten, also Kriegszeiten, ein funktionierender Schwarzmarkt sein kann.

Der dahinter liegende politische Wille ist natürlich so klar wie eindeutig: Man möchte das Schwarzmarktgeschehen eindämmen. Klar, kann man so den Bauarbeiter günstiger im Bau beschäftigen an der Steuer vorbei. Ob sich das für den Mann lohnt sozialversicherungstechnisch, wage ich zu bezweifeln. Ich habe aber das dumme Gefühl, dass Steuereinnahmen in ganz anderer Höhe sehr legal nicht erhoben werden – von z. B. immer noch Amazon, Apple, Wisht & Co.

Und wenn ich mir zur Zeit die weltpolitische Gesamtsituation so ansehe, ich weiß nicht ob die Abschaffung von Geld eine so clevere Idee wirklich ist. Wir haben derzeit eine energetische Krise. Wir haben knapp 1.300 Kilometer von Deutschland entfernt ein Land, dem gerade die gesamte elektrische Infrastruktur zusammen geschossen wird und somit nicht nur der physische sondern auch virtuelle Blackout droht bzw. in einigen Regionen bereits gelebter Alltag ist.

Angriffe auf die virtuelle Infrastrukturen z. B. von Krankenhäusern, die kennen wir längst. In Berlin hatte erst neulich ein Teilbereich der Stadt wieder einen kompletten Stromausfall – da geht dann gar nichts mehr. Betrifft das eine größere Region komplett, haben wir ein Problem: Es kann nicht mehr eingekauft werden. Ich habe schon erlebt, dass ich aus dem Supermarkt wieder gehen musste, weil dort die elektronischen Kassen nicht mehr funktionierten. Ja, die werden in oben beschriebenen Situationen auch nicht funktionieren.

Ich kann in einem solchen Fall am nächsten Tag aufmachen und per Hand abrechnen, Waren kann man sehr schnell analog auspreisen zur Not und mit Bargeld kann auch dann, wie früher bei Tante Emma im Laden, bezahlt werden. Ich kann das nicht, wenn die Menschen kein Bargeld mehr haben. Weitflächige Blackouts kann ich mit Bargeld wenigstens für ein paar Tage abfedern. Mit Geldkarten und Google-/Apple Pay wohl nicht.

Und wenn wir etwas gelernt haben in diesem Jahr ist wohl leider, dass vermeintlich Unmögliches nicht so sehr unmöglich ist. Übrigens wird so ein Angreiferland wie Russland immer Geld haben, egal wie Sanktionen wirken und Krieg Geld kostet: Vorsorge. Weil Russland sich schon seit Jahren in einem solchen Punkt viel breiter aufgestellt hat als unser Land und sich in fremde (digitale) Infrastrukturen lässig einmischen kann. Ob Deutschland die digitale Kompetenz hat, gleiches in Russland zu bewerkstelligen, das wage ich sehr zu bezweifeln. Wie der Minister für Verkehr und Digitales gestern treffend feststellt, liegt Deutschland in dem Bereich locker zehn Jahre zurück. Russland hat seit Jahren mit Vorsatz an der heutigen Situation gearbeitet. Deutschland war in allen Bereich nur naiv und ist CDU-naturgegeben erschreckend rückständig auf so sehr vielen Ebenen.

Bei allem Verständnis für lässige Zahlcoolness. Ich bin da erst einmal noch für Bargeld. Ich mag es hier und da Menschen etwas kleines Geld abgeben zu können. Und ich liebe es alle paar Tage mein Portemonnaie aufzuräumen, die Centstücke auszusortieren, kurz vor einer Reise zur Bundesbank zu bringen und das Geld einzuwechseln – um im Urlaub mir davon ein schönes Essen zu gönnen. Bargeld kann nämlich Spaß machen – und Freude. Niemand kann wissen, ob er nicht irgendwann einmal darauf angewiesen ist, etwas Geld unter der Hand einnehmen zu können.

Denn: Wir wissen wirklich nicht, was die Zukunft bringt. (Das Ganze ist jetzt natürlich ohne die Hintergründe einer richtig harten Rezension beurteilt, die ist noch einmal ein ganz anderes Thema.)

2022-12-09

Zweiter Tag …

… nach der bundesweiten Razzia gegen Reichsbürger, die immerhin einen Putschversuch (so muss man es wohl nennen) geplant hatten. Also unsere Demokratie maximal schädigen wollten.
Der zweite Tag und Marcus Söder (CSU) als auch Friedrich Merz (CDU), die sofort auf dem Plan stehen, sobald Menschen für politische Maßnahmen zum Schutz unseren Klimas auf unterschiedliche Weisen demonstrieren, und härteste Strafen fordern bzw. Söder in seinem Bundesland auch durchsetzt – also die Rechtsstaatlichkeit der Bundesrepbulik Deutschland auf zweifelhafte Weise aussetzt – noch nichts zu diesem unfassbaren Vorgang gesagt oder „gemeint” haben.

Lasst uns bitte so klug sein in Zukunft und nie wieder Vertreter von CDU und CSU auf den Posten des/der Bundesinnenminister*in wählen! Und auch nicht ins Bundesjustizministerium. Ach ja: Von Marco Buschmann, FDP, kam auch noch nichts.

2022-12-08

Gerne gelesen: nothing fancy von Alison Roman

Mein persönliches Lieblingskochbuch im Jahr 2022? Das ist definitiv „nothing fancy” von Alison Roman. Das Buch ist ganz klar gesetzt bei mir, das gebe ich nicht mehr her! Selten habe ich aus einem Kochbuch so viel nachgekocht.

Alison Roman, gebürtige Amerikanerin, lebt in Brooklyn und ist Food-Influencerin bei YouTube und Instagram. Sie schreibt mittlerweile in ihren Kolumnen für die New York Times Cooking und für Bon Appétit, ist in den USA eine Institution – die sich angenehm unprätentiös gibt und so auch kocht. Dementsprechend erlebe ich ihr neues zweites Kochbuch nach „Dining in”, das hierzulande bei Dorling und Kindersley (DK) erschienen ist.

„Entspannt kochen für Freunde” ist der Untertitel des Buches und das trifft es sehr gut. Konzeptionell geht es darum, liebe Freunde zu bewirten – das zieht sich von Einkauftipps bis hin zum Abwasch. So ist es keine so große Überraschung, dass sich die Gerichte gut vorbereiten lassen und ein großer Teil von ihnen im Ofen sich selbstgenügend ihren finalen Touch erhalten – oder bereits zwei Tage früher zubereitet werden können.

Sie serviert ihre Rezepte nicht abgehoben schickimicki ausdekoriert an Stoffservietten (nichts gegen Stoffservietten) am edlen Silber, sondern „as it is”: Sehr bunt, auf zusammen gewürfeltem Geschirr mit Leichtigkeit und einfacher Raffinesse. Alison bietet hierzu kurzweilige Histörchen, erzählt relativ (zu) häufig, dass sie dies oder jenes Produkt an sich nie mochte, nimmt aber damit den Lesern Argumente bei eigener Ablehnung und vor allem – das ist wohl das Wichtigste – auch Kochbeginner sehr charmant mit und serviert gute Problemlösungen.
Ihre Tipps am Anfang „Sich helfen lassen” sind so simpel wie logisch, um sich selbst den Stress als Gastgeber*in zu nehmen, denn die Party beginnt in der Küche – warum sollen Gäste nicht beim Salat zupfen helfen? In „Prioritäten setzen” räumt sie klar ein, dass es in einer Nicht-Profiküche (von der Ausstattung geredet) einfach verdammt schwer bis unmöglich ist alle Zutaten gleichzeitig perfekt und heiß auf den Tisch zu bringen.

Und „Nie um Verzeihung bitten” trifft genau im Kern, war vor allem hiesige Köchinnen (!) besonders gerne machen: Die eigene Leistung verbal selbst zu degradieren. Alisons simple Anweisung: „Es ist kein Restaurant – macht euch nicht den Druck, so zu tun, als wäre es eines.” Das ist so klug wie hilfreich und alleine dafür kann man Alison Roman verehren, sie hat mich so oft so smart aus meiner lähmenden Perfektion geholt. Das Buch ist wie ein liebevolles Coaching!


„Ein schönes Huhn zu braten, ist eine wunderbare Art, «Ich liebe euch», zu sagen.”

„nothing fancy” enthält viele Fisch- und Fleischrezepte: „Ein ganzer Fisch – Yes, you can!”, zu denen bin ich kaum schon vorgedrungen, weil ich immer noch im gemüselastigen Teil des Buches stecken geblieben. Die fantatstisch klingenden Hähnchen-Rezepte brennen mir unter dem Messer! Dennoch würde ich dieses Buch jederzeit auch Vegetarier*innen schenken. Es sind so viele fantastische fleischlose Rezepte darin, die neu sind, unvergleichlich lecker – und schlussendlich lassen sich Fleischanteile ersetzen oder subtrahieren. Sie hat mich auf jeden Fall mehr bekommen mit ihren grünen Rezepten, Salaten mit Crunch oder den Dips.

Alison Roman arbeitet sehr gewürzlastig auf internationaler Ebene, bedient sich hier an der orientalischen, dort an der asiatischen Küche. Man sollte sich gut eindecken mit Fleur di Sel, Chili, Kurkuma, Kreuzkümmel, Harissa, Hefeflocken, Soja Soße, Pul Biber etc. Eingelegte Sardellen im Glas werden als Würze gerne verwendet (sie gibt zu von Sardellen besessen zu sein.) Viele frische Kräuter sind ein Muss! Ein gutes Olivenöl ist auch wichtig in ihrer Küche – und auf jeden Fall: Zitronen. Zitronen setzt Alison oft und gerne ein als Geschmacksheber oder -veränderer. Was ich auch sehr gerne tue. Ich schwöre auf Zitronenspritzer! Unami ohne Zitrone gibt es nicht, möchte ich behaupten.

Was ich persönlich sehr schätze an Alison Romans Buch: Sie nervt mich nicht allzu viel mit Bio-Gedöns, wie es so viele deutschsprachige Kochbuchautor*innen immer noch auf oft übergriffige Weise tun. Alison tut’s lediglich bei Zitrusfrüchten, deren Schale verwendet wird im Gericht. Ansonsten glaubt sie offensichtlich, wir haben mittlerweile – in den letzten 20 Jahren – alle kapiert, dass es sinnvoll ist, dass wir Produkte möglichst regional und mit sehr guter Qualität einkaufen. So muss, wer sich nicht ständig Bio-Qualität leisten kann, kein schlechtes Gewissen haben. Lasst uns doch einfach froh sein, dass die Menschen selber kochen und nicht „Essen to go”-Verpackungsmüll produzieren.

Es kommt viel frisches Gemüse auf den Tisch. Auch Getreide. Fisch kommt schon mal aus der Dose. Aber sie hat ein riesengroßes Talent übliche Zutaten neu zu präsentieren und hat mich mittlerweile schon so oft aus meiner Kochroutine geholt und mir gezeigt, wie ich die ewig gleichen Zutaten anders zubereite, auf ein neues Level bringe. Ein Beispiel:. „Geröstete Radieschen mit Green-Goddess-Butter” hier wandern die Radieschen und junge Rüben einfach in den Ofen und werden auf einer fantastischen Kräuterbutter serviert, die unter den heißen Radiesern schmilzt. Oder gegrillte Garnelen, die mit kalten mit den Händen zerdrückten Tomaten und deren Saft (mit Olivenöl) serviert werden.
Dann werden Pistazienkerne in Butter mit vielen Gewürzen angesetzt und über im Ofen gebackene Kürbisspalten (oder welches Lieblingsgemüse – z. B. Kichererbsen, Beeten – auch immer) gegossen. Halloumi wird in der Pfanne gebraten und mit Honig beträufelt und mit gerösteten gehackten Pistazienkernen bestreut. Zerdrückte Erbsen mit Burrata und schwarzen Oliven (mit frischer Minze, Petersilie und Ruccola). Versteht ihr, was ich meine? Man kennt alle Zutaten und hier kommen sie neu, fantastisch gut! Und immer einfach auf den Teller gebracht.

Auch der Lachs, der langsam im Ofen gegart auf und mit in der Pfanne gebratenen und auch rohen Frühlingszwiebeln in einer Vinaigrette aus Sojasauce und viel Zitrusfruchtsäften serviert wird. Die Rezepte sind alle keine Hexerei. Tatsächlich sind sie meist erstaunlich einfach – schließlich gilt es sich vor allem mit den Gästen zu beschäftigen! Oft sind die Gerichte recht spicy – werden dann mit Milchprodukten abgemildert. Und es schmeckt alles so gut!

Meine Lieblinge bisher (beim zweiten Mal habe ich sie zusammen in den Ofen geschoben):


Klebrig geröstete Karotten mit Zitrus und Tahin
Die rote Zwiebel wird in Zitronensaft mit Salz und Pfeffer ca. 8 Minuten eingelegt. 500 Gramm kleinere Möhren werden mit dünnen Scheiben einer Blutorange und der abgegossenen Zwiebel auf ein Blech gelegt und mit einem Sud aus 1/2 TL Chiliflocken (oder 3-4 frische Chilischoten), 2 EL Ahorsirup (alternativ Honig), 4 EL Olivenöl begossen und bei 220 Grad Celsius ca. 25-30 Minuten karamellisiert.

4 EL Tahin werden mit 3  EL Wasser, Salz und Pfeffer verrührt und ein Teil davon auf eine Servierplatte angerichtet, darauf die fertigen Karotten und Orangenscheiben gelegt. Das restliche Tahin kann dazu gereicht werden (und ja, davon gleich mehr machen).

Alison würde die karamellisierten Möhren zu den geschmorten Short Ribs mit cremigen Kartoffeln aus ihrem Buch empfehlen. Short Ribs als Schmorgericht werden mein nächstes „nothing fancy”-Projekt. Hier wird die Querrippe vom Rind geschmort, wie spannend ist das? Bei uns landet die allermeist als Suppenfleisch in der Brühe! Die Kartoffeln werden mit der Schale übrigens direkt mit dem Fleisch geschmort – Alisons Küche ist halt wirklich einfach.

Auch verdammt gut:


Scharfer, karamellisierter Lauch mit frischer Zitrone
Dieses (von mir sehr geliebte) aber auch sehr diskutierte Gemüse wird so anders, einfach, dafür spannend zubereitet – und ist eine fantastische Beilage. Wer danach immer noch Probleme mit Lauch hat, tut mir leid. Ich liebe es! Die Lauchstangen halbieren und gut in Wasser abspülen – ihr wisst schon, Sandeinlage und so. Die sehr dunkelgrünen Anteile abschneiden (ab in eine Suppe damit) – aber bitte unbedingt die Wurzeln dran lassen! Nun längs in Streifen schneiden, ihr habt nun Lauch-Palmwedel. Die Wurzel hält sie zusammen.
Den Ofen auf 230 Grad Celsius vorheizen. 80 ml Olivenöl, 2 EL Harissa vermengen und schön mit den Händen in die Lauchstangen massieren, die in einer Auflaufform liegen. Mit wenig Salz und frisch gemahlenem Pfeffer würzen. Ab in den Ofen für 20-25 Minuten. Er darf etwas knusprig werden und an den oberen Enden gut bräunen. In der Zwischenzeit eine halbe Zitrone sehr fein hacken.

Den Lauch auf den Teller legen, die Sauce aus der Form darüber geben, wie auch die kleinen Zitronenwürfel darüber streuen und mit etwas Salzflocken garnieren.

Als ich den Lauch das erste Mal zubereitet hatte, hatte ich weniger Lauch als im Originalrezept genommen – aber die gleiche Menge Harissa. Kann man machen, sehr gut sogar – man sollte nur wirklich gar keine Probleme mit Schärfe haben.

Die Desserts im Buch überzeugen (mich) nicht sehr, es passiert nicht viel Neues mit den alten Dingen. Schokoladencookies bleiben Schokoladenkekse. Warum Schichtkuchen mit Löffelbiskuit, Mascarpone und Kaffee nicht direkt Tiramisu genannt wird, verstehe wer will. Auch die Fotos allesamt im Wolfgang Tillmanns-Style extrem hart ausgeleuchtet, strengen (mich) persönlich irgendwann an. Aber sonst …

… habe ich mich selten so glücklich und begeistert durch ein Buch gekocht. 150 Rezepte. Ich will sie wirklich alle, alle, alle machen!

„nothing fancy”
Autorin: Alison Roman
Verlag: Dorling Kindersley Verlag (DK)
ISBN: 978-3-8310-4240-1

2022-11-30

Mamusia von Olia Hercules

Die Einflüsse über die Jahrtausende auf die ukrainische Küche sind vielfältig. Dass sie einher geht mit den typischen russischen Gerichten wie Borschtsch, Soljanka, Wariniki (Vareniki) ist logisch.

Ha! Stimmt gar nicht! Mit dieser allgegenwärtigen Annahme zum Borschtsch sollte ich gleich aufräumen: Dieser Eintopf ist nämlich ursprünglich ein ukrainisches Rezept, dass von den anderen europäischen Ländern übernommen wurde. Urheberrecht wem Urheberrecht gebührt!

Dennoch findet man in der ukrainischen Küche viele europäische Einflüsse aus ganz Osteuropa, z. B. der Türkei, Polen oder Ungarn. Kohl, Rote Beete, Fleisch, viele Kräuter – frischer Dill hat hier einen ganz besonderen Stellenwert – und deftige Teigwaren, die ukrainische Küche macht satt, stärkt für die extrem kalten langen Winter und verwöhnt mit Süßspeisen aus dem guten reichhaltigen Quark oder Teiglingen, die nicht selten zuvor ein Fettbad genießen durften, bevor sie die Gäste glücklich machen.
In ihrem Kochbuch „Mamusia” lockt Olia Hercules in die Küche und serviert 100 originale Gerichte aber auch solche, die dieser Küche die modernen Einflüsse sich hat entwickeln lassen zu der, die sie heute ist. So findet man hier durchaus georgische Gerichte, Köstlichkeiten aus Aserbaidschan oder Moldawien. Mit Olia reist man durch die Küche Osteuropas und lernt dabei auf den Fotos ihre Familie kennen und erfährt deren Geschichte in den Texten. Sehr überzeugend finde ich (der Homepage des Verlages entnommen) das Rezept für das Backhähnchen mit Backpflaumen und Walnüssen, ein Rezept aus Aserbaidschan.

Zu Beginn des Angriffskrieges hat Olia Hercules, die heute als Köchin und Kochbuchautorin arbeitet und in London lebt, mit mehreren Unterstützern die Charity-Aktion #CookForUkraine ins Leben gerufen, der sich seit der Gründung Menschen unterschiedlicher Herkunft und Nationalität angeschlossen haben - darunter Spitzenköche, preisgekrönte Kochbuchautoren und Restaurantbesitzer.

Sie alle kochen in ihren Restaurants ukrainische und osteuropäisch inspirierte Gerichte, backen mit ihren Gästen, zu Hause mit ihren Freunden und teilen ihre Ergebnisse in den sozialen Medien mit den Followern. Über 1 Million Pfund sind dadurch bereits für Unicef gesammelt worden. Für ihr Engagement wurde Olia Hercules von der britischen VOGUE im August als eine der 25 einflussreichsten Frauen ausgezeichnet.
"Das hat meinen Glauben an die Menschheit gestärkt", sagt Olia Hercules über diese überwältigende Resonanz. "Auch wenn die Ukraine frei ist, werde ich meinen Aktivismus nicht aufgeben. Ich bin ein anderer Mensch geworden."

Dieses Buch hieß in seiner Erstauflage Mamuschka und wurde von dem Verlag DK (Dorling Kindersley) anlässlich der weltpolitischen Ereignisse im Sommer neu aufgelegt mit dem neuen Titel Mamusia. Von seinem Erlös gehen nun 4 Euro an ein ukrainisches Hilfeprojekt von der Autorin ausgewählt, in Deutschland an die Ukraine-Hilfe Berlin e. V. – an die man natürlich auch ohne Buchkauf gerne spenden darf.

„Mamusia”
Autorin: Olia Hercules
Verlag: Dorling Kindersley Verlag (DK)
ISBN: 978-3-8310-4612-6

2022-11-29

Spielköpfe – gendergerecht spielen

Letzten Sonntag waren Frau @maske_katja und ich in Berlins Mitte unterwegs Weihnachtsmarkthopping betreiben. Sie hatte mich dabei – und ich war da tatsächlich das erste Mal – auf den Weihnachtsmarkt in die Alte Münze geschleppt, wo Special Interests bedingt vor allem queerbetonte Produkte verkauft wurden, es aber eine fantastische Indoor-Curlingbahn auf Plastikbahnen gibt. Live-Musik u. v. m., wobei wir dort sehr früh waren und es zum Abend hin bestimmt geselliger werden dürfte. War anders, lustig bis fröhlich, relativ wenig weihnachtlich.
Ich wiederum schleppte sie auf den Weihnachtsmarkt im Innenhof des St. Hedwig Krankenhauses, der an diesem einen Adventssonntag stattfinden sollte, wie ich einen Tag zuvor dank meines kleinen Erste-Hilfe-Ausfluges zur Kenntnis nehmen durfte. er war auch sehr charmant, nämlich mit Feuerkorb, vielen Ständen mit selbst gedengelten Kleinigkeiten, die von den jeweiligen sozialen Einrichtungen angeboten wurden. Einer dreiköpfigen Band, die mit Drumkit, Bass und E-Gitarre Weihnachtslieder (und andere Songs natürlich) richtig cool darboten. Außerdem gab es Erbsensuppe und Grünkohl mit Wurscht zu wirklich moderaten Preisen. Der Markt war sehr schön, klein aber so wie Weihnachtsmärkte sein sollten: friedlich.
Danach ging es um die Ecke auf den Wochenendweihnachtsmarkt in die Sophienstraße. Da trifft man die üblichen alten Bekannten, aber diesen Markt mag ich auch immer wieder sehr mit seiner Stimmung. Irgendwann überholten uns sogar Engel auf Stelzen und die Bäckerei Sofi hatte nach Ladenschluss noch ein paar (dunklere) Restbrote zur freien Mitnahme hingestellt, was mich irgendwie richtig freute. So ein knuspriges Baguette auf die Hand für lau. Die kleinen Dinge sind's doch manchmal. Ansonsten hatten wir leckeren Glühwein und Frau @maske_katja hat etwas gekauft, obwohl sie nichts braucht und nichts kaufen wollte. Ich auch.

Lange Rede, was ich aber eigentlich erzählen wolle: In der Alten Münze sind wir an einem Stand (gegenüber der Curling-Bahn) auf die Kartenspiele von Spielköpfe gestoßen. Die sind nämlich gendergerecht und wollen generell blöde Vorurteile abschaffen.
Also trägt die Dame schon auch mal orientalische Kleidung, ist der König eine Königin, wie diese auch ein König sein kann und sie alle auch People of Color sind. Im Kinderspiel trägt die Dame genauso Hose und kurze Haare wie Rock, der Bube hat den dunklen Hautton und rollstuhlfahrende Könige spielen auch mit. Ein sehr schönes gesellschaftliches Miteinander hat man da auf der Hand. Gerade die Kids lernen so spielerisch Gleichberechtigung.
Die Kartenspiele gibt es je nach Spielvariante und (ökologisch einwandfreie) Qualität (Papier oder Plastik) abgepackt ab 10 Euro nächsten Sonntag wieder in der Alten Münze oder direkt hier bei Spielköpfe. Wir fanden es gut und haben ein bisschen eingekauft.

Spielkoepfe haben übrigens auch einen gendergerechten Tischkicker bzw. Figuren dafür im Programm. Smarte Produkte, finde ich. möchte ich sehr für Weihnachten und auch sonst empfehlen!

2022-11-28

Rezension: La Vita È Dolce von Letitia Clark

La Vita È Dolce – das Leben ist süß – ist ein Traum von einem Buch für alle Italienfans und natürlich für alle Menschen, die die Schönheit und Freude, die Desserts, Torten, Kekse und Gelato in unser Leben bringen können als solche erkannt haben und mit geöffneten Händen, Augen, Nasen und Mündern begeistert in ihr Leben lassen. Letitia Clark beschreibt das sehr treffend mit den Worten „Es lässt sich nicht leugnen, dass jeder Tag dazu gewinnt, wenn man weiß, dass man irgendwo in einem Schrank, einer Dose oder im Kühlschrank etwas zum Naschen finden kann.”

Und wer nun doch gleich wieder die Stirn runzelt und an die allzeit gegenwärtigen Gefahren des Zuckergenusses erinnern möchte, dem möchte ich die klugen Worte von Letitias Freundin Cecilia aus Neapel gleich noch hinterher zitieren: „Weißt Du, Letitia, das, was du gern magst, wird in kleinen Mengen auch guttun.”
Italien ist das Land, das der Passeggiata frönt. Die Italiener nehmen sich am Nachmittag die Zeit und genießen bei einem kleinen Spaziergang durch die Stadt oder entlang des Lungomare, der natürlich zufällig immer vorher an einer Gelatteria oder Pasticceria vorbei führt, etwas zartes Süßes auf die Hand. Man trifft sich, genießt den Sonnenschein, hält ein Schwätzchen mit den Nachbarn und genießt dabei ein Eis, Cannoli oder Zeppole, denn: La Vita è dolce! Dieser charmanten Leidenschaft ist dieses Buch gewidmet. Vielleicht wären wir hierzulande weniger verkniffen unterwegs, würden wir einer Passeggiata viel öfter in unseren Wochenalltag Einlass gewähren – und nicht nur auf den Sonntagsspaziergang vereinzeln?

Es ist ein kleines sehr intensives Studium der italienischen Dolci, dieses wunderschöne Buch mit zahlreichen Anekdoten. Die Autorin, gebürtige Britin und 2017 nach Sardinien ausgewandert, hat dabei den perfekten Blick dafür, welche Informationen für Menschen, die nicht die italienische Küche mit der Muttermilch aufnehmen durften, so wichtig sind und welche kleinen Geheimnisse sie sich erst noch erarbeiten müssen.

Letitia Clark lässt keine Hilfestellung aus, sie erklärt die Basis-Rezeptur sei es für die zarten Mürbeteigtartes, die karamellisierte Zitrus-Crostata oder Biskuit-Torten (Torta ricotta e pere),
Biscotti (Cannolli), Hefegebäck – gebacken oder frittiert, wie die wundervollen Chiacchiere: Natürlich fehlen die Rezepte für Gelato (Schoko-Toffee-Eis mit Mascarpone) nicht und für Dolci al cuchiaio – alles wofür man ein Löffelchen benötigt (Cappucino-Pannacotta mit Espressokaramell).

Man versteht endlich, warum es in italienischen Salumerien immer auch Manitobamehl gibt, wann man besser auf Mehl Tipo 0 oder 00 zurückgreift. Dass eine perfekte Pannacotta an das sanfte Wackeln der Brüste zu erinnern hat. Ach und Ricotta, wirklich: Ricotta ist doch so viel mehr als immer nur eine Ravioli-Füllung!
Ich liebe zum Beispiel ein Foto zu ihrem Tiramisu-Rezept. FÜNF Schichten Löffelbiskuit und Mascarpone! Mit den Fotos im Buch hat mich der Verlag sowieso bekommen: Available Light-Fotografie schmeichelt der rustikalen Stilistik im Foodstyling - ach, wie sehr schätze ich einen ordentlichen harteen HighNoon-Schattenwurf auf ungebügelter Tischdecke. Echte Lebendigkeit und der landestypische italienische Purismus wird beibehalten, ich mag das sehr. Habe mich übrigens auch schon dabei erlebt, wie den sehr schönen edel geprägten Einband streichele, in La Vita È Dolce steckt spürbar viel Liebe.
„Cantuccini, Cannoli & Cassata – die Welt der italienischen Süßspeisen” ist übrigens der Untertitel und ich fühl(t)e mich berufen für euch das Rezept der Cantuccini zu backen und mich euch zu teilen. Andiamo!

Wie uns Letitia erklärt, wird das Wort „Cantuccio” (verborgener Winkel, Ecke) gerne umgangssprachlich verwendet für Brot mit viel Kruste, also das, was wir in z. B. Berlin gerne einen „Kanten” nennen. Dieses Gebäck aus der Toskana ist wirklich einfach zuzubereiten – schmeckt den ganzen Tag über und hat das Talent einen Hunger auf Süßes sehr schnell unkompliziert zu bedienen, denn sie sind so herrlich haltbar und stehen daher immer zur Verfügung in ihrer Einfachheit!

Praktisch übrigens: Man kann den Teig komplett mit den Händen verarbeiten. Ich habe ihr Rezept auf 500 Gramm Mehl hochgerechnet. Aus Gründen.

Ach ja: Letitia hat hier – als eben nicht gebürtige Italienerin – untypisch das Cantuccini-Rezept mit blanchierten Mandeln verfasst. Nach meiner Recherche kenne ich nur Rezepte von Italiener*innen mit unblanchierten Mandlen, sie werden lediglich vorher im Ofen geröstet. Und nur wenn deutsche Bäcker*innen sich an Cantuccini versuchen, müssen die Mandeln plötzlich blanchiert sein.

Entscheidet es selbst. Ich halte es mit den Italiener*innen, nehme Mandeln mit Schale und röste sie vorher in der Pfanne. Die Mandeln sind nachher in den Cantuccini versteckt, es ist ihnen egal, wie sie aussehen – und im Zweifelsfall gilt auch hier wie immer: Womöglich steckt in der Schale das geschmackliche Gold?

Zutaten

500 g Mehl (Tipo 00, ersatzweise 405)
3 Eier ((ein Eigelb zum Bestreichen)
200 g Zucker
100 g weiche Butter
200 g Mandeln
Schale einer abgeriebenen Orange (ersatzweise Zitrone)
1 kleines Gläschen Marsala (ersatzweise Amaretto, non-alcohol: 5-6 Tropfen Bittermandelöl)
1 Prise Salz
1 TL Backpulver

Zubereitung

Den Ofen auf 170 Grad Ober-/Unterhitze erhitzen und die Mandeln 8-10 Minuten rösten, herausnehmen und abkühlen lassen. Den Ofen nun auf 180 Grad (150 Grad Umluft) stellen

Das Mehl mit dem Salz und Backpulver sieben und beiseite stellen.

Die Eier, geriebene Orangenschale, Marsala in eine Schüssel geben und verquirlen, die Butter zerlassen und hinzugeben, alles mischen. (Ich zerlasse die Butter nicht wie Letizia, gebe alle Zutaten [außer Mehl] in eine Schüssel und vermenge alles mit den Händen.) Nach und nach das Mehl mit den Händen hinzu geben und unterkneten, das macht alleine schon so eine duftende Freude, wie sich der Teig unter den Händen verändert.

Bekommt der Teig langsam die festere Konsistenz, dann die Mandeln hinzugeben und zwar mit einer Hand voll Mehl auf ihnen. Damit die Mandeln leicht umstäuben bevor sie in den Teig geknetet werden.

Tipp: Das Mehl um die Mandeln gelegt sorgt dafür, dass die Mandeln beim Backen nicht auf den Boden sinken! Den Tipp kann man sich auch für Clafoutis, Stollen etc. merken. Ein Hauch Mehl oder Speisestärke um die Früchte bewirkt schwebende Wunder.

Den Teig zu einer großen Rolle formen, davon vier Teile abstechen und diese zu Rollen formen, die ca. 4-5 cm dick sind und ungefähr so lang, wie sie auf ein Backblech passen. Alle Rollen mit etwas Abstand auf das Backblech (auf Backpapier) legen und mit dem einen verquirlten Eigelb bestreichen. (Habe ich übrigens, wie man auf den Fotos perfekt sehen kann, vergessen!)

Das Besondere an Cantuccini ist, dass sie, wie Zwieback oder Friselle, doppelt gebacken werden.
In der ersten Runde backen wir sie bei 180 Grad Ober- und Unterhitze (150 Grad Umluft) 30 Minuten. Dann aus dem Backofen nehmen, etwas abkühlen lassen und in leicht schräge Scheiben schneiden. Nochmals im Ofen bei gleicher Temperatur ca. 10-15 Minuten backen. Wie lange, das entscheiden die Bäcker*innen je nachdem wie knusprig und dunkel die Cantuccini werden sollen.

Luftdicht verpackt halten sie theoretisch ewig lang. Tun sie aber nicht. Aus Gründen. Schon gar nicht, wenn sie auf ein Glas Vino Santo treffen. Oder einen Caffè oder …

Ach gönnt euch dieses Buch! Es hat das Zeug zu einem italienischen Dolce-Klassiker.

„La Vita È Dolce”
Autorin: Letitia Clark
Verlag: Dorling Kindersley Verlag (DK)
ISBN: 978-3-8310-4341-5

2022-11-22

Noumi-Noodles goes Prenzelberg

Das Noumì – Colorful Asian Flavors dürfte Berlinern und Fans asiatischer Küche ein Begriff sein – denn die handgemachten farbenfrohen Nudeln in den Pho-Suppen und vielen klassischen indonesischen Gerichten in dem Restaurant in der Jägerstraße (Nähe Hausvogteiplatz) sind einmalig gut.

Nun freut sich das Noumì-Team ab heute seine Gäste in der neuen Dependance in der Prenzlauer Allee 52 (Ecke Chodowieckistraße) in dem größeren und wahnsinnig gemütlich eingerichteten zweiten Noumì-Restaurant begrüßen zu dürfen.
Es gibt die gleichen feinen veganen, vegetarischen und fleisch- oder fischlastigen Gerichte mit ausschließlich frischen Zutaten und den farbenfrohen Nudeln nach Wahl wie im Noumì 1 – aber mit etwas Zuwachs auf der Speisekarte. Alle Nudeln sind übrigens bis auf die schwarzen NOIR Mì (Sepia) vegan! Das Noumì-Feature spricht für sich: Bei allen Nudelgerichten der Karte wählt der Gast aus, welche Nudelsorte bzw. -farbe er sich auf dem Teller wünscht. Coloursoul dining! Ich mochte auch sehr die Drinks – ob mit oder ohne Alkohol, lecker, toll anzusehen, stehen sie in ihrer Farbpracht in die Regenbogenfarben des Noumì Nudel Guides in nichts nach. Pink Matcha, Cucumber Cooler und in der zweiten Runde Mango Soleil oder den Strawberry Hugo – wir hatten sehr viel Spaß mit ihnen! Chapeau! Letzten Sonntag durfte ich nämlich mit Ute (Frau Indica) schon einmal beim ersten Opening exklusiv für Freunde die Gastfreundschaft und tolle Küche im neuen Noumì genießen! Von der Vorspeisenkarte teilten wir uns die fleischlastige Variante NOUMì for 2, u. a. mit Garnelenteigtaschen, gebackenen Reispapierrollen und Portobello-Pilz, Cole Slaw … … sowie … Veggie for 2 mit gedämpften Gemüseteigtaschen, gebackenem Bio Tofu und Taro-Reiskuchen u. v. m. – sehr zu empfehlen! Vor allem, will man die reichhaltige Vorspeisekarte erst einmal ausprobieren.

Und ihr seht's ja selbst: Colorful Asian Flavors ist hier wirklich kein leeres Versprechen! Selbst wenn noch gar keine Nudeln im Spiel sind. Während am Nebentisch die Pho-Suppen wahnsinnig lecker zu uns hinüber dufteten, kamen unsere Hauptspeisen Perfect Match mit Lachs, Garnele und frischem Gemüse in Mekong Rotwein Soße (links unten), Capitane Canard mit Barbari Entenbrust in Hoisin Sauce mit Romanesco, Spargel, Pak Coi, Babymais, pinkem Blumekohl und Koriander-Pesto (oben rechts) und das vegane Seitan Satè mit gebratenem Bio Seitan mit buntem Gemüse der Saison und Satè Soße (oben links) auf den Tisch. Alle drei Grichte waren so unterschiedlich wie lecker wie besonders gewürzt.

Das vegetarische Gericht konnte vor allem wegen der leichten Schärfe und tollen Würze des Saitans unsere besondere Zuneigung gewinnen. Und Ute sah sich wieder in ihren vorherigen Noumì-Erfahrungen bestätigt – fleischlos kann die Küche von Bien und Tuyen besonders gut! Auch den Nachtisch haben wir uns geschwisterlich geteilt, Ute schwört auf den Matcha-Cheescake – ich natürlich auch – aber noch mehr auf Tripple Chocolate mit drei Schokoladenschichten auf Oreo Biskuitboden. So gute Schokolade! Und das ist mit das Besondere am Noumì – dass hier die Desserts selber gemacht werden und sie sich daher in ihrer Rafinesse deutlich abheben vom üblichen Klebereis in asiatischen Restaurants. Unbedingt probieren! Mit der Eröffnung heute können sich alle Prenzlauer (und natürlich auch alle anderen Berliner) wirklich auf etwas Tolles freuen in ihrem Kiez – und übrigens: Kinder sind herzlich willkommen! Geöffnet Montag bis Sonntag von 12:00 bis 22:00 Uhr.

Noumì Prenzelberg
Prenzlauer Allee 52
10405 Berlin
Mail: pberg@noumi-noodles.de

Noumì Mitte
Jägerstraße 35
10117 Berlin
Tel.: +49 30 206 490 07
Mail: contact@noumi-noodles.com

2022-11-20

Ravenna – einfach köstlich!

Unbestritten ist, dass man in der Emilia Romagna köstlich essen kann. Den Grubenkäse hatte ich euch schon in einem früheren Blogpost vorgestellt. In Ravenna locken also nicht nur Mosaike – überall werben Schilder für eine köstliche Piadina, dem legendären Imbiss dieser Region. Geht man hier in eines der Restaurants der Stadt, das in den vielen Stadtpalästen untergebracht ist, passiert es nicht selten, dass man vorne in ein auf den ersten Blick vermeintlich unscheinbares Haus eintritt, das sich räumlich nach hinten erstaunlich weit zu einem riesigen Palazzo entwickelt und mit Decken- und auch Freskenmalereien an den Decken überrascht, dass einem glatt der Mund offen stehen bleibt. Der kann natürlich gleich gefüllt werden. Aber irgendwo lockt garantiert auch Mosaikkunst, die Ravennati können so wenig ohne Mosaik wie sie ohne Piadina können. Fakt.

Und an der Piadina kommt man nicht vorbei. Der Teigfladen aus Weizenmehl regiert hier aber so etwas von in der Küche!
Entweder wird sie als Brot trocken warm in kleine Stücke geschnitten zu den fantastischen Antipasti der Romagna serviert. Oder sie wird frisch zubereitet gefüllt mit Ruccola, gedünstetem Gemüse oder mit den herrlichen Schinken oder Salami der Region und natürlich Squacquerone, dem cremigen Kuhmilchkäse der in der warmen Piadina schön schmilzt und sie mit den weiteren Zutaten der Füllung verbindet. Und aus der Hand verspeist. Wir wollen hier nicht über Kalorien reden – aber der Nährwert einer Piadina ist unumstritten. Selbstverständlich verträgt sie sich auch mit süßen Füllungen, aber das muss ich wohl nicht erst erwähnen?!

So eine Piadina ist selber sehr einfach zuzubereiten. Die Zutaten sind für ca. fünf Piadini

500 Gramm Mehl Tipo 0, maximal 00 (z. B. von Caputo)
250 ml lauwarmes Wasser (zu kaltes/warmes Wasser verändert die Teigstruktur zu sehr)
80 Gramm Schweineschmalz (vegetarisch/vegan: ca. 75 Gramm Olivenöl)
1 Gramm Backpulver
10 Gramm Salz.

Mehl auf die Arbeitsplatte geben – in die Mitte das Schmalz und Salz und Backpulver und dann mit dem Wasser das Schmalz in das Mail einarbeiten. 15-20 Minuten den Teig kneten und dann in Folie eingewickelt 30 Minuten rasten lassen, damit das Gluten seine Klebeeigenschaften entwickeln kann. Im Grunde ist es das gleiche Verfahren wie bei einem Pastateig.

Nun den Teig noch einmal kneten und zu einer Rolle formen und Stücke abschneiden, die ca. 180 Gramm schwer sind. Die Teigstücke in eine runde Form bzw. Kugeln wirken und nochmals alle Kugeln in Folie eingewickelt wieder 30 Minuten ruhen lassen. Piadina-Profis haben natürlich Maschinen, die diese Kugeln in eine runde Teigform pressen.

Die gestandene Hausfrau der Emilia Romagna, die Azdore, sie begrüßt euch am Beginn dieses Blogposts, rollt den Teig mit dem Matterello, dem italienischen Nudelholz, das dünner, dafür länger als unseres Pendant ist, zu einem ca. 3-4 cm dicken Teigfladen aus. In einer sehr heißen Pfanne, am besten aus Gußeisen wird die Piadina nun auf dem Herd ohne Fett gebacken. Auf jeder Seite ca. 3-4 Minuten, bitte nicht ständig dabei wenden, sonst gerät sie zu trocken. Die Piadina muss leicht biegsam bleiben. Alles in allem also keine Hexerei.

Wenn man sie jetzt mit dem Squacquerone füllt, streicht man den auf eine Hälte der Piadina, klappt sie in der Mitte und legt sie nochmals für drei Minuten in die Pfanne bis der Käse in ihr zu schmelzen beginnt. Den Rest macht die Füllung aus – und deren Variationen können so unendlich gut wie vielfältig sein. Ich hatte sie z. B. noch mit einer gebratenen Salsiccia dazu mit zum Flughafen genommen, sehr fein!


Mercato Coperto Ravenna

Frisch gemachte vor den eigenen Augen zubereitete Piadina bekommt man natürlich ganz frisch in der Piadineria der Mercato Coperto. Diese Markthalle liegt zentral auf der Piazza Andrea Costa und ist ein must-go, wenn man in der Stadt weilt. Sie ist ein bisschen wie die Berliner Markthalle IX im nobleren KaDeWe-Chic!

Fantastische frische Lebensmittel (ein Supermarkt ist integriert) wie Pasta, Fleisch, Fisch, Weine, Back, Käse- und Wurstwaren gibt es an den einzelnen Ständen zu kaufen und natürlich laden Imbisse als auch Restaurants zum Verweilen ein. Die Steaks aus dem Reifeschrank werden direkt nebenan in der offenen Küche auf dem Grill zubereitet!

In der oberen Etage gibt es Räumlichkeiten für kulturelle Events, die regelmäßig hier stattfinden. Z. B. lädt nun in den Wintermonaten einer der Lido-Besitzer in der strandfreien Zeit alle drei Wochen Freitagabend zu einem Club-Event mit Fine Dining und DJ. Lesungen, regelmäßige Verkostungen und Workshops finden regelmäßig statt. Gerade zu den Veranstaltungen zu gehen, lohnt sich sehr als Tourist. Es gilt dort klassisch gesehen und gesehen werden – wenigstens auf einen Aperitivo schaut dann die feine Gesellschaft von Ravenna hier vorbei! Besser und leckerer kann man die Menschen in Ravenna gar nicht kennenlernen!


Ca’ de Vèn
Die mit Abstand beste Piadina – hier als Brotbeilage zu den Antipasti – die ich in meiner Zeit in Ravenna probieren durfte, gab es im Ca’ de Vèn, das praktischerweise direkt gegenüber unseres Hotels liegt und somit in der gut besuchten Via Corrado Ricci. Es ist schon erstaunlich, wie sehr ein eigentlich so einfaches Produkt viel oder weniger Spaß machen kann! Das Ca’ de Vén gibt es übrigens … schon immer.
Zumindest das Haus in dem es Gäste willkommen heißt, existiert seit dem 15. Jahrhundert. Und so entpuppt sich hinter der rustikalen Tür ein spannender Mix zwischen Rathauskeller (zu ebener Erde) mit sehr modernem Flair in den hinteren Bereichen des sehr großen Restaurants. Ein Blick zu den gemalten Decken entzückt, auch die riesigen Weinregale lassen der Weinliebhaber Herzen höher schlagen! Ich fand hier die Piadina toll, die Antipasti toll, den Squacquerone angenehm würzig, den Wein gut und die Pasta fantastisch, den Service italienisch rasant und auf den Punkt. Hier wird regionale bodenständige Küche mit hoher Qualität serviert – sehr gut. In diesem Restaurant muss man einfach einkehren, wenn man in Ravenna weilt. Aus ganz vielen Gründen!


Osteria del Tempo Perso

Zur Osteria del Tempo Perso gab es in unserer Gruppe eine einhellige Meinung: Das beste Restaurant unserer Reise! Hierher sind wir von der charmanten Kunstdezernentin der Stadt Ravenna, Maria Grazia Marini, anlässlich der Eröffnung der Bienale di Mosaico Contemporaneo eingeladen worden, die uns auch beim Dinner alle Fragen zur Biennale beantwortete. In dem kleinen gemütlichen Restaurant fühlt man sich sofort wohl, es liegt unweit der (unfassbar schönen) Basilika San Vitale und in der Nähe der Via Cavour, die als die Shopping-„Meile” von Ravenna gilt.

Seit 2004 führen Sivia Piccari (Chefkoch) zusammen mit Massimo Serena Monghini (Service) dieses charmante Restaurant in dem vorrangig feine delikate Fischgerichte auf der Speisekarte stehen, natürlich gibt es auch Gemüse- oder Fleischvariationen. Oder feine Desserts!

Es gab – nur unter andereem – Tortino di squacquerone su fonduta di zafferano (Käseflan aus Squacquerone mit geschmolzenen Zwiebeln) und Gamberi in pasta kataifi, riso nero e coulis di zucca (in Kataiffi [Engelshaar] gewickelte frittierte Garnelen mit schwarzem Risotto und einem Orangen-Tomaten-Coulis). Wir haben uns festgesessen und sehr gut gegessen und charmante Weine getrunken. Und sollte mich nochmals mein Weg nach Ravenna führen – hierhin dann sehr sicher auch!