2019-05-20

Komischer Tag …

Früh Termin bei der Schmerztherapeutin, die letzten Befunde aus der rheumatologischen Praxis vorgelegt und die Heilmittelverordnungen vom letzten Mal neu ausgestellt bekommen, weil bereits abgelaufen. Aber als ich in der Physiotherapiepraxis stand und die für die diversen Behandlungen über 90 Euro an Beteiligungen haben wollten, bin ich leicht zurück geschreckt und habe die Befreiung vorher beantragt. Das zieht sich nun dank der Kasse …

Gehofft, ich könnte dort noch einmal Blutwerte bestimmen lassen für die Sondersprechstunde in der Charité Anfang Juni, wollte die Ärztin aber nicht machen, weil das Budget schädigend. Nüchtern morgens nach Zehlendorf fahren ist auch nicht so meins. Und die Hausärztin muss ich da auch nicht fragen, weiß ich. Die Rheumatologin war letztes Mal leicht angezickt, weil ich mir erlaubt hatte zur Schmerztherapeutin zu gehen.

Es ist nicht so, als wären diese ganzen Arztgänge nicht eh schon extrem nervig bis anstrengend. Aber was ich dieses Jahr so an ärztlichem Ego-Gedöns erlebe: ey, Leute! Könnt Ihr bitte erwachsen werden und Euch auf Eure Aufgabe und Verantwortung besinnen?

Wie auch immer. Ich war kurz einkaufen, habe etwas gefrühstückt. Schüttelfrost bekommen. Mich ins Bett gelegt. Stundenlang tief geschlafen. Von Schmerzen geweckt. Und jetzt geht's wieder.

Hühnersuppe und Gewitter.

2019-05-19

Eurovision Song Contest 2019

Den Eurovision Song Contest zu gucken, das hat seit Twitter neue Qualität. Seit ein paar Regeländerungen auch neuen Wind in den Wettbewerb gebracht hatten, macht er sogar Spaß. Die Songs sind beliebiger geworden, Titts ’n Ass sind eingezogen, die männlichen Kollegen dazu beliebig austauschbar dank ihrer Dreitagesbärte. Aber: wer nicht wirklich Stimme hat, braucht dort nicht mehr anzutreten. Singen können im Vergleich zu früher dort wirklich alle, dünne Stimmen haben keine Chance. Musste Madonna dieses Jahr dann wohl auch lernen.

Nachdem gestern alle Songs gesungen waren, die multimediale Begleitung langsam wieder von ihrem LSD-Tripp runter kam, die Moderatorinnen brav ihre Klamotten gewechselt hatten, alle Fahnen übertrieben fröhlich in die Kamera geschwenkt wurden, die kleinen Frustis aus Island ihren minimalen Skandal produziert hatten, blieb ich wirklich ratlos zurück. Ich hätte nicht sagen können, wer das Rennen macht. So sehr beliebig gleich gut, gleich langweilig viele Songs waren, so breit aufgestellt waren auch die Acts, die es durchaus verdient hätten als Sieger gekürt zu werden.

Die neuen Punktevergaberegeln von „professioneller” Jury zu den Anrufern aus dem breiten Volk, war vergleichsweise spannend. Was für mich nicht gleichbedeutend ist, finde ich gut. Aber interessant zu sehen, wie sehr unterschiedlich die Meinungen dann doch sind – und wie sehr diese Stimmen der Masse eine vermeintlich sichere Nummer am Ende dann doch noch einmal umkehren können. Die professionelle Jurys auf alle Fälle sollten langsam mal in sich gehen, Spielchen wie sie Zypern und Griechenland immer wieder spielen (und einige Ostblockländer übrigens auch), nämlich sich untereinander die 12 Punkte zuzuschustern, denen möchte man nur noch zurufen: „Ey, get an european life!” Selten war deutlicher, wem es offenbar an offener europäischer Entwicklung mangelt.

Ich hatte meine Favoriten. Mahmood mit Soldi war für mich lange gesetzt – einfach weil ich den Song aufgrund der Italienreisen schon deutlich früher (und öfter) gehört hatte – ich finde ihn sehr gut arrangiert, perfekt gesungen – und inhaltlich wichtig. (Sohn rechnet mit seinem Vater ab, der die Familie früh verlassen hatte und der nie wirklich Interesse an seinem Sohn gezeigt hatte, allenfalls an der Knete die er verdient.)

Kobi Marimi, der für Israel „Home” sang, fand ich sehr gut in der Einblendung im Vorentscheid. Ein echter ESC-Song, wie er aber seltener nachgefragt wird heute. Gute Stimme, gute Show. Und diese Wimpern! Ich denke, er hat’s leider geschmissen mit seiner „Ich muss immer, nachdem ich den Song gesungen habe, weinen, weil das Lied so schön ist.” Die Emotion nimmt man dann doch niemandem mehr ab, wenn er das Lied zum 30. Mal gesungen hatte – und leider war er dann im Finale ein viel zu schlechter Schauspieler. Schade. Mir scheint, das hat man ihm sehr übel genommen. Trotzdem: hübscher Mann, schöne Wimpern, perfekte Zähne, tolle Stimme, schnulziges Lied. Eigentlich eine sichere Nummer. Aber … seine Zielgruppe guckt heute nicht mehr den ESC und ruft auch nicht mehr an. Erwähnte ich schon die Wimpern?

Norwegen und Schweden und Aserbeidschan waren für mich alle drei gleich auf. Gute Tanznummern. Songs, die man nur einmal gehört haben musste, um sie wieder zu erkennen. Den Schweden fand ich einen Tick besser. Sehr ESCesque.

Island. Electronic Body Music ist mir seit jeher die nähere Musik als Pop und Schlager. Insofern fand ich die lustig und war von der Musik nicht überrascht, wie vermutlich einige andere. Aber für die „Wir sind eine total böse Band”-Nummer bin ich dann doch zu alt, die Performance war echt lau. Aber ich habe natürlich den Berliner/Metropol/Sage Club/Berghain-Vorteil und kann das halt nur noch niedlich finden. Befremdlich finde ich immer noch, wenn mir Leute allzu direkt auf die Nase binden, wohin ihre sexuelle Präferenzen gehen. Ich möchte vorher erst mal fragen dürfen. Sehr oft finde ich nämlich Leute gar nicht so interessant als das ich mir überhaupt Gedanken darüber machen möchte, wie, warum und mit wem sie ficken. Und gruselige Kontaktlinsen-Effekte? Sind so etwas von schon seit Jahren durch. Bitte! Danke! Tsja, da war die Zeit gesamteuropäisch nicht reif für diese Lordi-Nachfolgenummer.

Ich hätte sehr viele Nummern zum Sieger gekürt. Aber ganz sicher nicht den Niederländer. Freut mich trotzdem für ihn und sein Land, wird nächstes Jahr sicher wieder sehr schön werden. Leider wird das musikalische Europa ihn in vier Wochen schon wieder vergessen haben.

Die ganze Show selbst, mit den Tanzeinspielern, den lustigen Rückschnitten aus den vergangenen ESC-Jahren, die Partystimmung – ich finde, Israel hatte das sehr gut und liebevoll gemacht, hier und da richtig schöne emotionale Bonbons verteilt, eine absolut runde Nummer – auch mit den Pausenacts. Bis auf: Madonna. Und: Die multimediale Begleitung sollte die Künstler begleiten, sie nicht nicht übertönen noch übertrumpfen. Weniger ist dann doch mehr. Wir sind doch immer noch beim ESC und nicht bei der Transmediale oder?!

Seit der Ankündigung, dass Madonna beim ESC auftreten würde, um ihre neue Platte zu promoten, fand ich es blöd. Ich finde es völlig in Ordnung, wenn der/die/das Vorjahresieger*in*nnen dort in der Pause ihre neue Platte promoten, schlussendlich haben sie den ESC das Jahr zuvor in ihr Land geholt. Aber einen Superstar, der generell schon alles überstrahlt mit dem Erfolg, der ihr bekannten Diva-Attitüde auf die Bühne holen – ganz falsches Podium. Das ist allen anderen Teilnehmern gegenüber so sehr ungerecht! Und ich – entschuldigt bitte, wenn ich das so deutlich sage – kotze im Strahl, wenn sich eine Person mit einer Augenklappe schmückt, die zwei völlig funktionstüchtige Augäpfel ihr eigen nennt (und dann noch ein Sichtloch in der Augenklappe hat, weil ihr der Mut mit der Auseinandersetzung fehlt, sich zeitweilig wirklich mit der Sehbehinderung eines Einäugigen auseinander zu setzen.) Was für ein verdammter Mist. Was hat die Alte eigentlich da geritten?

Ich wusste schon immer, dass Madonna ein dünnes Stimmchen hat – was sie in meinen Augen aber immer gut über ihr Tanztalent und sonstiges künstlerisches Gedöns um ihre Person gut zu kompensieren wusste. Nun hat sie nicht mal mehr nur ein dünnes Stimmchen, sie kann auch nicht mehr den Ton halten. Das hat sie wohl mit mir gemeinsam. Nur: ich gehe nicht auf die Bühne vor ein Millionenpublikum und singe dort live, weil ich das weiß. Madonna weiß das nicht – und hat sich somit gestern selbst prima demontiert. Leider werden deswegen jetzt einige Leute vermutlich verklagt werden oder sonst welche Jobs verlieren. Wenn der zweite Song von ihr interpretiert, von ihrem neuen Album, einer der besseren Songs gewesen sein soll: okay, Madonnas Zeit ist vorbei. Wissen wir nun. Ich mag mir auch keine glatt gespritzten künstlichen Gesichter älter werdender Menschen angucken. Bei allem Respekt vor ihr, ihrem künstlerischen Schaffen über all die Jahre und die Arbeit, die sie ganz sicher hinein gesteckt hatte – alleine im Tanzstudio. Ein Altern in Würde würde ihr so viel besser zu Gesicht stehen.

Jeder Act hatte besser gesungen als Madonna. Alle live. Viel besser. Selbst Verda Serduchka (man erinnert sich: die silber glitzernde Diskokugel, Zweitplatzierte von 2007 mit ihrem „Dancing Lasha Tumbei”), die sich in der Pause mit einigen Gewinnern der Vorjahre und deren Songs eine großartige Battle lieferte, zeigte dabei, dass sie tatsächlich singen kann. Und: um Längen besser singen kann als Madonna. Viel besser. Die Battle mündete in einem grandiosen „Hallelula”-Finale unter anderem mit Conchita, das wohl gar kein Herz unberührt ließ. Wow!

Auch sehr wow: der französische Sänger Bilal Hassani und die Perfomance mit der wundervollen Ballett-Tänzerin. Was für ein Zeichen! Wie sehr traurig, dass dieser Sänger im Jahr 2019 in seinem eigenen Land nieder gemacht wird, weil er offen mit seiner Homosexualität umgeht. Mensch, hört auf so armselig zu sein. Dass ist nicht das Europa, so wie es mit seiner Entwicklung in die neue Moderne steht.

Nun zu uns: Ich hatte schon sehr fassungslos den Vorentscheid zur Kenntnis genommen. Ich fand da gar keinen Song oder Interpreten so richtig doll, also wählbar. Dass dann aber auch noch der schlechteste Song gewählt wurde, da hätte man fast schon wieder den üblich paranoiden technischen russischen Eingriff zur Verantwortung ziehen wollen. Aber bleiben wir bei der Eigenverantwortung: Wenn Deutschland meint, so ein schlechtes Lied von so belangloser Interpretation ins Rennen zu schicken, dann bekommt man halt keinen Punkt – von einem durchaus musikverständigen Publikum. Zwei junge austauschbare Frauen, die sich eng bekleidet auf der Bühne einen Großteil des Songs gegenseitig in die Visagen brüllen?

Eines muss man diesen Schwestern lassen: sie haben im Finale um Längen besser gesungen als die vielen Male zuvor, die ich sie hören musste und sie immer erschreckend dünn klangen. Aber … für meine Begriffe waren die 26 Punkte der professionellen Jury so sehr liebevolle Zuwendungen, die wir gar nicht verdient hatten mit unserem Beitrag. Ich hätte auf höchstens drei Punkte getippt. Freundschaftspunkte von Österreich, die dieses Mal aber tatsächlich uns so bewerteten, wie verdient war: mit keinem Punkt. So wie der Rest Europas.

Und das ist kein Politikum. Das hat nichts damit zu tun, dass Europa Deutschland vermeintlich nicht leiden könnte. Denn dann hätten wir im letzten Jahr nicht so weit vorne landen können. Das hat damit zu tun, dass wir die Entwicklung des ESC – lustigerweise von Menschen wie Stefan Raab aus Deutschland heraus mit initiiert – komplett verschlafen haben. Und die Konkurrenz aller anderen Ländern mittlerweile sehr groß ist. Und es eben so gar nicht verschlafen hat.

Und dann diesem Castact eine Typo „S!sters” zu geben, die in keinem Hashtag funktioniert. Nee ne? Ich meine: NEE NE???!!!

Zweitklassig oder drittklassige Songs und Interpretationen können dort nicht mal mehr einen Trostpreis gewinnen. Eat it! Die Hausaufgabe macht man typischerweise vor dem Vorentscheid in der Auswahl. Die war dieses Jahr komplett übel. Die Verantwortlichen sollte man hinterfragen. Das gestrige Ergebnis ist gerecht und richtig.

Und: Madonna kann nicht singen. Und für ihre selten dämliche Augenklappen-Attitüde, hoffe ich, zeigen ihre Fans ihr ordentlich den Stinkefinger! Ich hätte es schöner gefunden mir wäre ihre Blamage erspart geblieben. Das war es nicht wert. „Halleluja” war groß genug für eine Finale-Pause.

Danke Isral und Tel Aviv. Es war ein großes Vergnügen. Auch mit Euch, liebe Twitter-Timeline! <3

2019-05-15

Großes Arbeitgebergejammere

So niedlich, wie sich die Arbeitgeber nun über das Urteil vom Europäischen Gerichtshof zur Arbeitserfassung erzürnen.

Diese Erfassungsmethoden existieren bereits – auch mobil für HomeOffice-Arbeiter. Sie ist in fast jedem Callcenter, auch hierzulande, im Einsatz. Denn wenn der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer kontrollieren und knechten will, dann verlangt er sehr wohl von diesem auf dem Telefon die Tasten für Pause oder Toilettengang, Arbeitsgespräch oder Bildschirmpause bzw. sonstige Rechnerabwesenheit zu drücken. Da findet er das dann gut. Und wehe, jemand braucht über diese Instrumentarien ermittelt für seine Toilettengänge länger als der zugerechnete Durchschnitt, dann gibt es gleich das Gespräch mit dem Teamleiter.

Aber wenn die gleichen Instrumente eingesetzt werden sollen, um des Arbeitgebers Arbeitsbedingungen bzw. an die Arbeitszeit angemessene Gehaltszahlungen zu kontrollieren, dann weinen sie wieder.

Klar.

2019-05-04

Touristischestourette

Hatte mir heute eine touristische Herrengruppe am Rogacki-Hochtisch eingeladen. Aufgehalst. Naja, also ich habe „ja” gesagt, als sie fragten, ob der Rest vom Tisch noch frei wäre. Da wusste ich aber auch noch nicht, dass die viel mehr als nur drei waren.

Dann zog der erste von ihnen ab – und organisierte, wie sich später herausstellte, die erste Flasche Champagner, ein zweiter brachte das Tablett mit Gläsern.

Ich wurde gefragt, ob ich mich denn dort auskennen würde (wer Rogacki nicht kennt: es ist der übersichtlichste Indoorspielplatz für Essensgläubige, den es in Berlin wohl geben mag) und erklärte auf die Frage, wo sie die Austern bekommen würden, wo sie die Austern bekämen.

Der nächste Herr fragte mich dann, ob man dort auch Weißwürste bekäme. Das war mir dann doch zu bunt und ich erklärte ihm, die würde hier bei uns in Berlin Blut- und Leberwurst heißen. Und verwies ihn an meine heiß geliebte Kantinenschlange von Rogacki. Ich meine, ich liebe es wirklich dort mir ein halbes Fischfilet und Heringssalat zu leisten. Der Herr indes guckte als wäre ihm das zu profan. Der nächste fragte mich, ob denn Blut- und Leberwurst auch aus Kalbfleisch wären.

Okay, meinen Humor nicht verstehen können, geschenkt.

Aber zu Rogacki zu gehen, um da nicht in der Kantinenschlage anzustehen und deren wundervolles Fischfilet und den weltbesten Heringssalat zu essen, sondern einen auf Charlottenburger Russen zu machen mit Stößchen und Austerngedöns?

Dafür geht an doch die Galleries Lafayette oder? Echt, diese Touristen sind auch nicht mehr das, was sie mal waren!

Luschen!

2019-05-02

Lesempfehlung

„Wenn man die Klima­erwärmung als wissenschaftlich bewiesen erachtet, braucht es keine Skeptiker, um die Debatte auszubalancieren. Man lasse auch niemanden zu Wort kommen, der behauptet, dass Manchester United letzten Samstag 2:0 gewonnen habe, obwohl die Mannschaft das Spiel verloren hat.”

Wie die BBC ab sofort mit Klimaskeptikern umgeht: „Keine Bühne mehr für Klimaleugner.” (Wäre sinnvoll, würden deutsche Medien so auch endlich mit diesen Holocaust-Leugnern verfahren.)

„Wir haben heute das Problem, dass ein wilde Gans zahm wird aber eine zahme Gans nicht mehr wild.”

Prof. Dr. Gunter Dueck – einer der sehr wenigen Menschen in Deutschland, der referieren kann ohne seine Referate abzulesen und sehr wenigen „ähems” als Füllpausen, was es immer sehr angenehm macht ihm zuzuhören – hat anlässlich einer Konferenz (SHIFT 19) zur McDonaldisierung der Wirtschaft – weil die Normung des Mitarbeiters das Manager-Problem reduziert – gesprochen. Wie immer interessant. Keiner hält uns den Spiegel unserer eigenen gesellschaftlichen Beschränktheit so blitzeblank geputzt vor wie Wild Dueck!

Und noch einmal Klima. Ich wertschätze Hannes Jaenicke schon länger, als Schauspieler (die Stimme!) und als Mensch, der den Finger auf Dinge hält, die von uns gesteuert nicht so prickelnd gehandhabt werden.

„Wir haben eine Riege von Minister-Attrappen. Die leisten einen Eid, dass sie zum Wohle des Volkes arbeiten. Ein Herr Scheuer steht dann da, hebt die Hand und sagt: Ich wende Schaden ab vom deutschen Volk, und tanzt dann trotz Dieselskandal wie eine Marionette nach der Pfeife der Auto-Lobby.”

Hannes Jaenicke im Interview im Stern – er weiß – wie so viele von uns auch, warum Deutschland beim Thema Umwelt – ehemals Vorreiter und führend aktiv im Thema Klimaschutz – die letzten Jahrzehnte unter Merkel als Bundeskanzlerin sich von den vorderen Rängen auf die Hinterbank verwiesen hat.

2019-04-29

Rangsdorf-Mittenwalde-Königs Wusterhausen

Waren wir also wandern. Gestern. Der Plan für Glück und Lebensfreude befiehlt das mittlerweile und der gemeinschaftliche Deal ist, sich alle vierzehn Tage eine schöne Tour vorzunehmen. Vor zwei Wochen waren wir wieder einmal im schönen Biesenthal unterwegs, was ziemlich grandios war, denn Samstags waren außer uns kaum Leute auf den Wegen unterwegs und der Natur beim Erwachen zuzusehen, das hat immer etwas ganz besonderes.

Gestern wollten wir Richtung Potsdam über Caputh –> Ferch –> Petzow –> Werder. Knappe 30 Kilomter, anspruchsvoll – aber man kann bei Bedarf zwischenzeitlich auch immer in einen Bus einsteigen, der alle 60 Minuten fährt. So war der Plan bis der Hinweis von einem Insider kam, dass dieses Wochenende in Werder Baumblütenfest sei und … somit Werder und Umgebung generell überfüllt wohl sei, die Bahnen ebenso und nun ja, die Sache mit dem Obstwein.

Während die ersten zwei Teilnehmer auf dem Weg zum ersten Treffpunkt sich noch überlegten, ob es vielleicht sinnvoll sei die Tour dann genau anders herum zu gehen, um der abendlich alkoholisierten Volksfeststimmung in Werder zu entgehen. Denn eigentlich wäre es ja ganz lustig, das Fest zu erleben, da beide Berlinerinnen (!) es noch nie erlebt hatten. So trafen wir auf die dritte gebürtige Berlinerin, die das Fest auch noch nie besucht hatte – das ist das Problem mit diesem Baumblütenfest, ihm eilt so ein gewisser Ruf voraus – und so blieben wir bei der Idee, zuerst nach Werder zu fahren, wechselten das Gleis zum Regionalzug, warteten auf diesen Zug … und entschieden uns nicht wie die Ölsardinen in einem völlig überfüllten Zug mit teilweise schon leicht vorgeglühten Persönlichkeiten 20 Minuten nach Werder zu fahren.

Wechselten wir also noch einmal das Gleis und fuhren mit den Schönefeld-Express in die entgegengesetzte Richtung von Werder nach Rangsdorf, denn bis dahin hieß uns die DB mit unserem gelösten C-Ticket willkommen. Auf der Wanderkarte am Bahnhof entschieden wir uns für die Strecke über Mittenwalde nach Königs Wusterhausen. Irgendwas um 25 Kilometer laut Smartphone. Wir durchschritten einen Teil von Rangsdorf, wo regionale Politiker für die Europawahl werben indem sie Bürgern versprechen, sich für den dörflichen Straßenausbau stark zu machen (?). Wir erfreuten uns an vermeintlich blühenden Wiesen, …



… Strohmännern auf Bänken …



… und im Grünen wachsendem Mamorkuchen.



Zwischendurch trafen wir noch ein paar nette Hunde und einen frei laufenden Bengalen, der als seinen Buddy einen gemütlichen Rotweiler nennen durfte, der nämlich gar nicht uns böse ankläffte hinter seinem Zaun, wie wir Doofies vermeintlich zunächst annahmen, sondern lediglich seinen bildhübschen Kumpel zu sich heran wuffte. (Passender Song auf Spotify, Caught in the Act: Love is everywhere.)



Am Kiessee machten wir dann unser erstes Picknick, nicht weil wir schon sonderlich viel gelaufen wären, sondern weil wir aufgrund der Tourumstellung nun schon ein Weilchen unterwegs waren.



Wenig später führte uns unser Weg an diesen beiden freundlichen und sehr kommunikativen Wollträgern vorbei, die uns telepathisch von Frischgrasanreichung überzeugten. Sagen wir es so, die hatten mindestens so viel Spaß an den unverhofft vorbei kommenden Wanderinnen wie auch diese mit ihnen.



Wir begegneten grauer Straßeneminenz,



… feuchten Biotopen …



… ländlicher Geometrie …



hier und da einem Blümchen …







– und Rapsfeld (mit Wetter) …







… kleinen Bächen, namens Zülowgraben:



… hier und da Rehspuren …



… diversen Kranichschwärmen, Raubvögeln über uns kreisend, die wir nicht artengerecht erkennen konnten, Graureiher, Wildgänsen, Stockenten, Schwänen, Hühnern (Symbolbild!)




Rehen, Hasen, Mücken und sonstigem fliegenden Gedöns und mindestens einem echten Mistvieh, das mir in die Ferse gebissen hatte.



Einskommafünf Regenschauer durften wir auch erleben – wir Berliner wissen ja leider gar nicht mehr was das ist, hatten aber dennoch erstaunlicherweise Regenjacken, Regenmützen, einen Regenschirm und die obligatorischen Regenschutzhüllen für Rucksäcke dabei. Wir fanden das so grandios, dass wir offensiv unterhalb der Regenwolke in ihre Richtung mitliefen, sie lief uns dann aber doch irgendwann davon.

Ich benötige wasserdichte Wanderschuhe! Die Halbschuhe, die ich mir letztes Jahr im Ausverkauf kaufte, sind im nassen Gras genau nicht wasserdicht. Lernte ich gestern. Im letzten Jahr hatten wir es in Berlin mit dem Regen nicht so. Also gar nicht. Da konnte ich das nicht lernen.

Aber hey: Gras. Grünes frisches saftiges Gras. Plus Regen. Ein Duft, der wirklich Gold wert ist!



Außerdem gab es unterwegs leckere Pizzaschnecken, Franzbrötchen, Nudelsalat, Kekse, Trockenfrüchte und frisches Obst in Form von Mispeln und Äpfeln. Und wenn es das nicht gab, dann gab es tolle Aussichten, viel Natur, nette Wolkenformationen …







ein äußerst apartes Mittenwalde …



mit Pulverturm …



dem Stadttor …



… interessanten unerwarteten Wegen …





… und echtem Briefkasten-Charme.



Der ca. 7.6 Kilomater lange sehr gerade verlaufende Reit- und Wanderweg von Mittenwalde nach Königs Wusterhausen entlang dem Nottekanal war sehr schön und sehr … gerade.



Und zog sich dementsprechend. Sagen wir es so, bei ungefähr Kilometer 21 hätte unsere Tour prima für uns zu Ende sein dürfen. Der nette Brandenburger mit Pils auf dem Rad „Na Mädels, eene von Euch kann icke mitnehmen.” auf seinen Gepäckträger deutend, war uns da bei drei müden zweifüßigen Wesen auch keine echte Hilfe aber allemal eine sehr nette Pausenunterhaltung. Aber die Aussichten – vor allem bei dem sich immer leicht änderndem Wetter mit und ohne Sonnenschein, waren über die gesamte Wanderung wunderschön!



Bemerkenswert auf unserer kleinen Wanderung – oft begegneten uns bei den Einfamilienhäusern in den Gärten fröhliche Hühernhaltung. Die Brandenburger setzen dabei interessanterweise gar nicht auf Monokultur sondern bunten Rassemix: weiße Hühner mit Toupet-Frise, bildschöne Hühner mit schwarzem Federkleid und grauen Punkten, braune Hühner, fast rote Hühner, mehrfarbige Hühner. Alles schien vertreten, alle lebten sie anscheinend gemeinsam friedlich und zufrieden in ihrer Gemeinschaft (im für Hühner üblichen Patriarchat) auf der Suche nach einem fröhlichen Korn. Also auch die braunen Hühner schienen extrem unvoreingenommen integrationswillig. (Schon wieder passender Song auf Spotify, Caught in the Act: Love is everywhere.)

Könnte man darüber nachdenken … vielleicht ist unsere menschliche Komplexität, die man keinem Huhn unterstellen wollte, eher Klotz am Bein in manchen Dingen. Aber was weiß ich schon. Auf alle Fälle leben die dort sehr nett:



Irgendwann – wir glaubten schon nicht mehr daran – tauchte dann doch noch Königs Wusterhausen mit seinem verheißungsvollen Bahnhof vor uns auf.



Es kam sogar ein Zug! Und mit ihm zwanzig Minuten später dieser sehr spezielle Moment in dem man nach so einer Wanderung und Glückseligkeit beim Sitzen nach ebensolchem doch wieder aufstehen und umsteigen muss.

Ich war dann später in der Wanne lange nicht mehr so glücklich, so euphorisch.

Und so dermaßen so etwas von fertig!

2019-04-27

Erfolg als vermeintliches Glück macht arm(selig)

Dieser Artikel erinnert mich an den super erfolgreichen Vertriebstrainer damals in meiner Apple-Händler-Zeit. OMG! Jedes Mal habe ich mit diesem Typen im Klinch gelegen, weil der mir zu doof war (und ich war damals noch wirklich jung) weil so fürchterlich eindimensional in seiner Weltanschauung, so war meine leider noch nie.

Sein Steckenpferd war „Namensschild hochkant stellen” hatte man eine Störung in seinem Seminar. Dann konnte er sich schön an den Leuten abarbeiten. Ich habe es nicht oft exerziert aber dann gerne das Namensschild hochkant stehen lassen. Damit hatte man ihn übrigens ganz schnell geknackt. Wenn er nämlich Störungen nicht ausräumen konnte, war er nicht erfolgreich in diesem Moment.

Und nicht erfolgreich zu sein – das war Ablehnung für ihn. Nichtgewinn. Darauf konnte er sehr sehr schlecht.

Mein Namensschild stand noch am zweiten Tag meines letzten Vertriebstrainings bei ihm (danach erklärte ich meinem Arbeitgeber, ich würde gerne weiterhin an solchen Trainings teilnehmen – aber dieser Trainer könne mir nichts mehr beibringen) als er sehr wenig souverän mit unseren neuen Mitarbeitern aus der ehemaligen DDR umging. Der kleine Psycho musste nämlich immer erst ein, zwei Leute in seinen Seminaren demontieren, um sie am zweiten Tag dann geläutert ins Rennen zu schicken.

Heute weiß ich, dass ich damals instinktiv zurück demontierte. Er hat's nie begriffen, was mich heute noch freut.

Mein damaliger Freund und ich haben ihn Jahre später übrigens in Brandenburg in der fortgeschrittenen Nacht nach der Hochzeitsfeier unseres damaligen Geschäftsführers auf dem Weg nach Berlin eingesammelt, als er ziemlich stark angetrunken auf der Landstraße ein Reh umgenietet hatte und sein Daimler Cabrio mit maximalem Schaden still ruhte. Seine deutlich jüngere blonde Freundin haben wir natürlich auch mitgenommen.

Für einen Coach ist es ohne Führerschein übergangsweise kein so erfolgreiches Coach-Leben. Geschenkt. Wir wollten eh nie so ein Arschloch sein wie er. Mein Ex war übrigens damals wie ich sehr sicher, dass dieser Mann das umgekehrt nie getan hätte. Also mitten in der Nacht anhalten und Leute aus deren Not helfen. Was ich insofern erstaunlich fand, weil mein Ex eher selten so negativ über andere Menschen urteilen wollte.

Seine übertriebene Dankbarkeit später, brachte er natürlich erst rüber als er uns mal im geschäftlichen Umfeld wiedersehen musste. Die hohe Schule des sich zeitnah bei jemanden bedanken, beherrschte dieser so erfolgreiche Mann dann doch nicht. Das war auch mein Hauptproblem mit ihm und ist es generell mit solchen (meist) Männern: Höflichkeit nur des eigenen Erfolges wegen. Aufgesetzt. Oberflächlich. Die knicken in kleineren Krisensituationen irre schnell weg – und dann kommt dann doch nur der kleine nach Erfolg hechelnde Mann zum Vorschein.

Unsexy.

Du kannst solche Coachings besuchen und an manchen Stellen kannste sicherlich auch etwas lernen – aber Du musst Dich immer fragen, ab wann Du Dein eigenes Ich verrätst. Denn wenn Du das verloren hast, bringen Dir Urlaube auf den Malediven leider auch kein Glück mehr. Und am Ende liegst Du nur gemeinsam mit Dir alleine in der Grube – Dein Erfolg kommt nicht mit!

Blog P. S.: Habe gerade noch mal die Seite von dem Typen gegoogelt. Es gibt ihn noch. Zumindest in diesem Internet. Sehr schlechtes Foto – so sah er vor 25 Jahren mal aus, jeder orthotypografische Fehler wird auf der Seite gemacht, den Leute ohne Ahnung machen können. Und der Fließtext dann auch noch zentriert gesetzt. Wenn man in seiner Selbstgefälligkeit nicht mal mehr den Profis vertrauen mag in seiner Online-Präsenz. Tragisch.

2019-04-23

Erinnerung …

Heidi Hetzer ist gestorben und mich als Berlinerin lässt das nicht so ganz kalt. Ich mochte die Frau. Sie lebte Emanzipation ohne viel Gedöns, tat, was ihr Herz tun wollte und lebte bis zum Ende ihre Abenteuer. Mehr kann man von 80 Jahren nicht wollen.

Ich habe gerade online einen Artikel gefunden aus dem Tagesspiegel aus deren Reihe Stadtspaziergang – von vor zwei Jahren. Erinnerte mich sehr an mein Charlottenburg – wo ich ja geboren wurde und die ersten sieben Jahre meines Lebens verbrachte, einschließlich der langen Zeit des Schrebergartens meiner Oma im Westend auch mit Nähe zu Spandau, die Charlottenburger dorthin nun immer schon hatten.

Im Artikel erzählt sie von der Fahrschule Bungs. Dort hatte sie vor sehr vielen Jahren früher als ich mit nur drei (!) Fahrstunden ihren Führerschein gemacht.

Bei Bungs habe auch ich meinen Führerschein gemacht – vor nun auch schon sehr sehr vielen Jahren. 35 im letzten Oktober. Meine Idee damals war, dass ich in Tiergarten lebend und in Charlottenburg zur Fahrschule gehend, die Prüfung in Charlottenburg/Spandau zugeteilt bekäme. Im anderen Prüfbezirk Tempelhof damals, kannte ich mich so gar nicht aus. Aber Charlottenburg/Spandau war ja Sitz des größten Teils der Familie und somit mit mein Kiez. Meine Idee hatte vorzüglich geklappt.

Ich hatte 25 Stunden damals. Das war gesunder Durchschnitt. Vom Ehepaar Bungs hatte ich vorrangig in Erinnerung, dass sie sich beide damals schon die Haare sehr schwarz färbten.

In der Theorie hatte ich null Fehler. Die Prüfung beim ersten Mal bestanden. Den Führerschein habe ich mir größtenteils selbst finanzieren müssen, den ganzen Sommer für gearbeitet im Quartier Napoléon in dortigen Hopital saubergemacht morgens um fünf Uhr. Dann Mittags im Freibad Columbiadamm im Imbiss Geschirr gespült und Eisbecher zubereitet wie am Fließband.

Hatte den Vorteil, dass ich den Führerschein und die Prüfung sehr sehr ernst genommen hatte. Durchfallen wäre für mich eine finanzielle Katastrophe gewesen. Und wer sich seinen Führerschein hart selbst verdient, kommt auch seltener auf die Idee, diesen Führerschein aufs Spiel zu setzen. Meine These.

2019-04-14

Abschiede

Wie Herr Seehofer und die Medien uns suggerieren, geflüchtete Menschen mit einem Abschiebebescheid würden ausschließlich untertauchen, müssten zwingend inhaftiert werden.

Es gibt durchaus sehr viele Menschen, die freiwillig ihre Koffer packen, diesen Land und die gewonnen neuen Freude ungerne verlassen aber herzlich gerne in ihre Heimat zurück gehen – voller Liebe zu ihrem Land und dem innigen Wunsch das Land durch den Krieg in Schutt und Asche gelegt wieder aufbauen zu wollen.

Die Zahlen derer: in den Medien komplett ignoriert! Denn sie würden verdeutlichen, wie ultra toll dieses Deutschland im Empfinden anderer Menschen gar nicht ist.

Ganz oft mag ich diese deutsche Überheblichkeit einfach nicht. Sie steht uns nicht gut zu Gesicht.

2019-04-05

True Italian Pizza Week 2019



Dass die Pizza seit 2017 zum UNESCO-Welterbe gekürt worden ist, habt Ihr das eigentlich mitbekommen? Berlin zelebriert in diesen Tagen wieder einmal die traditionelle True Italian Pizza Week. Bis zum 10.4.20197 könnt Ihr in 32 der beteiligten Pizzerien ein spezielles Menü probieren: eine authentische italienische Pizza (zur Auswahl stehen immer zwei Sorten in jedem Restaurant) zusammen mit einem Aperol Spritz oder Campari Amalfi und einem Digestif Averna zum besonderen Preis von 12€. In sieben Lokalen, in denen keine Cocktails vorbereitet werden können, kostet das Angebot 10€ und enthält statt eines Cocktails ein Bier oder Softdrink.



Einfach in eine der teilnehmenden Pizzerien gehen und nach dem Eventangebot fragen. So könnt ihr Euch für wenig Geld ordentlich durch das Berliner Pizza-Angebot futtern– vor allem mal wieder neue italienische Restaurants in Eurem Bezirk und auch außerhalb kennelernen.



Acht neue Pizzerien nehmen in diesem Jahr an der True Italian Pizza Week teil, Berlin mausert sich offensichtlich zum zweiten Neapel! Auch die alten Hasen sind wieder mit an Bord: Von Malafemmina bis Prometeo über Monella, Francucci, Muntagnola und das neue Futura (eröffnet vom ehemaligen Pizzaiolo des Standard), Marina Blu (von einem der Besitzern des Contadino sotto le Stelle) und Mercato Famous Pizza (von den Prometeo-Besitzern in dieser Woche neu eröffnet) – die Auswahl könnte kaum größer sein.



Übrigens darf nicht jede Pizzeria bei der True Italien Pizza Week mitmachen: Nur wer sich der Zubereitung der originalen Pizza verpflichtet, darf hier mitmachen. Und das heißt: der Hefeteig muss mindestens zehn Stunden gegangen sein, eine richtig gute Tomatensauce und echter Mozarella-Käse sind unverzichtbar – neben den anderen Zutaten höchster Qualität bei kurzer Backzeit, damit alle Zutaten ihren Geschmack behalten.



Die echte Holzofen-Pizza durfte ich diese Woche im Prometeo probieren und bei ihrer Zubereitung zuschauen. (Ich glaube, ich habe eine neue Lieblingspizzeria gefunden).



Das Prometeo wurde 2016 von Aldo (70) (oben auf dem Foto mit Sara Trovatelli, Mitorganisatorin der True Italian Pizza Week) und seinem Sohn Emiliano (45) in Berlin aufgemacht. Beide kommen aus der „Castelli Romani“ in der Nähe von Rom. Aus dieser Region stammt die Porchetta. Vater und Sohne hatten immer eine besondere Passion für neapolitanische Pizza. Wer die echte Pizza wie in Neapel in Berlin essen möchte, der geht hierhin! Fabio, der Pizzabäcker vom Prometeo macht nichts anderes, seit er dreizehn Jahre alt ist.



Er bereitet den Teig mit Hefe aus bestem italienischen Mehl zu – und lässt den Teig mindestens 18 bis zu 72 Stunden ruhen. Er zeigt uns welche Technik man anwendet, welche Handfertigkeit man besitzen sollte, um den Teig ganz ohne Nudelholz dünn mit dem typischen Rand zu kneten

Hier die beiden Pizzen, die es z. B. im Prometeo geben wird: Parmigiana (Tomatensoße, Mozzarella, frittierte Auberginen und Parmesan) und Pizza Sara (mit Radicchio, Birne, Walnuss, Mozarella und Gorgonzola)





Auf die Genehmigung einen Holzofen in Berlin einzusetzen mussten Emiliano und Aldo ein Jahr warten – für einen Gasofen hätten sie die Erlaubnis sofort bekommen. Aber die originale Pizza aus Neapel verlangt nach einem Steinofen „Stefano Ferrara” aus der Lava des Vesuvs gebaut und von der Associazione Verace Pizza Napoletana anerkannt. Nur so erreicht man die hohe Temperatur von 500 Grad Celsius, die für die sehr kurze Backzeit der neaplitanischen Pizza zwingend notwendig ist, damit Mozarella und Tomaten im Geschmack völlig unverändert bleiben. Für die Desserts ist übrigens Aldos Frau, Simonetta, verantwortlich. Sie ist Konditorin. Ihr Tiramisu ist großartig: nicht zu durchweicht und übersüßt. Sehr lecker.



Für Kinder backt Fabio übrigens auch eine mit Nutella gefüllt Pizza, die auch wir Erwachsenen trotz anfänglicher Zweifel glatt wieder bestellen würden.



Ach und wenn Ihr mal im Prometo seid – Aldo macht hier die legendäre Porchetta mit der Gewürzkruste aus Rosmarin, Salz, Pfeffer und einem Hauch Knoblauch selbst. Er serviert sie kalt solo mit Ruccola bzw. auf der Pizza – unbedingt probieren. Diese Porchetta ist ein Fest!



Da die True Italian Pizza Week das dritte Mal stattfindet, feiert sie ihren Geburtstag auch mit einem Instagram-Fotowettbewerb. Zu gewinnen sind insgesamt Aufenthalte in drei Hotels in Neapel für zwei Personen (in zwei Hotels je drei Nächte, in einem Hotel je zwei Nächte, eigene Anreise) – der Stadt der Pizza! Mehr Infos hierzu findet Ihr auf der Homepage. So wie auch den Link zur Karte bzw. ein Verzeichnis aller teilnehmenden Restaurants – sowie alle Informationen zum Fotowettbewerb.

Guten Appetit!

2019-04-03

Ach der Buddenbohm!

„Ich setze mich also weit weg, nur um neben einer Person zu landen, die mit einem Arzt telefoniert und in epischer Breite Symptome schildert, die sie alle so formuliert, als seien sie ganz toll, was vermutlich daran liegt, dass sie Privatpatient ist, wie gleich am Anfang des Telefonats betont wurde, und da kann man sich eben Symptome leisten, da kommt der Rest der Bevölkerung gar nicht drauf.”

Buddenbohm & Söhne – mit Herzdame!

Hier ist gerade ruhig, weil Frühling angefangen hat. Frühling heißt Balkon putzen und bepflanzen, dann unten das Gärtchen auf Vordermann bringen.

Frühling heißt auch, dass die Nachbarskinder aus ihren Winterpellen geschlüpft sind als wären es Kokons gewesen und jetzt plötzlich alle 30 Zentimeter größer scheinen und … überhaupt alles völlig neue Kinder sind. Unser Haus-Nicht-mehr-Baby habe ich neulich nur 14 Tage nicht gesehen und schwups, da hat sie den Lauf-Modus völlig neu überarbeitet, das Selbstbewusstsein angestellt und mit ihm das Lächeln einer Königin. Außerdem hat sie Augen, Ohren, Mund und Nase. Nachbarjunge E. trägt jetzt Brille, Papa guckt ganz traurig, weil er ihm nicht nur sein Kinn sondern auch seine komischen Dioptrin vererbt hat. Aber hey, der Junge kann jetzt wenigstens gucken und sieht plötzlich ganz kleine Blumen im Gras, die er seiner Mutter pflücken kann. Ist doch auch was. Seine Schwester E. trägt jetzt Matte und ihr eines Grübchen ist noch viel niedlicher geworden.

Wie ich so über diesen Winter geworden bin, weiß ich noch nicht. Ich wundere mich zur Zeit sehr über Menschen. Mitmenschen. Ich will nicht meckern aber teilweise gefallen sie mir gar nicht, wie sie sich so entwickeln. Könntet Ihr einfach wieder mal aufhören, Euer selbst darüber zu definieren Euch selbst total geil zu finden, ab und an mal die Klappe halten und zuhören? Ein Gefühl dafür bekommen, wann Euch Euer Gegenüber auch so geil findet und wann es geschnallt hat, dass Ihr mit ziemlicher heißer leerer Luft foltert? Weniger selbstreferentielles Blubbern (nachher hält man Euch noch für 'nen Blogger von 2006), dafür ab und an innehalten und lauschen auf die Zwischentöne – als kleiner Dienst für die Allgemeinheit? Muss ja nicht immer gleich was Ehrenamtliches sein. Danke!

Ich habe mir heute drei schon voll grüne Fenchelpflanzen gekauft und Samen. Apulien hat gemacht, dass ich nun völlig im Fenchel-Fieber bin. Fenchen-Likör, Fenchel-Marmelade, Fenchel-Pesto. Bärlauch war gestern, Fenchel rockt so dermaßen!

Vorhin mit dem Bus gefahren. Kam so ein Mensch rein, Typ Pulvermuskeln (diese Pulver-Fresser – das ist doch auch schon eine Form einer Ernährungsstörung oder?) breiter Gang, Stiernacken, blondiert, ausrasierte Seiten, Uncle Sam-Style. Sehr körperbewusst. Sehr cool. Aber dann wehte an ihm eine Überdosis rosa Weichspüler mit durch den Bus … und … Jungs, das eliminiert doch Euren Muscle-Charme im Handumdrehen!

2019-03-27

Otranto



Ich durfte im Rahmen des Programmes von Puglia FESR-FSE „Kulturelle und natürliche Anziehungspunkte und Tourismus in Apulien” und auf Einladung der Europäischen Union, der Region Apulien, der Gemeinden Giurddignano und Otranto und dem Kultur- und Tourismusmagazin „Mediterraneo Spiage” für einige Tage nach Apulien in den Salento reisen.



Otranto ist ein ganz besonderer kleiner traumhafter Ort Apuliens. Dorthin möchte ich Euch heute mitnehmen! Die Stadt mit knapp 6.000 Einwohnern bietet dem Besucher einen traumhaften Blick auf das blaue (adriatische) Meer, einen kleinen charmanten Hafen. Sie liegt südlich am Ende der östlichen Seite Apuliens im Salento, knappe 30 Kilometer von der Provinzhauptstadt Lecce entfernt. Keine 100 Kilometer gegenüber winkt schon Albanien, die Verbindungsstraße auf dem Meer zwischen beiden Ländern trägt den Namen „Straße von Otranto”. Otrantos weit angelegte, von der ganzen Stadt liebevoll umarmte Promenade mit Cafés und Bars, macht es auch dem Touristen leicht in das typische Leben der Salentiner einzutauchen. Zum Beispiel in einem kleinen künstlich angelegten Park, wo die Familien nach der Messe Sonntags die Kinder spielen lassen, während die Erwachsenen sich ihren Cafè gönnen.



Dieser Quai, die „Via Bastione dei Pelasgi” wird umschlossen von der Altstadt Otrantos mit den wundervollen kleinen typisch italienischen Gassen und kleinen Geschäften, die allerhand Sinn- und weniger Sinnvolles für die Touristen bereit halten. Es gibt sogar einen kleinen Strand. Und in der Altstadt halten das Castello Aragonese, die Festung oder die Kathedrale Santa Annunziata mit ihrer besonderen Krypta ausreichend Möglichkeiten für einen Spaziergang der besonderen kulturellen Klasse bereit.

Ich mag Otranto – vor allem jetzt im März – sehr. Es ist jetzt eine wunderschöne Zeit, um hierher zu reisen. Die Sonne wärmt (und bräunt schon) hier zu dieser Zeit ganz schön, dennoch ist noch nicht zu heiß. Der Wind bläst gelegentlich gewaltig und hier und da bemühen sich auch Wolken am Himmel, das macht vor allem das Draußen sein noch nicht zu anstrengend für Menschen, die zu hohe Temperaturen nicht gut vertragen. Das Meer ist gut gelaunt und gelegentlich frühlingsvorfreudig temperamentvoll.

Die kleine Stadt ist noch nicht überfüllt von Touristen, so hat man noch den Freiraum der letzten Tage des apulischen Winters.



Dennoch ist Otranto auch um diese Jahreszeit ausreichend lebendig: Kleine Restaurants haben geöffnet, einige Souvenir-Shops auch – alle anderen bereiten sich auf den ersten Ansturm der Reisefreudigen zu Ostern vor. Es wird geputzt, eingeräumt, gelacht und sich gefreut. Unten am Meer spendieren die Fischer ihren Booten neue Farben. Alle sind fröhlich aktiv, freuen sich sichtlich über den schwindenden Winter. Und über allem strahlt die vergnügte hoch stehende Sonne und taucht Dein Leben in fröhliches Licht!

Italien und die Gemeinde investieren übrigens bereits seit 2010 jährlich Millionen von Euro, um die Küste Otrantos und Architektur vor Erosion zu schützen. Steigende Meeresspiegel kratzen auch hier bereits an den Grundmauern der Bastion.



Unterhalb und rückseitig des Castellos Aragonese liegt in einer Mole geschützt der kleine Hafen von Otranto.



Ein verrostetes Schiff, in Glasplatten gehüllt, mahnt auf der Plattform eindrucksvoll, wie lange Europa schon mit Flüchtlingsströmen so wenig menschlich umgeht. Das Denkmal zeigt wie lange gerade die Länder Nord- und Osteuropas die Augen davor verschlossen haben, welche Dramen sich hier an den Küsten z. B. Italiens schon seit Jahrzehnten – also weit vor 2015 – abspielen.



Die Kater i Rades (Kateri i Radës), ein altes Kanonenboot aus Albanien, war am Abend des 28. März 1997 durch das italienische Marineschiff Sibilla nach derer mehrfacher Aufforderung umzukehren, auf die der Kapitän nicht reagierte, radikal zu einem Wendemanöver und zur Umkehr gezwungen worden. Die Männer auf dem Deck hatten sich aus Angst vor einer Kollision mit dem Marineschiff auf die andere Seite des Decks begeben, so dass das Schiff im erzwungenen Wendemanöver kippte und in der Straße von Otranto blitzschnell versank. Vermutlich 57 Albaner (die Zahlen differieren je nach Medium) fanden damals den Tod, vorrangig Frauen und Kinder, die – eigentlich zu ihrem Schutz vor dem eiskalten Wind – zu dem Zeitpunkt der Havarie unter Deck des Bootes untergebracht waren. Dieses Drama machte damals weltweit erstmals auf die schlechten Lebensbedingungen in – und in der Konsequenz Flüchtlingsströmen aus – Albanien aufmerksam und wurde in Italien zum Politikum ausgeschlachtet. Die Kapitäne beider Schiffe wurden später zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.



Das Wrack der Kater i Rades, aus 800 Metern Tiefe geborgen, lagerte jahrelang in einer Ecke des Hafens von Brindisi. Unter dem Projektitel „Eine Landung. Eine Arbeit, die der Migration der Menschheit gewidmet ist” ließ der griechische Skulpturenkünstler Costas Varotsos im Jahr 2012 Teile des Schiffes nach Otranto bringen und umschloss diese mit grünen Glasplatten, die symbolisch das Meer darstellen, um an die damalige Tragödie aber auch das Fortbestehen der Flüchtlingsströme zu erinnern.





Hinter der kleinen Hafenpromenade gegenüber des Denkmals führt eine Treppe hinauf zum Castello Aragonese. Surreal denn rechts der Treppe werden Ziegen und Hühner gehalten, links davon baut der Bauer Gemüse auf dem Grün der Stadtmauer an. So ist dieser Weg von hinten in die Altstadt grün, ländlich und beinahe unwirklich.



Wenngleich noch nicht ganz grün, die kahlen Feigenbäume fangen auch hier jetzt erst an auszutreiben …



Dann fällt der Blick auf die Bastion mit dem besonderen Novum des Festungsturmes im Turm und auf das Castello. Die Brücke führt mich, Burgfräulein creezy, direkt in die Altstadt. Übrigens – wie so sehr viel hier in Italien – behindertengerecht!







Eine der kleinen Straßen geleitet zur Kathedrale Santa Annunziata aus dem 11. Jahrhundert. Der Zugang zur Kirche ist gestalterisch bemerkenswert.



Aber berühmt ist die Kathedrale Annunziata für ihren Boden im 12. Jahrhundert mit einem von einem Mönch konzipierten Lebensbaum aus über 10 Millionen Mosaiksteinen gelegt.





Adam und Eva, natürlich auch Satan, die Tiere der Arche Noah und weiteren Gestalten des Alten und Neuen Testaments werden auf einer Fläche von 1596 m² Stein für Stein kunstvoll präsentiert. Ungefähr 700 einzelne Geschichten der Bibel werden hier untereinander über den gesamten Kathedralenboden einschließlich der Seitenschiffe verwoben dargestellt.





Diese Kunst ist unglaublich anzusehen und kaum zu fassen in ihrer Schönheit!





Als 1480 die Osmanen in Otranto anlandeten, suchten 800 Gläubige und der Klerus der Stadt dort in der Kathedrale Zuflucht. Auf ihre Weigerung zum islamischen Glauben zu konvertieren, wurden sie alle enthauptet und die damalige Kathedrale sowie alle dort vorhandenen Kunstschätze zerstört. Die Leichen wurde über ein Jahr nach dem Massaker unversehrt aufgefunden und unterhalb der Kathedrale zur letzten Ruhe gebettet. 1539 wurde ein Verfahren zur Seeligsprechung aller Märtyrer von Otranto eingeleitet. Die Heiligsprechung folgte im Mai 2013 durch Papst Franziskus.



Die Reliquien werden rechtsseitig im rechten Seitenschiff der Kathedrale heute hinter Glas sichtbar aufbewahrt – und Santa Annunziata wird daher auch die Kathedrale der Märtyrer genannt.

Die Kathedralen-Decke, alte Orgeln, Säulen, Fresken – hier gibt es so unfassbar viel zu entdecken!











Unterhalb der Apsis der Kathedrale liegt die Krypta, das Heiligtum und ein Teil des Kirchenschiffes der ursprünglichen Kirche aus dem 11. Jahrhundert. Sie ist eine Miniatur der berühmten Zisterne des Theodosius oder der Moscheenkathedrale von Córdoba und hat drei halbkreisförmige Apsiden und achtundvierzig Buchten, die mit über siebzig Säulen und Säulen durchsetzt sind. An den Wänden sind teilweise sehr gut erhaltene Fresken zu bestaunen.





Die Kathedrale Santa Annunziata gemeinsam mit der Krypta sind an historischer und architektonischer Bedeutung auf so vielfältige Weise für mich kaum zu fassen. Es ist ein ganz besonderer Ort für den man sich ausreichend Zeit nehmen sollte, denn alleine den Mosaikboden in seiner Gänze zu sehen und verstehen, das braucht eine Weile.

Ich bin unser Reiseleitung, Carmen Mancarella, sehr dankbar, dass sie mir diese Möglichkeit geschenkt hatte, diese besondere Begegnung machen zu dürfen! Ich bin wirklich nicht im Sinne des Christentums gläubig – aber meine Reisen in den Salento haben mein Interesse an frühalterlicher Architektur und Kirchenkunst ganz sicher zum Leben erweckt.



Der Kathedrale oder der Krypta entstiegen, ist man mitten drinnen im Leben von Otranto. Im Sonnenschein schlendert man durch die kleinen Straßen hinunter ans Meer. Natürlich nicht ohne einen Blick in das eine oder andere Geschäft in den Straßen zu werfen, Souvenirs aus der Pietra Leccese, dem typischen hellen Kalkstein mit der charakteristischen zurückhaltenden Beimischung von Rot des Salento, mehr oder weniger stilvolle Kühlschrankmagneten, hier Olivenöl, da Taralli in allen möglichen Aromavariationen, Weine, das notwendige Instrumentatrium, um selbst Pasta herzustellen. Hier gibt es Gelato, dort duftet es nach Caffe und zwischen drinnen deuten reich gefüllte Körbe mit Lebensmitteln an, welch grandiose Küche hinter der Tür man als Gast zu erwarten hat. Italien eben.



Und schon ist man am Meer! Allerspätestens jetzt, wenn man auf dem langen Quai steht in dem die Stadtmauern integriert sind und hinaus auf die Mole und das dahinter liegende offene Meer blickt, hat man wohl sein Herz an Otranto verloren! Diese Kombination von dem hellen und dennoch kräftigen Türkisblau des Wassers, der helle Stein, die bunten Boote, die unten am Wasser liegen, der kleine Strand, die Lichtanlagen, das Treiben – ich hätte hier problemlos den ganzen Tag verbringen können. Dieser Platz hat eine Aura, die es einen gut ergehen lässt.





Doch wir müssen weiter, die Anlagen um das Castello Aragonese – das Castello selbst – gehören natürlich auch besucht.



Die Militärfestung wurde zwischen 1495-1498 von Fernando I. von Aragon gebaut, der Grundriss ist fünfeckig und wird von drei zylindrischen Türmen umschlossen, ein Novum: ein vierter Turm, Torre Mata, ist in einem der Türme verbaut und seit kurzem auch wieder zu besichtigen.



Rund um das Castello verläuft ein Graben, der zur jetzigen Frühlingszeit satt grün gefüllt ist, wo die Katzen umherstreifen und Dohlen fliegen, die in den Gemäuern brüten.





Heutzutage wird in dem Castello Theater gespielt und können vielfältige Ausstellungen besichtigt werden. Fest installiert die Ausstellung rund um Otranto und seine Geschichte bzw. umliegende Sehenswürdigkeiten – oder im Wechsel z. B. Fotoausstellungen. Und überall in dem Gemäuer auf unterschiedlichen Ebenen hat man den Blick auf das Meer – oder auf das schöne Otranto!

Noch ein kurzer Blick in die Chieasa Bizantia di San Pietro. Sie gilt als lebendigster Ausdruck von byzantinischer Kunst in der Gegend. Ihre Entstehung wird auf das Ende des IX-X Jahrhunderts datiert. Im Inneren sind drei kleine Kirchenschiffe von einer zentralen Kuppel überragt, die von vier Säulen getragen wird; ihr Altar ist geradzu neuwertig zu nennen: 1841 errichtet. In den drei Apsiden auf der Rückseite befinden sich die prächtigen Fresken im byzantinischen Stil aus dem 10. bis 11. Jahrhundert. Prächtig ist womöglich untertrieben.



Wir machen uns auf, die nähere Umgebung von Otranto zu erkunden!



Nur sechs Kilometer entfernt von Otranto wartet Il Faro di Palascia, allermeist aber Capo d’Otranto genannt. Mit dem Auto ist es ein Katzensprung, zu Fuß darf man 1-2 Stunden einrechnen. Dies hier ist der östlichste Punkt Apuliens. Die Ruine des Leuchtturms La Torre del Serpe aus dem Jahr 1867 wartet auf ihre Besucher. Einige hundert Meter weiter rechts davon ruht stolz und weiß und aufrecht der modernere Faro di Palascia. Seine Funktion als Leuchtturm wurde 1970 eingestellt und 2008 wieder in Betrieb genommen, heute ist dort das Zentrum für Umwelt und Gesundheit der mediterranen Ökosysteme eingerichtet. Der Leuchtturm selbst misst 32 Meter Höhe, sein Licht liegt aber gute 60 Meter über dem Meeresspiegel, ist alle fünf Sekunden sichtbar und aus einer Entfernung von 18 Seemeilen zu erkennen.

Bei gutem Wetter kann man von hier vom Land aus Albaniens Berge und teilweise sogar die Häuser dort sehen. Auf alle Fälle kann man hier Ruhe tanken – zu dieser Jahreszeit.



Der Legende nach trifft hier das Adriatische Meer auf das Ionische Meer. (Aber soweit ich weiß, behauptet das die Legende auch noch von mindestens zwei anderen Standorten im Salento.) Egal, irgendwo werden sich die Meere mischen – dies hier ist sicherlich nicht der schlechteste Ort dafür!



Es ist ein kurzer Spaziergang hinunter zur Anlage, vielleicht 20 Minuten vom oberen Plateau aus und jetzt zu dieser Jahreszeit lockt die frühlingshafte Botanik Apuliens mit ersten Blüten. Zu dieser Jahreszeit wirkt Faro di Palascia eher verlassen. Wenige Besucher sind in den Abendstunden vor Ort, das eine und andere Liebespaar genießt hier die romantische blaue Stunde.



Jedenfalls ist es ein guter Platz für ein Picknick mit einer feinen Flasche Primitovo im Gepäck! Nicht mehr ganz so ruhig und beschaulich wird es hier am Neujahrsmorgen sein, denn der Tradition zufolge trifft sich hier der halbe Salento gemeinsam, um den allerersten Sonnenaufgang des neues Jahres zu begrüßen. Aber ist das nicht ein Grund mehr nach Apulien auch einmal in den Wintermonaten zu reisen?



Auf dem Weg zurück nach Otranto lohnt sich allemal und unbedingt ein Abstecher zur Laghetto cava di bauxite – zum Bauxit-Steinbruch!





Natürlich fährt man hier besser früher am Tage vorbei, denn nachmittags bzw. am Abend ist hier das Licht für Fotos nicht optimal.

In den vierziger Jahren begann man hier Bauxit (Aluminiumerz) für die Aluminiumproduktion abzubauen, doch seit 1980 wird hier nicht mehr gefördert. Der Steinbruch wurde mittlerweile künstlich geflutet, sogar Fische wurden hier ausgesetzt. Visuell ist er das Sahnehäubchen auf den ganzen Tag – von sehr sehr vielen anderen Sahnehäubchen meines Tages in Otranto. Die grüne Fauna, die reichhaltige rote Erde, das Grün des Wassers und im Hintergrund das Blau des Adriatischen Meeres. Was für ein Ort voller Schönheit und legendärer Farbenpracht! Wenn die ganze Besonderheit und Schönheit des Salentos vor dem eigenen Auge explodiert, dann hier!



Zu Fuß kann man für die Wanderung ab Otranto über Bauxit, Il Faro della Palascia und zurück nach Otranto einen Tagesmarsch einkalkulieren. Angenehme Pausen einberechnet.

Falls jemand noch Zweifel hat nachdem ich Euch mitgenommen habe auf diesen besonderen Tag: Ja, Otranto ist ganz sicher eine Reise wert!



Anreise

Von Deuschland aus fliegen einige Airlines die beiden Flughäfen im Salento, Bari und Brindisi direkt an, andere über Zwischenstopp in Rom. Zubringer zu den einzelnen Städten gibt es ab den Flughäfen mit der Bahn, Bus oder Mietwagen. Ab Brindisi ist man z. B. mit der Bahn oder mit dem Bus im Schnitt ein bis zwei Stunden bis nach Otranto unterwegs. Solange dauert der Transfer ab Bari mit dem Auto. Im Salento bieten viele freundliche Menschen im Transportwesen eine gute günstige Möglichkeit Touren per Auto zu unternehmen. Die jeweiligen Fremdenverkehrsbüros vermitteln gerne Adressen.