2018-12-31

Ein gesundes, gesundes, gesundes, fröhliches, wundervolles neues Jahr 2019!

Kein großer Jahresrückblick hier. Es war im Vergleich zu vergangenen Jahren ein sehr gutes Jahr, eines, das sich ein wenig nach frei strampeln auf vielen Ebenen angefühlt hatte. Erkennen, das Gefühl zu haben, es geht doch noch voran. Die Zuversicht hatte ich fast verloren geglaubt. Sie klopft öfter zaghaft an. Und ich konnte Dinge durchstehen ohne aus der Bahn geworfen zu werden. Habe über mich gelernt. Habe auf mich aufgepasst. Begriffen.

Tally verloren. Und für immer behalten. Wie auch Nishia. Lino. Terry. Gigi. Dali. Mickey. Susi. Sweety.

Ich möchte mich bei Euch allen bedanken, die ihr mir Freunde wart in diesem Jahr. Unterstützer. Handreicher. Freudebringer. Lachsponsoren. Spaßmacher. Zeitvertreiber. Humorspender. Denkantreiber. Wiedersprecher. Aushalter. Beimirbleiber. Geschenkbringer. Sorgenvertreiber. Die Besten!

Euch allen da draußen wünsche ich ein wundervolles neues Jahr! War das alte Jahr gut zu Euch, dann nehmt alle Freude mit hinüber. War das alte Jahr schlecht zu Euch, dann macht die Tür höflich aber bestimmt zu und öffnet die neue Tür mit Zuversicht und Vorfreude.

Es ist alleine unsere Aufgabe dieser Welt Liebe und Herzenswärme zu schenken und Dinge ins Positive zu bewegen! Passt auf Euch auf, drückt Eure Lieben, baut Eure Wünsche, gestaltet Eure Träume, lebt Eure Gedanken!

Auf ein wundervolles gemeinsames 2019!

2018-12-18

Ein Tag.

Gestern fast den Arzttermin verschlafen. Weil der übliche Dienstagstermin auf einem Montag lag. Böse Sache. Ich lasse mir immer gerne die frühesten Arzttermine geben. Einfach, weil ich mir in der Krankheit gerne die Tage früh beginnen lasse, das unterscheidet mich von vielen anderen mit der gleichen Diagnose. Nun, die Nacht vorher sehr schlecht geschlafen, von der Katze zu früh geweckt worden, dann noch einmal unter die Decke gekrabbelt – bis mich der Blitz um 08:30 Uhr durchfuhr: „HEUTE ist der 17.12.!!!”

Binnnen 20 Minuten: geduscht, geschminkt, angezogen, los gedüst. Dann zehn Minuten nach 9:00 Uhr im Wartezimmer gesessen. Dort meinen ersten Kaffee bekommen. Zum Glück. (Hier im Wartezimmer gibt es Kaffee und Wasser für etwaige lange Wartezeiten, manchmal sogar Kekse.) Die Ärztin sah abgespannt aus, hörte sich den üblichen Statusbericht an, gab mir hinsichtlich meiner Schlafstörungen noch ein paar Tipps zur Schlafhygiene und verwies (das scheint die neue ärztliche Moderne) auf das Internet zum Thema. Mit der Krankschreibung stand ich zehn Minuten später wieder vor der Tür.

Es galt noch ein Geschenk im schwedischen Albtraumkaufhaus zu besorgen, also die günstige Verkehrsanbindung ab Praxis ausgenutzt und nach Tempelhof gefahren. Dort gefrühstückt. Progressiv habe ich mich an den Tisch einer einzelnen älteren Dame gesetzt. Ich beobachte das häufig dort. Ältere Menschen trinken (vermutlich mit der Ikea-Familycard) kostenlos Kaffee, denn sie sitzen meist nur vor einem Kaffee. Die Dame freut sich über meine Anwesenheit. Ich überlege, ob ich sie auf den „nur Kaffee” ansprechen soll und sie auf einen Frühstücksteller einladen soll … und traue mich nicht. Vielleicht hätte sie sich gefreut (die Geste!), vielleicht hätte sie es übergriffen gefunden? Der Mut ist nicht immer mit mir. Sie sitzt zugewandt dem Kommen und Gehen zu den Kaffeemaschinen, aufmerksam. Offensichtlich sitzt sie da, um Menschen zu gucken. Und spricht mich an, als eine dunkelhäutige schöne Frau sich einen Kaffee holt und findet sie interessant. Mich hielt sie, sagt sie, aufgrund meiner Statur für eine Norwegerin (die sieht man bekanntermaßen öfter in Berlin bei Ikea) und erklärt mir, sie selbst sei Griecherin.

Man kann von Ikea denken und halten, was man will. Aber im Restaurant habe ich durchaus immer wieder herzliche und berührende Begegnungen. Auf alle Fälle werde ich das Konzept „Kaffee trinken bei Ikea im Alter” im Hinterkopf behalten.

Ich ergattere das gewünschte Geschenk, ein paar Kerzen im Familycard-Angebot. Die Maßnahme hatte mich kürzlich gelehrt Kerzen selbst zu gießen. Eine netter Zeitvertreib, natürlich braucht's Wachs dazu. Insofern sind (auch schon eingefärbte) Kerzen im Angebot ein sehr sinnvolles Angebot für mich. Ein paar Becher kommen mit. Entdecke hier Dinge, die ich in den Wagen packe und später wieder auspacke. Der übliche Gang der Ikea-Dinge …

Auf dem Bahnhof ergattere ich die letzte S-Bahn bevor wegen Polizeieinsatz bedingter Fahrplanunregelmäßigkeiten laut Anzeige ganz lange wieder keine S-Bahn kommen soll und erreiche mein Zuhause. Dort greife ich mir die erste Lage verpackter Weihnachtspost und schicke tapfer kleine Weihnachtsgrüße in die Welt. (Menschen in meiner Situation hadern immer etwas mit dem Porto im Dezember.)

Ein kleiner Einkauf beim Discounter neben der Paketannahmestelle, dann schleiche ich mich zurück nach Hause, sage den Nachmittagstermin ab und versacke etwas auf dem Sofa. Die Erkältung fordert immer noch ihren Tribut und der eine Moment mit einem Kaffee in der einen Hand, den Katzenbauch in der anderen Hand bei Kerzenschein, das ist gehobene Seelenhygiene. Später packe ich weiterhin Geschenke ein, verschließe das letzte große Paket mit dem Gefühl die Geschenke sind nicht schön genug, toll genug, genug genug, das heute noch zur Post will. Schreibe die eine und andere Karte, räume hin und um und auf.

Zum Abendessen gibt es grünen Salat mit einer Vinaigrette mit von mir selbst angesetzten Dattelessig und von mir selbst gebeizten Lachs, beides ist sehr gut geworden – was mich natürlich ungemein freut.

Ich habe diese Weihnachten zwar Stollen gebacken aber immer noch keine Kekse.

Die eine Ursache meiner Krankheit lässt mich unzufrieden sein, weil ich zwei Termine nicht geschafft habe, wie von mir geplant. Die Therapie hinsichtlich meiner Krankheit klopft mir indes zufrieden auf die Schulter, weil ich (und echt, ich kann's nicht mehr hören) auf mich geachtet habe.

Und doch habe ich das Gefühl alles geht mir ein Stück leichter von der Hand, kann ich besser aushalten als in den letzten vergangenen Jahren. Ein Gefühl, wie ein kleiner gülden leuchtender Strohhalm.

Ich möchte Euch allen danken, die hier in diesem Blog und in diesem Internet mit mir die letzten Jahre gemeinsam gegangen sind. Mich gefangen haben, gehalten haben, unterstützt haben, mich geweckt haben, ausgehalten haben, toleriert haben. Das hat großes und gutes Gewicht in meinem Leben: Dankeschön!

2018-12-17

Ein Traum von Hirsch …

Disclosure: Ich durfte auf Einladung von Neuseelandhirsch im VOLT bei Matthias Gleiß und seinem Team, ein Menü mit Neuseelandhirsch genießen und deswegen können wir davon ausgehen, dass dieses Blogpost Spuren von Werbung enthalten dürfte.

Mein erstes Weihnachtsgeschenk in diesem Jahr hatte ich schon Ende November bekommen. Eine Einladung zu einem Hirschmenü mit Neuseelandhirsch von einem der – und das ist er nun mal – begabtesten Köche der Stadt in einer der schmuckesten Locations der Stadt. Ich durfte dort schon einmal essen, in diesem VOLT bei Matthias Gleiß, Ihr erinnert Euch? Ein ganzes Menü aus Schokolade …

Ein inti(ea)mes Essen, denn ich durfte eine weitere Person beglücken mit dieser Einladung und so machten wir uns vorfreudig auf den Weg – quasi umme Ecke – ins schöne Kreuzberg an den Landwehrkanal zum ehemaligen Umspannwerk. Das Schöne am VOLT ist, dass man weiß, man erlebt einen besonderen Abend mit perfekter Küche und ebensolcher Weinbegleitung – vor allem aber auch einem solchen Service.



Und trotzdem ist's im VOLT so schön unprätentiös, genauso wie Kreuzberg das mag. Wir betraten die Räumlichkeiten und wurden von der Sekunde an liebevoll umhegt, umsorgt, beglückt, bespaßt, unterhalten … verwöhnt! Das alles fing an mit dem Winkewinke (Aperas) aus der Küche Vol. 1: Eine Praline von der Wachtel mit Kokosgel …



… und geröstetem Kokoschip, Tapiokachip, Steckrübe und Sardellenmajo (Kreuzberg, da braucht’s keine …naise), …



… Profiterole mit Petersilienwurzelcreme, Sonnenblumenkerne und Fichtentrieb.



Visuell traumhaft schön serviert! Dazu ein Riesling Kabinett von Marcus Hees, Nahe von 2016.

Die können im VOLT Brot backen – Ihr erinnert Euch an mein Schokoladenbrot? Das hatte hier seinen Ursprung – im Prinzip könnte ich auch ins VOLT auch nur zum Brot essen gehen, selbst gebacken mit Butter mit Fleur de Sel und einer zarten Olivenpaste …



… dieser Begeisterung über die kleinen wunderschönen Dinge im Leben folgte sogleich ein Amuse mit Runkelrübe mariniert (so gut!) mit fermentiertem Rotkohl, Pistazie, körnigem Frischkäse und einem Orangengel. Zum Anhimmeln!



Ab sofort stalkte uns ein 2017 Sauvignon Blanc II von Winning aus der Pfalz – und das war durchaus bemerkenswerter Wein oder wie uns Sommelier Sascha Hammer pragmatisch definierte „die Limonade unter den Weinen” – und das war mitnichten despektierlich gemeint. Aber dieser Wein kam daher wie eine zarte weißbeinige in Pastelltönen gekleidete Ballerina im Kreis tanzend in Omas Porzellanmusikuhr daher – und man kann über diesen Wein wirklich lange reden. Wie auch über den ersten Gang, den er zu begleiten hatte: geräucherter Stör, Topinambur, Rosenkohl, Koriander.



Die große Kunst von Matthias Gleiß ist es vor allem die Gemüse (oder Früchte) mehrfach in so verschiedenen Texturen oder Zubereitungsmethoden auf den Teller zu bringen, hier also beispielsweise den Rosenkohl, dass man sich zum einen schämt, weil man bisher Rosenkohl selber viel zu profan behandelt hatte in der Küche – und sich andererseits fragt, wo Rosenkohl heute wohl stehen könnte (also wie sehr viel mehr Menschen sich doch plötzlich zum Team Rosenkohl zählen würden?), wenn Gleiß diese Röschen schon vor hundert Jahren so serviert hätte? Der Stör war wunderbar und passte erstaunlich gut dazu. Ich finde, das ist durchaus eine Kunst die etwaigen „Beilagen” so zu behandeln und zuzubereiten, dass man zu jedem einzelnen Begleiter dieses Tellers ein völlig neues, besseres Verhältnis gewinnen kann. Beilagen bekommen bei Gleiß auf dem Teller eine neue eigene Bedeutung.

Nun folgte erstmals der Grund unserer Einladung: Hirsch. Aus Neuseeland. Ein mariniertes Hirschfilet auf Roter Beete, Apfel und Sauerklee. Das Hirschfilet, roh, war so zart und frisch, es ruhte auf der marinierten Roten Beete, flankiert von Tropfen mit Brombeer-Senf-Majo(naise) und frischem Apfel in reduziertem Rote Beete-Jus gebadet – das war alles in allem: einfach glücklich sein.



Wir essen hierzulande gerne Hirsch, viel, variationsreich (oder eben auch nicht). Aber durchaus behandeln wir das Fleisch mit mehr oder weniger rauen physikalischen Eingriffen. Das macht Mathias Gleiß hier mit dem Fleisch eben nicht. Da durfte dieser Neuseelandhirsch einfach sein – um ihn herum wurden lauter kleine Geschmacksplaneten installiert, die um diese zarten Scheiben Fleisch kreisten. Das war schön. Geerdet. Gerade. Überraschend. Konzentriert. Dieses Stück vom Tier hätte es post mortem vermutlich nicht besser treffen können.



In unseren Gläsern ein Cuvée Q.P.S. von der Domaine Pignier aus dem Jura. Und ich wollte sofort in den Jura reisen. Bin sehr dankbar diesem Wein begegnet sein zu dürfen. Eine Vision von einer klaren Quelle, mineralisch reich, stolz zurück genommen – voll reifer Existenz. Und dazu ein Spitzkraut mit Holunderkapern, Schwarzkümmel, Jus.



Auch hier das Spitzkraut in unterschiedlichen Texturen zelebriert. Da gab’s dann den einzigen Kritikpunkt des Abends: dieser Gang gehört mit einem Löffel serviert, damit man den Jus nicht im Teller zurückgehen lassen muss. Schweren Herzens. Ich war sehr glücklich mit diesem Teller.



Hirschrücken. Wacholder-Quitte, gegrillte Schalotte, Fichte (hier Fichtenöl über den Teller gehaucht). Tiefer Wald, Herbst, Nebel, Duft von feuchtem Laub – ein Teller der den Neusselandhirsch in seiner Lebensumgebung abholt. (Na gut: für hiesige Hirsche gesprochen. Die in Neuseeland leben schon ein wenig anders.) Aber so ein ehrlicher Teller und wie schön, dass hier jemand die Quitte ernst zu nehmen weiß: jenseits von Marmelade oder Quittenbrot und ihr die zweite Hauptrolle zugesteht! Interessanter Wachmacher auf dem Teller: Muschel mit Speck.



Diesen Hirschrücken begleitete ein Coer d L’esprit (was für ein treffender Name für diesen fröhlichen Roten) von der Domaine dl’Horizon aus dem Roussillon. Tolles Fleisch und auch hier wieder ganz nahe am Urzustand serviert. Wenn Fleisch einfach Fleisch sein darf, dabei aber so liebevoll begleitet wird. Dazu braucht es aber eben auch qualitativ richtig gutes Fleisch – und das spricht dann doch für dieses Hirschfleisch aus Neuseeland.

Vor dem Dessert hatte ich persönlich ein bisschen Angst, weil nämlich Banane auf der Menükarte stand, die mag ich nur selten, dann aber unfreif. Das Dessert … war dann wirklich gut, trotz: Banane! Also genauer: Schokolade, Banane und Sesam (hier: schwarzer Sesam gepufft. Kann man, nee, sollte man wirklich selbst einmal machen. Was für ein Spaß im Mund!)



Uns wurde dazu ein 20 Jahre alter Aged Tawny Port, W & J Graham’s Port) serviert und mit dem herrschte allgemeines glückseliges Einverständnis im gesamten Restaurant. Denn man konnte an allen Tischen, die die Weinbegleitung gewählt hatten, die Freude der Gäste sehen am Farbenspiel im Glas. Alle hielten sie diesen Port im Glas in der Hand und ließen die Lichter darin spiegeln.

Der Sommelier, Sascha Hammer, der so ganz nebenbei auch ein wirklich amüsanter Mensch ist, dessen Erklärungen man stundenlang lauschen möchte, hat einen wundervollen Job gemacht. Matthias Gleiß und sein Team in der Küche sowieso. Wir hatten später noch die Freude, dass der Chef selbst zu uns an den Tisch kam und wir uns u.a. darüber austauschen konnten, was es mit einem macht, wenn Töchter sich lieber vegan ernähren. Er erklärte uns unsere Fragen zum Menü sehr ausführlich und das schätze ich sehr an ihm, er hat überhaupt kein Problem über seine Küche und Prozesse zu sprechen. Matthias teilt sein KnowHow gerne – während sich immer noch manch anderer Koch lieber die Zunge abbeißt. Natürlich haben wir uns auch über das Produkt, den Neuseelandhirsch unterhalten – den er hatte zusammen mit anderen Köchen für uns mit Neuseelandhirsch ein Buch … (ist jetzt meins, mit Widmung!) herausgebracht mit diversen Komposition dieses Fleisches. An seinem Erzählen merkten wir, dass er das wirklich gerne mag. Weil er, wie Gleiß zugab, den Neuseelandhirsch auch gerne auspackt – denn das Fleisch kommt absolut frisch an, ganz ohne strengen Geruch. Und er deswegen oft und gerne den Hirsch auf der Karte hat, z. B. auch im Sommer auf dem Grill. Zu beziehen ist Neuseelandhirsch z. B. im Frische Paradies und in der Metro.



Schlussendlich waren wir uns darüber einig, dass es nun wohl doch auch endlich Zeit wird, dass wir selbst einmal nach Neuseeland kommen – endlich einmal die Tiere auf den riesigen Farmen in ihrer (fast) freien Wildbahn und ihrer weiten grünen Natur zu erleben …

Ein so wunderschöner Abend war das! Wundervolles Essen, feine Weine – unser Dank gilt auch dem charmanten Service! Und vielen Dank auch dem Tier, diesem neuseeländischen Hirsch! Der wirklich eine Empfehlung ist – vielleicht auch für Euch … zum Weihnachtsfeste?

2018-12-16

Lesen, gucken, staunen

Ich weiß, es ist illusorisch sich dieser Tage zurück zu lehnen und entspannt zu lesen oder irgendwelche anderen Dinge zu tun, die nichts mit diesem Weihnachten und dem ganzen schönen und nicht so schönen Gedöns drum herum zu tun haben. Ich hänge prima hinterher, so eine Woche krank tut im Terminplan irgendwie nicht gut.

Aber … gestern bin ich auf dem Weihnachtsmarkt am Charlottenburger Schloss gewesen. Beim Losgehen wehten sachte kleine Schneeflocken im Berliner Abendhimmel und die blieben noch eine Weile bis wir zum Weihnachtsmarkt kamen. Natürlich blieben sie nicht liegen und wirkten eher wie eine unwirkliche Animation für mich (bin nach diesem Sommer immer noch nicht in diesem Winter angekommen.) Aber: Schnee! Echter, niedlicher, zierlicher, unwirklicher, bemühter Schnee. Im Dezember. In Berlin.

Auf dem ersten Weihnachtsmarkt erstmals in meinem Leben Eierpunsch getrunken. I declare: Eierpunsch ist mein neuer Freund auf Weihnachtsmärkten!

Falls Ihr es Euch heute doch auf dem Sofa gemütlich machen wollt und etwas lesen möchtet, möchte ich Euch den Text von Robert Habeck dringend empfehlen. Er macht sich – wie selten ein Grünen-Politiker zuvor – ausgiebig und hartnäckig Gedanken über die künftige Arbeitswelt in diesem Land und auf der Welt. Was eines der vorrangigen Themen neben dem Klimaschutz nun eimal ist. Um so erschreckend, dass hierzu von den Regierungsparteien so schrecklich wenig kommt. „Die Stunde des mutigen Karnickels. (Wie wir die digitale Arbeitswelt gestalten können.)” Sehr lesenswert!

Gilt gleichfalls für diesen Text aus der brand eins, der eine perfekte Ergänzung zum Text von Habeck ist. Mir ist selbst nicht ganz klar, ob man diesen Text nicht besser vor dem von Robert Habeck lesen sollte. Dorit Kowitz hat sich nämlich einmal genauer mit dem Modell Behindertenwerkstätte auseinander gesetzt. Mit dem Kuriosum, dass es immer mehr davon gibt, dort auch immer mehr Menschen arbeiten, denn sie sind immer mehr auf ökonomischen Wachstum ausgelegt. Und das obwohl in Deutschland aufgrund der fortgeschrittenen Pränataldiagnostik immer weniger Menschen mit Behinderungen geboren werden? Werkstattbericht

Ja. Klar. Auch hier frisiert sich die Arbeitsagenturen die Arbeitslosenstatistik schön! Unfassbar.

Shiinchen und ich wünschen Euch einen schönen dritten Advent!

2018-12-15

§ 219a

„Raus aus meinem Uterus. Der § 219a und seine Freunde.” Den richtigen und wichtigen Text zur aktuellen Diskussion zum Paragraphen §219a hat die Juramama geschrieben. Mehr als sehr lesenswert!

„Wenn ich das richtig verstanden habe, sind es Frauen und ihr Uterus, die „das Leben schützen“ und ermöglichen? Wieso zum Teufel können Frauen denn dann eigentlich nicht schon immer völlig von Kinderwunsch oder Kindern unbehelligt durch eine eigene sichere finanzielle Existenz gehen und allein aufgrund ihrer beruflichen Kompetenzen jede Stelle der Welt bekommen? Warum endet ein Leben mit Kinderaufzucht des schützenswerten Lebens ganz sicher in bitterlicher Armut, wenn man nicht in einem Umfang berufstätig ist, als hätte man sich gegen dieses Kind entschieden?”

2018-12-14

Kleines Glück …

… man kennt das. Der tödliche Männerschnupfen hat sich beim letzten Eintreten durch die Wohnungstür mit hinein geschlichen und ist ziemlich penetrant, wie er da auf dem Sofa sitzt und sich breit macht. In seiner Anwesenheit verbringe ich meine Zeit mit Fieber, Taschentüchern, schniefen, Tee, Lorbeerlikör (gegen Halsschmerz und Husten, mein neues Wundermittel, das nur leider am dickklötigen Schnupfen nicht vorbei wirken kann), komisches Fernsehprogramm, Gliederschmerzen, Brot- und Milcheinkauf der Nachbarin, Nasenspraybesorgung und wundervollste Hühnersuppenheilspende der Freundin, dezent übermantelt vom überdosierten Selbstmitleid, begleitet von einer unzufriedenen Katze. Mit Fieber schläft und spielt es sich irgendwie schlecht.

Dann im Anschluss, wenn das Fieber für sich befundete, seine heilende Existenz wieder zurück schrauben zu können und man selbst noch matt in den Kissen liegt und die körperlichen Gelüste nach Auffüllung des Natriumhaushaltes innerlich quengeln und man diesen extremen fürchterlich intensiven Heißhunger nach Gurken hat, es aber Sonntag ist, die Geschäfte geschlossen haben und man eh noch nicht in der Lage wäre, die die weiße Fahne schwenkenden Körperzellen schon nach außen zu tragen.

Wenn man dann unverhofft neben dem Kaffeevorrat plötzlich und ungeahnt ein Glas Gewürzgurken findet. Eines von dem man sich nicht einmal mehr erinnern kann, es jemals eingekauft zu haben.

Das ist Glück.

2018-12-09

Neulich beim Arzt …

Neulich dann endlich den Termin beim Rheumatologen gehabt. Mit Voranmeldung zweieinhalb Monate Wartezeit. Aber bereits vorher schon monatelang bei anderen Rheumatologen einer Terminmöglichkeit hinterher telefoniert. Wie machen das eigentlich Menschen, die 40 Stunden (und mehr) die Woche arbeiten?

Die Praxis liegt ungefähr vier Bezirke von meinem Wohnbezirk entfernt, Anreise mit den Öffentlichen knapp unter eine Stunde. Aber hey: ich hatte ein Date!

In der Praxis gab es zwei Wartebereiche, die waren vergleichsweise voll zu nennen. Kein Lesezirkel, dafür im Wartezimmer ein antike Vitrine, die mehr oder weniger elegante Hilfsmittel für den Rheumakranken präsentiert. Schön. Ich füllte insgesamt vier beidseitig bedruckte Fragebögen – mein bisheriger Rekord tatsächlich – aus. Ein halber Fragebogen bezog sich dabei ausschließlich auf Kenntnisgabe meinereine über die Widrigkeiten wie sehr, wie lange und intensiv ich um diesen bzw. einen Termin beim Rheumatologen stadtweit mich bemühen musste, um die „Berlinweite Situation von Fachärzte der Rheumatologie” abbilden zu können. Drolligkeit kennt zunehmend im Gesundheitsbereich wirklich kein Pardon!

Persönlich glaube ich keine Sekunde lang, dass sich ein Arzt vor der Erstkonsultation die immer noch übrig gebliebenen dreieinhalb Fragebögen wirklich durch liest; die Fragen scheinen eh nicht meine spezielle Situation abgebildet, da ich meine Schmerzen nicht kontinuierlich habe. Schlussendlich aber hatte ich meine persönlichen Werdegang hinsichtlich meiner gesundheitlichen Probleme, einschließlich aller Befunde und draus gezogenen Konsequenzen für weitere Arztkonsultationen auf ein Blatt Papier vom PC an Drucker ausdrucken lassen (der Ur-Ex betont immer, meine Handschrift wäre schön aber nicht lesbar) und vorgelegt.

Es ist wie immer: der herbei gesehnte Arzttermin ist da und mir ging es so gut wie schon lange nicht mehr. Ich war beweglich, die schreckliche Körpersteifigkeit wie weggeblasen! Es wurden ein paar Fragen gestellt, ich wurde untersucht, an mir wurde herum gedrückt. Ich enthielt mich höflich dem Versuch an der einen oder anderen dann sehr schmerzenden Stelle auszuteilen. Es gibt Stellen in meinem Körper, die zwar nicht akut schmerzen aber wenn da jemand etwas fester drauf rumdrückt, höllisch weh tun. Wieder was über sich selbst gelernt.

Dann gab es die Vermutung auf eine Diagnose, die mir nach Einlesen in meine persönlichen Beschwerden nicht ganz unbekannt war. Während mir also die Vermutung an den Kopf geworfen wurde von der ich auf Nachfrage ehrlich behauptete, von ihr einmal gehört zu haben, wurde mir eine Blutuntersuchung in Aussicht gestellt und dann zupfte der Arzt in einem großen Stapel kopiertes Papier auf dem Tisch diverse Bögen heraus. Mir wurde ein Bogen Papier gegeben mit der Adresse von einem Selbsthilfeverein, bei dem ich mir zur Diagnose bitte selber eine Broschüre anfordern möge, die mich darüber aufklären soll, was ich ggfs. habe. Kein Job für den Facharzt, wo kämen wir da hin? Dazu drei Bögen mit Körperübungen, die ich durchführen solle, um etwas aus dem Schmerzverhalten zu entkommen. Ich erhielt den Hinweis, der Arzt würde sich melden, würde sich etwas bei den Blutuntersuchungen ergeben. (Die vermutlich gestellte Diagnose ist in Blutuntersuchungen nicht abbildbar, der Rest ist für den Ausschluss.) Und die Bitte, ich möge mich im Verlauf wieder vorstellen.

Ich fragte (leicht zynisch aber man kennt mich hier ja nicht) in welchem zeitlichen Radius sich denn „im Verlauf” bewegen würde und ich erhielt einen Termin im zweiten Monat des kommenden Jahres zugewiesen. Draußen gab ich Blut und Urin ab, ließ meine Befunde der anderen Ärzte einscannen und reiste von dannen und zurück an den Ausgangsort. Eine vage Diagnose, keinerlei Aufklärung. Nichts.

Aber dann heulen, wenn die Leute mit kruden Internetbehauptungen vor ihrem Arzt sitzen …

Hey, wir haben eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Und nun gut, der miese Schmerz hat nun wenigstens einen Namen, höchstwahrscheinlich. Ist auch was. Zumindest entbindet es mich von dem fiesen Gefühl das Alter sei alleine schuld. Oder ich. Oder beides zusammen.

Nein. Ich bin mit diesem Gesundheitssystem nicht zufrieden.

2018-11-21

Fragen …

Dieser Artikel berührt mich sehr.

Das berührt mich sehr. Wir hatten hier vor unseren Discountern seit Jahren eine obdachlose Frau aus Polen, die die Straßenmagazine verkaufte. Immer gepflegt und freundlich. Die Person, der ich meinen monatlichen Obolus gerne zusteckte. Ich möchte geben, wenn ich kann und auch auch wenn es nicht viel ist. Da ich nicht allen geben kann, die einen im Monat in dieser Stadt ansprechen (wer in Berlin täglich U-Bahn fährt, hat solche Anfragen im Schnitt zwei Mal pro Bahn mittlerweile), habe ich es eben immer einer Person zugeführt.

Ich sah die Frau einmal ihre ganzen Lidl-Pfandbons, die ihr die Leute zugesteckt hatten an diesem Tag, an der Kasse einlösen. Sie hatte ausschließlich Tütensuppen davon gekauft. Keinen Alkohol. Keine Zigaretten. (Haben viele Menschen nicht auf dem Plan, dass viel Obdachlose nämlich gar nicht trinken oder rauchen oder sonstige Drogen nehmen.)

Diese Frau ist jedenfalls seit Monaten wie von der Bildfläche verschwunden. Und ja, ich vermisse sie und … ich hoffe sehr, es geht ihr gut, dort wo sie jetzt ist.

2018-11-20

The real Robert Sprenger in da house!

Im vergangenen September hatte ich das Glück und die sehr große Freude endlich ENDLICH Robert Sprenger alias lamiacucina wahrhaftig im realen Leben treffen zu dürfen. So mit Handschlag und Umarmung und gemeinsam eine schöne Zeit verbringen.

Roberts Blog lese ich schon … immer. Das heißt bei Robert wohl seit 2007! Immer habe ich seine wundervollen Berichte und bildschönen Fotos von seinen Reisen und vor allem diesen vielen Kochworkshops gelesen und besonders genossen. Die Kochkompetenz von Robert, das Fachwissen, das man aus seinem Blog ziehen kann, ist unermesslich.

Robert war es schlussendlich, der mich 2011 zum Pasta selber machen inspirierte. Seine perfekten Ravioli hatten es mir immer angetan! (Mittlerweile komme ich ihnen in ihrer Perfektion schon nahe und bin aber immer noch sehr weit entfernt.) Robert ist einer der höflichsten und zuvorkommendsten Blogger, die es wohl im deutschsprachigen Raum gibt. Und er ist das, ich weiß es nun genau, auch im realen Leben. Immer seiner Sache tief verbunden, ein Sprachrohr für Genüsse aus der Küche der Schweiz. Von so manchem Lebensmittel, mancher Zubereitungsmethode oder Gasthof und Produzenten hätte ich ohne Robert nie gehört bzw. gelesen. Wenn ein Blog das Prädikat „Bildungsblog” verdient, dann wohl seines, die „La mia cucina!”

Drei Tage hatte sich Robert frei machen können und war nach Berlin gereist, ich traf ihn an seinem letzten Tag zum Lunch im Orania, wo wir sehr gut zum Mittag speisten und uns eine kurze Weile sogar mit dem Meisterkoch Philipp Vogel, unter anderem über seinen Weg die richtige Ente für seine XBerg-Duck (Pekingenten-Menü) zu finden, unterhalten konnten. Viele Enten hatte Vogel probiert, auch die einheimischen natürlich, keine wollte ihre Haut so zart knusprig werden lassen, wie die Enten eines bestimmten Produzenten aus Irrland.

Nach dem Kaffee zogen wir durch die Oranienstraße, Robert liebt es Graffiti zu fotografieren: Kreuzberg ist der perfekte Ort dafür. Wir wanderten später durch die Markthalle Neun, wo Robert am Stand von Mani in Pasta lapidar sprach, dass, wenn man solche Pasta so perfekt und frisch hier bekäme, er sie auch nicht mehr selber machen würde. Nun, dieser kleine Frevel (in meinen Lehrlingsaugen) sei ihm verziehen. Er hat ja Recht, ich kaufe Pasta gerne auch frisch und Pastaproduzenten wollen schließlich auch leben! Käse gab es satt und lecker an einem meiner Lieblingskäseläden (hier Markstände): Alte Milch. Dann trafen wir Christiane und Thomas von Foodhunter und kehrten im Weltrestaurant bei Bier und Wein ein.

Dieser schöne Tag wurde beschlossen im KaDeWe, Robert suchte noch ein Geschenk für seine daheim gebliebene Frau und wurde so ratzfatz in der Kleidungsabteilung fündig. Die Geschwindigkeit beeindruckt mich dann doch sehr. Und die Liebe und Zuneigung mit der Robert nach so sehr vielen Jahren immer noch von seiner lieben Frau spricht. Das zu erleben, ist schön!

Natürlich trieb es uns hoch in die Lebensmittelabteilung, wo wir bei Prosecco und Burger mit sehr leckeren Raspelkartoffelschnitzen unser Abendessen zu uns nahmen, Robert schenkte Shiina mit liebevollem Gruß die teuerste Garnele, die sie jemals zu sich nehmen durfte! Dann ging es raus über den Kurfürstendamm an der Gedächtniskirche vorbei zur U-Bahn und Robert brachte mich fast bis nach Hause – zumindest zum Heimatbahnhof.

Womit mich Robert sehr beeindruckt hatte, er ist nun keine 25 mehr, dass er in diesen kurzen Tagen so wahnsinnig viel gesehen hatte und fotografiert hatte von dieser nun nicht ganz so kleinen Stadt. Zwar meist von außen, klar, der Zeitplan war sehr knapp bemessen – aber nun weiß er, wo er beim nächsten Mal intensiver, nämlich hinein gucken möchte. Kaum sagte ich „dort liegt das und jenes Rathaus”, antwortete er mit „da war ich gestern.” Er ist auf alle Fälle ein Wanderprofi, auch in der Stadt. Seiner Umtriebigkeit gilt mein ganz großer Respekt!

Und ich hoffe, lieber Robert, Du kommst ganz bald wieder in meine Heimatstadt! Mit dem gelben Koffer.

Roberts erster Tag in Berlin. Der zweite Tag … und der dritte Tag. Alles zum Nachlesen in seinem Blog.

2018-11-19

Apulien – Leverano und Copertino



Disclosure: Ich durfte auf Einladung der Europäischen Union, Apulien (Ministerium für Tourismus und Kultur), Pugliapromozione (Verband der Region Union 3) und dem Tourismus- u. Kulturmagazin Spiagge nach Apulien reisen.

Der erste Tag in Apuliens Union 3 führt uns vorbei an dieser unglaublich grünen Landschaft Apuliens im November nach Leverano zur Cantina von Conti Zecca.



Hier wird Wein im ganz großen Stil produziert. Gleich vier Weingüter: Cantalupi, Santo Stefano, Saraceno und Donna Marzia liefern auf über 320 Hektar Weinfläche typische Trauben des Salento mit diesen so schönen klangvollen Namen wie Negroamaro, Primitivo, Altri Vitigni, Malvasia, Vermentino aber auch zugereiste Sorten wie Chardonnay und Montepulciano.



Clemente Zecca, der jüngste der vier Brüder von Conti Zecca, die heute das große Unternehmen leiten, begrüßt uns gemeinsam mit Greta Persano, der PR-Fachfrau der Cantina, die uns weiter durch das Gebäude führen wird.



Seit 500 Jahrhunderten besitzt das Grafengeschlecht Zecco diese großen Ländereien und baut auf ihnen Wein an. Und seit Anfang des 20. Jahrhunderts produziert man hier den Wein nun auch selbst. Der Weinkeller in dem die alten unverkäuflichen Raritäten aufbewahrt werden, spricht seine eigene Sprache …





Im Keller von Conti Zecca, inmitten der großen bis zu 30 Hektoliter fassenden Holzfässer, erfahren wir viel über die Produktion der unterschiedlichen Weine. Der Negroamaro – früher in der Betonung auf seine tiefdunkelrote, fast schwarzer Farbe als „Schwarzschwarz” bezeichnet, wird heute im Sprachgebrauch mit „Schwarzbitter” übersetzt. Diese Traube besitzt einen hohen Anteil an Bitterstoffen, die sie so besonders macht und hervorragend für den Verschnitt eignet. Hier in der Cantina wird sie mit 20 Prozent Malvasia verschnitten, um die Bitterkeit im Gaumen etwas aufzufangen, geschmacklich für den Export gefälliger zu gestalten. Denn während der Negroamaro mit seinem herben Geschmack zu der sehr erdigen Küche Apuliens hervorragend passt, tun sich andere Geschmäcker und Küchen außerhalb Apuliens doch etwas schwer mit dieser besonderen Dominanz. Dabei ist er der perfekte Wein zum Essen, regt er so die Verdauung an.

Auch der hier produzierte Rosato wird ausschließlich aus der Traube des Negroamaro gewonnen, 12 Stunden gärt der Most noch in seinen Traubenschalen, um diese schöne kräftige Farbe zu erhalten.



Die zweite relevante Traube im Salento, Primitivo, besitzt deutlich mehr Süße. Sie wird mit der Hand geerntet. Es ist wie in einem italienischen schwarzweiß Film mit der Poesie der 50iger Jahre: Frauen wählen die besonders guten Trauben, schneiden und sammeln vorsichtig die Früchte, die dann von den männlichen Erntehelfern in Kisten zu den Traktoren getragen werden. Nebenbei werden lauthals italienische Lieder gesungen, um sich bei der anstrengenden Arbeit bei Laune zu halten. Der Primitivo reift 12-14 Monate im Eichenfass und erhält danach noch vier Monate Flaschengärung bis er in den Verkauf kommt.





Schon hier bei unserer erst zweiten Cantina, die wir besuchen, ist der Klimawandel ein Thema. In Südeuropa stellt man sich zunehmend darauf ein, dass sich das Wetter künftig verändern wird und Südeuropa künftig mehr Feuchtigkeit bescheren wird. Conti Zecca reagierte frühzeitig auf das sich ändernde Klima, das schon in diesem Jahr dem Süden Europas deutlich mehr Gewitter und Regenfälle bescherte als sonst im Sommer im südlichsten Teil Italiens üblich. Seit bereits zwei Jahren werden dort die Weine nach den strengen Regeln der Ministerien für Agrarpolitik in nachhaltiger Landwirtschaft angebaut. „Ein lebendiges Land, unbehandelt, schenkt ein lebendiges Produkt,”, sagt Clemente Zecca. 30 Prozent der Weine werden in Bioqualität angebaut – Tendenz steigend.

Der Salento von zwei Meeren umgeben – dem Ionischen und Adriatischen Meer – trotzt den Winden von beiden Meeresseiten, die es den Bauern und Winzern ermöglichen den Einsatz von Pestiziden stark einzuschränken bzw. sogar ganz darauf zu verzichten. (Es gibt wohl in Europa kaum eine zweite Generation, wo immer schon so viel natürlich in Bioqualität angebaut wurde, wie im Salento.) Die vier Brüder Alcibiade, Fancesco, Luciano und Mario Zecca, von Conti Zecca sind einen weiteren Schritt in Richtung biologischer Weinanbau gegangen und haben im vergangenen Winter erstmals Klee und Hafer zwischen die Rebstöcke gepflanzt – so haben die Böden im Sommer nicht unter der Hitze gelitten, waren aber dennoch ausreichend aufgelockert als der Regen kam, um das Wasser gut abfließen zu lassen. Das Ergebnis ist eine im Vergleich zu anderen Regionen sehr gute Weinernte 2018 voller gesunder, schöner wohlschmeckender Trauben.



Noch früh am Tag verkosten wir schon die ersten Weine. Den Rosato Cantalupi und den Rifugio,



einen Primitivo. Ich esse Taralli, die mir zum ersten Mal wirklich mehr als gut schmecken. Bisher stand ich mit diesem Gebäck eher auf Kriegsfuß aber diese hier sind knackig, zart und frisch im Geschmack. Den Teller mit dem feinen Käse schmückt wie immer hier traditionell üblich der gute Laune bringende bunte Hahn, das Wappen des Salento. Der Wein schmeckt uns hervorragend …



… und ab geht es für uns in die erste Kirche!

Nur sechs Kilometer entfernt – zu Fuß wäre man knapp anderthalb Stunden unterwegs – gelangen wir nach Copertino.



Der erste Weg führt uns in die Kirche und anliegendem Kloster Santa Chiara. Kleiner, trotzdem interessanter wird es keine 100 Meter Fußweg weiter:



Hier besuchen wir die Geburtstätte …



… und die ihr gegenüberliegende Kirche des heiligen Giuseppe da Copertino.



1603 dort als Giuseppe Gesa in einem Stall geboren, der heute dort als Gedenkort erhalten ist. Bettelarm, sein Vater vestarb noch vor seiner Geburt, wurde er als schwer krankes Kind im Marienheiligtum Maria della Grazia in Galatone geheilt. Über Umwege wurde er als Ordensbruder im Santa Maria della Grottella aufgenommen und 1682 zum Priester geweiht.







Offensichtlich verstand sich Giuseppe von Copertino ganz gut darauf in Ekstase zu geraten und Levitationen zu betreiben, was ihm einerseits den Ruf und die Verehrung einbrachte, ein Fliegender zu sein und heilen zu können – andererseits den Verdacht und Ärger Messianismus zu betreiben.



Vielleicht war das auch nur der Neid anderer Priester auf die sehr großen Pilgerströme, die er zu bewegen vermochte. Wie auch immer: ersteres machte ihn bis heute zum Schutzheiligen aller Flieger, letzteres brachte ihm leider zu Lebzeiten die Verbannung aus seiner Heimatstadt ein. Er starb 1963 in Osimo und sein Körper liegt – bis auf sein Herz – dort in einer Basilika begraben.

In Copertino heiligt man seinen Reliquien. Der einst verstoßene Sohn der Stadt gilt heute als ihr Schutzpatron. Sein Herz (wohl nur noch Asche) in Gold umfasst, wird in der Sakristei aufbewahrt.



In den Räumen nebenan kann man eine alte Bibel, …



… Gewänder …





… bzw. von ihm benutztes Besteck besichtigen. Kein Wunder, dass er auf vielen Bildnissen als edler Flattermann gezeigt wird:



Und … immerhin ist Cupertino in den USA nach zu Ehren des Heiligen Copertino benannt worden – und heutige Partnerstadt von seiner Geburtsstadt. Copertino hat Bars mit sehr lustigen Namen …



… und offenbart viele schöne Motive.



Draußen vor der Kirche fordert mich dieser ungemein hübsche vierpfötige Dickkopf zum direkten Körperkontakt auf, wer bin ich ihm zu widersprechen?



Die Sonne scheint, uns wärmen 20 Grad Temperatur im November, die Bougainville blüht – und überhaupt finde ich alles sehr schön und hübsch italienisch in diesem Copertino.



Aber wir müssen weiter. In einer weiteren kleineren Cantina, der Azienda Vitivinicola Marulli, möchte unter den strengen Augen der verblichenen Großeltern Wein verkostet werden (ich kaufe nebenan im kleinen Lebensmittelgeschäft meinen geliebten Quarta Caffe, den Kaffee dieser Region, dem ich verfallen bin mittlerweile.)



Ich kann die Großeltern im Geiste beruhigen, ihre Nachfahren verstehen sich sehr gut auf die Weinkunst!



Eine israelisch-italienische Gärtnerei mit Schwerpunkt auf Granatapfelpflanzen gucken wir uns vor dem Mittagessen auch noch an. Riesige Granatäpfel:



Und dort diesen freundlichen alten Hund.



Von dem ich ein wahnsinnig tolles, richtig lustiges Video gedreht habe.
Also gedreht hätte.
Hätte ich nur den Button richtig gedrückt.

2018-11-18

Stolz

Ich nähe nun seit einigen Monaten mit meiner neuen kleinen Freundin aus dem Caritas Wohnprojekt. Wir waren schon Stoff einkaufen und mittlerweile kommt sie auch ab und zu zu mir zum nähen, einfach weil ich denke, es ist schön für sie auch einmal rauszukommen aus ihrer Umgebung. Die Mitbewohner des Projektes werden durchaus angehalten, möglichst selbstständig zu leben und können auch tun, was sie wollen und ausgehen, wenn sie wollen. Aber sie ist sehr ängstlich draußen alleine, so hole ich sie ab und bringe sie später wieder nach Hause.

Während wir am Anfang noch überlegten, was sie nähen möchte und wir bei Kissen, Taschen etc. hängen blieben, hat sie mittlerweile mit meiner Anleitung ihren ersten Rock genäht. Und dies sogar an der Overlock. Der Stoff, den sie sich ausgesucht hatte, war etwas ansprechend zu nähen – aber: er ist fertig! Und sie hatte ihn am Wochenende nach der Fertigstellung schon zum Sportball getragen. Ich war sehr stolz auf sie. Und sie auf sich auch. Wir nähen zur Zeit am zweiten Rock.



Als ich ihr vor einigen Wochen erkläre, das sich in der einen Woche nicht mit ihr nähen kann, weil ich verreise und wir darüber sprechen, dass ich fliegen werde, erklärte sie mir, sie sei auch schon geflogen. Das an sich war für mich nun nicht sonderlich erstaunlich. Aber als ihre Antwort auf meine Frage wohin „China” war, habe ich natürlich nachgefragt. Sie ist leicht hörbehindert, nicht immer verstehe ich sie sofort richtig. Und: das muss ich zu meiner eigenen Schande gestehen, natürlich war in meinem Kopf verankert, dass ein Mensch mit diesem Handicap vermutlich nicht mal eben nach China fliegt.

Ja, dummes blödes Schubladendenken! Die meisten in diesem Wohnprojekt gehen regelmäßig schwimmen, so auch sie – und somit sind sie vom Behindertensport aus zu den Paralympics nach China geflogen. Und somit auch stand sie mit ihrem Betreuer schon mal auf der Chinesischen Mauer. Großartig. Wie dumm, dass ich an der Wahrheit (m)einen Moment lang überhaupt gezweifelt hatte. Und wie deutlich mir das wieder einmal aufgezeigt hatte, dass wir, die Anderen es oft sind, die Menschen mit einer Behinderung unnötig wenig zutrauen und wir sie damit nur behindern.

Es macht viel Spaß mit ihr. Ich lerne viel von ihr (und den anderen aus ihrer Wohngruppe).

2018-11-15

Apulien – Monteroni



Disclosure: Ich durfte auf Einladung der Europäischen Union, Apulien (Ministerium für Tourismus und Kultur), Pugliapromozione (Verband der Region Union 3) und dem Tourismus- u. Kulturmagazin Spiagge nach Apulien reisen.

Diese Reise führt mich in die Union 3 von Apulien. In der Provinz Lecce gelegen, erstreckt sie sich geographisch gesehen über den westlichen Bereich von Lecce entlang der Küste des Ionischen Meeres. Wir besuchen die Städte Copertino, Lequille, Carmiano, Veglie, Leverano, Monteroni und natürlich Porto Ceseareo – dort dürfen wir direkt am Meer schlafen. In den kommenden Tagen stehen einige, viele bis sehr viele Kathedralen und die einige und andere Cantina auf unserem Programm. Wir dürfen sehr (sehr sehr) viel (sehr sehr) guten Wein verkosten, denn ein Anlass dieser Reise im November ist die freudige Begrüßung des ersten Weines im Jahr: Apulien feiert das Festa del Vino Novello in Leverano – und wir feiern mit!

Traumhafte Sonnenuntergänge über dem Meer kitzeln unser romantisches Herz, der Besuch typischer italienischer Pallazi und deren großartige Gartenanlagen beeindrucken uns sehr, Schulkinder singen und tanzen für uns. Die Bürgermeister entzückender italienischer Kleinstädte laden uns ein, einheimische Produzenten jeglicher Couleur kennenzulernen, wir treffen dabei herzliche und leidenschaftliche Menschen, die für ihren Beruf leben und ihr Land lieben. Unter anderem werde ich das besondere Glück haben die hochbetagte Fahrradbaulegende Maestro Carlo Carlà treffen (Blogpost) zu dürfen! Apulien im Spätherbst hat eine unendliche Vielfalt zu bieten.

Aber der Reihenfolge nach, nach zweistündigem Flug ab Berlin Schönfeld landen wir am frühen Abend in Bari und verbringen gute zwei Stunden auf der Autobahn in Richtung Lecce, um einige Stunden später in Porto Cesareo unsere Schlafstätte beziehen zu dürfen. Doch wie sich das für einen typischen liebenswerten Apulien-Aufenthalt gehört, biegen wir zuerst ab zur ersten Cantina und unserer ersten Weinverkostung.



Appolonio ist eine typische Cantina Apuliens, in Monteroni im Bezirk Lama ansässig, die ihren Wein als Begleiter zur Kunst verstehen. Das ist durchaus üblich im Salento. Man kann Wein direkt beim Erzeuger kaufen, eine Ausstellung besuchen oder das kleine im Keller angelegte Museum; in gestylten Räumen Workshops abhalten oder zu gepflegtem Essen im Weinkeller einladen.





Die spätere Führung von Antonio Massimiliano Apollonio durch die nach Holz und Wein duftenden Räume, verdeutlicht uns wie sehr hier Wert auf Tradition und Kunstgeschichte gelegt wird. Der Familienbetrieb baut in nun vierter Generation seit dem 18. Jahrhundert Wein an. Die Wände des Verkaufsraumes, wo wir sehr gastfreundlich verköstigt werden und unseren ersten Rossato (Rosé) aus der Traube Negroamaro und einen Rosso (roten) aus 50 % Negroamaro und 50 % Primitvo verkosten dürfen, sind lückenlos behangen mit Prämierungsurkunden für die Weine des Hauses.



Den Weinkeller und die übrigen Räume schmückt Kunst der hiesigen Kunstakademie sowie Skulpturen von Giuseppe Corrado – zum Beispiel dieser Flaschengeist aus Holz



oder der beeindruckende Weinwächter, der im Keller der Cantina das Heiligtum bewacht.



Wobei, das werden wir später noch lernen, sich die über mehrere Generationen kommunizierte Tradition im Weinanbau ausschließlich auf diesen auch bezieht. Die Weinproduktion selbst ist in Apulien eine vergleichsweise noch junge Tradition, erst seit ca. 1970 produziert man in diesem Land selbst für den Vertrieb bzw. Export. Vielen Jahrhunderte zuvor wurde in Apulien Wein zwar angebaut und gekeltert aber dann als Most in den Norden Italiens exportiert – es waren alle anderen Regionen Italiens, die den Ruhm der apulischen Trauben Negroamaro und Primitivo, als perfekte Mischtrauben hoch geschätzt, mit ihren Weinen ernteten.



Wir lernen auch eine weitere schöne Tradition dieses Landes kennen: wann immer in Italien der Winzerfamilie ein Kind geboren wird, wird eine nicht unbeträchtliche Menge dieses Jahrgangs eingekellert – um bei späteren Familienfesten diesen eigenen Wein mit den Weinen der anderen Familienmitglieder in fröhliche Konkurrenz treten zu lassen. Antonio gesteht uns von seines Vaters Wein sind nur noch neun Flaschen vorhanden! Diese Familie feiert gerne …



Es beeindruckt ungemein in den Räumen stehen zu dürfen – wo eine ganze Familie in Flaschen ihre Geschichte erzählt – und den heutigen Nachfahren heute noch Freude schenkt.



Eine kurze Wegstrecke weiter sind wir in Lama und folgen der Einladung von Malcandrino. Dieses Restaurant steht auf dem Gelände der Casina Andretta und ihrem Land, das einst als Tuffsteinbruch Verwendung fand.





In den Sterngewölben der imposanten alten Gemäuer eines Gebäudes vom Anfang des 19. Jahrhunderts, 2014 erst vollständig restauriert, kann man traditionelle Küche Apuliens auf moderne Weise interpretiert genießen. Die gesamte Anlage beeindruckt sehr und ist für Events absolut zu empfehlen. Es hat einen berechtigten Grund, warum immer mehr Prominente sich gerne in Apulien das Ja-Wort geben …





Unser Dinner wird von den zuvor gekosteten Weinen von Appolonio begleitet – aus anderen Jahrgängen. Unseren ersten Gang, typisch für Appulien, die festen dicken Orecchiette in einer Sugo aus Cime di rapa, ein Gericht mit einer zartbitteren Note begleitet ein warmer Rosato von Negroamaro mit voller Substanz. Für mich der Wein dieser ganzen Reise!





Orecchiette con cime di rape e mollicata di pane/18 Fanali Negroamaro Rosato 2015





Den Hauptgang, in Tomaten geschmortes Rind mit kräftiger Holzgrillnote, zarter süßer gratinierter Fenchel und bitterer wilder Zichorie begleitet wieder der Rote. Seine Aromen entwickeln sich deutlich mit jedem Grad Temperatur, die der Wein zunimmt. Dekantierung hätte ihm gut zu Gesicht gestanden!

Pezetti di manzo al sugo di pomodoro fresci, Cicorine saltate, Verdure gratin/Valle Cupa Negroamaro/Primitivo 2012



Ein reiner Negroamaro aus dem Jahr 2007, tiefrot, dem Namen der Traube entsprechend fast schon schwarz zu nennen, spielt mit so vielen Aromen sehr breit im Geschmack und trotzdem voller Harmonie. Er dominiert das Dessert, eine landestypische mit Crème gefüllte Tarte von leichtem Mürbeteig knackigzart umschlossen, sehr. Sie vermag gegen diesen Wein keinen Widerstand zu leisten.

Il pasticciotto/Mater terra Negroamaro Passito 2007

Ein wundervolles Essen mit einer grandiosen Weinbegleitung in einer so außergewöhnlichen Location – einen schöneren Einstieg in die kommenden Tage dieser Region Apuliens hätten wir uns nicht wünschen können!

APOLLONIO
Casa Vinicola s.r.l.
Via San Pietro in Lama, 7
73047 Monteroni di Lecce

www.apolloniovini.it

Malcandrino
Strada Prov.le Lecce
73047 Monteroni di Lecce

http://www.malcandrino.it