2014-11-07

Baby beim Sport

Die morgendliche Pilates-Gruppe am Freitag ist eine offene Gruppe, wenngleich sie auch deutlich hochbetagt durchwandert ist. Ich zum Beispiel gehöre zu den Leuten, die den Altersdurchschnitt tatsächlich noch mit absenken, das will etwas heißen.

Seit einigen Wochen kommt eine junge Frau zum Sport mit ihrem Minimenschen. T. ist wie alle Kinder aus meiner Sicht sehr süß. Er ist aber, das muss man betonen, ein besonders entspanntes, glückliches, daher dauerhaft grinsendes Kind von dem ich noch nie einen Glucksen gehört habe, das Unmut ausdrücken würde. T. ist das ideale Baby, Sorte Tiefenentspannt.

In der ersten Zeit wurde T. von seiner Mama gestillt am Anfang der Stunde und schlief dann durch. Später lag er auf der Matte und machte Stimmproben. Jetzt kann T. sitzen, begeistert nach Bällen greifen und giggelt vor sich hin. T. tut also niemandem etwas. Er macht Babysound.

Alle Damen machen „duzzi duzzi” mit T., finden ihn so süß, erzählen von ihren Enkeln, geben ungefragt Ratschläge. Geben vor allem aber der Mutter nie das Gefühl, sie wäre mit ihrem Sohn nicht willkommen. Im Gegenteil, kommt sie einmal ohne T. wird sofort nachgefragt, wo er denn sei.

Heute wurde der Mama von T. vom Sportanbieter mitgeteilt, sie solle nicht mehr mit ihm zum Sport kommen, weil die Frauen sich beklagt hätten, weil er stört und sie sich nicht konzentrieren könnten. Das schaukelte sich dann später in der Umkleide hoch mit „wir konnten das damals ja auch nicht” und unangebrachten regelrechten Hassausbrüchen, weil seine Mutter mit Tim mangels Platz in der Umkleide auf dem Boden saß und eine Dame meinte, nicht an ihnen vorbei zu können. Natürlich ohne vorher einfach zu fragen, ob man eventuell kurz zur Seite rutschen könnte.

Deutschland 2014. Deine Kinder.

2014-11-06

Enteignung



Den Rock auf dem Nishia hier gerade abhängt, den hatte ich mir letzten Winter genäht. Keine große Sache, ein Strickbünden an zwei Filzteile, die zusammen genäht wurden. Den Filz zu säumen habe ich mir gekniffen, doppelt gelegen hätte der recht dicke Stoff im Saum zu sehr aufgetragen. Ein schöner Winterrock, weil sehr warm. Die Farbe ist für meine Verhältnisse recht ungewöhnlich aber zum sonstigen Schwarz, das ich hauptsächlich trage, ein passabler Eyecatcher.

Neulich habe ich die Wintergarderobe aus ihrem Verlies geholt, gewaschen und nach dem Trocknen die Röcke für einen Moment auf das Bett gelegt. Nachdem Nishia nun seit zwei Wochen an diesem Rock festgewachsen ist, tagsüber wie nachts und echt schlechte Laune bekommt, wenn ich ihn anfassen möchte (s. Foto!), kann ich wohl mit Fug und Recht behaupten: ich bin da wohl um einen Rock enteignet worden.

Der von mir gestrickte Schal der im Hintergrund auf dem Bett liegt, war auch einmal …. Ach, lassen wir das. Aber es ist schon interessant, dass alle selbstgestrickten Schals, die ich in der Vergangenheit angefertigt habe oder geschenkt bekommen habe, ziemlich direkt von kleinen zarten befellten Pfoten und Plüschhintern dauerhaft besetzt und in persönliches Eigentum umgewandelt werden.

Wie machen die das?

2014-11-05

Mauerdingens

Na gut, Euch kann ich es ja sagen. Ich heule ständig derzeit bei Blicken auf Schlagbäume, die endlich hochgehen.

Diese Mauerzeit, die war so scheiße! (pardon my french aber anders kann man es wirklich nicht nennen.) Was hat sie für und wie viel Leid hat sie über die Menschen gebracht. Wie sehr hat meine Oma, hat meine Familie unter der Trennung von ihrer Familie gelitten.

Ich bin sehr sehr froh, dass wir uns nun alle haben können!

Allerallerärmste Shiina der Welt



Shiina erhält seit gestern Diätfutter. Auf den Verpackungen steht irgendetwas von Adipositas, übergewichtige Katzen, kastrierte Katzen. Katzendiätfutter funktioniert so: die erste Hälfte der Packung wird noch gegessen, die zweite Hälfte wird sehr verabscheut. Es wird schätzungsweise zehn Mal zum Teller hingegangen, geschnüffelt. Dann wird zu mir hoch geguckt.



Erst fragend.
Dann noch einmal fragend.
Dann etwas zweifelnd.
Dann anklagend.
Dann vorwurfsvoll.
Dann anklagend und vorwurfsvoll.
Dann vorwurfsvoll und anklagend.
Dann anklagend, vorwurfsvoll und vorwurfsvoll, anklagend.
Dann verächtlich.
Dann verzweifelt verächtlich.



Dann wird gefressen. Shiina bat mich, ihr Leiden für Euch fotografisch zu dokumentieren. Sie bat mich auch, sie dabei fotografisch perspektivisch besonders schlank in Szene zu setzen. Sie bat mich bei zooplus einen Wunschzettel einzurichten und Euch ihre Kontonummer mitzuteilen, ihre Lieferadresse und darüber hinaus sucht sie ein neues Zuhause und eine neue Futtermittelbeauftragte (gerne mit Mäuse-Flatrate etc.). Sie wünscht sich einen Lottogewinn, möchte sich einen Katzenfuttersupermarkt kaufen und wünscht sich viel mehr Unabhängigkeit in Bezug auf das Thema Fressen.



Vor allem aber: MÖCHTE SIE ZUR ZEIT NICHT VON DER SEITE ANGESPROCHEN WERDEN!

Vom Sex. Mit Freiern.

«Die Qualitäten, die ich in der Erziehung zur Tochter aus gutem Hause gelernt habe, sind die Qualitäten, dank derer ich mich im Bordell heimisch gefühlt habe. Weil ich genau wusste: Du bedienst das, was die Welt von außen an Erwartungen an dich stellt. Und die Welt ist im Patriarchat erst mal eine männliche. Was wir an Hörigkeit den Erwartungen der Welt gegenüber lernen, als Kinder in diesem Schulsystem und später in der Welt aus Studium und Ausbildung, bereitet dich perfekt auf den Puff vor.»

Wir verschießen ständig Potential” Theresa Bäuerlein im Gespräch mit einer Prostituierten bei den Krautreportern. Beim Lesen dachte ich: „Wie spannend, diesen Text sollten vor allem Eltern lesen. Eltern von Jungen und von Mädchen.”

2014-11-04

Jalapeños-Stulle



Am Südstern gibt es seit einiger Zeit Samstag einen Bio-Markt. Der ist klein und übersichtlich aber man bekommt Obst, Gemüse, Blumen, Fisch, Fleisch, Käse, Wurst und Brot regionaler Güteklasse. Auch steht dort der Wurst-Grill mit den feinen Bambergern, die meiner Meinung nach zu den besseren Rostbratwürste in dieser Stadt gehören. Auf diesem Markt gibt es keine Hektik, die Verkäufer sind freundlich, man kennt sich – es ist halt Markt. An einem Stand gibt es die üblichen türkischen Käsepasten. Ich habe dort noch nie ein Stückchen Brot mit einer der Crémes hingereicht bekommen, ohne diese dann nicht auch kaufen zu müssen. Müssen, weil es mir der Geschmack befiehlt, nicht der Verkäufer. Die Rote Beete-Créme mit Meerrettich ist legendär. Und neulich gab es eine Frischkäsepaste mit Jalapeños. Mit der schmiert man sich gutes mexikanisches Feuer auf die Berliner Graubrotstulle, sie ist wirklich scharf! Aber es ist eine gute Schärfe, die beim Essen vorherrscht, später aber wieder schnell abflacht.

Gegenüber vom Markt die Lillienthalstraße hinein, gegenüber dem Eingang zur Hasenheide, liegt eine kleine italienische Salumeria, wo es italienische Wurst, Käse, Antipasti an der Frischtheke gibt. Ansonsten italienischen Kaffee und frisch gemachte Ravioli. Dort kaufe ich immer das Mehl für meinen Nudelteig ein. Das Mehl kostet dort einen Euro weniger als bei den anderen Szene-Italienern im Bezirk. Außerdem glaube ich persönlich, agiert dort der reizendste italienische Verkäufer der Stadt. Schon wegen ihm kaufe ich mein Mehl dort und nirgendwo anders.

Wieder zurück zum Marktplatz und hoch gelaufen in die Gneisenaustraße liegt auf der rechten Seite kurz vor dem Soluna eine kleine französische Épicerie, wo man gute französische Fenchel-Salami bekommt, und den perfekten Kaffee nach einem Marktbesuch trinken kann. Und, bei Bedarf und Sonnenschein, einen sehr feinen französischen Birnen-Cidre. Dieser Laden ist eine kleine Apotheke aber wenn man hinein geht, glaubt man, man ist jetzt und in diesem Moment in Frankreich, so typisch riecht es dort nach Épicerie.

Und wer noch nicht genug hat, den zieht es weiter bis zur Marheinekehalle, da ist jetzt Samstags mindestens so der Teufel los wie in der Markthalle IX.

2014-11-03

Sherlockiges

Die liebe Melody spülte gestern diesen extraordinären Link zur britischen Elle in meinen Facebook-Account. Ein Interview mit Benedict Cumbertatch einschließlich einer wirklich hervorragenden Fotostrecke von Marc Horn fotografiert. Und weil heute Montag ist und überhaupt und so und wir auch mal schöne Dinge sehen möchten … enjoy it!

Krähenscouts

2014-11-02

Get a real life!



Wir kennen alle diese Aufforderung derer, die nicht verstehen können/wollen/dürfen, warum man den Tatort nur gemeinsam mit seiner Twitter-Timeline gucken möchte. Warum man sich überhaupt mit all diesen Gestalten in diesem Internet abgeben muss, hat doch das Leben da draußen viel mehr zu bieten und und und …

Ich habe schon in der Vergangenheit und könnte es auch weiterhin in der Zukunft so viele Gründe aufzählen, warum das alles, was wir hier so treiben auch sinnvoll ist und und was uns diese Online-Freuden und -Freunde alles geben. Eben – bleiben wir doch beim Geben:

Ich folge auf Facebook einer jungen Dame C. aus Wien. Wenn ich es richtig erinnere, lernten wir uns über den üblichen Premiumcontent (hier: irgendwas mit einem zugelaufenen Kater) kennen, der einen unvermutet zusammen treibt. Diese junge Dame schreibt gelegentlich über ihre Arbeit in einem Sozialheim. Einem Ort, wo Menschen untergebracht sind, die … nun, nennen wir es anders sind als andere Andere. Die sich eine eigene kleine Welt gebaut haben, dieser Gesellschaft auf ihre eigene Art viel geben auch wenn diese Gesellschaft das nicht immer so verstehen will. Manchmal, wenn C. ein wenig Überlast hat im Job, nach stundenlangen Schichten mit Überstunden und kaum einer Pause, dann kompensiert sie diese Überlast in dem sie ihren Alltag in Facebook für einen kleinen Freundeskreis herunter schreibt. Mit wenig Punkten und kaum Absätzen. Alles einfach raus! Das liest sich natürlich oft sehr lustig, dann bedrückend, manchmal nachvollziehbar und am Ende bin ich tief beeindruck davon, dass C. diesen Job offensichtlich mit viel Hingabe betreibt und tatsächlich sehr liebt. Sie schreibt voller Hochachtung von den vielen Gestalten um sie herum, die ganz besonders ticken. Sie liebt ihre Patienten, so anstrengend die sicherlich sind. Und das tut gut zu lesen.

Einmal berichtete C. von Herrn k. Sie erzählte sehr liebevoll von Herrn k. Ein feiner, sehr stiller Mensch, dem das Leben keine schönen Bälle zuspielte. Nur solche Bälle, die ihn auf der Straße leben ließen; die ihm wenig Glück brachten. Herr k., so schien es den Erzählungen nach, war keiner, der es je gelernt hatte mit dem Finger auf sich zu zeigen und etwas Glück auch einmal für sich einzufordern.

Nun war Herr k. sterbenskrank, sein Ende absehbar. Und C. beklagte in FB ihre Traurigkeit darüber, dass sie in Wien im Sommer keine Mandarinen bekommen konnte. Diese, so hatte Herr k. ausnahmsweise einen Wunsch für sich geäußert, wollte er so gerne noch einmal essen wollen. Die Möglichkeit, dass Herr k. noch den Beginn der neuen Mandarinensaison erleben würde, schien eher nicht gegeben. Und C., die in ihrer Freizeit versucht hatte, die Frucht in Wien zu bekommen, bekam sie nicht und es wollte sie ihr auch niemand bestellen. Diesen Frust ließ C. nun in FB raus.

So meldeten Frau C. (ais Norwegen) und ich uns gleichzeitig in den Kommentaren. Frau C. aus N. schrieb, sie wüsste wohl, wo es in Norwegen Mandarinen auch im Hochsommer gäbe. Ich wiederum schrieb, dass ich sicher sei, ich würde diese in Berlin – allerspätestens im Kaufhaus des Westens – besorgen können. Frau C. aus N. und ich einigten uns, dass ich erst einmal gucken würde, denn ein Päckchen nach Austria ist von Deutschland aus zwar immer noch im Porto unverschämt teuer, womöglich aber günstiger als von N. nach A.

Tatsächlich wurde ich hier schnell fündig, schon in Neukölln. Zwei Säckchen der begehrten Früchte wurden eingekauft, und in einem Päckchen mit etwas Schokolade an die Leitung des Heimes (Herr k. blieb für uns die ganze Zeit korrekt anonym) mit einer Karte verschickt. Und C. (aus A) kündigte unser Paket bei der Heimleitung an, damit nichts schief ging. Frau C. aus N. und ich teilten uns die Kosten.

Kurze Zeit später setzte uns C. in Kenntnis, dass das Päckchen angekommen sei und Herrn k. froh gestimmt hatte. Etwas peinlich berührt wohl auch, weil es um ihn ging; was er nicht gut aushalten mochte in seiner zurückhaltenden Art. Herr k. hatte seine Mandarinen.

Ich muss dieser Tage oft an Herrn k. denken. Jetzt, da es wieder überall Zitrusfrüchte aller Arten zu kaufen gibt, vermute ich Herr k. ist seinen Weg mittlerweile zu Ende gegangen. Dass wir ihm seinen Wunsch erfüllen konnten, macht mich froh, war es doch auch überhaupt nicht schwer. Wir mussten nur von seinem Wunsch und den Schwierigkeiten von C. ihm diesen zu erfüllen, erfahren.

Und das haben wir. Das konnten wir. Weil es eben dieses Internet gibt.

Und damit mein herzliches Dankeschön an alle Menschen, die dieses Internet benutzen, um gute und schöne Dinge für andere Menschen zu tun!

Schuld und Freude

Die Frau engl schrieb eindringlich und wahr über das Leben, Armut, Reichtum … ach, lest selbst!

geld ist eine macht. eine seltsame macht. es maßt sich an, menschen wert oder unwert zu machen.

2014-10-31

Wann immer Ihr glaubt, …

… diese Menschheit hat doch noch eine Chance und ist zu etwas nütze, einfach auf die Seite eines Haustierlieferanten gehen und sich das Produkt „Dosenfutterlöffel piko” ansehen. Dann den Preis. Und dann die Kommentare.

2014-10-30

Was Ihr hier seht …



… das ist ein Schokoladensorbet aus 100 % Kakao und 64 % dunkler Kuvertüre. Serviert als Zwischengang nach einem Schollenfilet und vor einer Rindschulter. Einfach so.

Wir sollten viel öfter Schokoladen-Sorbets zwischen den Gängen genießen. Wir wären viel glücklichere Menschen!

Bin immer noch sprachlos.

2014-10-27

Eine lange verfressene Ode an einen Hirsch aus Neuseeland!

Was passiert, wenn ein neuseeländischer Spitzenkoch und ein deutscher Berliner (!) Meisterkoch aufeinander treffen und mit Hirschfleisch zaubern, durfte ich vergangene Woche im „first flor”, dem Sterne-Restaurant des Berliner Hotel Palace erleben.

Zu Tisch gebeten hatte Neuseelandhirsch, die Vertriebsvereinigung von neuseeländischem Hirschfleisch. Neuseelandhirsch lädt aktuell zum dritten Mal zur Teilnahme am „Neuseelandhirsch Young Chefs Exchange Programm”. Vier deutsche Jungköche werden für vier Wochen nach Neuseeland geschickt, erhalten die Chance Land, Leute, Farmertun und vor allem die preisgekrönte Gastronomie zu erleben, denn sie dürfen vor Ort in unterschiedlichen Küchen der Top-Chefs arbeiten und mit der Produktvielfalt, die Neuseeland bietet, Küchenkunst kreieren. Ambitionierte junge Köche, reise- und abenteuerlustig, die im Februar 2015 Zeit haben, könnten sich bis zum 9. November 2014 über die Homepage bewerben.



Matthias Diether (re. i. Bild), gebürtiger Berliner, ist Chef im „first flor” im Hotel Palace Berlin. Dass dieser Mann bonfortionös kochen kann, beweisen nicht nur ein Michelin Stern und 17 Punkte im Gault Millau. Bei seinem Neuseelandbesuch lernte Diether Graham Brown kennen. Brown ist nicht minder verwöhnt mit internationalen Preisen und teilt mit seinen Gästen sein Können und lehrt sie die Raffinesse des Anrichtens in der eigenen Kochschule „The Cookhouse” im neuseeländischen Rangioria. Ganz nebenbei ist Graham auch Farmer, Hirschfarmer. Seine Farmertätigkeit bezeichnet er als Hobby und Ausgleich zu seinem anspruchsvollen Job.

Diese beiden Köche lernten sich Anfang dieses Jahres in Neuseeland kennen waren sich sofort sympathisch und entwickelten am BBQ feine Küchenideen rund um das zarte Hirschfleisch. Und ich war eine dieser glücklichen Gäste, die das Resultat einer jungen Freundschaft nun vollzogen genießen durfte.



Begrüßt wurden wir mit Champagner, wieder einmal der charmante Piper-Heidsieck (dem ich im dritten Gruß aus der Küche in einer gänzlich anderen Version erneut begegnete), einer kurzen Ansprache mit einer hübschen Anekdote von Matthias Diether zu seiner teuersten Orange der Welt. Die Einfuhrbedingungen in Neuseeland sind halt ziemlich strikt.

Das Menü begann mit zwei herzlichen, verheißungsvollen Grüßen aus der Küche des first flor



unter anderem ur-berlinlike mit etwas Aal.



Dem dritten Gruß machte ich im späteren Verlauf des Abends in der Küche einen Heiratsantrag (also dem Gruß und nicht gleich dem Koch!): eine Crème Brûlée von der Foie Gras mit Champagnersorbet.



Eine kulinarische Begegnung, die ich wirklich nicht hätte missen wollen. Die war so … hach!



Gunnar Tietz, Chef-Sommelier (Sommelier des Jahres 1012) verwöhnte uns zu den Gängen mit sehr feinen Weinen, vor allem aber mit einer Herzlichkeit, die so schnell nicht überboten wird.



Der erste Gang, von Matthias Diether zubereitet, ein mariniertes Neuseelandhirschfilet mit Pilzen und Kürbis.



Beachtet das schwarze Esspapier im Foto: das war Pilzaroma pur. Fein aromatisierte Fichtennadeln und ganz zartes Fleisch schmiegte sich an die Zunge. Dazu gab es einen, passend zur Historie des Hauptstädtchens einen 2012er Riesling „Auf der Mauer”, Geheimrat Dr. von Bassermann-Jordan aus der Pfalz. Ein Riesling aus der Magnumflasche (!) begleitete den zweiten Gang, jetzt von Graham Brown gezaubert.



Der Graach Josepheshöfer Riesling, Reichsgraf von Kesselstadt an der Mosel umwarb den teegebeizten und kalt geräucherten Neuseelandhirsch mit roten Beeren. Sehr intensive Geschmacksbegegnungen. Toll!



Nun muss ich gestehen, ich kannte Hirschfleisch bisher nur in deutscher, gutbürgerlicher Variante zubereitet. Entweder als einen deftigen Braten, ein wenig ertränkt in einer dicken Sauce oder als Hirschgoulasch serviert. Immer schmackhaft aber eher von grober Substanz her und im Geschmack omnipräsent. Das liegt mit daran, dass Hirsche hierzulande in der Brunftzeit geschossen werden, dann also, wenn sie voller Testosteron stolz die Wälder durchschreiten und ihre Rehe glücklich machen. Hirschfleisch aus Deutschland steht für einen dominanten Haut Goût, den ich mag. Ich verstehe aber auch, dass andere Menschen den Wildgeschmack nicht mögen.

Die Hirsche auf den neuseeländischen Farmen hingegen werden auf riesigen Weiden gehalten, ernähren sich ausschließlich von Gräsern und Blättern und reinem Wasser aus der Natur. Zugefüttert wird allenfalls in sehr kargen Wintern mit Heu, Rübe oder Grünkohl, das die Farmer übrigens selbst für ihre Tiere anbauen. Die Hirsche werden dort nicht in der Brunftzeit erlegt und generell auch nicht gejagt. Das Fleisch, das von Neuseeland nach Deutschland exportiert wird, ist höchstens 12 bis 18 Monate alt. Es ist ganz zart und mild, der Geschmack ist zurückhaltend, aromatisch, fast ein wenig süßlich. Das Fleisch vom Neuseelandhirsch drängt sich förmlich auf einer fantasievollen und abwechslungsreichen Küche zu Diensten zu sein. Interessanterweise funktioniert es auch dort, wo man Fisch erwarten könnte.

Ich war also bereits nach den ersten beiden Gängen von der Andersartigkeit und Vielfalt überrascht. Angenehm überrascht. Vor dem nächsten Gang trieb es mich in die Küche, denn beide Köche hatten meiner Bitte nach Bildmaterial vor Ort sofort zugestimmt.



Während Graham Brown für den nächsten Gang, Neuseelandhirsch und Shiitake Gyoza mit Pak Choi, das Fleisch in Tranchen schnitt, zeigte uns Matthias Diether



den Star des übernächsten Ganges:



Lange Rede: ich weiß nun, wo das Trüffelglas steht im first flor. Kurze Rede: ich habe die Macht!

Zurück im Restaurant, wir durften exklusiv im Salon La Tâche im Séparée speisen, servierte Gunnar Tietz einen Spätburgunder Rechtenbacher von 2010 und sein Team uns den Hirsch mit Pak Choi in einem wundervollen Gebilde.



Clou dieser Präsentation, die feine Sauce befand sich im Gyoza und verteilte sich am Tisch über die – wie Sashimi aus Thunfisch zubereiteten – mit Sesam umhüllten Tranchen vom Hirsch und den Pak Choi, der extrem elegant von in Salzlake eingelegter grüner Gurke umschmeichelt wurde.

Da Graham Brown uns für diesen Abend sein Können ausgiebig zelebriert hatte, entschwand er der Küche zu uns an den Tisch, genoss mit uns den zweiten Hauptgang von Matthias Diether – und stellte sich dabei unseren Fragen.



Lucky me, dass der einzige Gast, der diesem Abend fern geblieben ist, neben mir hätte sitzen sollen. So hatte ich die Freude Graham Brown die restlichen Gänge an meiner Seite zu wissen. Der ist nämlich nicht nur ein wundervoller Koch, der ist auch ein ganz reizender Mensch, der natürlich unzählige Anekdoten aus Küchen in aller Welt zu berichten hatte. Übrigens hatte ihn seine Liebe zur Wissenschaft in die Küche getrieben. Er kommt da ganz nach seinem schottischen Vater, einem Wissenschaftler, der ihn aber anhielt sich anstelle mit Forschung lieber mit einem ehrbaren Beruf über Wasser zu halten. Da Chemie und Physik in der Küche keine fremden Variablen sind, lag eine Ausbildung als Koch dann nahe. Die absolvierte Graham Brown übrigens ins Australien.

Das war ein besonders schöner Teil des Abends, der dieser Mann erzählte voller Liebe zu dem, was er da tut und – und eben auch selber produziert!

Der erste neuseeländische Wein des Abends, ein Pinot Noir Block B (Block B würde ich ja sehr gerne einmal kennenlernen!) Schubert Winery aus der Region Wairarapa von 2011, begleitete dann den letzten Neuseelandhirschgang: Zweierlei vom Neuseelandhirsch, Sellerie und Pumpernickel.



Dieses unglaublich zarte Filet zierte dann der weiße Trüffel.

Von der Vielfalt dieser Gänge war ich mehr als beeindruckt. Vor allem wie unbekümmert Hirsch die Hürde zur asiatischen Küche stemmt, empfand ich spannend und kreativ; mich hat’s wirklich begeistert! Also: serviert und kocht ruhig öfter Hirsch! Sein Fleisch bietet so viel Variationsspielraum und Möglichkeit zur kreativen Entfaltung. Es kann hier Rind locker seinen Platz streitig machen. Davon abgesehen ist Neuseelandhirsch ein sehr mageres Fleisch mit einem hohen Eisengehalt, dabei ist es arm an gesättigten Fettsäure und Cholesterin.

Und man kann sich auch guten Gewissens hier an das Fleisch aus der anderen Welt wagen. Deutschland hat einen höheren Hirschfleisch-Verbrauch als selbst bei uns produziert wird, wir importieren bei einem Gesamtverbrauch von 30.000 Tonnen jährlich 10.000 Tonnen Fleisch anderen europäischen Ländern, – und weiterhin 10.000 Tonnen aus Neuseeland. Das Fleisch wird in Neuseeland nach EU-Norm verarbeitet und verpackt und ausschließlich über den Seeweg transportiert. Die Emission an Kohlstoffdioxid ist so gering und das Fleisch kann gemütlich auf seiner Reise nachreifen. Übrigens wird das Fleisch nicht automatisch tiefgefroren. Die Reifung erfolgt vakuumverpackt, so hält es sich über Wochen frisch.



Das Küchenteam vom first floor führte mit einem feinen Gruß aus der Dessertküche den Abend nun in die Zielgerade, begleitet von einem extrem – fast auf Eisweinniveau – runtergekühlten Champagner, wieder aus dem Haus Piper-Heidsieck. Spannend einen Champagner so kalt zu trinken, in dem Moment auch überzeugend.



Matthias Diether schloss die Tore unseres Ausflugs zur Hirschweide mit einem sehr kreativen Dessert: einem Waldspaziergang. Er zauberte einen erdigen Fußbadruck auf den Teller mit Beeren, Ahorn und Nussaromen, denen er ein Steinpilzeis und hier und dort auch ein Stück desselben unterschmuggelte. Das war in der Runde gefühlt der am kritischsten diskutierte Gang, eben wegen der Anwesenheit des Steinpilzes. Ich fand ihn reizvoll und zum Thema absolut stimmig – ein perfekter Abschluss.

Ein toller Abend, eine reichhaltige intime Begegnung mit dem Hirschen von weit her. Wunderschön ins Szene gesetzt auf feinsilbig klingendem Service. Wir wurden verwöhnt von einem perfekt harmonisierenden Team. So talentierten Köchen bei der Arbeit zusehen zu dürfen – dieses Ergebnis dann auch genießen zu dürfen, das ist einfach ein besonderes Glück!

Ach, und diese Crème Brûlée … und Neusseeland. Ich fürchte, ich möchte jetzt nach Neuseeland!

2014-10-25

Es gibt …

… Kohlrouladen, Baby!

Einsicht

Der den Sommer im Garten verbringende Nachbar ist nun zurück gezogen und räumte diese Woche die Balkonmöbel in den Keller. Er erkläre mir gegenüber den Sommer für beendet. Ich kommentierte das im Stillen mit „Weichei”.

Gestern stand ich mit Nachbarn und Hund draußen und übte mich wieder im Ball werfen, da machte sich nach einiger Weile ein Gespür von leichter Unterkühlung breit. Da leistete ich dem Nachbarn Abbitte, wieder im Stillen, und resignierte. Meine Balkonmöbel überwintern trotzdem draußen, die sind doch nicht aus Zuckerwatte.

So wusch ich gestern die Winterjacke. Jetzt waschen die Rollkragenpullis (my love) und Handschuhe. Als nächstes dürfen sich die winterlichen wollenen Röcke und Schals drehen. Nishia liegt gerade glücklich auf ihrem/meinem XXL-Lieblingsstrickschal.

Überlege außerdem bereits jetzt die Weihnachtspyramiden-Installation durchzuführen. So hat man doch gleich viel länger etwas von der Weihnachtszeit. Denn was Supermärkte können, kann ich auch!

Ach!

2014-10-23

Matjes-Salsa



Aus der von mir begründeten Reihe „Matjes kann mehr als Sahne und Zwiebel” heute ein gestern von mir kurzfristig ausprobiertes Rezept, das sehr schnell angefertigt – und angemessen gekühlt – eine charmante Sommerbegleitung sein könnte: eine Salsa vom Matjes. Also Matjes in einer anderen Umgebung als gewohnt, nämlich scharf mit frischem Aroma von Limetten.

Die Menge ist für vier Portionen als Vorspeise.


Zutaten

4 milde größere Matjesfilets
2 rote kleinere Chilischoten
2 Limetten, da auch Zesten verwendet werden vom grünen Bauern
2 kleine rote Zwiebeln
3 Blätter frischer Koriander
Pfeffer


Zubereitung

Die Matjesfilets werden in sehr feine Streifen geschnitten, ca drei Millimeter breit. Sie sollten beim Vermengen nicht zerfallen. Die Chilis in feine Ringe schneiden. Wer es nicht so scharf mag, sortiert die Kerne. Die roten Zwiebeln schälen, in zwei Hälften schneiden und auch diese in sehr dünne Ringe schneiden.

Von einer halben Limette sehr feine Zesten ziehen, beide Limetten danach ausdrücken.

Alle Zutaten zusammen mit den gezupften Korianderblättern und den Limettenzesten vorsichtig vermengen und pfeffern. Den Saft der Limetten aber erst sehr kurz vor dem Servieren an die Salsa geben, damit der Fisch nicht weiter gart.

Leicht gekühlt im Glas servieren mit frittierten Kartoffelchips oder auf einem kleinen Rösti angerichtet.

2014-10-22

Mein Ende gehört mir!

Mein Ende gehört mir!” Der Slogan mit dem zur Zeit die Gesellschaft für Humanes Sterben (Freud ließ mich hier zuerst „Werben” schreiben, ich finde, Ihr solltet das wissen.) auf die aktuelle Debatte in Deutschland aufmerksam macht zum Thema Sterbehilfe. Jedes Bundesland regelt die Beihilfe eines Arztes zur Selbsttötung anders, hier soll es nun zu einer bundeseinheitlichen Regelung kommen. Debatten folgen derzeit auf politischer Ebene und werden im November in einer Anhörung vor dem Bundestag ihren ersten Höhepunkt finden. Mit einer Gesetzesvorlage und -verabschiedung muss man nicht vor Ende 2015 rechnen – wenn dann was entschieden werden wollte.

Prof. Dr. Udo Reiter, der ehemalige Intendant des MDR, der am 9. Oktober diesen Jahres sein Leben freiwillig beendete, war langjähriges aktives Mitglied der DGHS und Fürkämpfer für ein freibestimmtes Sterben in unserer Gesellschaft. Noch eine Woche vor seinem Suizid sprach er in einer im Fernsehen ausgestrahlten Talkshow darüber, dass er sich wünsche, wenn er es dann für sich für richtig halten würde, einen Cocktail einnehmen zu dürfen, um friedlich einschlafen zu können.

Ein unerfüllter Wunsch. Udo Reiter wählte, warum auch immer, die Waffe.

Menschen, die sich eine lange Lebensphase mit ihrer Gesundheit, Krankheit und somit zwangsläufig ihrem Tod auseinander setzen und für sich eine sehr persönliche und ihr Leben grundlegend beeinflussende Entscheidung treffen, wäre künftig mehr als zu wünschen, dass sie sich nicht auf so schreckliche Weise suizidieren müssen, wie sich vor einen Zug zu werfen oder sich mit der Waffe zu richten.

Ich denke dieser Tage vor allem an den Menschen, der Udo Reiter aufgefunden hat. An den Lokführer, der heute mit dem Suizid von Robert Enke für immer ganz anders leben muss, als wir alle das tun müssen. An die Menschen, die in dieser Nacht vor Ort waren und sehen mussten.

Als meine Großmutter sich suizidierte, wählte sie die Herrentoilette ihres Altenheims als Ort. Mit Bedacht, so stand es in ihrem letzten Brief, sie glaubte, dass Männer mit dem Anblick ihrer Leiche wohl besser klar kommen würden. Ich habe mit dem Freitod meiner Oma irgendwann abschließen können und kann ihre Entscheidung immer mehr nachvollziehen. Ich habe aber heute noch ein ungutes Gefühl bei dem Gedanken daran, wie es dem Menschen im Nachgang ergangen sein muss, der sie so auffinden musste. Der sie noch versuchte zu retten, denn sie lebte noch, wurde auch lebend ins Krankenhaus eingeliefert. Die Ärzte ließen sie dort gnädig gehen in weiser Voraussicht der entstandenen zerebralen Schäden.

Sicher liegt in der Natur der Umgebung in der sich alles abspielte, dass dieser Mann diese schreckliche Erleben nicht mehr ein ganzes Leben mit sich tragen musste, begleitet wird es ihn wohl aber haben – bis zu seinem Ende.

Ich habe meinen Opa als ich zehn Jahre alt war, sehr schnell und sehr schrecklich an Krebs sterben sehen. Die Oma wählte den Freitod kurze Zeit später, ich war zwölf. Neunzehn war ich als mein Vater binnen eines halben Jahres an den Folgen seines Lungenkrebs starb, schrecklich verstarb. Mit Schmerzen. Mit Atemnot. Ein Tod begleitet durch langsames Ersticken. Und dieses Ersticken begleitet durch fürchterlichen Schmerz. Salopp gesprochen, das kann man sich ruhig klar machen, haben manche Menschen im Sterben die doppelte Ar***-Karte.

Den ersten normalen Tod, weil hier das Alter seinen ganz einfachen Tribut zollte, erlebte ich zehn Jahre später, als meine andere Oma verstarb – weit in ihren Siebzigern. Diese zwangsläufig für mich sehr frühe Auseinandersetzung mit dem Tod unter schmerzvollen Bedingungen, hat mich mein Leben lang angetrieben, mich mit dem Tod auseinander zu setzen. Ich hatte damals nach dem Tod meines Vaters für mich die Entscheidung getroffen, sollte ich irgendwann die Diagnose Krebs erhalten, dass ich ab einem bestimmten Moment der im Krankheitsverlauf ein vorhersehbares Ende meines Lebens diktiert, eine finale Entscheidung für mich treffen wollte. Und das muss man eben auch können. Ich bereitete mich also darauf vor.

Das heißt noch lange nicht, dass ich es tun werde, wenn es soweit ist. Aber ich möchte es tun können. Übrigens hat mich die Auseinandersetzung mit dem Thema Sterben und Suizid besonders in dem Erleben der Krankheit, mit der ich mich gerade auseinander setze, davor beschützt, für mich ungünstige Entscheidungen zu treffen. Meine Erfahrung ist, je mehr man sich bewusst mit dem Sterben auseinander setzt, um so näher ist man dem Leben und liebt dieses auch in dunklen Stunden – auf eigene Weise.

Und dennoch möchte ich die Freiheit haben für mich, wenn ich den unbedingten Wunsch habe meine letzte Stunde selber zu bestimmen, diese Stunde es werden zu lassen. Und zwar so, dass ich möglichst wenig Menschen durch die aktive Vorgehensweise mit belasten muss.

Denn gerade der Freitod beeinträchtigt andere Menschen noch ganz anders als die sich in der Trauer befindlichen Freunde und Verwandte. Der Lokführer, der gezwungen wird, einen Menschen zu überrollen. Der Mensch, der den sich erschossenen Menschen auffinden muss – ein ganz schrecklicher Anblick, die meisten richten die Waffe gegen den Kopf – das sind traumatische Erlebnisse für die, die aufinden, die übrig bleiben; für die, die vor Ort ermitteln und aufräumen müssen. Und mit dieser Entscheidung des Anderen dann ein Leben lang leben müssen.

Herr Münterfering, derzeit gerne in jeder Diskussion zugelassene Gegenstimme zur weiterführenden Legalisierung der Sterbehilfe, möge einmal an diese Menschen denken, wenn er von den Kranken verlangt, Verantwortung in ihrem Sterben zu tragen für die Hinterbliebenen und die, die pflegen. Herr Müntefering möge sich einmal mit der medizinischen Seite auseinander setzen, derer, die nach der Pflege eines Verstorbenen im Erleben eines schrecklichen Sterbens und Dahinsiechens traumatisiert sind. Krank werden in der Folge. Arbeitslos. In der Folge oft selbst hochgradig Suizid gefährdet.

Herr Müntefering möge sich bitte auch mit dem künftigen Erleben unserer Generation in der Pflege auseinander setzen, denn wir werden, da zunehmend vom schnöden Mammon diktiert, weder schöner noch angenehmer sterben. Da wirkt es eher zynisch, folgt er in der Debatte (s)einer Argumentation, wir mögen doch bitte auch die Arbeit des Pflegepersonals wertschätzen. Das künftige Pflegepersonal wird uns in Deutschland zunehmend in unserem Sterben nicht verstehen, weil es unsere Sprache kaum bis gar nicht spricht.

Wir sollten nicht so tun als würden diese Menschen, die selbst über ihr Sterben bestimmen möchten, das ohne Überlegung und Verantwortung tun. Diesem besonderen Wunsch gehen lange und viele Gedanken voraus, intensive Gespräche. Ich erlebe es bei einer Freundin mit einem Krebs-Rezidiv, die bei der ersten Diagnose noch von der Lösung Schweiz sprach als für sich unabdingbare Lösung. Die gleiche Freundin heute – in der Rezidivbehandlung, die bis zu ihrem Tod, begleiten wird – für sich entschieden hat, den Weg bis zum Ende zu gehen und sich heute in Richtung Hospiz orientiert und uns darauf vorbereitet.

Die Idee vom Tod unterliegt immer der eigenen Entwicklung. Die Freiheit das eigene Ende selbst bestimmen zu können, heißt doch nicht zwangsläufig, dass es auch alle tun werden. Sie bedeutet lediglich: wir können uns auch für einen anderen Weg entscheiden. Sie bedeutet Frieden. Wir alle sollten wählen dürfen. Und wir sollten uns vor allem eine Gesellschaft erhalten, in der eine solche Entscheidung nicht durch An- oder Abwesenheit von Geldern vorrangig betrieben wird.

Diese Sorge treibt mich in diesem Land viel mehr um zur Zeit!

2014-10-16

Gift und Galle spucken!

Habt Ihr diesen Monitor-Beitrag gesehen?



Es geht darin um eine junge Frau, zweifache Mutter, arbeitlos, der seitens des Jobcenters hinsichtlich ihrer beruflichen Qualifikation ein psychologischer Text aufgezwungen wurde. Hintergrund dieses Tests ist, das ist seit einiger Zeit bekannt und wird auch massiv kritisiert, dass die Jobcenter mit diesen Tests eine Aussortierung von arbeitsuchenden Menschen vornehmen. Laut Arbeitsagentur dienen diese Tests dazu festzustellen, ob ein Arbeitsuchender notwendige Kompetenzen aufweist, um an einer beruflichen Weiterbildung teilzunehmen. Es werden dabei nicht etwaige besondere berufliche Kompetenzen getestet, es wird lediglich der geistige Zustand überprüft. Er wird geprüft, ob der künftige Maßnahmenteilnehmer nicht vielleicht zu blöd ist, den Stift zu halten. Die Bewertung wird dem Bezugsempfänger nicht transparent gemacht.

Inoffiziell ist bekannt, dass die Arbeitsagentur diese Tests vorrangig dafür benutzt, um an einer Weiterbildung interessierte Bezugsempfänger, unter dem Vorwand eines Gutachtens dann abzulehnen – um Kosten zu sparen. Diese Begutachtung fällt dann tatsächlich nur manchmal auch nach einer persönlichen psychologischen Begutachtung aus. Der Bezugsempfänger muss Fragen beantworten, die in einer Art Flyer aufbereitet wurden.

Der SWR berichtete hierüber bereits im Juli 2013 im report unter dem Titel „Willkür bei der Arbeitsagentur”.

Bei dem Fall der in dem monitor-Beitrag besprochenen Frau geht die Agentur für Arbeit einen sehr interessanten neuen Weg, der in seiner Dreistigkeit wohl kaum noch getoppt werden kann. Diese Frau musste diesen Test machen, wurde laut ihrer eigenen Aussage gar nicht von einem Psychologen zum Gespräch gebeten. Man beschied ihr aber nach diesem Test laut „Gutachten nach Aktenlage” eine dauerhafte geistige Behinderung.

Das ist ein Skandal, der lt. monitor immer häufiger passiert in dieser Republik!

Noch einmal: diese Frau ist 41 Jahre alt, war immer in der Lage die ihr von der Agentur zugewiesenen 1-Euro-Jobs auszuüben, sie hat zwei Kinder groß gezogen, äußert sich vor der Kamera in klaren strukturierten Sätzen, denen man problemlos folgen kann. Sie schreibt eigenverantwortlich und selbstständig ihre Bewerbungen. Sie ist laut ihrer Aussage weder vom Sozialmedizinischen Dienst begutachtet worden, noch jemals in den 41 Jahre zuvor mit einer psychischen geistigen Behinderung diagnostiziert worden.

Das tut nun aber ihr zuständiges Jobceter. Ohne eine persönliche Begutachtung! Ohne Befugnis, ohne jegliche Kompetenz. Schon gar nicht mit der Beauftragung dieser Bezugsempfängerin, dass man an ihr eine derartige Begutachtung überhaupt durchzuführen habe.

Der eigentliche Hintergrund dieser Diagnose, davon abgesehen, dass man der Dame nunmehr keine Weiterbildung finanzieren muss, ist natürlich ein weiterer aus Sicht der Bundesagentur für Arbeit legitimer Grund: sie kann jetzt nämlich befinden, dass die Dame aufgrund ihrer Behinderung dem Arbeitsmarkt für drei Stunden am Tag gar nicht mehr zur Verfügung stehen kann und sie somit an die Bundesversicherungsanstalt verweisen mit dem Hinweis, sie möge dort um ihre Verrentung ersuchen. Die BfA jedoch wird die Dame als absolut arbeitsfähig befunden und die Dame wieder zurück an das Jobcenter verweisen. Das kann aber Leistungszahlung verweigern, weil die Dame ja nicht arbeitsfähig ist.

In diesem Prozess stecken in diesem Land sehr viele Menschen. Sie werden von den Jobcentern in Frührente geschickt, weil man Leistungen sparen möchte, weil man die Statistik beschönigen möchte, weil man nicht zugeben möchte, dass der Arbeitsmarkt für einen Großteil der Bürger dieses Landes nicht mehr existiert.

Guckt man sich diesen monitor-Beitrag an, wird man – während vor der Kamera in dem Testflyer geblättert wird – einen interessanten Testteil entdecken, nämlich die Überprüfung der Fähigkeit des räumlichen Sehens. Das ist insofern sehr spannend, weil hier offensichtlich wird, dass gegebenenfalls ein mangelhaftes Sehvermögen, das meines medizinischen Fachwissens nach eine rein körperliche Beeinträchtigung darstellt und keine geistige, womöglich in die Beurteilung der geistigen Kompetenz einbezogen wird.

Das ist schon ein starkes Stück! Ich, zum Beispiel, habe eine Amblyopie, also an einem Auge einen verkümmerten Sehnerv. Mir als Kind das „sehende” Auge zuzukleben, um den faulen Sehnerv zu aktivieren, hatte man versäumt. Sie äußert sich darin, dass ich auf einem Auge extrem kurzsichtig bin, was die andere Seite mit einer extremen Weitsichtigkeit aber wett macht. Eine Katastrophe ist das nichtn. Es wirkt sich lediglich negativ auf mein räumliches Sehen aus. Ich sehe etwas später als andere, wenn von rechts hinten etwas in mein Blickfeld rutscht. Ich spiele nicht gerne Computerspiele, die mit tieferen Ebenen daher kommen, denn das zu erfassen, sich im Bildwechsel schnell zurecht zu finden, ist für mich unangenehm anstrengend. Gestört hat es mich nie, ich kenne es nicht anders. Das Tragen einer Brille hilft nicht, denn der verkümmerte Sehnerv meldet nun mal keine scharfen Bilder an das Gehirn.

Jetzt stelle ich mir vor, ich mache diesen bekloppten Test von der Agentur und erziele womöglich beim Punkt „räumliches Sehen” keine Punkte. Vielleicht versage ich noch bei zweikommafünf Rechenaufgaben – und dann bin ich womöglich prompt geistig behindert – aus Sicht einer Behörde, die überhaupt keine Befugnis hat, solche Urteile über die ihr anvertrauten Schutzbefohlenen zu fällen? Und die sich bei einer solchen möglichen Diagnose dann auch noch als zu bescheuert heraus kristallisiert, die betreffende Person vorab einer fachkompetenten Person vorzustellen?

Seht Euch diesen Beitrag an. Nehmt diesen unglaublich inkomptenten Pressesprecher des Jobscenters zur Kenntnis.

Ihr könnt übrigens etwas tun: Ihr könnt Euren Lieblingsabgeordneten schreiben und ihn auffordern bei dieser Behörde den Test und vor allem sein Bewertungsschema zu veröffentlichen, also transparent zu machen. Außerdem könnt Ihr die Aufforderung aussprechen, die Anwendung dieser zweifelhaften psychologischen Tests – vor allem aber eine Begutachtung alleine aufgrund der Aktenlage – ab sofort zu unterbinden.

Oder könnt Ihr sicher sein, ob nicht auch Euch diese Art von Schikane treffen kann?

(Kommentare sind aus Gründen der Erfahrung aus.)

Streiklogik

Bei Streikemotionen gibt es als Betroffener zwei Möglichkeiten in der Handhabung:

1. Total sauer sein auf die Streikenden, alles doof finden was sie wollen, schmollen und am liebsten denen auf die Fresse geben und vor allem, ganz wichtig, als nichtorganisierter Arbeitnehmer in die TV-Kameras bellen, man selbst könne ja auch nicht „einfach” streiken, nur weil man mehr Geld wolle.


2. Oder man wendet sich an den Tarifpartner und erklärt ihm, man erwartet nun, dass er sich endlich auf die Forderungen der Streikenden, Arbeitnehmer etwas schneller mehr hin bewegt.

2014-10-15

Prinzessinnenblues

Hochzeitsgesellschaft unten im Engelbecken. Fototermin mit Braut und Bräutigam und den üblich wichtigen Personen – vielleicht vor islamischer Buddha-Brunnen-Kulisse. Der Bräutigam schön staatlich, die Braut in einem Kleid mit einem Reifrock, dessen Durchmesser offensichtlich mit der Kugel vom Fernsehturm konkurrieren möchte. Die Gesellschaft schreitet durch den Garten zurück zum Becken. Ein Teil der Gesellschaft. Die Braut stöckelt. Auf Kies mit Brautschuhen zu laufen, das mag am Brautttag eine der besonderen Herausforderungen zu sein.

Der Ehemann schreitet wie ein stolzer Pfau vorneweg, dahinter fünf Männer, sein Gefolge. Es folgt die Braut, alleine. Hinter ihr wieder eine Handvoll in Anzügen gewandete Herren. Man schickt sich an die seitliche Treppe hochzusteigen. Keiner, schon mal gar nicht der Bräutigam, schickt sich an, der Braut dabei helfend die Hand zu reichen.

Da ist die Frau einmal in ihrem Leben endlich die Prinzessin, von der sie vielleicht immer träumte, sie sein zu wollen. Und dann sind auf einmal alle Prinzen abwesend.